Parkinson-Krankheit: Aktuelle Forschung und Therapieansätze

Die Parkinson-Krankheit, nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung des Nervensystems, betrifft allein in Deutschland etwa 400.000 bis 500.000 Menschen. Der Welt-Parkinson-Tag am 11. April macht jährlich auf diese Erkrankung aufmerksam. Obwohl die Krankheit bis heute nicht heilbar ist, gibt es in der Forschung und Behandlung erhebliche Fortschritte, die das Leben der Betroffenen verbessern können.

Verbesserte Diagnostik und Behandlung

Experten sehen nach jahrzehntelanger Forschung einen positiven Trend: „Zwar ist es immer noch eine ernste Erkrankung, aber sie führt in vielen Fällen nicht zu einer Einschränkung der Lebenserwartung", so Prof. Günter Höglinger, Direktor der Neurologischen Klinik des LMU Klinikums München. Dies ist vor allem dem erheblich verbesserten Wissen zu Parkinson-Diagnostik und Behandlung zu verdanken.

Die individuelle und ganzheitliche Behandlung erfordert eine enge Kooperation von Fachdisziplinen wie Neurologie, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Psychologie und Pflege. „Die koordinierte Zusammenarbeit der beteiligten Berufsgruppen kann die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig verbessern“, betont Prof. Kathrin Brockmann, erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) e. V. Die medizinische Fachgesellschaft unterstützt gezielt Initiativen, welche die multidisziplinäre Versorgung stärken. Hierzu gehören der Parkinson Netzwerke Deutschland (PND) e. V. mit dem Parkinson-Netzwerkkongress 2025 in Osnabrück, die aktualisierte Weiterbildung zur Parkinson Nurse sowie das multidisziplinäre Forum auf dem Deutschen Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen 2026 in Leipzig.

Ursachenforschung und genetische Faktoren

Die Parkinson-Erkrankung ist durch das Absterben dopaminerger Nervenzellen gekennzeichnet. Als Ursache steht neben Umwelt- und Altersfaktoren die Genetik im Fokus der Forschung, insbesondere Mutationen in den Genen SNCA, LRRK2, Parkin, PINK1 und GBA1. Die Identifikation genetischer Risikofaktoren ermöglicht die Entwicklung von Biomarkern zur Früherkennung und ebnet den Weg für innovative gentherapeutische Ansätze.

Genetische Studien haben bestimmte Gene identifiziert, die mit einem erhöhten Risiko für Parkinson in Verbindung stehen, wie das LRRK2-Gen. Umweltfaktoren, wie die Exposition gegenüber bestimmten Pestiziden oder Schwermetallen, werden ebenfalls untersucht. Beispielsweise haben einige Studien gezeigt, dass Landwirte und Winzer, die regelmäßig Pestizide verwenden, ein höheres Risiko haben, an Parkinson zu erkranken.

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Aktuelle Therapieansätze und Medikamentenforschung

Parkinson lässt sich bislang nur symptomatisch behandeln - die Forschung sucht intensiv nach neuen krankheitsmodifizierenden Therapieansätzen. Im Bereich der medikamentösen Therapie stehen zwei Wirkstoff-Targets im Fokus: der GLP-1-Rezeptor, dessen Aktivierung neuroprotektive Effekte haben könnte, und alpha-Synuclein, dessen Aggregation mit der Pathogenese von Parkinson in Verbindung steht. „Beides sind äußerst spannende Ansätze, die Hoffnung wecken, dass es in naher Zukunft erstmals möglich wird, das Fortschreiten neurodegenerativer Prozesse zu verlangsamen“, betont Professorin Kathrin Brockmann, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) e. V. anlässlich des Welt-Parkinson-Tags 2025.

GLP-1-Rezeptoragonisten

Gerade ist eine französische Studie zu einem Wirkstoff zur Diabetes-Behandlung erschienen, der möglicherweise auch bei Parkinson hilft. An der Studie nahmen 156 Probandinnen und Probanden mit leichtem bis mittelschwerem Parkinson teil. Die Hälfte bekam das Diabetesmittel, die anderen nur ein Placebo. Alle schluckten außerdem weiter ihre Standardmedikamente. Nach einem Jahr hatte sich die Parkinson-Erkrankung in der Placebogruppe verschlechtert.

Noch ist offen, wie sich der positive Effekt bei Parkinson erklären lässt. Möglicherweise liegt es daran, dass der Wirkstoff Entzündungen bekämpft. Ob Menschen mit Parkinson dieses oder ein anderes Diabetesmittel einmal verordnet bekommen, ist im Moment noch fraglich. Denn der Unterschied zur unbehandelten Gruppe war eher klein, und es gab unerfreuliche Nebenwirkungen, vor allem Übelkeit.

Für David Standaert, einem Neurologen an der University of Alabama in Birmingham, ist es vor allem wichtig, ob der Effekt länger als ein Jahr anhält und ob er mit den Behandlungsjahren zunimmt oder klein bleibt. Das sind alles sogenannte GLP-1-Rezeptor-Agonisten. Jetzt kommt es auf Langzeitstudien an. Wenn sich Parkinson mit dieser Klasse von Diabetesmitteln über mehrere Jahre stoppen ließe, wäre das ein Riesenfortschritt.

GLP-1 steht für "Glucagon-like peptide 1". Das ist ein Hormon, das natürlich im Körper vorkommt. Es stimuliert die Insulinproduktion und senkt den Blutzuckerspiegel nach den Mahlzeiten.

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Alpha-Synuclein-Antikörper

Anfang 2024 hat eine Subgruppen-Analyse [1] der PASADENA-Studie [2] angedeutet, dass der alpha-Synuclein-Antikörper Prasinezumab für Betroffene mit schnellerem Krankheitsverlauf in der Frühphase der Erkrankung Vorteile bietet. Mit der PADOVA-Studie haben weitere Forschungsaktivitäten mit Prasinezumab als Zusatzbehandlung zur symptomatischen Standardtherapie begonnen [3].

In der open-label-Extensionsphase3 der PASADENA-Studie1 zeigte sich über vier Jahre ein verlangsamter Krankheitsverlauf - unabhängig vom Behandlungsbeginn - im Vergleich zu einer externen Kohorte, gemessen am MDS‑UPDRS Part III (MDS-UPDRS, Movement-Disorder-Society Unified Parkinson's Disease Rating Scale).3 Die fehlende placebokontrolle begrenzte jedoch die Aussagekraft. Basierend auf den Erkenntnissen der PASADENA-Studie wurde die PADOVA‑Studie4 initiiert. Sie untersucht Prasinezumab bei 586 Betroffenen im Frühstadium der Parkinson-Erkrankung, die derzeit bereits mit Levodopa oder MAO-B-Hemmern behandelt wurden.

Stammzellforschung

Stammzellen im menschlichen Gehirn entdeckt! Diese Meldung war Anfang des Jahres eine wissenschaftliche Sensation. Forscher wollen die Entdeckung nun nutzen, um neue Therapien gegen neurologische Erkrankungen zu entwickeln. Dazu gehört auch die Parkinson-Erkrankung.

Durch den Dopamin-Mangel in ihrem Gehirn können sich Parkinson-Patienten nur noch langsam bewegen, werden von ständigem Zittern geplagt und leiden unter versteiften Muskeln. Denn Dopamin spielt eine wichtige Rolle bei der Kontrolle von Bewegungsabläufen.

Der Weg zur Heilung klingt einfach: Man müssteStammzellen des Gehirns, die noch keine spezifische Aufgabe übernommen haben, dazu bringen, sich in Dopamin-produzierende Zellen zu verwandeln. Dadurch könnte man die abgestorbenen Zellen im Gehirn von Parkinson-Patienten ersetzen und sicherstellen, dass wieder ausreichend Dopamin produziert wird.

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Doch ganz soeinfach geht es nicht. Die Wissenschaftler müssen erst die komplizierten Mechanismendurchschauen, die die Entwicklung dieser Zellen steuern. Aus Experimenten mit isoliertem Hirngewebe waren bereits einige Gene bekannt, die an diesem Prozess beteiligt sind. Nun wollten die Forscher überprüfen, welche Rolle diese Gene invivo, also im lebenden Organismus, spielen.

In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt untersuchten sie die Funktion der Gene deshalb in Mäusen. Mit Erfolg: "Unsere wichtigsten Ergebnisse bestehen darin, dass wir bei Mäusen die Bildung von zusätzlichen Dopamin-produzierendenNervenzellen durch das Einbringen zweier Gene erreichen konnten", fasst Projektleiter Professor Wolfgang Wurst zusammen. Die Gene tragen die Bauanleitung für zwei Eiweißmoleküle. Beide Moleküle aktivieren wichtige Schritte in dem Entwicklungsprozess, der aus einer Stammzelle eine Dopamin-produzierende Nervenzelle werden lässt.

Als nächstes will Wurst untersuchen, ob die genetisch veränderten Mäuse vor der Parkinson-Krankheit geschützt sind. Hierzu will er ihnen Substanzen verabreichen, die bei normalen, genetisch unveränderten Mäusen denUntergang der Dopamin-produzierenden Zellen hervorrufen. Außerdem möchten er und sein Team herausfinden, durch welche Signale diese Gene aktiviert werden. "Am interessantesten sind dabei Signalstoffe, die aus dem Blut ins Gehirn übertreten können", erklärt Wurst. "Denn solche Substanzen könnten Parkinson-Patienten einfachals Medikament einnehmen. In ihrem Gehirn würde solch ein Wirkstoff dann die Bildung von Dopamin-produzierenden Nervenzellen anregen." Alternativ könnte man mithilfe der identifizierten Eiweißmoleküle Dopamin-produzierenden Nervenzellen aus isolierten Stammzellen im Labor züchten. Bis zur Umsetzung der bisherigen Erkenntnisse in Therapien ist es jedoch ein weiter Weg.

Tiefe Hirnstimulation

Alternativ oder ergänzend zur Dopaminersatztherapie können auch die Gehirnnetzwerke der Bewegungssteuerung direkt stimuliert werden. Dieses Verfahren nennt man tiefe Gehirnstimulation. In einem neurochirurgischen Eingriff werden Sonden im Gehirn platziert, die über ein implantiertes Schrittmachersystem, mittels schwacher elektrischer Impulse die Nervensignale der Bewegungssteuerung regulieren.

Ende vergangenen Jahres gab es aufsehenerregende Ergebnisse: Ein französischer Parkinson-Patient kann jetzt dank einer neuartigen Neuroprothese zum ersten Mal seit Jahren wieder weitgehend normal laufen. Eine Chirurgin in Lausanne hat dem Mann mehrere kleine Pulsgeber direkt am Rückenmark implantiert. Und zwar genau an den Stellen, an denen die Nervensignale für die Beinbewegungen abgehen. Das Problem sind die Informationen, die aus dem Gehirn Richtung Beine losgesendet werden. Genau hier hat das Forschungsteam angesetzt und diese Information durch elektrische Signale korrigiert. Dieses Jahr sollen sechs weitere Menschen mit Parkinson in Lausanne behandelt werden. Danach wissen wir mehr darüber, wie aussichtsreich der Ansatz auch für andere Patienten ist.

Biomarker als Schlüssel zur Früherkennung

Professorin Brit Mollenhauer hob die zentrale Rolle der Biomarkerforschung für eine moderne Parkinson-Medizin hervor. Biologische Marker seien essenziell für Früherkennung, Differenzialdiagnostik und individualisierte Therapien. Laut der Expertin erkennt der Test neurodegenerative Veränderungen mit einer Treffsicherheit von 97 % und zeigt bei Risikopersonen mit REM-Schlaf-Verhaltensstörung bereits Jahre vor Symptombeginn ein positives Ergebnis. Zur besseren klinischen Nutzbarkeit entwickeln Mollenhauer und ihr Team blutbasierte Tests.

Weitere Biomarker gewinnen Bedeutung: Genetische Risikoprofile, spezifizierte Immunzellveränderungen, etwa verstärkte Differenzierung von CD8‑TEMRA-Zellen im Frühstadium,14 sowie Veränderungen im Mikrobiom15 eröffnen neue Möglichkeiten für personalisierte Therapieansätze. Digitale Biomarker ergänzen das Spektrum durch objektive Erfassung motorischer und nichtmotorischer Parameter. Biomarker würden nicht nur eine frühere und präzisere Diagnosestellung ermöglichen, sondern - so Mollenhauer - seien sie der Schlüssel für eine präventiv-personalisierte Medizin.

Alpha-Synuclein in der Rückenmarksflüssigkeit ist ein zuverlässiger früher Biomarker für Parkinson (PD), der über das Fortschreiten der Erkrankung und die Wirkung einer Therapie Aufschluss geben kann - das konnte ein Forscherteam zeigen, an dem Prof. Lars Tönges (Bochum) und Prof. Brit Mollenhauer (Kassel/Göttingen) aus dem DPG-Vorstand beteiligt waren.

Bewegung, Schlaf und Lebensqualität

Viel Bewegung und guter Schlaf: Was wie ein allgemeiner Gesundheitstipp klingt, ist für Menschen mit Parkinson ein zentraler Bestandteil der Therapie. Darauf weisen anlässlich des Welt-Parkinson-Tags am 11. April 2025 die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) e. V. sowie die Parkinson Stiftung hin. Auch wenn Detailfragen in der Forschung zu diesem Thema offen sind, gilt bereits als gesichert: Regelmäßige körperliche Aktivität und ein gesunder Schlaf tragen wesentlich zur Lebensqualität von Betroffenen bei. „Bewegung und Sport sind bisher die einzigen Strategien, um das Fortschreiten der neurodegenerativen Erkrankung abzumildern“, betont Parkinson-Expertin Professorin Dr. Claudia Trenkwalder, Leiterin des Kompetenznetzwerks Parkinson und Bewegungsstörungen und ehemalige Chefärztin der Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel.

Die neue Behandlungsleitlinie betont unter anderem, dass es neben dem Zittern und den Bewegungsstörungen weitere häufige Probleme bei Parkinson gibt, die aber oft übersehen werden. Dazu gehören niedriger Blutdruck, Verstopfung, Schwierigkeiten mit der Blase und Sprach- oder Schluckstörungen.

Ganz wichtig ist, dass Parkinson sich auch mit Bewegung und Ernährung positiv beeinflussen lässt. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Ausdauersport dem Abbau von körperlichen und geistigen Fähigkeiten bei Menschen mit Parkinson entgegenwirkt. Wer an Parkinson leidet, könnte auch von spezieller Physiotherapie und kognitiven Übungen profitieren. Doch solche maßgeschneiderten Programme erreichen bisher nur wenige Betroffene.

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