Medikamente gegen Speichelfluss bei Parkinson: Ein umfassender Überblick

Speichel ist essenziell für die Nahrungsaufnahme und das Schlucken. Eine übermäßige Speichelproduktion, bekannt als Hypersalivation, kann jedoch problematisch sein. Diese Erkrankung führt dazu, dass Betroffene eine größere Menge Speichel produzieren als üblich, was zu Problemen wie ständigem Speicheln und einem Gefühl von überschüssigem Speichel im Mund führt.

Ursachen und Betroffene

Hypersalivation kann verschiedene Ursachen haben und betrifft unterschiedliche Personengruppen. Menschen mit neurologischen Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Schlaganfällen, Amyotropher Lateralsklerose (ALS) oder Zerebralparese sind besonders häufig betroffen. Bei diesen Erkrankungen ist die Kontrolle über die Muskeln des Mundes und des Schluckens oft so beeinträchtigt, dass der Speichel nicht ausreichend geschluckt werden kann.

Medikamentennebenwirkungen, beispielsweise durch Antipsychotika und Beruhigungsmittel, können ebenfalls eine gesteigerte Speichelproduktion verursachen. Auch Infektionen und Entzündungen im Mund- und Rachenraum können Probleme bei der Speichelproduktion bereiten.

Auswirkungen der Hypersalivation

Eine vermehrte Speichelproduktion (Hypersalivation) kann für Patientinnen und Patienten äußerst belastend sein und zu sozialer Stigmatisierung, Schwierigkeiten beim Sprechen, Schluckbeschwerden und Hautreizungen führen. Sobald psychosoziale Folgen auftreten und/oder die Sialorrhoe bzw. die meist zugrundeliegende Schluckstörung (Dysphagie) Auswirkungen auf die Gesundheit hat, ist sie für die Betroffenen ein ernstzunehmendes Problem.

Diagnose der Sialorrhoe

Wie bei fast allen Erkrankungen sollte eine differenzierte Anamneseerhebung mit Fragen insbesondere zu etwaigem Hustenreiz, Verschlucken, Räuspern und natürlich Speichelfluss erfolgen. Hieran schließt sich eine inspektorische klinische Untersuchung des Mund- und Rachenbereiches an. Als Screening-Instrument im klinischen Alltag können Fragebögen wie z.B. die Drooling Severity and Frequency Scale (DSFS), die SWAL-QOL and SWAL-CARE oder - spezifisch für die Parkinson-Erkrankung - der swallowing disturbance questionnaire (SDQ) und die Sialorrhea Clinical Scale for PD (SCS-PD) eingesetzt werden.

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Sollte der Verdacht auf eine Schluckstörung bestehen, empfiehlt sich zur Diagnostik und Beurteilung der Schwere einer Schluckstörung eine fiberoptische (FEES) Untersuchung. Diese ist inzwischen der Standard bei der Untersuchung einer Schluckstörung. Auch eine Gastroskopie oder ein klassischer „Breischluck“ können in der Diagnosestellung erforderlich und sinnvoll sein.

Therapieoptionen bei Sialorrhoe

Die Behandlung der Hypersalivation richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Es ist daher besonders wichtig, auch bei der Behandlung der Grunderkrankung die passenden Spezialisten zu Rate zu ziehen. Dazu zählen beispielsweise: Neurologen, Neuropädiater im Kindes- oder Jugendalter, Hals-Nasen-Ohrenärzte, darunter auch Spezialisten für Phoniatrie (übersetzt: „Heilung des Stimmapparates“), welche sich mit Störungen in Bezug auf die Stimme, das Sprechen sowie das Schlucken befassen. An größeren Kliniken gibt es auch spezielle Schluck-Ambulanzen.

Grundsätzlich überprüft der Arzt zunächst die optimale Einstellung der Medikamente zur Behandlung der Grunderkrankung, z. B. bei einem M. Parkinson. Je nach Schwere der Beeinträchtigung durch die Sialorrhoe können zusätzlich verschiedene Therapieansätze angewandt werden.

Logopädische Therapie

Eine logopädische Behandlung kann in einigen Fällen durch gezieltes Training und das Erlernen bestimmter Schlucktechniken eine Besserung der Sialorrhoe bewirken. Bei Problemen mit dem Speichelabfluss, die durch Schluckblockaden bedingt sind, kann ein Verhaltenstraining oder eine logopädische Therapie Abhilfe schaffen. Auch eine Ergotherapie im Gesichtsbereich, bei der die Funktion des Kiefers normalisiert wird, stellt eine Behandlungsmöglichkeit dar. Eine Logopädie sollte fester Bestandteil in jeder Therapie einer Schluckstörung sein.

Medikamentöse Therapien

Anticholinergika und Antidepressiva

Eine Möglichkeit ist die Behandlung mit Medikamenten wie z. B. Anticholinergika sowie Antidepressiva. Medikamentös wurde lange Zeit eine anticholinerge Behandlung praktiziert. Diese kann oral in Form von Tabletten oder transdermal erfolgen. Zum Einsatz kommen insbesondere Atropin, Scopolamin und Glycopyrronium. Allerdings gilt es zu beachten, dass für die meisten dieser Medikamente keine Zulassung zur Behandlung der Sialorrhoe vorliegt und dementsprechend eine Therapie nur off-label in Betracht kommt.

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Diese Medikamente führen allerdings häufig zu Nebenwirkungen wie Verwirrtheit, Müdigkeit und Schwindel, außerdem ist ihr Nutzen beschränkt. Da Anticholinergika nicht nur lokal in den Speicheldrüsen wirken, sondern in diversen Körperregionen, ist ihr Einsatz mit vielfältigen Nebenwirkungen verbunden. Zu diesen zählen vor allem bei älteren Patienten oder bei Kindern mit einer Intelligenzminderung Verwirrtheit, Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung, Verstopfungen oder Hitzegefühl. Es ist wichtig, dass Sie sich bei einer medikamentösen Behandlung immer von Ihrem Arzt über mögliche Nebenwirkungen aufklären lassen.

Botulinumtoxin-Injektionen

Oft stellen Botulinumtoxininjektionen eine sehr einfache und suffiziente Maßnahme dar, um die Speichelproduktion zu reduzieren. Eine aktuell vermehrt gewählte Therapieoption zur Behandlung der Sialorrhoe bei Morbus Parkinson ist die Injektion von Botulinumtoxin. Dieses Nervengift reduziert die cholinerge Wirkungen, verringert auf diese Weise die Aktivität der Speicheldrüsen und vermindert dementsprechend auch die Speichelproduktion.

Die Botulinumtoxin-Behandlung bei Hypersalivation wird angewendet, um die übermäßige Speichelproduktion zu reduzieren und sollte durch auf diesem Gebiet erfahrene und spezialisierte Ärzte erfolgen. Botulinumtoxin wirkt, indem es die Nervenimpulse blockiert, die die Speicheldrüsen zur Produktion von Speichel anregen. Dies führt zu einer Reduktion der Speichelproduktion und kann die Symptome der Hypersalivation erheblich lindern.

Bei geeigneten Patienten werden die genaue Lage und Größe der Speicheldrüsen durch Ultraschall ermittelt. Die Behandlung erfolgt durch gezielte Injektionen von Botulinumtoxin direkt in die Speicheldrüsen und dauert nur wenige Minuten. Der Effekt tritt normalerweise innerhalb von 3-7 Tagen nach der Injektion ein und hält etwa 3-6 Monate an. Nach dieser Zeit kann eine erneute Injektion erforderlich sein.

Vorteile der Botulinumtoxin-Behandlung sind die geringe Invasivität und geringe Nebenwirkungsrate. Darüber hinaus ist die Behandlung reversibel, da der Effekt nach einigen Monaten nachlässt und keine dauerhaften Nebenwirkungen entstehen. Die Risiken und Nebenwirkungen sind überschaubar. So kann es zu Schmerzen und Schwellung an der Injektionsstelle kommen sowie zu einer Muskelschwäche, falls benachbarte Muskeln injiziert werden. Bei Injektionen unter Ultraschallkontrolle kommt diese Nebenwirkung nur äußerst selten vor. Außerdem kann es zu einem trockenen Mund kommen, der dann wiederum Schwierigkeiten beim Schlucken bereitet.

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Die Botulinumtoxin-Injektionen erfolgen in der Regel in die Parotis- und submandibulären Speicheldrüsen; die Wirkung hält meist mehrere Monate an. Die Nebenwirkungen dieser Behandlung sind in der Regel mild und nur vorübergehend; so kann es z.B. vorübergehend Schmerzen an der Injektionsstelle, einem passageren Trockenheitsgefühl im Mund oder einer Veränderung des Geschmacksempfindens kommen.

Insgesamt stellt die Therapie mit Botulinumtoxin eine wertvolle Option zur Linderung der Sialorrhoe bei Menschen mit Morbus Parkinson dar, welche die Lebensqualität der Betroffenen erheblich zu verbessern vermag.

Chirurgische Maßnahmen und Bestrahlung

Chirurgische Maßnahmen sind nur bei einen kleinen Teil der Betroffenen eine in Erwägung zu ziehende Therapiemöglichkeit. Es sollte eine ebenso strenge Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen wie bei der Möglichkeit einer externen Bestrahlung. Lässt sich der Abfluss des Speichels nicht anders in den Griff bekommen oder sind konservative Therapien ausgeschlossen und wenig erfolgversprechend, kann der Arzt sich für einen chirurgischen Eingriff aussprechen. Doch eine einzige optimale Operation, die für jeden Patienten geeignet ist, existiert nicht. Je nach Erkrankung kann eine Verödung der Speicheldrüsen oder ein Umlegen und Verschließen der Speichelausführungsgänge bereits eine Verbesserung erzielen. Falls dies nicht genügt, können die Nerven, die die Funktion der Speicheldrüsen regulieren, durchtrennt werden, um die Speichelproduktion zu reduzieren. Gerade bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson oder der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) kann auch eine Bestrahlung der Speicheldrüsen erwogen werden.

Schluckstörungen bei Parkinson

Schlucken ist Lebensqualität. Essen und Trinken bietet jedem einzelnen Menschen ein hohes Maß an Lebensqualität, da die tägliche Mahlzeit nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern auch soziale Interaktion und Kommunikation ist. Die Erfahrung, nicht mehr richtig essen und trinken zu können, führt bei Menschen mit Parkinson zu einer erheblichen Einschränkung ihres Alltags. Anstelle von Genuss tritt die Angst vor dem Verschlucken oder sogar der Verzicht auf eine natürliche Nahrungsaufnahme. Nicht mehr an den gemeinsamen Mahlzeiten teilnehmen zu können, birgt zudem die Gefahr der sozialen Isolation. Schwere Schluckstörungen, die häufig erst sehr spät erkannt werden, können unter Umständen sogar lebensbedrohlich sein.

Gestörtes Schlucken wird mit dem Fachbegriff "Dysphagie" bezeichnet. Das Wort leitet sich ab vom griechischen Wort "phagein" (essen) und "dys" (gestört). Störungen des Schluckvorganges können in allen Phasen auftreten. Die Gefahr dabei ist, dass Speichel, Nahrung und Flüssigkeiten nicht in den Magen, sondern in die Atemwege und damit in die Lunge gelangen ("Aspiration"). Gerade die orale Phase des Schluckens ist bei Menschen mit Parkinson gestört. Durch die verminderte Flotationsbewegung des Kiefers und die Abnahme der Beweglichkeit/Kraft der Zunge kann der Speisebrei (Bolus) nicht richtig geformt und der Transport der Nahrung beeinträchtigt werden.

Was tun bei akuten Schluckbeschwerden?

Wenn Sie sich akut verschlucken, versuchen Sie Ruhe zu bewahren! Ihre Angehörigen können lhre Ausatmung unterstützen, indem Sie die Hände an Ihren seitlichen Brustkorb (rechts und links an den Rippenbogen unterhalb der Achseln) legen und Sie bei einem sehr kräftigen und wiederholten Husten unterstützen. Bei akuter Erstickungsgefahr kann Ihnen lhr Angehöriger mit der flachen Hand gezielt zwischen die Schulterblätter schlagen, wahrend Sie Ihren Oberkörper deutlich nach vorne beugen! Husten Sie mehrmals kräftig! Trainieren Sie dieses "Manöver" auch einmal ohne Verschlucken!

Anzeichen für Schluckstörungen

Eine Dysphagie ist nicht immer eindeutig erkennbar, aber es gibt Erfahrungswerte und Anzeichen, die deutliche Hinweise auf beginnende Schluckprobleme liefern können.

lndirekte Anzeichen:

  • Gewichts- und Flüssigkeitsverlust
  • Sodbrennen und Aufstoßen
  • Erhöhte Körpertemperatur, plötzliches Fieber
  • Verschlechterung des Allgemeinzustandes mit unklarer Ursache
  • Auffälliges Blutbild
  • Bronchitis und Lungenentzündung

Direkte Anzeichen (treten unmittelbar beim oder nach dem Essen und Schlucken auf):

  • Häufiges Verschlucken an Speichel, bestimmten Speisen oder Getränken
  • Häufiges Räuspern oder Husten (ggf. auch verspätet), bis hin zu Hustenanfällen
  • Erschwerte Atmung nach dem Schlucken (Atemnot, -geräusche, -stopp)
  • Kloßgefühl im Hals
  • Vermehrter Speichel, ungewollter Speichel - bzw. Nahrungsaustritt aus dem Mund
  • Gurgelnde Stimme
  • Brodelnde, rasselnde Atemgeräusche
  • Niesen beim Essen

Tipps zur Erleichterung der Nahrungsaufnahme

Neben therapeutischen Maßnahmen können Sie bei der Nahrungsaufnahme folgende Hinweise beachten:

  • Salziges fördert dünnflüssigen Speichel
  • Säurehaltiges regt die Speichelproduktion an
  • Süßigkeiten, Milch und Milchcremes (außer Joghurt oder Sauermilch) eher vermeiden - sie fördern dicken, schleimigen Speichel
  • Lange kauen, Nahrung gut einspeicheln
  • Eher "feuchte Kost" zu sich nehmen
  • Liegt lhr Problem in einer verminderten Schluckrate sollten Sie versuchen, bewusst zu schlucken.

Schluckstrategien im Eigentraining

Es gibt verschiedene, zielgerichtete Behandlungsmethoden und Übungen, um bestehende Schluckstörungen zu überwinden. Diese lassen sich in drei Gruppen unterteilen:

  • RESTITUIERENDE VERFAHREN (RV): Dienen zum Aufbau erhaltener Restfunktionen und streben eine maximale Beweglichkeit an (Mobilisation).
  • KOMPENSATORISCHE VERFAHREN (KV): Zum Erlernen von Schlucktechniken und Haltungsänderungen, um den Schluckakt zu unterstützen.
  • ADAPTIERENDE VERFAHREN (AV): Beinhalten eine Kostanpassung bzw. einen Einsatz spezieller Ess- und Trinkhilfen (z. B. Andickungsmittel).

Lassen Sie sich lhre speziell ausgewählten Übungen - passend zu lhrem individuellen Schluckproblem - möglichst von einem Schlucktherapeuten zeigen oder probieren Sie sie allein oder mit Ihren Angehörigen aus.

Medikamentenwechselwirkungen bei Parkinson

Unter Wechselwirkungen zwischen Medikamenten (Interaktionen genannt) versteht man eine gegenseitige Beeinflussung ihrer Wirkung und/oder Verträglichkeit. Sie können auftreten, wenn zwei oder mehr Wirkstoffe gleichzeitig verabreicht werden, wobei das Risiko mit der Anzahl der eingesetzten Mittel steigt. Kombiniert man zwei oder mehr Medikamente miteinander, so kann es durch ge-genseitige Beeinflussung zu einer verstärkten Wirkung bis hin zur Vergiftung (Into-xikation) oder zu einer Wirkungsabschwächung bis hin zum völligen Wirkverlust kommen. Ebenso wie Arzneimittel können auch Nahrungs- und Genussmittel die Aufnahme eines Medikamentes, seinen Weg durch den Körper und/oder seine Ausscheidung verändern.

Besonderheiten bei Morbus Parkinson

Besonderheiten in diesem Bereich beginnen bei Parkinson-Patienten schon in der Mundhöhle: in den ersten Krankheitsjahren ist es die Mundtrockenheit, in den späteren Phasen der vermehrte Speichelfluss, welcher die Aufnahme von Medika-menten beeinflussen kann. Bei vorherrschender Mundtrockenheit sollten alle Medikamente mit mindestens 200 ml Flüssigkeit eingenommen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass diese über Stunden in der Mundhöhle, im Rachen oder in der Speiseröhre hängen blei-ben und nicht zur Wirkung kommen. Bei Schluckstörungen Wasser ohne Kohlen-säure oder Kamillentee verwenden, Kaffee, schwarzen Tee und Fruchtsäfte jedoch meiden. Die Einnahme L-Dopa-haltiger Medikamente mit Milch, Molke, Quark und Joghurt ist wegen dem hohen Eiweißgehalt verboten. Manchmal hilft es, Wasser oder Tee etwas anzuwärmen und mit einem kleinen Löffel schlückchenweise zu verabreichen. Bei aufrechtem Oberkörper sollte der Kopf beim Schlucken leicht nach vorn gebeugt werden (in der Fachsprache chin-tuck Manöver genannt) und der Patient sollte nicht sprechen.

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