Ataxie ist eine schwerwiegende Erkrankung beim Pferd, die nicht bei vielen Pferdehaltern bekannt ist. Ähnlich wie die Begriffe Lahmheit oder Kolik beschreibt Ataxie einen Symptomkomplex, bei dem es um Schwierigkeiten bei der Bewegungskoordination geht. Oft werden diese in ihrer leichteren Ausprägung nur als Lahmheiten wahrgenommen. Das Wort Ataxie stammt von dem griechischen Wort „αταξία“ (Ataxia) ab, welches so viel wie Unordnung oder Störung bedeutet. Damit beschreibt es den Symptomkomplex bereits sehr gut. Die Hauptmerkmale von Ataxie sind Gleichgewichtsstörungen und ein unsauberes Gangbild. Der Grund dafür liegt im Zentralen Nervensystem (ZNS). Das ZNS umfasst das Gehirn und das Rückenmark. Das Periphere Nervensystem (PNS) sind die Nervenbahnen im Körper, die von und zu dem ZNS führen. Verschiedene Formen von Nervenschäden können zu Störungen der Reizübertragung führen.
Ursachen von Ataxie beim Pferd
Die Ursachen einer Ataxie können vielfältig sein. Manche dieser Ursachen können erblich sein und damit die Wahrscheinlichkeit, dass Ataxie bei den Nachkommen auftritt, erhöhen. Manche Rassen wie Araber und Oldenburger haben eine Anfälligkeit zu zerebellarer Ataxie. Andere Ursachen wiederum kann ein Pferd im Laufe seines Lebens erworben haben, wie Infektionskrankheiten oder Verletzungen.
In erster Linie kann man Ataxien entweder nach ihrem Ursprungsort oder ihrer Ursachenart unterscheiden. Bei der Ursachenart wird zwischen neurologischen, osteopathischen oder stoffwechselbedingten Ursachen unterschieden.
Spinale Ataxie
Das lateinische Wort Spina steht für die Wirbelsäule. Bei einer spinalen Ataxie handelt es sich um Bewegungsstörungen, die durch Schäden am Rückenmark verursacht werden. Solche Schäden können ganz unterschiedlich sein und viele Ursachen haben. Die Gemeinsamkeit liegt bei den eingeengten Nerven innerhalb des Wirbelkanals. Dadurch kommt es zu „Aussetzern“ bei der Reizübertragung. Da die Quetschung von der Stellung der Wirbelkörper zueinander abhängen kann, müssen diese neurologischen Störungen auch nicht dauerhaft auftreten.Im Fall der spinalen Ataxie, die am häufigsten auftritt, sind es oft muskuläre Probleme, Fehlstellungen, degenerative Erkrankungen oder Verletzungen.Muskuläre Probleme und Verspannungen können die Haltung eines Pferdes stark beeinflussen. Wird die Wirbelsäule dadurch stark überstreckt oder gebeugt, können Engstellen im Wirbelkanal entstehen. Sind die Schäden dadurch noch nicht weit fortgeschritten, können ein angepasstes Training und therapeutische Maßnahmen die Ursache beheben.Fehlstellungen, die den Wirbelkanal einengen, können angeboren sein oder durch z.B. falsche Hufbearbeitung oder Training entstehen. Angeborene Fehlstellungen wie beim Wobbler-Syndrom können unter Umständen operativ behoben werden. In den meisten Fällen sind sie allerdings nicht behebbar.Degenerative Erkrankungen wie Arthrose führen zu Änderungen an Knochen oder Gewebeschichten, die ähnlich wie Fehlstellungen zu Schäden am Rückenmark führen können.
Wobbler-Syndrom
Eine Sonderform der spinalen Ataxie ist das sogenannte Wobbler-Syndrom. Das Wobbler-Syndrom ist eine neurologische Erkrankung, die Pferde betrifft. Es ist auch bekannt als zervikale stenotische Myelopathie (CSM). Pferde mit Wobbler-Syndrom zeigen unspezifische neurologische Symptome, die oft als „Wackeln“ oder „Schwanken“ beschrieben werden, daher der Name. Die Symptome sind auf eine Kompression des Rückenmarks im Bereich der Halswirbelsäule zurückzuführen.
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Das Wobbler-Syndrom kann aus verschiedenen Gründen auftreten:
- Entwicklungsbedingte Ursachen: Bei jungen Pferden können Wachstumsstörungen zu einer Verengung des Wirbelkanals und zu einer Kompression des Rückenmarks führen.
- Traumatische Ursachen: Verletzungen der Halswirbelsäule können zu einer Kompression des Rückenmarks führen.
- Degenerative Ursachen: Bei älteren Pferden kann es zu einer allmählichen Verschlechterung der Bandscheiben und/oder der Wirbelknochen kommen, die zu einer Kompression des Rückenmarks führen kann.
Zerebrale und Zerebellare Ataxie
Liegt die Ursache der Ataxie bei einer Störung der Funktion des Groß-, Mittel- oder Zwischenhirns, spricht man von der zerebralen Ataxie. Solche Störungen entstehen wiederum durch Tumore, traumatische Verletzungen oder Erkrankungen mit neurologischen Störungen wie Herpes 1. Bei der Zerebellaren Ataxie dagegen ist das Kleinhirn betroffen. Dieses ist die Schaltzentrale für die Bewegung der Gliedmaßen, das Gleichgewicht und die Eigenwahrnehmung. Bei einer Erkrankung des Kleinhirns sind die Koordination und das Gleichgewicht im Allgemeinen betroffen.
Bei der zerebralen und zerebellaren Ataxie liegen die Ursachen meist bei Infektionen, Tumoren, Vergiftungen und traumatischen Kopfverletzungen.Tumore am Rückenmark oder im Gehirn können Druck auf Nervenzellen ausüben und damit zu neurologischen Störungen führen.Sowohl Infektionen, die das Gehirn betreffen, als auch Vergiftungen haben das Potential, Nervenzellen zu schädigen. Dazu zählen künstliche Gifte wie Rattengift, Pflanzen wie Eibe oder Herbstzeitlose und Krankheiten wie Equines Herpes oder Borreliose. Auch Parasiten, die das Gehirn oder das Rückenmark befallen, kommen in Frage.Auch Stoffwechselerkrankungen und Nährstoffmängel können zu Ataxie führen. Durch langanhaltende Mangelversorgungen können degenerative Prozesse entstehen.
Schlaganfall als Ursache
Zu einem Schlaganfall (Infarkt) kommt es, wenn die Durchblutung des Gehirns beim Pferd gestört ist. Das kann passieren, wenn große Arterien verstopft oder stark zusammengepresst sind oder der Blutfluss in einer Hauptvene unterbrochen ist. Auch wenn ein größeres Gefäß im Gehirn platzt, erleidet das Pferd einen Infarkt.Wandernde Wurmlarven können bei Pferden wichtige Gefäße im Gehirn verstopfen. Oder ein Entzündungsherd, der zum Beispiel im Herzen oder in der Blase liegt, streut. Dann verschließen Entzündungszellen oder Bakterien die Blutgefäße. Es kommt zum sogenannten septischen Infarkt.Beim Schlaganfall können auch in dem Gebiet des Gehirns Gefäße blockiert sein, die für das Gleichgewicht des Pferds verantwortlich sind. Neurologen sprechen dann vom zentralen Vestibularsyndrom, weil die Ursache für die Beschwerden im Gehirn (Hirnstamm und Kleinhirn), also im zentralen Nervensystem liegt. »Nicht nur Infarkte, auch Entzündungen, ein Schädel-Hirntrauma oder Tumore können das Syndrom auslösen«, sagt Andrea Tipold.
Symptome von Ataxie beim Pferd
Gleichgewichtsstörungen und unkoordinierter Gang sind sehr weitgefasste Beschreibungen für die Symptome einer Ataxie. Entsprechend schwer kann es sein, sie zu erkennen. Eine leichte Ausprägung ähnelt einem unausbalancierten Jungpferd. Es kann ein wackeliger, unsicherer, schlaksiger oder besonders schwungvoller Gang auftreten.
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Auch häufiges Stolpern, Schwierigkeiten beim Hufe aufhalten und plötzliches Wegknicken der Hinterhand können Anzeichen für eine Ataxie sein. Manche Pferde tun sich beim Bergauf und Bergab laufen oder bei unebenen und wechselnden Bodenverhältnissen schwer. Bei weiter fortgeschrittener Ausprägung werden die Symptome deutlicher und können zu Muskelschwund, Sensibilitätsstörungen und Schwierigkeiten beim Stillstehen führen.
In schwacher Form ist eine Ataxie schwierig zu erkennen. Bei einer nur leichten Ataxie haben Pferde oft ein scheinbar besonders ‚schlaksiges‘, sehr schwungvolles.
Symptome eines Schlaganfalls
Ein Schlaganfall kommt plötzlich. Die Symptome treten von einer Minute auf die andere auf und verschlimmern sich meist sehr schnell. Manchmal ähneln sie denen des vergleichsweise harmlosen peripheren Vestibularsyndroms. Dieses kann deshalb leicht mit einem Schlaganfall verwechselt werden.Wenn das Pferd plötzlich schwankt und stürzt, droht akute Lebensgefahr: Die Durchblutung des Gehirns ist bei einem Schlaganfall gestört.
Diagnose von Ataxie beim Pferd
Besteht durch die Symptomatik der Verdacht auf eine Ataxie, werden klinische und neurologische Untersuchungen wie der Ataxie-Test durchgeführt. Manche von diesen Tests können von einem erfahrenen Pferdehalter auf dem Hof ausgeführt werden. Dabei gilt es jedoch, vorsichtig zu sein. Das Pferd sollte in keine Situation gebracht werden, in der es sich verletzen kann. Auch dienen diese Tests nur einer ersten Einschätzung und ersetzen keinen Tierarzt.
Ataktische Pferde haben Schwierigkeiten, sich in engen Wendungen auszubalancieren. Werden sie auf einem sehr kleinen Kreis geführt, schert für gewöhnlich die Hinterhand nach außen aus.Das Rückwärtsrichten fällt ihnen ebenfalls schwer, vor allem mit hoch erhobenem Kopf. Hier gilt besondere Vorsicht, denn stark ataktische Pferde können sich dabei rückwärts überschlagen.Werden sie aus der Bewegung plötzlich angehalten, bleiben ataktische Pferde oft in auffälligen Positionen mit bodenweitem Stand stehen.In der Bewegung beim Führen wirken sie oft unkoordiniert und taumeln. Zieht man dazu seitlich an der Schweifrübe machen diese Pferde oft einen Ausfallschritt oder taumeln seitlich. Gesunde Pferde würden dagegen mit Widerstand darauf reagieren.Auch auf weitere Tests zur Überprüfung der Reflexe reagieren diese Pferde meist verzögert oder gar nicht.
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Für die weitere Diagnose sind Röntgenbilder oder eine Myelographie (Röntgenbilder mit Kontrastmittel) nötig. Allerdings bleibt die genaue Ursache für die Ataxie oft unerkannt.
Die Diagnose des Wobbler-Syndroms kann schwierig sein, da die Symptome oft unspezifisch sind und mit anderen neurologischen Erkrankungen verwechselt werden können. Es gibt jedoch eine Reihe von diagnostischen Tests, die helfen können, die Ursache der Ataxie zu identifizieren:
- Klinische Untersuchung: Der Tierarzt wird das Pferd sorgfältig untersuchen und auf Anzeichen von Ataxie, Schwäche oder Schmerzen achten.
- Neurologische Untersuchung: Der Tierarzt wird eine Reihe von Tests durchführen, um festzustellen, ob das Pferd neurologische Probleme hat.
- Bildgebende Verfahren: Röntgenaufnahmen, CT-Scans oder MRT-Scans der Halswirbelsäule können helfen, die Ursache der Kompression des Rückenmarks zu identifizieren.
- Myelographie: Dies ist ein spezielles bildgebendes Verfahren, bei dem ein Kontrastmittel in den Raum um das Rückenmark injiziert wird, um eine bessere Darstellung der Wirbel und des Rückenmarks zu ermöglichen.
Diagnose eines Schlaganfalls
Pferde haben nur sehr selten einen Schlaganfall. »Wir haben in der Neurologie vielleicht drei Fälle im Jahr«, sagt Professor Andrea Tipold. Ein peripheres Vestibularsyndrom tritt dagegen deutlich häufiger auf.Das zentrale Vestibularsyndrom kann mit einem peripheren Vestibularsyndrom verwechselt werden. »Bei diesem Krankheitsbild liegt eine Fehlfunktion des Hör-Gleichgewichtsnervs beziehungsweise des Gleichgewichtsorgans vor«, sagt Tipold. Das Gleichgewichtsorgan (Vestibularorgan) besteht aus drei halbkreisförmigen Bogengängen und zwei miteinander verbundenen Säckchen. Es ermöglicht dem Pferd, sich im dreidimensionalen Raum zu orientieren und zu koordinieren. Das Vestibularorgan liegt im Innenohr und informiert das Pferdegehirn ununterbrochen über die Position seines Körpers. Versagt dieses System, gerät das Pferd aus dem Gleichgewicht und kann sich nicht mehr auf den Beinen halten. Auch Menschen mit Vestibularstörungen fühlen sich, als säßen sie in einem Karussell. Sie sind »seekrank«, haben Schwindelanfälle verbunden mit Übelkeitsattacken bis hin zum Erbrechen. Ursachen für ein peripheres Vestibularsyndrom sind meist Entzündungen im Innenohr. Dazu kommt es, wenn die Erreger einer Mittelohrentzündung aufs Innenohr übergreifen. Infektionen in Rachen oder Luftsäcken können ebenfalls ins Innenohr streuen.
Behandlung von Ataxie beim Pferd
Die genaue Behandlung einer Ataxie richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad. Versucht wird, die Ursache abzustellen oder weiteres Fortschreiten der Krankheit zu verhindern. Bei frühzeitigem Erkennen von Infektionen, Vergiftungen und Parasiten kann durch eine medikamentöse Behandlung Schlimmeres verhindert werden. Operative Eingriffe können bedingt Ursachen wie Tumore oder falsch liegende Wirbel beheben. Bei Stoffwechselerkrankungen und Mangelversorgung reicht bereits ein Anpassen des Fütterungsmanagements.
Die Behandlung des Wobbler-Syndroms kann je nach Ursache und Schwere der Erkrankung variieren. In einigen Fällen kann eine konservative Behandlung mit entzündungshemmenden Medikamenten und physiotherapeutischen Übungen ausreichen. In anderen Fällen kann eine chirurgische Behandlung erforderlich sein, um die Kompression des Rückenmarks zu lindern.
Behandlung eines Schlaganfalls
Ein Schlaganfall muss schnell behandelt werden. Ist es eine leichte Variante, ist dann eine Heilung möglich. Nur: Wurden Hirnzellen zerstört, werden sie nicht wieder gesund. Benachbarte Nervenzellen können jedoch ihren Job übernehmen. Es gibt Pferde, die nach einem Schlaganfall wieder geritten werden können.
Heilungsaussichten und Management
Nervengewebe regeneriert sich jedoch nur schlecht. Entstandene Schäden können dadurch in den meisten Fällen nicht mehr behoben werden. In vielen Fällen, gerade bei erblich bedingter Ataxie, schweren Traumata und Tumoren, stehen die Heilungsaussichten schlecht. Schlussendlich ist die individuelle Situation des ataktischen Pferdes entscheidend. Ist es nicht möglich dem Pferd ein schmerzfreies Leben zu bieten oder gehen die Koordinationsstörungen so weit, dass das Pferd eine Gefahr für sich und andere darstellt, muss das Einschläfern in Betracht gezogen werden.
Kann die Ursache der Ataxie erfolgreich behandelt werden und dem Pferd ein schmerzfreies Leben ermöglicht werden, sollten bei der Haltung und der Bewegung des Pferdes die bleibenden Folgen berücksichtigt werden.Ein angepasstes Training vom Boden kann zur Gesunderhaltung des Pferdes beitragen. Denn eine gut trainierte Muskulatur kann vieles kompensieren. Ob ein Pferd mit Ataxie noch geritten werden sollte, sollte nur in Rücksprache mit dem behandelnden Tierarzt entschieden werden.
Unterstützende Fütterung
Um der Degeneration von Nervenzellen und anderem Gewebe entgegen zu wirken, kann bei der Fütterung auf eine entsprechende Nährstoffversorgung geachtet werden. Vitamin B und Aminosäuren sind essenziell für die Funktion der Nervenzellen. Mängel an Kupfer und Kalzium sollten vermieden werden, da diese zu degenerativen Prozessen in der Knochenstruktur führen können. Ein Vitamin E Mangel führt zu einem erhöhten Sauerstoffverbrauch und kann zu Muskelschwund führen.
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