Die Tiefe Hirnstimulation (THS), im anglo-amerikanischen Raum als Deep Brain Stimulation (DBS) oder umgangssprachlich als „Hirnschrittmacher“ bezeichnet, ist eine etablierte Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit Bewegungsstörungen wie Morbus Parkinson, Dystonie oder Tremor. Sie wird in Betracht gezogen, wenn die medikamentöse Behandlung nicht mehr ausreichend wirkt. Die Entscheidung für diese Therapieform wird in einem sorgfältigen Untersuchungsprogramm von spezialisierten Fachärzten in einem Implantationszentrum getroffen, da nicht alle Patienten dafür in Frage kommen. Die THS kann die Erkrankungen nicht heilen, aber eine deutliche und lang anhaltende Linderung der Symptome bewirken, die Beweglichkeit verbessern und somit die Lebensqualität steigern. Ferner kann man nach eine THS Operation die bestehende Medikation und ggf. durch sie bedingte Nebenwirkungen regelhaft deutlich reduzieren.
Funktionsweise der Tiefen Hirnstimulation
Bei der Tiefen Hirnstimulation (THS) werden 1 oder 2 ins Gehirn eingesetzte Elektroden elektrische Impulse an Nervenzellen gesendet, die bestimmte Bewegungen beeinflussen. Dies kann Parkinson-Beschwerden lindern. Ein solcher „Hirnschrittmacher“ kann aber auch Nebenwirkungen haben und eignet sich nur für bestimmte Menschen mit Parkinson.
Trotz der breiten Anwendung der THS zur Behandlung neurologischer und auch psychiatrischer Erkrankungen ist die Wirkweise der THS bislang nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass über diese hochfrequente Stimulation eine Hemmung des Kerngebietes stattfindet, die sich daraufhin auch auf das gesamte Netzwerk der Basalganglien auswirkt. Wie diese Hemmung genau zustande kommt, ist bislang nicht geklärt. Wichtig ist, dass die THS durch die Modulation von Netzwerken nur eine symptomatische Behandlung ist, d.h. nach heutiger Kenntnis nur die Symptome reduziert, aber keinen Einfluss auf das Vorhandensein oder Voranschreiten der zugrunde liegenden Erkrankung hat. Daher ist der Effekt der THS auch reversibel: nach Ausschalten des Stimulators stellt sich ein Zustand ein, wie er zu diesem Zeitpunkt ohne Stimulation wäre.
Für wen ist die Tiefe Hirnstimulation geeignet?
Die tiefe Hirnstimulation eignet sich nur für bestimmte Menschen mit Parkinson. Von ihnen erhalten in Deutschland jedes Jahr einige Hundert einen Hirnschrittmacher. Die wichtigste Voraussetzung ist, dass die Beschwerden trotz Medikamenten sehr belastend sind. Dazu gehören vor allem anhaltendes Zittern sowie der Wechsel zwischen unkontrollierten Bewegungen und Muskelsteifheit. Eine klare Altersgrenze gibt es zwar nicht - der Gesundheitszustand sollte aber so gut sein, dass der Eingriff nicht zu riskant ist. So sollten beispielsweise keine schweren Herz- oder Lungenkrankheiten bestehen. Bei psychischen Erkrankungen wie einer Psychose oder einer Demenz kommt eine tiefe Hirnstimulation ebenfalls nicht infrage.
Um zu klären, ob der Eingriff infrage kommt, sind zuerst verschiedene Untersuchungen nötig: eine allgemeine körperliche Untersuchung, eine Kernspintomografie des Kopfes, Gedächtnistests und eine psychiatrische Untersuchung. Zudem wird mithilfe eines bestimmten Tests geprüft, wie gut bestimmte Parkinson-Medikamente wirken (L-Dopa-Test genannt). Dadurch kann der Effekt der tiefen Hirnstimulation abgeschätzt werden.
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Die Ergebnisse der Untersuchungen bespricht man mit der Ärztin oder dem Arzt. Dabei werden auch die Chancen und Risiken eines Eingriffs abgewogen. Bei den Gesprächen sollten, wenn möglich, auch Angehörige dabei sein. Besonders wichtig ist es, die eigenen Erwartungen an den Eingriff zu klären und die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen. Dies hilft, einer Enttäuschung vorzubeugen, falls die Hirnstimulation nicht so wirkt wie erhofft.
Voraussetzungen für die Tiefe Hirnstimulation
Leiden Sie an der Parkinson´schen Erkrankung und bessert sich Ihre Beweglichkeit grundsätzlich durch Parkinsonmedikamente? Haben Sie starkes Zittern oder über den Tag eine sehr wechselnde Beweglichkeit mit Unter- und Überbewegungen? Ist Ihre Lebensqualität deutlich beeinträchtigt, weil Sie an Alltagstätigkeiten nicht mehr teilnehmen? Ist Ihr Gedächtnis und Ihre Konzentration weitestgehend in Ordnung? Haben Sie zunehmende Nebenwirkungen durch Medikamente?
Indikationen der Tiefen Hirnstimulation
Die THS ist zur Behandlung vieler neurologischer Erkrankungen bereits zugelassen. Etabliert hat sich die THS zur Behandlung des Morbus Parkinson; hier wird als Zielpunkt meist der sogenannte Nucleus subthalamicus (STN) verwendet, ein Kerngebiet in den Basalganglien, das durch die Erkrankung überaktiv ist. Alternativ kommt zur Behandlung von Überbeweglichkeiten (Dyskinesien) in der Spätphase der Parkinsonerkrankung als Zielpunkt der Globus pallidus internus (GPi) in Frage. Zur Behandlung eines Parkinson-Tremors wie auch des Essentiellen Tremors hat sich als Zielpunkt der sogenannte Nucleus ventralis intermedius (VIM) des Thalamus bewährt. Die generalisierte und segmentale Dystonie wird durch eine THS im GPi behandelt. Zugelassen ist die THS auch zur Behandlung der fokalen Epilepsie. Hierbei wird im sogenannten anterioren Thalamus stimuliert. Neben diesen neurologischen Erkrankungen werden seit einigen Jahren zunehmend psychiatrische Erkrankungen mit der THS behandelt. Diese ist zur Behandlung von Zwangserkrankungen bereits zugelassen, vielversprechende Ergebnisse zeigen sich auch in kleineren Studien bei Patienten mit chronischer Depression.
Mögliche Kontraindikationen
Mögliche neurochirurgische Gegenanzeigen (Kontraindikationen): Hirnatrophie oder Blutungsneigung bzw. Es sollte eine relevante und objektive Einschränkung im Alltag bzw.
Ablauf der Operation
Operiert wird in zwei Schritten, insgesamt dauert der Eingriff etwa 6 bis 8 Stunden. Zunächst wird eine Computertomografie des Gehirns gemacht, um den Weg der Elektrode zum „Zielort“ festzulegen. Der „Zielort“ hängt davon ab, welche Beschwerden man hat.
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Bei der Tiefen Hirnstimulation wird unter örtlicher Betäubung ein kleines Bohrloch, je nach Symptomausprägung in einer oder beiden Hirnhälften, in der Schädeldecke angelegt. Mit Hilfe eines sogenannten stereotaktischen Rahmens, der um den Kopf des Patienten gespannt wird und hohe Zielgenauigkeit garantiert, wird dann je eine vierpolige Elektrode mit einem Durchmesser von ca. 1,3 mm in das oder die Bohrlöcher eingeführt. Der genaue Zielpunkt wird zuvor durch eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) festgelegt. Nach Einführen der Elektrode/n werden über ein Testsimulationsgerät elektrische Signale abgegeben und die damit zusammenhängenden Effekte vom behandelnden Neurologen begutachtet und optimiert. Bei Patienten mit Morbus Parkinson wird dieser Eingriff meist unter örtlicher Betäubung vorgenommen, da dann durch die Mitarbeit des Patienten erforderlich, um mögliche Nebenwirkungen, wie Kribbeln, Sprechstörungen, Augenbewegungsstörungen oder Muskelverkrampfungen festzustellen und vermeiden zu können. Nur bei optimaler Position der Elektrode kann ein gutes Ergebnis erzielt werden! Ist die optimale Stimulationsposition gefunden, werden die Elektrode/n unter Röntgenkontrolle endgültig platziert. In einem zweiten Schritt wird dann unter Vollnarkose der Hirnschrittmacher (Impulsgeber=IPG) links oder rechts knapp unter dem Schlüsselbein implantiert. Er wird mit einem dünnen Kabel, das unter der Haut vorgeschoben wird, an die im Gehirn liegende/n Elektrode/n angeschlossen. In einigen Kliniken erfolgt die Implantation des Hirnschrittmachers direkt nach der Elektrodenimplantation.
Detaillierter Ablauf einer stereotaktischen Operation zur Tiefen Hirnstimulation
Die THS-Operation wird durch die Ärzte der stereotaktischen Neurochirurgie durchgeführt, sie dauert insgesamt ca. 6 Stunden. Am Operationstag wird zunächst ein stereotaktischer Ring am Schädelknochen nach vorangegangener örtlicher Betäubung befestigt. Dieser Ring dient der Planung und Navigation des Neurochirurgen. Anschließend wird eine Computertomographie des Schädels veranlasst. Diese Bilddaten werden mit Daten aus einem vor dem Operationstag angefertigten Kernspintomogramm in Übereinstimmung gebracht. So erhält man die gute Auflösung des Kernspintomogramms mit Darstellung der Gefäße in Kombination mit dem stereotaktischen Ring. Hierdurch kann eine Planung des Zugangswegs zu dem jeweiligen Kerngebiet des Gehirnes unter Berücksichtigung der Gefäßverläufe erfolgen. Diese Prozedur ist wichtig, um die Komplikationsrate des Eingriffs minimal zu halten. Nach Planung wird ein zusätzlicher Bügel am stereotaktischen Ring befestigt, der die Navigation ermöglicht.
Nach örtlicher Betäubung erfolgt zunächst ein Hautschnitt, danach wird ein Loch mit ca. 8 mm Durchmesser in die Schädeldecke gebohrt. Anschließend werden 2 bis 5 Mikroelektroden in das Gehirn eingeführt (das Gehirn selbst kann keinen Schmerz empfinden), die elektrische Ableitungen aus dem Kerngebiet ermöglichen und so eine Orientierungshilfe für den Neurochirurgen bieten. Über diese Mikroelektroden erfolgt auch eine Teststimulation, um den Effekt der THS auf die jeweiligen Symptome zu untersuchen. Gemeinsam mit dem Patienten wird so der optimale Stimulationsort detektiert und die endgültige Stimulationselektrode dort platziert. Ebenso wird mit der anderen Gehirnseite verfahren, da in der Regel eine beidseitige Operation durchgeführt wird.
Anschließend erfolgt in Vollnarkose die Implantation der Kabel und des Stimulators (Impulsgebers) unter der Haut. Der Impulsgeber ist durch die Haut programmierbar und wird einige Tage nach der Operation erstmals eingeschaltet. Die Anpassung der Stimulationsparameter erfolgt langsam und über viele Tage, hier ist gerade in den ersten Tagen und Wochen viel Geduld von Seiten des Patienten notwendig. Die Weiterbehandlung nach dem stationären Aufenthalt erfolgt in der Regel in einer Rehabilitationseinrichtung. Anschließend sind die Patienten regelmäßig in ambulanter Kontrolle.
Details zum Vorgehen während der Operation
Der Eingriff findet, wenn möglich, unter örtlicher Betäubung und einer leichten Narkose statt, sonst unter Vollnarkose. Während der Operation wird der Kopf in einer Halterung fixiert, damit er sich nicht bewegt. Die Kopfhaut wird teilweise oder ganz rasiert und an 1 oder 2 Stellen eingeschnitten. Dann werden 1 oder 2 kleine Löcher in die Schädeldecke gebohrt. Durch die Löcher wird jeweils eine Elektrode tief in das Gehirn eingeführt. Die äußeren Enden der Elektroden werden später am Schädel befestigt und liegen unter der Haut.
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Kurz bevor die Elektrode den Zielort erreicht, wird die Narkose beendet, sodass man aufwacht und mit den Ärztinnen und Ärzten sprechen kann. Dies ist wichtig, weil die Wirkung der Elektroden getestet werden muss. Dazu werden Testimpulse gegeben und die Ärztin oder der Arzt überprüft, ob sich die Beschwerden dadurch bessern. Testimpulse können auch Nebenwirkungen auslösen wie Sprechstörungen, Muskelkrämpfe oder Kribbeln an den Händen. Der Schrittmacher wird unter Vollnarkose unter die Haut implantiert - meist unterhalb des Schlüsselbeins. Danach werden die dünnen Verbindungskabel unter der Haut zu den Elektroden vorgeschoben und angeschlossen.
Das Einsetzen des Schrittmachers ist meist an einem Tag zusammen mit dem Einsetzen der Elektroden möglich. Bei weiteren Untersuchungsterminen stellt die Ärztin oder der Arzt den Schrittmacher über ein Programmiergerät ein. Die elektrischen Impulse können verstärkt oder verringert werden.
Als Patientin oder Patient erhält man zudem ein eigenes kleines Handgerät, mit dem sich der Schrittmacher eigenständig an- und ausschalten und bis zu einem gewissen Grad steuern lässt.
Narkoseformen während der Operation
Während der Operation lokale Betäubung oder leichte Narkose, wahlweise auch Vollnarkose, die jedoch nach der Befestigung des Schädels am stereotaktischen Ring und der Öffnung des Schädels beendet werden muss, bevor die Elektroden ins Gehirn eingeführt werden. Beim schmerzfreien Einführen der Elektroden (das Gehirn selbst empfindet keine Schmerzen) sollten die Patientinnen und Patienten bei Bewusstsein sein, da sie so zum Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum der Testimpulse befragt werden können. Zumindest bietet diese Vorgehensweise viele Vorteile, zum Beispiel den direkten Einfluss auf die optimale Platzierung. Dennoch gehen immer mehr Zentren auch dazu über, Parkinson-Patientinnen und Patienten schlafend in Vollnarkose zu operieren, was aufgrund der modernen Bildgebung via CT und MRT auch immer besser und präziser funktioniert.
Was passiert nach der Operation?
Nach der Operation verbleiben Betroffene zunächst ein bis zwei Tage auf der neurochirurgischen Station. Ein paar Tage nach der Operation wird der Hirnschrittmacher erstmals aktiviert. In der Neurologie werden Impulsstärke und weitere Parameter des Hirnschrittmachers solange angepasst, bis die Parkinson Symptome möglichst effektiv gelindert werden und das bei möglichst geringen Nebenwirkungen. Wie lange der Aufenthalt dauert, hängt also stark von der individuellen Situation der jeweiligen Patientinnen und Patienten ab. Nach dem stationären Aufenthalt erfolgt eine Reha. Hier lernen Patientinnen und Patienten außerdem den Umgang mit einer Art Fernbedienung, mit welcher vor allem die Impulsstärke und weitere Stimulationsparameter des Schrittmachers von außen eingestellt werden können.
Nachsorge
Zur Nachsorge gehören auch regelmäßige Untersuchungen: Alle 3 bis 6 Monate wird geprüft, wie sich die Parkinson-Beschwerden entwickeln und ob das Gerät einwandfrei funktioniert. Nach 3 bis 5 Jahren kann die Batterie des Schrittmachers nachlassen und muss gewechselt werden. Dies ist über einen kleinen Hautschnitt in örtlicher Betäubung möglich, die Elektroden im Gehirn müssen hierfür nicht neu gesetzt werden. Es gibt auch Geräte, die beispielsweise wöchentlich über ein Ladegerät aufgeladen werden.
Von der Klinik erhält man einen Implantatausweis, den man immer bei sich tragen sollte.
Arten von Hirnschrittmachern
Nach der erfolgreichen Implantation werden von außen mit Hilfe eines Programmiergerätes die optimalen Einstellungen mittels Funkübertragung getroffen. Es gibt nicht-wiederaufladbare (Batterie) und wiederaufladbare (Akku) Hirnschrittmacher (Impulsgenatoren). Wiederaufladbare Impulsgeneratoren haben den Vorteil der längeren Haltbarkeit, müssen aber entweder alle 1-2 Tage 10-20 Minuten oder 1x/Woche etwa 1-2 Stunden vom Patienten selbst zu Hause aufgeladen werden. Dies geschieht über eine Art Gürtel und kann bspw. beim Essen, Hausarbeiten, Fernsehen oder Lesen getan werden. Bei nicht-wiederaufladbaren Impulsgeneratoren ist nach 3-5 Jahren ein Austausch des in der Regel unter dem Schlüsselbein implantieretn Impulsgebers in örtlicher Betäubung nötig, da dann die Wirkung der Batterie nachlässt. Wiederaufladbare Geräte müssen erst nach voraussichtlich 20-25 Jahren ausgetauscht werden. Für den Austausch ist nur ein kleiner Hautschnitt unter dem Schlüsselbein erforderlich, der meist ambulant durchgeführt wird. Ein Eingriff am Kopf ist nicht nochmals nötig!
Wirkung der Tiefen Hirnstimulation auf klinische Symptome
Die zu erwartende Wirkung auf die klinische Symptomatik ist zum einen von dem Zielpunkt, zum anderen von der zugrunde liegenden Erkrankung abhängig. Sowohl die Muskelsteifigkeit (Rigor) als auch die Bewegungsarmut (Hypokinese / Bradykinese) sowie das Zittern (Tremor) beim Morbus Parkinson werden bei einer THS im Nucleus subthalamicus (STN) effektiv behandelt; weniger gut sprechen die axialen Symptome des M. Parkinson (Gangunsicherheit, Haltefunktionen, Schlucken, Sprechen …) an. Die THS im Nucleus ventralis intermedius (VIM) des Thalamus zur Behandlung vieler Tremorformen wirkt nur auf den Tremor allein und führt daher nicht zu einer Reduktion der Begleitsymptome (wie Ataxie, Rigor, Bradykinese, Dystonie …). Durch eine Stimulation des Globus pallidus internus (GPi) können dystone Bewegungsstörungen, der dystone Tremor, tardive Dyskinesien und Dyskinesien beim Morbus Parkinson effektiv reduziert werden. Eine Stimulation des anterioren Thalamus reduziert die Anfallshäufigkeit bei Patienten mit fokaler Epilepsie.
Was kann die tiefe Hirnstimulation leisten?
Beim fortgeschrittenen Morbus Parkinson unterliegt die Beweglichkeit zunehmend starken Schwankungen, da bei vielen Patientinnen und Patienten die Wirkung der Medikamente nicht mehr den ganzen Tag gleichmäßig anhält. Durch eine dauerhafte elektrische Stimulation - die Tiefe Hirnstimulation - lässt sich die unkoordinierte Kommunikation im Gehirn direkter und gleichmäßiger beeinflussen als mit einzelnen Tabletteneinnahmen. So kann das Bewegungsprofil auch im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit wieder geglättet werden.
Wissenschaftliche Ergebnisse zeigen, dass die Tiefe Hirnstimulation beim fortgeschrittenen Morbus Parkinson im Vergleich zur rein medikamentösen Therapie die Lebensqualität verbessern kann und eine aktivere Alltagsgestaltung ermöglicht.4 Zittern, Bewegungsarmut und unwillkürliche Körperbewegungen, ausgelöst durch Schwankungen der Medikamentenwirkung, können durch die Tiefe Hirnstimulation verbessert werden, wenn Medikamente allein nicht mehr helfen. Große klinische Studien zeigen eine durchschnittliche Verringerung der Medikation nach Tiefer Hirnstimulation um 50 % sowie eine Verbesserung von motorischen Symptomen, wie z. B. Unterbeweglichkeit oder Tremor.
Was die tiefe Hirnstimulation nicht leisten kann
Die Tiefe Hirnstimulation ermöglicht keine Heilung der Erkrankung. Sie erhöht die Lebensqualität durch Verbesserung der Beweglichkeit. Zum Morbus Parkinson können auch Symptome wie Störungen beim Wasserlassen, Gedächtnisstörungen oder Depressivität gehören, die von der Stimulation wenig oder gar nicht verbessert werden. Daher ist eine genaue Beratung vor der Operation durch Neurologinnen und Neurologen wichtig.
Risiken und Komplikationen
Wie nach jeder anderen Operation ist es ratsam, sich in den ersten Wochen nach der OP nicht übermäßig anzustrengen. Grundsätzlich sollten vor allem Sportarten, die mit heftigen Kopferschütterungen einhergehen, vermieden werden, ansonsten gibt es kaum Einschränkungen. Allerdings müssen in der Nähe elektromagnetischer Felder Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden: Untersuchungen mit Magnetresonanztomographie (MRT) oder Tiefenwärmebehandlungen dürfen bei Hirnschrittmacherpatienten nicht oder nur in Ausnahmefällen und unter Berücksichtigung besonderer Sicherheitskriterien angewendet werden! Einige Schrittmachertypen sind MRT fähig, müssen aber vor und nach einer MRT Untersuchung umprogrammiert werden.
Bei etwa 2 von 100 Operationen kommt es zu einer Hirnblutung, die leicht bis schwer ausfallen kann. Es wird geschätzt, dass etwa 1 von 100 Operierten dauerhafte Folgeschäden wie Lähmungen oder Sprachstörungen durch den Eingriff davonträgt.
Nach der Operation kann es zu Problemen an den eingesetzten Elektroden und am Schrittmacher kommen. So kann eine Hirnelektrode verrutschen, der Schrittmacher kann aussetzen, außerdem sind Entzündungen oder Hautreizungen möglich. Solche Probleme gehen entweder von selbst wieder weg oder können weitere Behandlungen wie einen Austausch der Elektroden nötig machen. Es ist möglich, dass die Hirnstimulation Verhaltensänderungen wie einen gesteigerten Antrieb oder Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen auslöst. Auch Bewegungsprobleme wie eine Verschlechterung des Ganges, Gleichgewichtsstörungen, eine verwaschene Sprache und vorübergehende Verwirrtheit können auftreten. Sie lassen sich oft durch eine veränderte Programmierung des Geräts oder eine Umstellung der Medikamente beheben. Manchmal sind solche Symptome aber auch Folgen der Parkinson-Erkrankung. Um sie von Nebenwirkungen der Hirnstimulation zu unterscheiden, ist eine sorgfältige Untersuchung wichtig.
Die Hirnstimulation kann auch das Empfinden, die Beziehungen und den Familienalltag beeinflussen. Neben positiven Auswirkungen sind auch belastende Situationen oder Konflikte möglich.
Komplikationen und Nebenwirkungen im Detail
Man unterscheidet Komplikationen durch den chirurgischen Eingriff (prozedural) von technischen Komplikationen des elektronischen Systems. Trotz sorgfältiger Planung des Zugangsweges und akkurater Durchführung der chirurgischen Handgriffe lassen sich Komplikationen durch den stereotaktischen Eingriff nicht ganz verhindern. Bei etwa 2% der operierten Patienten kommt es durch Verletzung eines Gefäßes zu einer Gehirnblutung, die in der Regel sehr klein und umschrieben ausfällt. Aufgrund des Zugangswegs und der Lage dieser Blutungen verursachen etwa die Hälfte dieser Blutungen (d.h. bei etwa 1% aller Patienten) auch neurologische Symptome wie Halbseitenlähmungen, Gefühlsstörungen, Sprach- oder Sprechstörungen. In der Regel bilden sich diese Symptome vollständig oder zumindest teilweise wieder zurück. Sehr, sehr selten kommt es zu einer Dislokation (Fehlplatzierung) der Elektrode mit Wirkverlust oder Auftreten von Nebenwirkungen. Häufig tritt eine solche Dislokation im Verlauf auf. Zunächst wird die entsprechende Elektrode nicht mehr stimuliert. Ein weiteres Risiko, das über den chirurgischen Eingriff hinaus auch noch im langfristigen Verlauf zu Problemen führen kann, stellt das Infektionsrisiko dar. Bakterien haften sich sehr gerne an Implantaten an und sind einer Antibiotikatherapie nur schwer zugänglich. Dies bedeutet, dass eine Infektion nur selten durch Antibiose effektiv zu behandeln ist, häufig wird daher eine Explantation der Implantate notwendig. Meist ist es ausreichend, nur den Impulsgeber und einen Teil des Kabels zu entfernen; selten jedoch kann die Explantation des gesamten Systems notwendig werden, um die Entwicklung einer Hirn- und Hirnhautentzündung zu vermeiden. Selbstverständlich sind die verwendeten technischen Bauteile sorgfältig geprüft und für den Gebrauch am Menschen zugelassen. Dennoch kann es im Verlauf - wie bei anderen elektrischen Apparaturen auch - zu einem Ausfall des Impulsgebers kommen, die zu einem Funktionsverlust der THS führen können. In diesem Fall kann ein Austausch des entsprechenden Kabels oder Stimulators durchgeführt werden. Notwendig wird der Austausch des Impulsgebers bei Erschöpfung der Batterie, die in Abhängigkeit von den Stimulationsparametern etwa 2 bis 7 Jahre lang hält. Dieser Eingriff wird durch die Ärzte der stereotaktischen Neurochirurgie in örtlicher Betäubung durchgeführt und dauert ca. Je nach Stimulationsort und Elektrodenlage bzw. der verwendeten Spannung können durch die hochfrequente Stimulation neben den erwünschten Wirkungen auch Nebenwirkungen auftreten. Diese können vorübergehender Natur sein oder dauerhaft vorliegen. Zu nennen sind Sprechstörungen, Gefühlsstörungen, Verkrampfungen oder Doppelbilder. Im Falle des Nucleus subthalamicus bei M. Parkinson können auch mal psychiatrische Nebenwirkungen wie Apathie, depressive Verstimmung oder submanische Zustände provoziert werden, auf die natürlich besondere Aufmerksamkeit bei der Einstellung der Stimulationsparameter gerichtet wird.
Leben mit einem Hirnschrittmacher
Die Elektroden und der Schrittmacher schränken im Alltag nur wenig ein. Man sollte aber Sportarten vermeiden, bei denen der Kopf stark erschüttert wird. Manche Menschen spüren den Schrittmacher unter der Haut des Schlüsselbeins, die meisten stört das jedoch nicht.
Technische Geräte beeinflussen den Schrittmacher normalerweise nicht. Man muss also keine Sorgen haben, dass sich die Impulse des Schrittmachers beispielsweise durch Handys oder Mikrowellen verändern. Auch die Sicherheitsscanner am Flughafen sind in der Regel unbedenklich. Dennoch wird bislang meist empfohlen, den Schrittmacher-Ausweis beim Sicherheitspersonal vorzuzeigen. Dann kann man mit dem Metalldetektor oder per Hand überprüft werden.
Allerdings sind Behandlungen oder Untersuchungen nicht oder nur eingeschränkt möglich, bei denen stärkere elektromagnetische Felder wirken. Dazu zählt beispielsweise die Kernspintomografie (MRT), die nur mit modernen Schrittmachern und in spezialisierten Zentren möglich ist.
Geschichte und Entwicklung der Tiefen Hirnstimulation
Die Tiefe Hirnstimulation gehört inzwischen zum Leistungskatalog der gesetzlichen und privaten Krankenkassen und ist bei der Behandlung von Bewegungsstörungen seit über 20 Jahren etabliert. 1995 wurde sie für die Behandlung des Tremors und 1998 für die Behandlung von Morbus Parkinson zugelassen. Seit ihrer Erstanwendung in den späten 1980er Jahren durch Prof. A. Benabid in Grenoble (Frankreich) wurde die THS weltweit bei ca. 85.000 Patienten durchgeführt - die meisten Patienten wurden aufgrund einer Parkinson-Erkrankung operativ behandelt.
Software zur Optimierung der Stimulationseinstellung
Ein Forschungsteam der Charité - Universitätsmedizin Berlin hat eine Software entwickelt, die die Einstellung effizienter machen könnte. In ihrer im Fachmagazin The Lancet Digital Health* erschienenen Studie konnten die Forschenden zeigen, dass die softwarebasierte Einstellung im Vergleich zur Stimulationseinstellung des herkömmlichen Verfahrens zu gleichwertigen Ergebnissen in der Verbesserung der motorischen Symptome führt. Die Software berechnet auf Basis radiologischer Bilddaten des Gehirns der Patient:innen Vorschläge für eine individuelle Stimulationseinstellung, die zu einer Verbesserung der Symptome führen soll. Zu den wichtigsten Parametern, die dabei berücksichtigt werden, gehört die Stromstärke sowie die genaue Positionierung der stimuliabgebenden Bereiche der Elektroden.
Fazit
Die Tiefe Hirnstimulation ist eine wichtige Therapieoption für Patienten mit fortgeschrittenen Bewegungsstörungen, insbesondere Morbus Parkinson, wenn die medikamentöse Behandlung nicht mehr ausreichend hilft. Sie kann die Symptome deutlich lindern und die Lebensqualität verbessern. Allerdings ist die THS kein Heilmittel und erfordert eine sorgfältige Auswahl der Patienten sowie eine umfassende Betreuung vor und nach der Operation.
Es ist wichtig, sich von einem spezialisierten Zentrum ausführlich beraten zu lassen, um die individuellen Chancen und Risiken der THS abzuwägen und realistische Erwartungen an den Eingriff zu entwickeln.
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