Pflegegeld bei Alzheimer: Voraussetzungen und Leistungen

Die Alzheimer-Krankheit ist eine der häufigsten Ursachen für Pflegebedürftigkeit in Deutschland. Betroffene verlieren zunehmend ihr Erinnerungsvermögen und ihre Selbstständigkeit, was eine umfassende Pflege und Betreuung erforderlich macht. Seit der Pflegereform 2017 werden auch geistige und seelische Einschränkungen, wie sie bei Demenz auftreten, bei der Einstufung in einen Pflegegrad berücksichtigt. Dieser Artikel beleuchtet die Voraussetzungen für den Erhalt von Pflegegeld bei Alzheimer, die verschiedenen Pflegegrade und die damit verbundenen Leistungen sowie hilfreiche Unterstützungsmöglichkeiten.

Pflegegrade bei Demenz: Ein Überblick

Seit 2017 gibt es fünf Pflegegrade, die die früheren Pflegestufen ersetzt haben. Diese Pflegegrade berücksichtigen geistige Erkrankungen stärker als die vorherigen Pflegestufen. Die Einstufung erfolgt durch den Medizinischen Dienst (MD) für gesetzlich Versicherte oder durch Medicproof für Privatversicherte. Die Gutachter erfassen alle relevanten Informationen anhand eines standardisierten Fragenkatalogs, der sechs verschiedene Kriterien zur Überprüfung der Selbstständigkeit des Versicherten umfasst. Anhand der Summe der Punkte aus diesen Kategorien wird der individuelle Pflegegrad ermittelt.

Die Pflegegrade reichen von geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit (Pflegegrad 1) bis hin zu schwersten Beeinträchtigungen mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (Pflegegrad 5). Es ist wichtig zu betonen, dass an Demenz erkrankten Menschen keine bestimmten Pflegegrade zustehen. Die Einstufung hängt vielmehr von den individuellen Einschränkungen und dem Stadium der Erkrankung ab. Alle Pflegegrade sind bei Demenz möglich.

Die einzelnen Pflegegrade im Überblick

  • Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit. Betroffene benötigen wenig bis keine Hilfe bei der Selbstversorgung und können weitestgehend selbstständig leben.

  • Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit. Betroffene benötigen bereits Hilfe bei der Bewältigung von Alltagsaufgaben wie Körperpflege, Ernährung oder Mobilität.

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  • Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit. Betroffene haben große Schwierigkeiten, alltägliche Dinge wie Körperhygiene allein zu bewältigen, und können oft soziale Kontakte nicht mehr pflegen.

  • Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit. Betroffene benötigen rund um die Uhr Unterstützung, typische Krankheitsbilder sind fortgeschrittene Demenz, Multiple Sklerose und starke körperliche Einschränkungen in Verbindung mit leichten geistigen Einschränkungen.

  • Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung. Betroffene sind bettlägerig und benötigen zusätzliche medizinische Versorgung; sie können sich nicht mehr selbst waschen oder selbstständig essen.

Pflegegrad 4 im Detail

Personen mit schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit werden in den Pflegegrad 4 eingestuft. Diese Einstufung ermöglicht den Zugang zu umfangreichen Pflegeleistungen, um eine optimale und individuelle Versorgung und Unterstützung zu planen. Bei der Begutachtung wird ein Pflegegrad 4 ab 70 Punkte anerkannt. Der Pflegegrad 4 existiert erst seit der Pflegereform 2017 - vorher gab es keine Pflegestufe 4, sondern nur die Pflegestufen 1 bis 3.

Aber was bedeutet es eigentlich, “schwerste Beeinträchtigungen in der Selbständigkeit” zu haben? Alles basiert auf der Grundlage des Begutachtungsinstrumentes des Medizinischen Dienstes (MD). In der Begutachtung selbst wird ein Pflegegrad 4 ab 70 Punkten anerkannt. Die Punkte setzen sich in unterschiedlicher Gewichtung aus den 6 Bewertungsmodulen zusammen. Bei einem Pflegegrad 4 wird in der Regel in fast allen Bereichen Hilfe notwendig. Dazu zählt vor allem die Zunahme an Unterstützung und teilweise auch die Übernahme von körpernahen Hilfen, wie der Körperpflege. Aber auch Bereiche wie Mobilität und Ernährung müssen unterstützt werden. Dazu zählen:

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  • Unterstützung beim Waschen, sowie das An-und Ausziehen
  • Hilfe bei der Zahn-und Mundpflege, aber auch die Hautpflege spielt eine sehr wichtige Rolle
  • Gebrauch von Mobilitätshilfen notwendig und eine Unterstützung beim Aufstehen und Hinsetzen, Hilfestellungen beim Gehen oder beim Transfer in einen Rollstuhl
  • Zubereiten von Mahlzeiten oder auch teilweise das Vorbereiten und Anreichen
  • Hilfe bei Toilettengängen gebraucht oder bei dem Wechsel der Inkontinenzmaterialien
  • Begleitung und Überwachung von medizinischen Terminen und Medikamenten
  • Hilfen im Haushalt

Voraussetzungen für den Erhalt von Pflegegeld

Um Pflegegeld zu erhalten, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Anerkennung eines Pflegegrades: Es muss mindestens Pflegegrad 2 vorliegen. Mit Pflegegrad 1 besteht kein Anspruch auf Pflegegeld.
  • Häusliche Pflege: Die Pflege muss im häuslichen Umfeld sichergestellt sein. Dies kann durch Angehörige, Freunde oder Ehrenamtliche erfolgen.
  • Beratungsbesuche: Empfänger von Pflegegeld müssen mindestens zweimal pro Jahr einen kostenlosen Beratungsbesuch nach Paragraph 37.3 SGB XI in Anspruch nehmen.

Antragstellung und Begutachtung

Um einen Pflegegrad zu beantragen, ist ein Formular mit der Bezeichnung „Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung“ bei der zuständigen Pflegekasse einzureichen. Die Pflegekasse beauftragt daraufhin den Medizinischen Dienst (MD) oder Medicproof mit der Durchführung einer Pflegebegutachtung. Diese findet in der Regel zu Hause statt.

Vorbereitung auf die Begutachtung

Eine gute Vorbereitung auf die Begutachtung ist entscheidend. Folgende Dokumente und Informationen sollten bereitgehalten werden:

  • Arztberichte
  • Medikamentenpläne
  • Dokumentationen des ambulanten Pflegedienstes (sofern vorhanden)
  • Schwerbehindertenausweis
  • Pflegetagebuch

Verhalten während der Begutachtung

Viele Angehörige erleben, dass die erkrankte Person während des Besuchs des Medizinischen Dienstes erstaunlich wach, klar und selbstständig wirkt (Fassadenverhalten). Es ist wichtig, die Gutachterin oder den Gutachter beiseite zu nehmen und ehrlich zu beschreiben, in welchen Situationen tatsächlich Hilfe notwendig ist.

Widerspruch bei Ablehnung

Etwa jeder dritte Antrag auf einen Pflegegrad wird abgelehnt. In diesem Fall sollte innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Ablehnungsbescheides schriftlich Widerspruch eingelegt werden. Es ist ratsam, sich dabei von einem Pflegeberatungsdienst unterstützen zu lassen.

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Leistungen bei Pflegegrad 4

Mit einem Pflegegrad 4 haben Betroffene Anspruch auf mehr Geld- und Sachleistungen, um den Zugang zu einer bestmöglichen Versorgung und Hilfestellung in ihrer individuellen Situation zu erhalten.

Pflegegeld

Pflegegeld ermöglicht es, die Pflege im häuslichen Umfeld eigenständig zu organisieren und wird der pflegebedürftigen Person monatlich ausgezahlt. Es kann auch den pflegenden Angehörigen zugutekommen, wenn die pflegebedürftige Person dies so entscheidet. Das Pflegegeld beträgt ab dem 01.01.2025 für Pflegegrad 4 monatlich 728 Euro.

Pflegesachleistungen

Pflegesachleistungen hingegen werden nicht direkt an die pflegebedürftige Person ausgezahlt. Sie dienen als Budget für professionelle Unterstützung durch Pflegedienste, die regelmäßige Einsätze bei dem Betroffenen in der Häuslichkeit durchführen. Der Pflegedienst rechnet die Kosten dann direkt mit der Pflegekasse ab. Das Budget für die Pflegesachleistungen liegt bei 1.859 Euro im Monat.

Kombinationsleistungen

Eine Kombination der beiden Leistungen ist möglich. Man kann sich also entweder für das Pflegegeld oder die Pflegesachleistungen entscheiden oder beide Leistungen miteinander kombinieren. Zum Beispiel können 40 Prozent der Pflegesachleistungen und 60 Prozent des Pflegegeldes in Anspruch genommen werden. Diese anteilige Berechnung ermöglicht eine flexible Nutzung der Leistungen. Entscheidet man sich für eine Kombination, ist man allerdings für sechs Monate daran gebunden, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor.

Weitere Leistungen

Zusätzlich zum Pflegegeld und den Pflegesachleistungen stehen Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 4 weitere Leistungen zu:

  • Verhinderungspflege: Bis zu 1.685 Euro pro Jahr für eine Ersatzpflege, wenn die Pflegeperson vorübergehend ausfällt. Das Budget der Verhinderungspflege kann um einen Teil des Kurzzeitpflegebudgets auf 2.528 Euro aufgestockt werden.
  • Kurzzeitpflege: Bis zu 1.854 Euro jährlich für eine vorübergehende stationäre Pflege. Dieser Betrag kann um den nicht genutzten Betrag der Verhinderungspflege auf 3.539 Euro aufgestockt werden.
  • Entlastungsbetrag: Zusätzlich erhalten Pflegebedürftige monatlich einen Entlastungsbetrag von 131 Euro, der für die Unterstützung im Alltag verwendet werden kann.
  • Zuzahlung zu einem Hausnotrufsystem: Unterstützung in Höhe von 25,50 Euro pro Monat.
  • Pflegebox: Monatlich 42 Euro für “zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel” wie Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel oder Bettschutzunterlagen.
  • Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen: Zuschüsse für Umbauten wie Türverbreiterungen, Treppenlifte und Rampen.

Häusliche versus stationäre Pflege

Bei einem Pflegegrad 4 sind Betroffene in der Regel auf intensive Pflege und Betreuung im Alltag angewiesen. Alternativ zur stationären Pflege kann die häusliche Versorgung bei Pflegegrad 4 gewählt werden, was oft dem Wunsch der Betroffenen und ihrer Angehörigen entspricht - denn Zuhause und in der gewohnten Umgebung ist es am schönsten. Hier ist jedoch eine sorgfältige Planung sehr wichtig: Wer übernimmt wann welche Pflegeaufgaben? Gibt es Angehörige, Freunde oder Nachbarn, die als Pflegepersonen unterstützen können? Die Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes kann ebenfalls einen Großteil der Versorgung zu Hause abdecken.

Wenn die häusliche Versorgung nicht möglich ist, kann die Unterbringung in einem Pflegeheim eine sinnvolle Alternative sein. Die Pflegeversicherung übernimmt hierbei monatliche Leistungen von bis zu 1.855 Euro für die vollstationäre Pflege. Um die finanzielle Belastung zu mindern, ist es wichtig, alle verfügbaren Leistungen in Anspruch zu nehmen und sich umfassend bei der Pflegekasse sowie bei Pflegeberatern und Beraterinnen beraten zu lassen.

Besonderheiten bei Demenz

Eine Demenz verläuft in der Regel schleichend und in verschiedenen Stadien. Im Verlauf kann neben den Veränderungen in Denken, Wahrnehmen, Erinnern und Verhalten auch mehr Pflege notwendig werden. Die Begleitung und Pflege von Menschen mit einer Demenz erfordert viel Einfühlungsvermögen und Verständnis. Einen Menschen mit Demenz zu begleiten, bedeutet gleichzeitig auch eine intensive Betreuung. Dann geht es darum, die geistigen Fähigkeiten zu fördern, das Wohlbefinden zu steigern und ein sicheres Umfeld zu schaffen.

Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten

Pflegepersonen müssen oft Verhaltensauffälligkeiten wie Unruhe, Aggressivität oder das Weglaufen bewältigen. Ein Verständnis dafür, dass Demenzkranke in einer anderen Gedankenwelt leben und oft nicht verstehen, warum sie Hilfe benötigen, kann dabei helfen. Bei Unsicherheiten ist es ratsam, sich umfassend zu informieren und Beratungen von Fachkräften, Pflegeberatern und Beraterinnen oder Demenz-Experten und Expertinnen in Anspruch zu nehmen, denn es gibt kein allgemeingültiges Rezept für den richtigen Umgang.

Unterstützung durch spezialisierte Einrichtungen

Die Unterstützung durch spezialisierte Einrichtungen wie Demenz-WGs oder spezielle Demenzstationen in Pflegeheimen kann eine wertvolle Ergänzung zur häuslichen Pflege sein. Diese Einrichtungen bieten eine fachgerechte Betreuung und eine Umgebung, die auf die besonderen Bedürfnisse von Demenzpatienten abgestimmt ist.

Höherstufung des Pflegegrades

Eine Pflegebedürftigkeit ist von vielen Faktoren wie der Erkrankung, dem Allgemeinzustand und dem Alter der betroffenen Person abhängig. Der Unterstützungsbedarf und die Selbständigkeit können sich durch verschiedene Maßnahmen verbessern, sich aber leider auch schleichend oder plötzlich verschlechtern. In solchen Fällen ist es jederzeit möglich, den Pflegebedarf neu einschätzen zu lassen und eine Höherstufung bei der Pflegekasse zu beantragen.

Vorgehen bei der Höherstufung

  1. Wahrnehmen der Situation: Beobachten Sie über einen längeren Zeitraum, wie sich die Situation entwickelt und wo die Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person liegen. Halten Sie Besonderheiten in einem Pflegetagebuch fest und tauschen Sie sich regelmäßig mit medizinischen Fachkräften, behandelnden Ärzten und Therapeuten aus.
  2. Kontaktaufnahme mit der Pflegekasse: Informieren Sie die Pflegekasse über die veränderte Situation und beantragen Sie eine erneute Begutachtung mit Hilfe des Höherstufungsantrages.
  3. Vorbereitung auf die Begutachtung: Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen und Informationen, die den aktuellen Pflegebedarf und die Veränderungen dokumentieren, wie ärztliche Gutachten und Berichte oder auch Pflegeberichte.
  4. Erneute Begutachtung durch den Medizinischen Dienst: Ein Gutachter des Medizinischen Dienstes (MD) oder von Medicproof (für Privatversicherte) besucht die betroffene Person und bewertet den Pflegebedarf anhand der sechs Module neu.
  5. Bescheid der Pflegekasse abwarten: Die Pflegekasse informiert anschließend schriftlich über das Ergebnis der Begutachtung und den neuen Pflegegrad. Pflegeleistungen werden in der Regel ab Antragsdatum rückwirkend gezahlt.

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