Ein Schlaganfall kann das Leben von einem Moment auf den anderen verändern. Neben den gesundheitlichen Folgen stellt sich für viele Betroffene die Frage nach der beruflichen Zukunft und dem Kündigungsschutz. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Aspekte des Kündigungsschutzes nach einem Schlaganfall, um Betroffenen und ihren Angehörigen eine Orientierung zu bieten.
Die Situation nach dem Schlaganfall: Eine Herausforderung für Betroffene
Ein Schlaganfall kann einschneidende Veränderungen im Leben eines Menschen mit sich bringen. Körperliche Einschränkungen, Sprachstörungen oder kognitive Beeinträchtigungen können die Rückkehr in den Arbeitsalltag erschweren oder gar unmöglich machen. Viele Betroffene müssen sich ihren Weg zurück ins Arbeitsleben mühsam erkämpfen, wie das Beispiel eines Ingenieurs zeigt, der nach seinem Schlaganfall weder laufen noch sprechen konnte. Er musste jeden Schritt, jedes Wort mühsam zurückerobern. Nach 16 Monaten konnte er wieder anfangen zu arbeiten, jedoch nicht mehr auf seinem früheren Posten.
Die wenigsten Schlaganfall-Patienten, die so schwer betroffen waren wie er, schaffen es wieder ins Arbeitsleben. Deswegen ist ihm auch die Anerkennung seiner Schwerbehinderung und sein Kündigungsschutz so wichtig. Er will arbeiten und nicht bei der nächsten Umstrukturierung um seinen Job bangen müssen. Für ihn geht der Kampf auch nach vier Jahren noch weiter. Jeden Tag. Er hat immer noch sechs Therapieeinheiten pro Woche. Einen Teil davon übernimmt die Krankenkasse, einen Teil zahlt er selbst aus seinem Ersparten, seiner Altersvorsorge. Da der nächste Neuropsychologe zu weit von uns entfernt ist, versucht er seine kognitiven Fähigkeiten so gut es geht mit der Ergotherapeutin zu trainieren. Er ist so froh, seine Frau an seiner Seite zu haben. Sie hilft bei den Anträgen, legt Widersprüche ein, informiert sich bei Rechtsanwälten. Das würde er nicht mehr alleine schaffen.
Schwerbehinderung und Kündigungsschutz
Die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch (Grad der Behinderung von mindestens 50) ist ein wichtiger Schritt, um den Kündigungsschutz zu erlangen. Schwerbehinderte Menschen genießen einen besonderen Schutz vor Kündigungen. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten ist besonders geschützt durch den Kündigungsschutz, wobei dieser erst nach einer mindestens sechsmonatigen Beschäftigungszeit wirksam wird.
Zustimmung des Integrationsamtes
Eine Kündigung eines schwerbehinderten Menschen bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Das Integrationsamt prüft, ob die Kündigung im Zusammenhang mit der Behinderung steht und ob alle Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung im Betrieb ausgeschöpft wurden.
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Herabstufung des Grades der Schwerbehinderung
Es kommt vor, dass das Versorgungsamt den Grad der Schwerbehinderung herabstufen möchte. Dies kann für Betroffene erhebliche Konsequenzen haben, da sie dadurch ihren Kündigungsschutz verlieren und möglicherweise nicht mehr die Möglichkeit haben, früher in Rente zu gehen. In solchen Fällen ist es ratsam, Widerspruch einzulegen und sich rechtlich beraten zu lassen.
Krankheitsbedingte Kündigung: Was ist erlaubt?
Auch ohne Schwerbehinderung kann eine Kündigung aufgrund von Krankheit erfolgen. Allerdings sind die Hürden hierfür sehr hoch. Das Landesarbeitsgericht Köln hat entschieden, dass die krankheitsbedingte Kündigung eines Mitarbeiters, der aufgrund eines einmaligen Schicksalsschlags (hier eines Schlaganfalles) längerfristig arbeitsunfähig wurde, nicht die Voraussetzungen erfülle, die an eine solche Kündigung gestellt werden.
Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung
Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung von krankheitsbedingten Kündigungen erfolgt in drei Stufen:
- Negative Prognose: Es muss eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegen. Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann.
- Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen: Es muss eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen sein. Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen.
- Interessenabwägung: Eine Interessenabwägung muss ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen.
Interessenabwägung im Einzelfall
Selbst wenn eine negative Prognose und eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vorliegen, muss im Rahmen der Interessenabwägung geprüft werden, ob die Kündigung im Einzelfall zumutbar ist. Dabei sind die Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Alter des Arbeitnehmers, die Ursache der Krankheit und die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
Einmaliger Schicksalsschlag
Das LAG Köln betonte, dass bei einem einmaligen Schicksalsschlag wie einem Schlaganfall der Arbeitgeber nicht schon bei ersten Betriebsbeeinträchtigungen kündigen dürfe, sondern abwarten müsse, bis die betrieblichen oder wirtschaftlichen Belastungen unzumutbar geworden sind. Nach dem Schlaganfall habe der Arbeitgeber vorschnell und unverhältnismäßig reagiert, indem er bereits dreieinhalb Monate nach dem Schlaganfall die Kündigung ausgesprochen habe.
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Leidensgerechter Arbeitsplatz: Eine Alternative zur Kündigung
Ein leidensgerechter Arbeitsplatz ist ein Arbeitsplatz, den ein Mitarbeiter trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen ausfüllen kann. Er ist also den eingeschränkten gesundheitlichen Anforderungen angepasst. Auf diese Weise sollen Arbeitnehmer, die langzeiterkrankt oder schwerbehindert sind, vor einer möglichen Kündigung geschützt werden.
Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz
Ein leidensgerechter Arbeitsplatz muss nicht extra geschaffen werden, sondern im Betrieb bereits vorhanden und frei sein. Außerdem muss das neue Aufgabenfeld im Arbeitsvertrag mit erfasst worden sein. Der Arbeitnehmer muss die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz vom Arbeitgeber verlangen. Dieser sollte des Weiteren mit Ihnen abklären, wie er sich eine weitere Beschäftigung vorstellt. Gibt es überhaupt einen freien Platz für Sie? Welche Aufgaben können Sie noch erfüllen?
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Wenn ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen am Stück oder wiederholt an einer Krankheit leidet, bedarf es eines betrieblichen Eingliederungsmanagements. Hierbei soll es darum gehen, die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu erleichtern und eine erneute Erkrankung, vor allem deren Ursachen arbeitsbedingt sind, zu vermeiden.
Weitere Unterstützungsmöglichkeiten
Neben dem Kündigungsschutz und dem Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz gibt es weitere Unterstützungsmöglichkeiten für Schlaganfall-Betroffene:
- Berufliche Rehabilitation: Die berufliche Rehabilitation hat das Ziel, Menschen mit Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen die Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Sie zu einer angemessenen Tätigkeit auf Dauer zu befähigen, ist zentrale Aufgabe der beruflichen Rehabilitation. Wenn Sie berufsunfähig sind und durch die Folgen einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr den bisherigen Anforderungen der Berufstätigkeit entsprechen, dann muß festgestellt werden, wie Ihre Erwerbstätigkeit verbessert oder wiederhergestellt werden kann.
- Zuschüsse und finanzielle Hilfen: Es gibt verschiedene Zuschüsse und finanzielle Hilfen, die Betroffene in Anspruch nehmen können, z.B. für die behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes oder für die Einarbeitung in eine neue Tätigkeit. Die Hauptfürsorgestelle bzw. die örtlichen Fürsorgestellen bei Ihrer Stadt- und Gemeindeverwaltung haben die Aufgabe, bestehende Arbeitsverhältnisse zu sichern. Es ist beispielsweise möglich, Zuschüsse zu zahlen, wenn Ihr Arbeitsplatz behindertengerecht ausgestattet wird.
- Erwerbsunfähigkeitsrente: Erwerbsunfähig sind Personen, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, irgendeine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben. Erwerbsunfähige Personen können Erwerbsunfähigkeitsrente beantragen.
Fazit
Ein Schlaganfall kann das Berufsleben erheblich beeinträchtigen. Der Kündigungsschutz und die Möglichkeit eines leidensgerechten Arbeitsplatzes sind wichtige Instrumente, um Betroffenen die Rückkehr ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Es ist ratsam, sich frühzeitig über die eigenen Rechte zu informieren und sich bei Bedarf rechtlich beraten zu lassen. Auch wenn der Kampf zurück ins Arbeitsleben oft mühsam ist, sollte man nicht aufgeben und die vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten nutzen.
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