Die Diagnose Demenz betrifft in Deutschland rund 1,5 Millionen Menschen, wobei die Zahl der Neuerkrankungen täglich um etwa 100 Fälle steigt. Diese Entwicklung unterstreicht die Notwendigkeit effektiver Therapieansätze, die nicht nur die Symptome lindern, sondern auch die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Aktuelle Studien zeigen, dass Physiotherapie hier eine wichtige Rolle spielen kann, sowohl in der Prävention als auch in der Behandlung von Demenzerkrankungen.
Demenz: Eine Herausforderung für Betroffene und Angehörige
Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit einhergehen. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Krankheit, bei der Ablagerungen im Gehirn die Nervenzellen schädigen. Die medikamentöse Behandlung hat in den letzten Jahren nur begrenzte Erfolge gezeigt, weshalb alternative Therapieansätze immer mehr in den Fokus rücken.
Die Bedeutung der Physiotherapie bei Demenz
Internationale Studien belegen, dass physiotherapeutische Maßnahmen die Symptome von Demenzpatienten lindern können. Bereits ein 16-wöchiges Programm mit Muskelaufbauübungen oder Ausdauertraining kann signifikante Verbesserungen der Lebensqualität bewirken. Betroffene können alltägliche Aufgaben besser bewältigen, ihr Sprachfluss verbessert sich und Symptome wie Angst, Depression oder Schlaflosigkeit können reduziert werden.
Prävention durch Bewegung
Körperliche und geistige Aktivität sind auch als Präventionsmaßnahmen gegen Demenz gut belegt. Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns, versorgt es mit Nährstoffen und unterstützt die Bildung neuer Nervenzellen und Verknüpfungen. Darüber hinaus wirkt sie anderen Demenzrisiken wie Diabetes oder Bluthochdruck entgegen. Eine großangelegte US-amerikanische Studie über 40 Jahre zeigte, dass Teilnehmer mit hoher körperlicher Aktivität ein um ein Drittel geringeres Demenzrisiko hatten als die Teilnehmer mit der geringsten Aktivität.
Es ist wichtig zu betonen, dass bereits wenig Bewegung das Demenzrisiko senken kann. Entscheidender als die Intensität ist die Kontinuität. Ältere Menschen mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko können einen Verlust an Hirnmasse vermeiden, wenn sie mindestens dreimal wöchentlich 15 Minuten zügig gehen, joggen oder schwimmen.
Lesen Sie auch: Physiotherapie und Demenz: Verordnung und Therapieansätze
Individuelle Therapieangebote
Viele Physiotherapiepraxen bieten spezielle Präventionskurse an, die auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sind. Unter professioneller Anleitung werden Übungen korrekt und gelenkschonend durchgeführt, um optimale Trainingsergebnisse zu erzielen. Beispiele hierfür sind Nordic Walking, Aquafitness oder Herzkreislauftraining.
Nicht-medikamentöse Therapieansätze im Überblick
Neben der Physiotherapie gibt es eine Vielzahl weiterer nicht-medikamentöser Therapien, die das Wohlbefinden von Demenzerkrankten stärken und ihre Selbstständigkeit so lange wie möglich erhalten sollen. Im Mittelpunkt steht dabei, den Erkrankten die Teilhabe am Alltag und am sozialen Leben zu ermöglichen und herausfordernde Verhaltensweisen zu mildern.
Kognitive Stimulation
Kognitive Stimulation kann bei Erkrankten im frühen bis mittleren Stadium die Wahrnehmung, das Lernen und das Gedächtnis verbessern. Dies können einfache Wort-, Zahlen- oder Ratespiele sein, aber auch die gezielte Aktivierung des Langzeitgedächtnisses durch Gespräche über Themen von früher oder über persönliche Gegenstände.
Ergotherapie
Die Ergotherapie hilft Patientinnen und Patienten im frühen und mittleren Stadium der Demenz, Alltagskompetenzen möglichst lange aufrechtzuerhalten. Gemeinsam mit der Therapeutin oder dem Therapeuten üben Betroffene Tätigkeiten wie Einkaufen, Kochen oder auch Zeitunglesen.
Musik- und Kunsttherapie
Musiktherapie kann in allen Krankheitsstadien eine förderliche Wirkung haben. Musik zu machen oder zu hören weckt positive Erinnerungen und Gefühle, besonders in der Gruppe. Auch die Tanztherapie kann befreiend wirken und positive Gefühle wecken. Die Mal- und Kunsttherapie kann ebenfalls das Wohlbefinden verbessern.
Lesen Sie auch: Umfassende Fortbildung in neurologischer Physiotherapie
Snoezelen und Tiergestützte Therapie
Beim Snoezelen werden die Sinne der Erkrankten durch Klänge, Düfte und Geschmäcke angeregt, was ebenfalls das Wohlbefinden verbessern kann. Studien zeigen zudem, dass die Anwesenheit von Tieren eine beruhigende Wirkung auf Menschen mit Demenz haben kann.
Realitätsorientierung und Bewegungstherapie
Bei der Realitätsorientierung werden den Erkrankten aktiv Informationen zu Zeit und Ort angeboten, beispielsweise durch große Uhren und Kalender oder eine einfache Raumbeschilderung. Die Bewegungstherapie wirkt körperlichen Beschwerden entgegen, zudem werden Verhalten und Körperwahrnehmung positiv beeinflusst.
Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten
Obwohl nicht-medikamentöse Therapien eine wichtige Rolle spielen, können Medikamente in bestimmten Fällen sinnvoll sein, um die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.
Antidementiva
Acetylcholinesterasehemmer wie Donepezil, Galantamin oder Rivastigmin können im frühen bis mittleren Stadium der Demenz dazu beitragen, Alltagstätigkeiten länger selbstständig zu meistern und Fähigkeiten wie Denken, Lernen, Erinnern und Wahrnehmen länger zu erhalten.
Antidepressiva und Antipsychotika
Bei Depressionen, die häufig als Begleiterscheinung von Demenz auftreten, können Antidepressiva eingesetzt werden. Antipsychotika können bei aggressivem Verhalten, Sinnestäuschungen oder Verfolgungswahn helfen, sollten aber aufgrund möglicher Nebenwirkungen nur mit Vorsicht eingesetzt werden.
Lesen Sie auch: Physiotherapie und neurologische Tests
Die Rolle der Angehörigen
Demenz ist eine Erkrankung, die immer auch das soziale Umfeld des Erkrankten betrifft. Angehörige und enge Freunde sollten daher so früh wie möglich in die Betreuung einbezogen werden. Sie müssen lernen, was Demenz bedeutet, welche Symptome auftreten können und wie sie am besten damit umgehen.
Kommunikation und Wertschätzung
Die angemessene Kommunikation mit Demenzerkrankten setzt voraus, dass Sie ein Gespür für die veränderte Wahrnehmung des Betroffenen entwickeln. Pflegen Sie einen wertschätzenden Umgang und bevormunden, herabwürdigen oder schließen Sie die demenzerkrankte Person nicht vom Alltag aus.
Unterstützung für pflegende Angehörige
Die Pflege eines Demenzerkrankten ist oft eine massive Belastung für die Angehörigen. Es ist daher wichtig, dass sie Unterstützung erhalten, beispielsweise durch Beratungsangebote, Entlastungsdienste oder Selbsthilfegruppen.
Finanzierung von Therapieangeboten
Die Kosten für Ergotherapie und Physiotherapie als Demenz-Behandlung können von der Krankenkasse erstattet werden, wenn ein Arzt diese Maßnahmen anordnet. Es ist ratsam, sich frühzeitig über die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten zu informieren.
tags: #Physiotherapie #bei #Demenz #Therapieansätze