Die Kündigung eines Mietverhältnisses, eines Heimvertrags oder eines Arbeitsverhältnisses bei Demenz ist ein komplexes Thema, das sowohl den Betroffenen als auch die beteiligten Parteien vor große Herausforderungen stellt. Es gilt, die Rechte und Interessen aller Beteiligten angemessen zu berücksichtigen und eine rechtlich haltbare Lösung zu finden.
Kündigung des Mietverhältnisses bei Demenz
Härtegründe und Räumungsunfähigkeit
Grundsätzlich kann ein Mieter einer ordentlichen Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung eine besondere Härte bedeuten würde (§§ 574, 574a BGB). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt ist (§ 574 Abs. 1 S. 2 BGB).
Eine solche Härte kann beispielsweise vorliegen, wenn der Mieter aufgrund von Demenz räumungsunfähig ist. In einem vom Landgericht Berlin verhandelten Fall wurde entschieden, dass der Umstand, dass Mieter aufgrund ihres Gesundheitszustandes (Demenz) nicht mehr in der Lage sind, in der Wohnung zu leben, nicht für eine außerordentliche Kündigung ausreicht (Az.: 67 S 291/03). Das Gericht betonte, dass die Gründe für eine außerordentliche Kündigung im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen müssen.
Interessenabwägung bei Eigenbedarfskündigung
Auch bei einer Eigenbedarfskündigung muss eine Interessenabwägung stattfinden. Das Gericht muss die Bestandsinteressen des Mieters mit den Erlangungsinteressen des Vermieters in Beziehung setzen und die Auswirkungen einer Vertragsbeendigung bzw. -fortsetzung für beide Parteien berücksichtigen.
Im Fall einer Demenzerkrankung des Mieters ist besonders zu prüfen, ob ein Umzug eine erhebliche gesundheitliche Verschlechterung zur Folge hätte. Es ist nicht erforderlich, dass die Beeinträchtigung der Gesundheit mit Sicherheit eintritt; bereits die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung kann die Annahme einer unzumutbaren Härte rechtfertigen.
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Der Fall Hattingen: Räumungsunfähigkeit aufgrund von Demenz
Das Landgericht Essen hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem der Vermieter die geräumte Herausgabe einer Mietwohnung aufgrund von Eigenbedarf verlangte. Der Mieter, ein an Demenz erkrankter Mann, berief sich auf Räumungsunfähigkeit.
Das Gericht holte mehrere Gutachten eines Sachverständigen ein, der eine deutliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes des Beklagten feststellte und das konkrete Risiko einer erheblichen Verschlechterung seines Zustands bei einem Umzug aufzeigte. Der Sachverständige erläuterte das deutlich erhöhte Risiko von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern, wie dem Beklagten, und untermauerte dies mit Erfahrungen aus Literatur und medizinischer Praxis.
Das Gericht schloss sich der ausführlichen Begutachtung des Sachverständigen an und kam zu dem Schluss, dass aufgrund der Demenzerkrankung des Beklagten Räumungsunfähigkeit gegeben ist und das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen ist.
Kündigung des Heimvertrags bei Demenz
Kündigungsrecht des Heimes
Das Kündigungsrecht des Heimes ist in § 12 WBVG (Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz) geregelt. Demnach kann der Unternehmer (das Heim) den Vertrag nur aus wichtigem Grund kündigen. Die Kündigung bedarf der Schriftform und ist zu begründen.
Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn:
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- der Unternehmer den Betrieb einstellt, wesentlich einschränkt oder in seiner Art verändert und die Fortsetzung des Vertrags für den Unternehmer eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
- der Unternehmer eine fachgerechte Pflege- oder Betreuungsleistung nicht erbringen kann.
- der Verbraucher seine vertraglichen Pflichten schuldhaft so gröblich verletzt, dass dem Unternehmer die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann.
- der Verbraucher mit der Entrichtung des Entgelts in Verzug ist.
Die genannten Kündigungsgründe sind nicht abschließend. Die Kündigung ist auch bei anderen Sachverhalten gleichgewichtiger Art zulässig, wobei den Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen wird. Die zusätzliche Notwendigkeit der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung für den Unternehmer erfordert eine Abwägung der Interessen.
Besonderheiten bei Demenz
Bei Bewohnern mit Demenz ist die Beurteilung, ob ein wichtiger Kündigungsgrund vorliegt, besonders schwierig. Einerseits haben Pflegeeinrichtungen die Pflicht, eine menschenwürdige Pflege nach dem allgemein anerkannten medizinischen und pflegerischen Erkenntnisstandard zu gewährleisten und Gefahren für Leib und Seele abzuwenden. Andererseits dürfen die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohner nicht eingeschränkt werden.
In einem vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschiedenen Fall wurde einer Altenpflegehelferin gekündigt, weil sie die Körperpflege eines an Demenz erkrankten Bewohners zwangsweise durchgeführt hatte. Das Gericht urteilte, dass die ordentliche Kündigung wirksam sei, da die Klägerin körperliche Gewalt gegen den Bewohner eingesetzt habe, um die Körperpflege gegen seinen unmissverständlichen Willen durchzuführen. Zwar sei diese aus hygienischen Gründen geboten gewesen, nicht aber der Einsatz von Zwangsmitteln.
Rechte der Bewohner
Wird ein Heimvertrag gekündigt, darf die Pflegeperson nicht ohne Weiteres auf die Straße gesetzt werden. Die Pflegeeinrichtung muss zunächst eine Räumungsklage einreichen. Dem Bewohner kann eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO zuerkannt werden, sofern deren Voraussetzungen gegeben sind.
Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei Demenz
Krankheitsbedingte Kündigung
Eine Kündigung wegen Krankheit ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Dabei unterscheidet die Rechtsprechung verschiedene Fallkonstellationen:
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- Häufige Kurzerkrankungen: Der Arbeitnehmer ist immer wieder für kürzere Zeit arbeitsunfähig.
- Dauernde Arbeitsunfähigkeit: Bei Ausspruch der Kündigung steht fest, dass der Arbeitnehmer auf Dauer arbeitsunfähig krank bleiben wird.
- Langandauernde Krankheit: Der Arbeitnehmer ist seit längerer Zeit arbeitsunfähig erkrankt und es ist nicht absehbar, wann er wieder gesund wird.
- Leistungsminderung: Der Arbeitnehmer ist aufgrund einer Krankheit in seiner Leistungsfähigkeit gemindert.
In allen Fällen muss eine negative Gesundheitsprognose vorliegen. Zudem müssen die krankheitsbedingten Ausfälle zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers führen. Schließlich muss eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfallen.
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb der letzten zwölf Monate länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist, muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Ziel des BEM ist es, zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Unterlässt der Arbeitgeber ein ordnungsgemäßes BEM, gehen die Arbeitsgerichte davon aus, dass das BEM erfolgreich gewesen wäre. Der Arbeitgeber muss dann nachweisen, dass ein korrekt durchgeführtes BEM nutzlos gewesen wäre, was in der Praxis kaum möglich ist.
Außerordentliche Kündigung
In Ausnahmefällen kann eine außerordentliche Kündigung auf krankheitsbedingte Gründe gestützt werden, nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer ordentlich unkündbar ist. Eine außerordentliche Kündigung ist jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig, da die Unkündbarkeit den Schutz des Arbeitnehmers gegenüber Kündigungen verstärken soll.
Unwirksamkeit der Kündigung
Eine Kündigung ist unwirksam, wenn der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört wurde oder wenn besondere Kündigungsschutzvorschriften für bestimmte Arbeitnehmergruppen (z.B. Betriebsratsmitglieder, Schwangere, schwerbehinderte Arbeitnehmer) nicht beachtet wurden.
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