Osteopathie ist eine ganzheitliche medizinische Disziplin, die sich auf die Diagnose und Behandlung von Funktionsstörungen des Bewegungsapparates und anderer Körpersysteme konzentriert. Obwohl sie oft mit orthopädischen Problemen in Verbindung gebracht wird, bietet sie auch bei neurologischen Erkrankungen und Nervenentzündungen vielversprechende Therapieansätze. Dieser Artikel beleuchtet die Anwendung der Osteopathie bei Nervenentzündungen, ihre Wirkungsweise, ihre Grenzen und ihre Rolle in der modernen medizinischen Versorgung.
Ganzheitlicher Ansatz der Osteopathie
Die Osteopathie betrachtet den menschlichen Körper als eine untrennbare Einheit, in der Struktur und Funktion eng miteinander verbunden sind. Sie geht davon aus, dass Beschwerden und Schmerzen durch Bewegungseinschränkungen und daraus resultierende Gewebespannungen entstehen können. Osteopathen suchen nach den Ursachen dieser Dysfunktionen und behandeln den Menschen in seiner Gesamtheit, anstatt sich nur auf die Symptome zu konzentrieren.
Prof. Marina Fuhrmann, Vorsitzende des Verbandes der Osteopathen Deutschland e.V. (VOD), betont: "Die Osteopathie betrachtet das Zusammenspiel von Nerven, Muskulatur, Faszien und Organen in ihrer gesamten Funktion. Gerade bei neurologisch geprägten Beschwerden ist dieser ganzheitliche Blick entscheidend für nachhaltige Verbesserungen."
Dr. med. Dipl.-Psych. Zoran Mihajlovic, Facharzt für Neurochirurgie und Osteopath aus Kiel, bestätigt den hohen Nutzen osteopathischer Verfahren auch aus schulmedizinischer Sicht: "Für Neurologie und Osteopathie ist ganzheitliches Vorgehen wesentlich. Grundsätzlich ist die genaue Kenntnis der Genese der neurologischen Erkrankungen erforderlich und der ganzheitliche Gedanke, dass die Strukturen alle miteinander auf diversen Ebenen kommunizieren und verbunden sind."
Anwendungsbereiche der Osteopathie bei Nervenentzündungen
Osteopathie kann bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen und Nervenentzündungen eingesetzt werden, darunter:
Lesen Sie auch: Wie Osteopathie bei eingeklemmten Nerven hilft
- Karpaltunnelsyndrom: Hierbei ist der Nervus medianus am Handgelenk durch Engpass oder Reizung betroffen, was zu Kribbeln, Taubheitsgefühl und Kraftverlust führen kann.
- Bandscheibenleiden: Osteopathie kann bei durch Bandscheibenvorfälle verursachte Schmerzen und Missempfindungen eingesetzt werden.
- Ischiasschmerzen: Diese können durch Verspannungen der Rückenmuskulatur, Wirbelkörperblockaden oder Bandscheibenprobleme entstehen.
- Funktionelle Nervenirritationen: Osteopathie kann helfen, Reizzustände zu behandeln und muskuläre Dysbalancen zu lösen.
- Multitope Schmerzen und Missempfindungen: Diese können durch Stenosen oder Tumoren verursacht werden.
- Weitere Beschwerden: Osteopathie kann auch bei Bewegungsfähigkeiten, Schlafstörungen, Energieverlust, Schwindel, vegetativen und kognitiven Störungen eingesetzt werden.
Osteopathische Behandlungstechniken
Osteopathen verwenden verschiedene manuelle Techniken, um Bewegungseinschränkungen zu lösen, Gewebespannungen zu reduzieren und die Selbstheilungskräfte des Körpers anzuregen. Dazu gehören:
- Parietale Osteopathie: Diese befasst sich mit der Therapie von Muskeln, Knochen und Gelenken.
- Viszerale Osteopathie: Diese konzentriert sich auf die Behandlung der inneren Organe und ihrer Verbindungen zum Bewegungsapparat.
- Craniosacrale Osteopathie: Diese zielt darauf ab, Spannungsphänomene am Schädel und im gesamten Körper zu lösen.
- Neurodynamik: Diese sanfte Technik verbessert die Gleitfähigkeit der Nerven.
- Faszienbehandlung: Diese löst Verklebungen und Spannungen im Fasziensystem, das den gesamten Körper durchzieht.
Osteopath Wolfgang Dreyer unterstreicht: "Grundsätzlich lassen sich alle Nervenkompressionssyndrome bei entsprechender Ausbildung, Erfahrung und Feingefühl des Therapeuten sowie guter Mitarbeit des Patienten verbessern oder auflösen."
Im Fall des Karpaltunnelsyndroms analysiert die Osteopathie zusätzlich Faktoren wie Körperhaltung, Verspannungen entlang des gesamten Nervenverlaufs - vom Hals über Schulter und Ellenbogen bis zur Hand - und verbessert die Gleitfähigkeit der Nerven durch sanfte Techniken wie Neurodynamik.
Die Rolle der Faszien bei Nervenentzündungen
Faszien sind dünne Bindegewebsschichten, die den gesamten Körper durchziehen und alle Strukturen miteinander verbinden. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Kräften und der Aufrechterhaltung der Körperhaltung. Verklebte oder verspannte Faszien können zu Bewegungseinschränkungen, Schmerzen und Nervenirritationen führen.
Bei Nervenentzündungen können Faszien eine besondere Rolle spielen, da die Nerven durch die Faszienschichten verlaufen. Kontrahieren sich die Faszien, beispielsweise aufgrund von Narbenbildung oder Entzündungen, kann dies zu einer Einengung der Nerven und damit zu Schmerzen und Funktionsstörungen führen.
Lesen Sie auch: Symptome einer Nervenentzündung erkennen
Ein Beispiel hierfür ist die Gürtelrose (Herpes zoster), bei der die peripheren Nerven vom Windpockenvirus befallen werden. Die Viren gelangen durch die oberflächige Faszienschicht zur Haut, was zu einer Kontraktion der Faszien führen kann. Durch die Dehnung der Faszien kann dem Nerv wieder mehr Spielraum in seiner Loge verliehen und der Schmerz reduziert werden.
Osteopathie und Neuraltherapie
Neben der Osteopathie kann auch die Neuraltherapie bei Nervenentzündungen eine wirksame Behandlungsmethode sein. Die Neuraltherapie ist eine innovative Form der Schmerztherapie, die sich auf die gezielte Anwendung von Lokalanästhetika konzentriert. Als Injektionstherapie zielt sie darauf ab, gestörte Regulationsmechanismen im Nervensystem zu normalisieren und eine effektive Linderung von akuten und chronischen Schmerzen zu ermöglichen.
Der Schlüssel zur Wirksamkeit der Neuraltherapie liegt in der gezielten Anwendung von Lokalanästhetika wie Procain oder Lidocain. Diese werden an bestimmten Stellen im Körper injiziert, um gestörte Nervenbahnen zu beeinflussen und Schmerzsignale zu blockieren. Dabei ist die Theorie der Störfeldtherapie entscheidend, wonach Störungen an einem Ort des Körpers auf andere Bereiche ausstrahlen können.
Ein wesentlicher Anwendungsbereich der Neuraltherapie ist die Schmerzbehandlung. Sie eignet sich sowohl für akute Schmerzen, beispielsweise nach Verletzungen oder Operationen, als auch für chronische Schmerzen, die oft eine große Belastung für die Betroffenen darstellen. Ein weiterer Aspekt der Neuraltherapie ist die Triggerpunkt-Therapie. Triggerpunkte sind verspannte Muskelknoten, die oft Schmerzen in anderen Bereichen des Körpers verursachen können. Die Neuraltherapie bietet auch eine vielversprechende Migränebehandlung. Im Bereich des Bewegungsapparates hat sich die Neuraltherapie ebenfalls bewährt. Sie kann bei Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen und Muskelverspannungen effektiv eingesetzt werden. Die Neuraltherapie hat jedoch nicht nur bei den genannten Beschwerden ihre Anwendung, sondern kann auch bei einer Vielzahl anderer Probleme helfen. Die Neuraltherapie zeichnet sich durch ihre ganzheitliche Herangehensweise aus. Sie behandelt nicht nur die Symptome, sondern berücksichtigt auch die zugrunde liegenden Ursachen der Beschwerden.
Grenzen der Osteopathie
Die Osteopathie hat ihre Grenzen dort, wo ernsthafte oder akute Verletzungen oder Erkrankungen vorliegen. In solchen Fällen ist es ratsam, einen klassischen Mediziner oder die Notaufnahme aufzusuchen. Osteopathie kann in einem solchen Fall nur eine begleitende und unterstützende Behandlungsmethode sein.
Lesen Sie auch: Behandlungsmöglichkeiten bei chronischer Nervenentzündung im Rücken
Unter Wissenschaftlern und Schulmedizinern ist die Wirksamkeit der Osteopathie teilweise umstritten. Sie argumentieren, dass es keine generalisierbaren oder zweifelsfrei nachweisbaren Behandlungsergebnisse gibt und sich größtenteils eine Art Placeboeffekt einstelle. Vor diesem Hintergrund wird der Osteopathie nachgesagt, dass sie hauptsächlich zum Wohlbefinden der Betroffenen beiträgt und darüber hinaus nur vereinzelt nachprüfbar ist.
Dennoch gibt es zahlreiche Erfahrungsberichte von Betroffenen über positive Wirkungen der Osteopathie. Eine große Übersichtsstudie, die im September 2014 im renommierten englischen Fachjournal BMC Musculoskeletal Disorders erschien, zeigt statistisch signifikante, klinisch relevante Erfolge osteopathischer Behandlungen bei unspezifischen Rückenschmerzen. Die Studie unterstreicht, dass osteopathische Behandlungen den Schmerz verringern und die Fähigkeit verbessern, alltägliche Arbeiten auszuführen.
Die Wahl des richtigen Osteopathen
Um von einer osteopathischen Behandlung zu profitieren, ist es wichtig, einen qualifizierten und erfahrenen Therapeuten zu wählen. Ein seriöser Osteopath macht weder Heilungsversprechen, noch verlangt er Vorkasse oder stellt überhöhte Rechnungen.
Ihr Osteopath sollte in der Lage sein, seine Qualifikation durch eine umfassende Ausbildung in den Teilbereichen der Osteopathie (craniosacrale, viszerale und parietale Osteopathie) nachweisen zu können. Zusätzlich sollte er Mitglied in einem Berufsverband der Osteopathen sein oder zumindest aufgrund seiner absolvierten Ausbildung dazu berechtigt sein, einem dieser Verbände beizutreten.
Der Verband der Osteopathen Deutschland e.V. (VOD) setzt sich für Patientensicherheit und Verbraucherschutz ein und vermittelt hoch qualifizierte Osteopathen. Auf der Website osteopathie.de finden Sie weitere Informationen und können nach einem Osteopathen in Ihrer Nähe suchen.
tags: #osteopathie #bei #nervenentzündung #behandlung