ParkinsonNetzwerk Ostsachsen (PANOS): Verbesserung der Versorgung von Parkinson-Patienten in der Region

Einleitung

Das ParkinsonNetzwerk Ostsachsen (PANOS) ist eine Netzwerkinitiative, die sich der Verbesserung der Versorgung von Parkinson-Patienten in der Region Ostsachsen widmet. Angesichts der steigenden Zahl von Parkinson-Erkrankungen und des Mangels an Fachärzten, insbesondere in ländlichen Gebieten, zielt PANOS darauf ab, Versorgungslücken zu schließen und eine flächendeckende Versorgungsgerechtigkeit zu gewährleisten.

Hintergrund: Herausforderungen in der Parkinson-Versorgung in Ostsachsen

Ostsachsen steht vor erheblichen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung, insbesondere für Parkinson-Patienten. Die Region ist vom Strukturwandel betroffen, der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung hat zu gravierenden Veränderungen geführt. Die Oberlausitz, an den Grenzen zu Polen und Tschechien gelegen, ist besonders betroffen. Hinzu kommt die demografische Entwicklung: Die Landkreise Görlitz und Bautzen zählen zu den am stärksten gealterten Regionen Deutschlands. Das Durchschnittsalter in Görlitz liegt bei 49,6 Jahren, der Altenquotient bei 58,5.

Diese Faktoren verschärfen die bereits bestehenden Versorgungsprobleme. Es mangelt an Spezialisten und auf Parkinson sensibilisierten Hausärzten, die in der Lage sind, Symptome frühzeitig zu erkennen und eine adäquate Therapie einzuleiten. Die Notfalleinweisungsquote von Parkinson-Patienten ist in Ostsachsen bereits jetzt prekär hoch. Dies bindet stationäre Ressourcen, führt zu unnötigen Krankheitsfolgekosten und erhöht das Leid der Patienten.

Schätzungen zufolge leben in Sachsen etwa 32.000 Menschen mit Parkinson. Aufgrund des demografischen Wandels wird sich diese Zahl bis 2030 voraussichtlich verdoppeln. Gleichzeitig besteht ein Mangel an Fachärzten, insbesondere außerhalb der Ballungszentren. In Dresden werden laut dem Universitätsklinikum Dresden nur 16 Prozent der Patienten ausschließlich von Hausärzten versorgt, während es im ländlichen Raum bis zu 40 Prozent sind.

PANOS: Ein Lösungsansatz für die Parkinson-Versorgung

Vor diesem Hintergrund verständigte sich 2017 eine Gruppe von Neurologen in Ostsachsen, die Parkinson-Versorgung umzugestalten. Wesentlicher Leitgedanke war, klare Standards und Regeln der Zusammenarbeit sowie ein klares Rollenverständnis aller beteiligten Akteure zu schaffen. Es gelang, Akteure der Selbstverwaltung (Kassenärztliche Vereinigung Sachsen [KVS]) sowie Betroffene an einen Tisch zu holen und ein neuartiges Versorgungskonzept zu entwickeln.

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Das ParkinsonNetzwerk Ostsachsen (PANOS) wurde ins Leben gerufen, um die Versorgung von Parkinson-Patienten in der Region zu verbessern. Ziel ist es, Versorgungsdefizite in ländlichen Gebieten zu beseitigen und die Versorgung über bestehende Sektorengrenzen hinweg neu zu strukturieren. PANOS strebt an, ein digital unterstütztes, intersektorales und pfadbasiertes Versorgungskonzept mit Fokus auf die späte Krankheitsphase zu implementieren. Zudem soll eine infrastrukturelle und personelle Basis die Versorgung unterstützen.

PANOS orientiert sich an dem holländischen Parkinsonnetzwerk ParkinsonNet, welches seit über 15 Jahren durch interdisziplinäre Zusammenarbeit eine nachweisliche Verbesserung in der Betreuung von Parkinson-Patienten erzielt.

Ziele von PANOS

Die Hauptziele von PANOS lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Aufbau eines regionalen intersektoralen Behandlungsnetzwerks
  • Etablierung von spezialisierten ambulanten Parkinsonzentren mit einem einheitlichen Behandlungsstandard
  • Gemeinsame Behandlung durch niedergelassene Ärzte
  • Individualisierte Behandlungspläne, die eine spezialisierte Mitbehandlung einschließen
  • Sektorenübergreifendes, dauerhaftes Case-Management durch Parkinson-Lotsen
  • Standardisierte Patientenschulung

Eckpunkte der Umsetzung

Die praktische Umsetzung des seit 2017 entwickelten Konzeptes erfolgte ab September 2019. Die Eckpunkte der Umsetzung umfassen:

  1. Aufbau eines regionalen intersektoralen Behandlungsnetzwerkes auf Grundlage eines digital unterstützten, standardisierten Behandlungspfades.

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  2. Etablierung von spezialisierten ambulanten Parkinsonzentren mit einem einheitlichen Behandlungsstandard (Universitätsklinikum Dresden, Elblandklinikum Meißen, Klinik am Tharandter Wald Hetzdorf).

  3. Dauerhafte gemeinsame Behandlung der Erkrankten durch niedergelassene Ärzt*innen auf Basis des standardisierten intersektoralen Behandlungspfades.

  4. Festlegung der Intensität der dauerhaften spezialisierten Mitbehandlung auf der Grundlage von individualisierten Behandlungsplänen.

  5. Aufbau einer leistungsfähigen strukturellen und personellen Infrastruktur:

    • Sektorenübergreifendes, dauerhaftes Case-Management durch Parkinson-Lots*innen
    • Entwicklung einer intersektoralen elektronischen Arbeits- und Dokumentationsplattform
    • Durchführung eines semiautomatischen repetitiven Patienten-Monitorings unter Einsatz tragbarer Sensorik
    • Aufbau einer standardisierten Patientenschule
    • Aufbau eines strukturierten professionellen Fort- und Weiterbildungskonzeptes
    • Aufbau eines kontinuierlichen Qualitätsmanagements
    • Projektbegleitende medizinisch-ökonomische Evaluation
    • Umsetzung eines strukturierten Wachstumskonzeptes zur Einbindung neuer Partnerschaften und zur Sicherstellung der Übertragbarkeit auf andere Regionen in Sachsen
  6. Die Akteure wollen das Netzwerk erweitern durch Kollaborationen mit weiteren Kliniken, Patientenorganisationen, Ärztinnen und Ärzten, Krankenkassen und berufsständischen Organisationen. Darüber hinaus will das sektorenübergreifende Netzwerk vor allem Innovationen z. B. der Telemedizin und der Früherkennung nutzen und deren Einsatz stärken. Dadurch könnten Komplikationen und Eskalationen wie Krankenhausaufenthalte oder die Notwendigkeit stationärer Pflege vermieden oder zumindest verzögert werden.

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Die Rolle der Parkinson-Lotsen

Ein zentraler Bestandteil von PANOS ist der Aufbau eines sektorenübergreifenden und dauerhaften Case-Managements durch Parkinson-Lotsen. Die Lotsen unterstützen das sektorenübergreifende Fallmanagement, sind Ansprechpartner für Betroffene und schulen deren Angehörige. Sie sind Mitarbeiter mit Hintergrund im Gesundheitsmanagement bzw. medizinische Fachkräfte mit einer entsprechenden Zusatzqualifikation als Patienten-Lotse. Perspektivisch sollten die Lotsen in der gesamten Fläche verfügbar sein.

Beteiligte Partner

In PANOS haben sich verschiedene Partner zusammengeschlossen, um die Versorgung von Parkinson-Erkrankten in der Region zu verbessern. Zu den beteiligten Partnern gehören:

  • Ärzt*innen
  • Kliniken mit spezieller Parkinsonexpertise (Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Elblandklinikum Meißen, Rehabilitationszentrum Niederschöna GmbH)
  • Forschungseinrichtungen (Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, Standort Dresden)
  • Organisationen wie die Deutsche Parkinsonvereinigung, die Sächsische Landesärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen
  • Institut für Angewandte Informatik e.V. (InfAI), Leipzig
  • Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Technische Universität Dresden
  • Professur Bewegungswissenschaft, Technische Universität Chemnitz
  • Professur für Wirtschaftsinformatik, insb. Systementwicklung, Technische Universität Dresden
  • Zentrum für Medizinische Informatik, Technische Universität Dresden
  • Privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH, Berlin
  • „Was hab ich?“ gGmbH, Dresden
  • Kassenärztliche Vereinigung Sachsen

Finanzierung

Das Projekt wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und dem Freistaat Sachsen gefördert. Weitere Unterstützer sind die Unabhängige Treuhandstelle des Bereiches Medizin, Technische Universität Dresden, der Zentralbereich Qualitäts- und Risikomanagement, Universitätsklinikum Dresden, die Sächsische Landesärztekammer, AOK PLUS, IKK classic, SOS-TeleNET, SOS-Care, die Deutsche Parkinsonvereinigung, Region Sachsen, ParkinsonNet Niederlande IQ healthcare & department of neurology, Radboud University Medical Center, Nijmegen, Niederlande, ParkinsonNet Luxemburg, Parkinsonnetz Münsterland+, Parkinson Netzwerk Allianz Marburg (PANAMA) und die Swedish National School Department of Medical and Health Science, Linkoping University, Linkoping, Sweden.

Herausforderungen und Erfolge von PANOS

Schwierigkeiten in der Anfangsphase

Die Etablierung des Netzwerkes war in den ersten 2 Jahren geprägt von einer noch nicht vorhandenen bzw. noch nicht einsatzfähigen digitalen Dokumentations- und Austauschplattform, welche die Patienteneinschreibung enorm erschwerte und das „Hochlaufen“ des Netzwerkes verzögerte. Nachdem der Projektstart wegen technischer Schwierigkeiten mehrfach verschoben worden war, begann man zunächst mit einer papierbasierten Dokumentation. Die Bögen wurden an das Universitätsklinikum Dresden gesendet und dort durch das Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung ausgewertet.

Während der regelmäßigen Netzwerktreffen und Diskussionen zeigten sich unter den niedergelassenen Kassenärzten erkennbare Vorbehalte, sich dem Konzept des Netzwerkes anzuschließen und Patienten einzuschreiben. Es wurden beispielsweise hohe Einschränkungen in der individuellen Behandlungsfreiheit durch vorgegebene Standards befürchtet. Zudem lag die Rekrutierungsphase in der dramatischen Coronasituation zwischen 2020 und 2021, in der nicht notfallbedingte Arzt-Patienten-Kontakte auf ein Minimum reduziert wurden.

Die durch das Studienprotokolltion für das Parkinson-Netzwerk benannt. Vom Patienten waren umfangreiche Fragebögen auszufüllen, darunter die Auskunft zur Klinik (13 Fragebögen zur Aufnahme, 6 Fragebögen zum quartalsweisen Monitoring), zum persönlichen und sozialen Status (6 Fragebögen zur Aufnahme und 4 Fragebögen zum Halbjahres-Monitoring) sowie zu Handlungskompetenzen und Wissen (3 Fragebögen und 1 Fragebogen zum Halbjahres-Monitoring). Die Rücklaufquote war entsprechend gering; häufig musste nachgefasst werden.

Die Folgefinanzierung wurde trotz initialer Zusage (2 + 2 Jahre) nicht nahtlos ermöglicht und ließ das Projektteam bis ca. 6 Monate nach Ende der ersten 2 Jahre in der Schwebe. Seitens der Selbstverwaltung standen die Landesärztekammer, die KVS, die AOK PLUS und auch die IKK classic im regelmäßigen Austausch mit dem Projektteam, ließen sich jedoch vor dem Hintergrund der Coronapandemie sowie der geringen Einschlusszahlen und unzureichenden Studienergebnisse nicht überzeugen, in die selektivvertraglichen Verhandlungen zu gehen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass insbesondere die zeitlich begrenzte Projektfinanzierung, der fehlende Patientenzulauf und die verzögerte technische Reife der digitalen Dokumentations- und Austauschplattform das Projekt vor große Herausforderungen stellten. Zudem zeigt sich, dass die Implementierung eines Gesundheitsnetzwerkes wie des Parkinson-Netzes mit hohen technischen und organisatorischen Kosten verbunden ist.

Erfolge und positive Entwicklungen

Trotz der Herausforderungen konnten bis zum Jahr 2022 über das Projektteam hinaus 12 Hausärzte und 23 Neurologen beteiligt sowie insgesamt 128 Patientinnen und Patienten in den Parkinsonpfad eingeschlossen werden. Die Aufnahme erfolgte nach Einwilligung und individuellem Assessment, unabhängig von der Kassenzugehörigkeit.

Positiv zu bewerten ist, dass die Patienten- und Angehörigenschulungen (im Umfang von 7 Modulen a 1,5 h) von den Betroffenen sehr geschätzt wurden. Die Schulungen wurden von den beteiligten Parkinson-Zentren angeboten, kommuniziert und virtuell sowie in Präsenz durchgeführt - mit dem Ziel, die Therapieadhärenz zu erhöhen.

Positive Signale kommen inzwischen aus der Region Hoyerswerda, in der eine Netzwerkträger-Organisation aufgebaut und Elemente von PANOS implementiert werden sollen.

Verstetigung und Ausblick

Obwohl das öffentlich geförderte Projekt PANOS am 31. Dezember 2021 endete, setzt die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Kliniken, Ärzten, Therapeuten, Patientenvertretungen und unterstützenden Organisationen in einem neuen, interdisziplinären Netzwerk fort.

PANOS ist angewiesen auf Ärzte in der Region, die den Ansatz unterstützen, sich weiterbilden und ihre Patienten gemäß den Versorgungs- und Dokumentationsstrukturen behandeln.

Das Netzwerk wird aktuell durch eine Projektgesellschaft getragen, die durch einen Kooperationsvertrag begründet wurde. Die Überführung in eine eigenständige Rechtsform war für die zweite Projektphase ab dem Jahr 2023 vorgesehen, welche bis dato immer noch in der Schwebe ist, da entsprechende Förderrichtlinien erst implementiert werden. Das Netzwerk befindet sich damit - vergleichbar mit vielen anderen geförderten Projekten - am Scheideweg.

Die Akteure wollen das Netzwerk erweitern durch Kollaborationen mit weiteren Kliniken, Patientenorganisationen, Ärztinnen und Ärzten, Krankenkassen und berufsständischen Organisationen. Darüber hinaus will das sektorenübergreifende Netzwerk vor allem Innovationen z. B. der Telemedizin und der Früherkennung nutzen und deren Einsatz stärken. Dadurch könnten Komplikationen und Eskalationen wie Krankenhausaufenthalte oder die Notwendigkeit stationärer Pflege vermieden oder zumindest verzögert werden.

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