Das Auftreten neurologischer Auffälligkeiten bei Pferden kann für Pferdehalter sehr beunruhigend sein. Dieser Artikel soll einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Ursachen neurologischer Probleme beim Pferd geben, insbesondere das Wobbler-Syndrom, und die verfügbaren Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen.
Einführung in neurologische Erkrankungen beim Pferd
Die Neurologie ist die Lehre von Erkrankungen des Nervensystems. Das Nervensystem des Pferdes besteht aus dem zentralen Nervensystem (ZNS), welches Gehirn und Rückenmark umfasst, und dem peripheren Nervensystem (PNS), das die Nervenbahnen im Körper beinhaltet, die Informationen zum und vom ZNS leiten. Schädigungen oder Störungen in einem dieser Bereiche können zu neurologischen Auffälligkeiten führen.
Allgemeine Symptome neurologischer Erkrankungen
Die Symptome einer neurologischen Erkrankung beim Pferd können je nach betroffenem Teil des Nervensystems variieren. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:
- Verhaltens- und Bewusstseinsveränderungen: Stumpfer, schläfriger Eindruck, Teilnahmslosigkeit.
- Bewegungsstörungen: Koordinationsprobleme (Ataxie), Gangstörungen, Niederstürzen, Festliegen, Schwierigkeiten beim Rückwärtsrichten.
- Sehstörungen und Augenveränderungen: Hängende Augenlider.
- Krampfanfälle.
- Lokalisierte Veränderungen: Gangstörungen oder Muskelatrophie.
- Unsicherheiten in der Bewegung und Gleichgewichtsstörungen.
- Schwierigkeiten beim Bergauf- und Bergabgehen.
- Häufiges Stolpern.
- Schwierigkeiten beim Hufe aufhalten.
- Plötzliches Wegknicken der Hinterhand.
Das Wobbler-Syndrom: Eine spezielle Form der spinalen Ataxie
Das Wobbler-Syndrom, auch zervikale stenotische Myelopathie (CSM) genannt, ist eine neurologische Erkrankung, die vor allem bei jungen Pferden auftritt. Es handelt sich um eine spezielle Form der spinalen Ataxie, bei der das Rückenmark im Bereich der Halswirbelsäule komprimiert wird. Der Begriff "Wobbler" leitet sich vom englischen Verb "to wobble" ab, was "schwanken" oder "wackeln" bedeutet und sich auf die unsichere Gangart betroffener Pferde bezieht.
Ursachen des Wobbler-Syndroms
Die Ursachen für das Wobbler-Syndrom sind vielfältig und können in folgende Kategorien eingeteilt werden:
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- Entwicklungsbedingte Ursachen: Wachstumsstörungen bei jungen Pferden, insbesondere bei großen Rassen, können zu einer Verengung des Wirbelkanals und einer Kompression des Rückenmarks führen. Zu schnelles Wachstum kann das Risiko erhöhen, dass sich der Nervenkanal in der Wirbelsäule verengt.
- Traumatische Ursachen: Verletzungen der Halswirbelsäule, wie sie beispielsweise durch Unfälle oder Stürze entstehen können, können ebenfalls zu einer Kompression des Rückenmarks führen.
- Degenerative Ursachen: Bei älteren Pferden kann es zu einer allmählichen Verschlechterung der Bandscheiben und/oder der Wirbelknochen kommen, die zu einer Kompression des Rückenmarks führen kann. Arthrotische Veränderungen an den Halswirbelgelenken können ebenfalls Nervenbahnen einquetschen.
- Genetische Faktoren: Es gibt Hinweise darauf, dass genetische Prädispositionen, einschließlich Inzucht, die Entstehung des Wobbler-Syndroms begünstigen können. Erbliche Veranlagungen, die die Entstehung des Wobbler-Syndroms begünstigen.
- Fehl- und Mangelernährung: Eine unzureichende oder übermäßige Nährstoffzufuhr während der Trächtigkeit kann die gesunde Entwicklung des Fohlens beeinträchtigen und das Risiko des Wobbler-Syndroms erhöhen. Ungünstig sind Kombinationen mehrerer Faktoren.
- Infektionen: Infektionen zählen ebenfalls zu den Auslösern des Wobbler-Syndroms beim Pferd.
Symptome des Wobbler-Syndroms
Die Symptome des Wobbler-Syndroms können je nach Schweregrad der Erkrankung variieren. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:
- Koordinationsstörungen (Ataxie): Unsicherer Gang, Schwierigkeiten beim Balancieren, über das Ziel hinausgehende Bewegungen.
- Schwäche: Allgemeine Schwäche, Schwierigkeiten beim Aufstehen.
- Steifheit: Steife Bewegungen, eingeschränkte Beweglichkeit.
- Schwierigkeiten beim Rückwärtsrichten: Unkoordinierte Bewegungen, Passgang.
- Stolpern und Straucheln: Erhöhte Anfälligkeit für Stürze.
- Muskelschwund: Abbau der Muskulatur, insbesondere im Bereich der Kruppe und der langen Rückenmuskulatur.
- Sensibilitätsstörungen: Verminderte Reaktion auf Berührungen oder Schmerzen.
Diagnose des Wobbler-Syndroms
Die Diagnose des Wobbler-Syndroms kann schwierig sein, da die Symptome oft unspezifisch sind und mit anderen neurologischen Erkrankungen verwechselt werden können. Um die Halswirbelsäule in ihrer gesamten Länge sowie in gebeugter und gestreckter Position abzubilden, sind in der Regel mehrere Aufnahmen notwendig. Für eine zuverlässige Diagnose ist die Verabreichung eines Kontrastmittels vor der Röntgenaufnahme wichtig. Es gibt jedoch eine Reihe von diagnostischen Tests, die helfen können, die Ursache der Ataxie zu identifizieren:
- Klinische Untersuchung: Der Tierarzt wird das Pferd sorgfältig untersuchen und auf Anzeichen von Ataxie, Schwäche oder Schmerzen achten.
- Neurologische Untersuchung: Der Tierarzt wird eine Reihe von Tests durchführen, um festzustellen, ob das Pferd neurologische Probleme hat. Hierbei wird das Verhalten, das Bewusstsein, das Gangbild sowie die Orientierung des Patienten beurteilt. Anhand der neurologischen Untersuchung des Pferdes lässt sich klären, ob tatsächlich eine neurologische und nicht beispielsweise eine orthopädische oder gar metabolische Ursache vorliegt. Aufgrund verschiedener Haltungs- und Stellreaktionen, sowie Untersuchung spezieller Kopfnerven werden zusätzliche Informationen gewonnen, die es ermöglichen, eine Läsion im Nervensystem näher zu lokalisieren.
- Bildgebende Verfahren: Röntgenaufnahmen, CT-Scans oder MRT-Scans der Halswirbelsäule können helfen, die Ursache der Kompression des Rückenmarks zu identifizieren.
- Myelographie: Dies ist ein spezielles bildgebendes Verfahren, bei dem ein Kontrastmittel in den Raum um das Rückenmark injiziert wird, um eine bessere Darstellung der Wirbel und des Rückenmarks zu ermöglichen. Da beim Röntgen nur knöcherne Strukturen sichtbar gemacht werden können, ist es für eine sichere Diagnose meist nötig, dem Tier ein Kontrastmittel zu verabreichen. Auf diese Weise können auch Veränderungen an Weichteilen und damit einhergehende Einengungen im Wirbelkanal erkannt werden.
- Ataxie-Test: Ataktische Pferde haben Schwierigkeiten, sich in engen Wendungen auszubalancieren. Werden sie auf einem sehr kleinen Kreis geführt, schert für gewöhnlich die Hinterhand nach außen aus. Das Rückwärtsrichten fällt ihnen ebenfalls schwer, vor allem mit hoch erhobenem Kopf. Werden sie aus der Bewegung plötzlich angehalten, bleiben ataktische Pferde oft in auffälligen Positionen mit bodenweitem Stand stehen. In der Bewegung beim Führen wirken sie oft unkoordiniert und taumeln. Zieht man dazu seitlich an der Schweifrübe machen diese Pferde oft einen Ausfallschritt oder taumeln seitlich. Auch auf weitere Tests zur Überprüfung der Reflexe reagieren diese Pferde meist verzögert oder gar nicht.
Behandlung des Wobbler-Syndroms
Die Behandlung des Wobbler-Syndroms kann je nach Ursache und Schwere der Erkrankung variieren. Eine Standardbehandlung gibt es nicht. Generell lässt sich sagen, dass jüngere Tiere oft eine bessere Chance auf Heilung haben, sofern die spinale Ataxie rechtzeitig diagnostiziert und richtig behandelt wird. Bei älteren Pferden stehen die Heilungschancen schlechter. Mithilfe geeigneter Maßnahmen können die Symptome zumindest gemildert werden. Zu den möglichen Behandlungsoptionen gehören:
- Konservative Behandlung: In einigen Fällen kann eine konservative Behandlung mit entzündungshemmenden Medikamenten, Schmerzmitteln und physiotherapeutischen Übungen ausreichen. Abschwellende und entzündungshemmende Medikamente sorgen dafür, dass der Druck auf den Wirbelkanal verringert und Entzündungsherde eingedämmt werden. Das verschafft dem Pferd zunächst einmal Linderung. Allerdings muss man wissen, dass Medikamente nicht die Ursache beseitigen, sondern lediglich Symptome mildern. Physio- und Bewegungstherapie können dem Pferd dabei helfen, seine Bewegungsabläufe zu verbessern und mehr Kontrolle über seinen Körper zurückzugewinnen. Unterstützen können Rotlicht- und Infrarotbestrahlung, Vibrationstherapie sowie Massagen, Taping und Bandagen.
- Chirurgische Behandlung: In anderen Fällen kann eine chirurgische Behandlung erforderlich sein, um die Kompression des Rückenmarks zu lindern. Eine dauerhafte Symptomlosigkeit kann nur durch einen chirurgischen Eingriff erreicht werden. Ziel der Operation ist es, das Rückenmark dauerhaft zu entlasten. Dabei gibt es zwei gängige Verfahren: Entweder wird ein Teil der Einengung im Wirbelkanal entfernt, um mehr Platz für das Rückenmark zu schaffen, oder die betroffenen Wirbel werden durch Schrauben oder Platten stabilisiert.
- Ernährung: Mit der richtigen Fütterung kann man vom Wobbler-Syndrom betroffene Pferde bei der Regeneration unterstützen. Dazu gehört zunächst einmal eine ausreichende Versorgung mit Heu. Das Pferd sollte die Möglichkeit haben, auf die Weide zu gehen. Ebenfalls hilfreich kann die Zugabe von B-Vitaminen sein, da diese zum Erhalt eines normalen Nervensystems beitragen können. Mineralstoffe wie Magnesium und Mangan sollten ebenfalls nicht fehlen.
- Bewegungstherapie: Zentraler Bestandteil der Therapie des equinen Wobbler-Syndroms ist die Bewegungstherapie. Mithilfe gezielter Physiotherapie- und Bewegungseinheiten verbessern betroffene Pferde ihre Koordination und gewinnen mehr Kontrolle über ihren Körper zurück.
Andere Ursachen für neurologische Auffälligkeiten
Neben dem Wobbler-Syndrom gibt es noch eine Reihe weiterer Ursachen für neurologische Auffälligkeiten beim Pferd. Dazu gehören:
- Infektionen: Verschiedene Infektionen, wie beispielsweise das Equine Herpesvirus-1 (EHV-1), die Bornasche Krankheit, das West-Nil-Virus oder die Zeckenenzephalitis, können das Nervensystem schädigen und neurologische Symptome verursachen.
- Trauma: Kopfverletzungen oder Rückenmarksverletzungen können ebenfalls zu neurologischen Problemen führen.
- Tumore: Tumore im Gehirn oder Rückenmark können Druck auf das Nervengewebe ausüben und neurologische Störungen verursachen.
- Vergiftungen: Bestimmte Gifte, wie beispielsweise Rattengift oder Pflanzengifte (z.B. Eibe, Herbstzeitlose), können das Nervensystem schädigen.
- Metabolische Erkrankungen: Stoffwechselerkrankungen können ebenfalls neurologische Symptome verursachen.
- Epilepsie: Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Krampfanfälle gekennzeichnet ist.
- Periphere Nervenerkrankungen: Verletzungen oder Entzündungen der peripheren Nerven können zu lokalen neurologischen Ausfällen führen.
Diagnose anderer neurologischer Erkrankungen
Die Diagnose anderer neurologischer Erkrankungen beim Pferd erfordert in der Regel eine gründliche neurologische Untersuchung, bildgebende Verfahren (wie Röntgen, Ultraschall, CT oder MRT) und gegebenenfalls eine Liquoruntersuchung (Entnahme von Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit).
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Behandlung anderer neurologischer Erkrankungen
Die Behandlung anderer neurologischer Erkrankungen beim Pferd hängt von der jeweiligen Ursache ab. Sie kann medikamentöse Therapien (z.B. Antibiotika, Virostatika, Entzündungshemmer), chirurgische Eingriffe oder unterstützende Maßnahmen wie Physiotherapie und Akupunktur umfassen.
Prävention neurologischer Erkrankungen
Einige neurologische Erkrankungen, wie beispielsweise das Wobbler-Syndrom, können durch gezielte Zuchtmaßnahmen und eine ausgewogene Ernährung des Fohlens vorgebeugt werden. Bei anderen Erkrankungen, wie beispielsweise Infektionen, ist eine gute Hygiene und Impfschutz wichtig.
Präventive Maßnahmen beim Wobbler-Syndrom:
- Zuchtauswahl: Pferde mit diagnostiziertem Wobbler-Syndrom oder engen Wirbelkanälen sollten konsequent von der Zucht ausgeschlossen werden.
- Früherkennung: Bei schnell wachsenden Fohlen wird eine frühzeitige Untersuchung empfohlen, inklusive bildgebender Verfahren zur Überwachung des Wirbelkanals.
- Nährstoffversorgung: Ein ausgewogenes Nährstoffverhältnis und die gezielte Zufuhr von Vitamin E unterstützen die neurologische Gesundheit und die Entwicklung des Bewegungsapparates.
- Fütterungskontrolle: Zu den präventiven Maßnahmen gehört die Reduzierung von Futtermitteln mit hohem Protein- und Stickstoffgehalt.
- Bewegungsmanagement: Um eine gesunde körperliche Entwicklung zu fördern, ist es wichtig, Pferden ausreichend Pausen und Erholungsphasen von sportlichen Veranstaltungen oder intensivem Training zu ermöglichen.
Die Rolle der Fütterung bei neurologischen Erkrankungen
Die richtige Fütterung spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Pferden mit neurologischen Erkrankungen. Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitaminen (insbesondere B-Vitamine und Vitamin E), Mineralstoffen (Magnesium, Mangan, Kupfer, Kalzium) und Aminosäuren kann die Regeneration von Nervenzellen fördern und die Symptome lindern.
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