Parkinson als Berufskrankheit für Landwirte: Studien und Anerkennung

Die Anerkennung der Parkinson-Krankheit als Berufskrankheit bei Landwirten, die regelmäßig Pestiziden ausgesetzt sind, ist ein wichtiger Schritt zum Schutz der Gesundheit dieser Berufsgruppe. Verschiedene Studien haben einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Pestiziden und einem erhöhten Parkinson-Risiko gezeigt. In Deutschland hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten (ÄSVB) im März 2024 empfohlen, das „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit anzuerkennen. Es wird erwartet, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dies in der zweiten Jahreshälfte 2024 in die Liste der Berufskrankheiten aufnehmen wird.

Hintergrund und Studienlage

Bereits vor über 30 Jahren gab es erste Berichte über Pestizide, die bei Mäusen Parkinson-ähnliche Symptome verursachten. Seitdem haben zahlreiche tierexperimentelle, In-vitro- und epidemiologische Studien sowie Metaanalysen den Zusammenhang zwischen Pestiziden und der Entstehung von Parkinson untermauert. Diese Studien zeigen, dass Pestizide über verschiedene Mechanismen auf den Zellstoffwechsel wirken und den Energiehaushalt sowie andere Zellfunktionen stören können. Insbesondere dopaminerge Neurone, die bei der Parkinson-Erkrankung zugrunde gehen, können durch Pestizide geschädigt werden.

Die Tübinger Professorin für Arbeits- und Sozialmedizin, Monika A. Rieger, erklärte in einem Fachgespräch, dass es viele Studien gebe, die einen klaren Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln und Parkinson zeigen. Sie sprach von einem „hohen Risiko“, die Krankheit häufiger und früher zu bekommen, wenn Personen den in der Landwirtschaft eingesetzten Pflanzenschutzmitteln unzureichend geschützt in hoher Konzentration ausgesetzt sind.

Kriterien für die Anerkennung als Berufskrankheit

Die aktuellen Kriterien für die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit sind:

  1. Erfüllung des Dosismaßes: Mindestens 100 trendkorrigierte Anwendungstage mit Pestiziden in eigener Vor- und Nacharbeit, eigener Ausbringung oder eigener Störungsbeseitigung im Rahmen der Ausbringung.
  2. Gesichertes Vorliegen einer Parkinson-Erkrankung: Die Diagnose muss von einem Neurologen bestätigt werden.

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jede Bewegungsstörung Parkinson ist. Dr. Christian Lechner, Chefarzt für Neurologie, hob hervor, dass es mehrere Unterarten von Parkinson gibt und nur das sogenannte „primäre Parkinson“, unter dem etwa 70 Prozent der Erkrankten leiden, mit Pflanzenschutzmitteln in Verbindung zu bringen ist. Dieses äußert sich vor allem durch unkontrollierbares Zittern oder Muskellähmungen, verursacht durch eine Verminderung der Dopaminproduktion im Gehirn.

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Schutzmaßnahmen und Prävention

Die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit unterstreicht die Notwendigkeit des Schutzes für exponierte Personen. Zum Schutzarsenal der Arbeitsmedizin zählen:

  • Das Tragen von Schutzkleidung inklusive Ganzkörper-Schutzanzügen
  • Schutzhandschuhe und festes Schuhwerk
  • Die Verwendung von schützenden Kabinenfahrzeugen
  • Atemmasken

Diese Maßnahmen können den Kontakt zu den Giftstoffen mit hoher Sicherheit vermeiden und das Risiko für spätere Erkrankungen deutlich reduzieren.

Prof. Dr. Joseph Claßen, 1. Vorsitzender der DPG, betonte, dass der Zusammenhang zwischen individueller hoher Belastung durch Pestizide und der Entstehung von Parkinson nahelegt, sich beim Einsatz dieser Pestizide ihrer Gefahren viel stärker bewusst zu werden, ihren Einsatz auch unter dem Aspekt des Schutzes vor neurodegenerativen Erkrankungen auf das Notwendigste zu beschränken und verstärkt nach für Mensch und Natur unschädlichen Ersatzstoffen zu suchen.

Monika A. Rieger nannte als oberstes Gebot die insgesamt deutliche Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Dies sei auch deshalb von Bedeutung, weil die Stoffe über Wind- oder Wasserverfrachtung auch abseits der Felder in die Umwelt gelangen und dort auf eine ungeschützte Bevölkerung treffen. Sie forderte zudem technische Schutzmaßnahmen für Landwirte, wie geschlossene und klimatisierte Traktorkabinen, sowie Schutzkleidung und Atemschutz beim Nachfüllen der Substanzen oder deren kleinräumiger Ausbringung.

Auswirkungen auf Betroffene und Versicherungen

Die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit ermöglicht es Betroffenen, Entschädigungsleistungen zu erhalten. Wenn ein Betroffener eine Berufskrankheit anerkannt bekommt, wird geprüft, inwiefern eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegt. Diese Minderung wird in Prozentzahlen angegeben, und dafür gibt es eine finanzielle Entschädigung, die sich am letzten Jahresbruttoverdienst des Beschäftigten orientiert.

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Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) rechnet bundesweit nach Abschluss der Prüfung aller Verdachtsfälle mit bis zu 8000 anerkannten Betroffenen. Jeder Fall bedeutet für die Versicherung jährliche Kosten von rund 30.000 Euro. Eine zusätzliche Belastung entsteht dadurch, dass an Parkinson erkrankte Menschen früher oder später zum Pflegefall werden.

Die SVLFG hat bereits begonnen, betroffene Versicherte anzuschreiben und die Prüfung einer Berufskrankheit einzuleiten. Wegen der zu erwartenden hohen Anzahl von zu prüfenden Verdachtsfällen wird die Bearbeitung längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Kostenübernahme für Behandlungen ist aber bis dahin durch die Krankenkasse sichergestellt und Leistungsansprüche gehen nicht verloren.

Kritik und Herausforderungen

Martin Empl, Vorstandsvorsitzender des Arbeitgeberverbands für die Land- & Forstwirtschaft in Bayern e.V. sowie der SVLFG, übte Kritik an den geltenden Regeln für die Anerkennung von Parkinson als landwirtschaftliche Berufskrankheit. Manche Kriterien seien praxisfern oder zu unspezifisch. Konkret nannte er die Vorgabe, dass Betroffene nachweisen müssen, Pflanzenschutzmitteln während der vergangenen Jahre mindestens 100 Tage ausgesetzt gewesen zu sein.

Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft e.V. (AbL) kritisierte, dass die Kosten für die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit auf alle Bäuerinnen und Bauern umgelegt werden, obwohl reine Grünlandbetriebe und Bio-Betriebe die Krankheit nicht verursacht haben. Sie forderte, dass das Verursacherprinzip gelten müsse und die Hersteller der Pflanzenschutzmittel oder die Zulassungsbehörden von der Berufsgenossenschaft zur Kasse gebeten werden.

Die Rolle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 12.300 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Prof. Dr. Daniela Berg, Vizepräsidentin der DGN, begrüßte die Empfehlung, das „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ als Berufskrankheit anzuerkennen, da Betroffenen und ihren Familien medizinisch und finanziell geholfen werden muss und die Notwendigkeit des Schutzes für exponierte Personen noch klarer wird.

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