Pille Nebenwirkungen: Beeinflussung des Gehirns durch hormonelle Verhütungsmittel

Hormonelle Verhütungsmittel wie die Antibabypille sind seit Jahrzehnten eine beliebte Methode zur Schwangerschaftsverhütung. Längst ist bekannt, dass hormonelle Verhütungsmittel wie die Antibabypille oder die Hormonspirale zahlreiche Nebenwirkungen hervorrufen können. Neben den bekannten körperlichen Auswirkungen rücken jedoch zunehmend auch mögliche Einflüsse auf die kognitive Leistungsfähigkeit und die Gehirnstruktur in den Fokus der Forschung. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Erkenntnisse über die potenziellen Auswirkungen der Pille auf das Gehirn, basierend auf verschiedenen Studien und Forschungsergebnissen.

Kognitive Auswirkungen hormoneller Verhütungsmittel

Im Jahr 2019 haben Forscher von der Texas Christian University herausgefunden, dass hormonelle Verhütungsmittel nicht nur den Körper, sondern auch die kognitive Leistungsfähigkeit, also bestimmte Gehirnfunktionen beeinträchtigen können. Eine Studie der Texas Christian University aus dem Jahr 2019 untersuchte, ob hormonelle Verhütungsmittel die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können. Die Forschungsergebnisse beruhen auf zwei Studien, woran 324 Studentinnen teilgenommen hatten. In der ersten Studie wurden die Teilnehmerinnen mit einer einfachen Aufgabe konfrontiert. Es wurden ihnen zwei ähnliche Bilder gezeigt und sie wurden nach 10 subtilen Unterschieden gefragt. Jene Frauen, die hormonell verhüteten, erzielten deshalb schlechtere Ergebnisse als Nicht-Anwenderinnen, da sie weniger Zeit in die ihnen gestellten Aufgaben investierten. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass hormonelle Verhütungsmittel eine Vielzahl von Konsequenzen haben können, welche über die blosse Schwangerschaftsprävention hinausgehen. Wenn die Ausdauer, der Antrieb, die Aufmerksamkeit oder der Wille zu wünschen übrig lassen, ist die Ursache oft im Gehirn zu finden.

Veränderungen in der Gehirnstruktur

Forscher aus den USA berichteten mehrfach von Veränderungen im Gehirn von Frauen, die die Pille einnahmen. Eine Studie der University of California ergab etwa, dass bestimmte Gehirnregionen bei ihnen signifikant dünner waren als bei Frauen, die nicht hormonell verhüteten. Insbesondere der Orbitofrontalkortex - zuständig für Emotions- und Impulskontrolle - war betroffen. Diese Veränderungen könnten laut den Forschern erklären, warum manche Frauen Angst- und Depressionszustände entwickelten, wenn sie die Antibabypille einnahmen.

Eine Studie des Albert Einstein College of Medicine in New York lieferte zusätzliche Belege dafür, dass hormonelle Verhütung das Gehirn von Frauen verändern kann. Die Forscher konzentrierten sich dabei auf den Hypothalamus. Im Rahmen der Studie wurden MRT-Aufnahmen von 50 Frauen analysiert - darunter 21 Probandinnen, die die Pille einnahmen. "Wir haben einen deutlichen Unterschied bei der Größe dieser Hirnstruktur festgestellt", berichteten die Studienautoren. Frauen unter hormoneller Verhütung hatten einen um rund sechs Prozent kleineren Hypothalamus als jene ohne Empfängnisverhütung.

Der Hypothalamus ist ein Teil des Zwischenhirns und wesentliches Steuerungszentrum für das vegetative Nervensystem. Hier werden der Grundzustand des Körpers, seine Temperatur, der Blutdruck, die Blutverteilung, der Flüssigkeitshaushalt, die Kalorienverwertung und vieles mehr gesteuert. Er spielt auch eine Rolle bei Stimmungsschwankungen sowie sexueller Lust. Auch der Mutterinstinkt sitzt in diesem Hirnareal. Der Hypothalamus ist den Ergebnissen zufolge bei Frauen, die die Pille nehmen, kleiner. Für ihre Pilotstudie analysierten die Forscher MRT-Aufnahmen von 50 Frauen - darunter 21, die eine Kombinationspille mit synthetischen Östrogenen und Progestagenen einnahmen. Anhand der Bilder vom Gehirn der Probandinnen schätzten sie dann das Volumen des Hypothalamus ab. Die Auswertungen enthüllten: „Wir haben einen deutlichen Unterschied bei der Größe dieser Hirnstruktur festgestellt“, berichtet Lipton. Demnach hatten Frauen, die die Pille nutzten, einen im Schnitt sechs Prozent kleineren Hypothalamus als nicht auf diese Weise verhütende Frauen.

Lesen Sie auch: Risiko von Schlaganfall durch Pille bei Migräne

Welche Folgen aber hat der geschrumpfte Hypothalamus? Die Untersuchungen lieferten keine Indizien dafür, dass ein geringeres Volumen dieses Hirnbereichs mit geminderten kognitiven Fähigkeiten einhergeht. Wie das Forscherteam betont, sollten diese Ergebnisse jedoch nicht überbewertet werden. „Wir sagen nicht, dass Frauen jetzt sofort ihre Antibabypillen wegwerfen müssen“, konstatiert Lipton. „Diese erste Studie zeigt lediglich eine starke Assoziation auf. Dies sollte dazu motivieren, den Effekten oraler Kontrazeptiva auf die Struktur und Funktion des Gehirns in Zukunft genauer auf den Grund zu gehen“, schließt Lipton.

Selbstexperimente und weitere Forschung

Um herauszufinden, wie sich die Pilleneinnahme auf das Gehirn auswirkt, hat eine Neurowissenschaftlerin der University of Minnesota ihr Gehirn 75-mal selbst gescannt. Das Ergebnis: Ihr Gehirnvolumen veränderte sich - abhängig vom Menstruationszyklus und je nachdem, ob sie die Pille einnahm oder nicht, heißt es einem Bericht des Fachblatts "Nature".

Im MRT zeigen sich unter dem Einfluss der Antibabypille leichte Veränderungen in der Struktur und Funktion bestimmter Hirnareale. Der Einfluss der Antibabypille auf das Gehirn ist wenig erforscht, obwohl sie Millionen Frauen weltweit anwenden. Um zu untersuchen, wie sie sich auf neuronale Muster und das Volumen bestimmter Gehirnregionen auswirkt, unterzog sich Dr. Carina Heller in den vergangenen beiden Jahren einem Selbstexperiment. Bevor, während und nachdem sie drei Monate die Pille genommen hatte, stieg die Psychologin an ihrem damaligen Arbeitsort, der Universität Jena, jeweils fünf Wochen lang von Montag bis Freitag für 90 Minuten ins MRT. Zusätzlich ließ sie die Hormonkonzentrationen im Blut bestimmen und füllte täglich Stimmungs-Fragebögen aus. Wie aus einem Bericht der Nachrichtenseite des Fachjournals »Nature« hervorgeht, stellte Heller die vorläufigen Ergebnisse ihrer Selbststudie vor Kurzem auf dem Jahrestreffen der Society for Neuroscience vor. Demnach schrumpfte das Volumen bestimmter Hirnareale geringfügig unter der Anwendung der Pille. Heller stellte fest, dass das Gehirnvolumen und die neuronale Konnektivität im Verlauf eines natürlichen Menstruationszyklus schwankten und rhythmische Muster zeigten. Unter der Einnahme der »Pille« nahmen sowohl das Volumen als auch die Konnektivität zwischen bestimmten Gehirnregionen im Vergleich dazu leicht ab. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hormone nicht nur den Zyklus regulieren, sondern auch die neuronale Struktur und die Funktion des Gehirns beeinflussen können. Natürlich lassen sich aus der Untersuchung einer einzigen Person keine generalisierbaren Rückschlüsse ziehen. Weitergehende Studien könnten jedoch an diesen Erkenntnissen anknüpfen. Wie sie in einem Interview mit CBC Radio verriet, plant Heller, ihre Hirnscans anderen Wissenschaftlern zur Verfügung zu stellen, um die Forschung weiter voranzutreiben.

Auswirkungen und offene Fragen

Welche konkreten Auswirkungen diese Gehirnschrumpfung auf die Gehirnfunktionen haben könnte, bleibt jedoch unklar. Immerhin ergaben sich keine Hinweise darauf, dass ein kleinerer Hypothalamus direkt zu geminderten kognitiven Fähigkeiten führen würde. Allerdings gab es einen Zusammenhang mit gesteigerten Stimmungsschwankungen sowie depressiven Symptomen.

Offen ist auch, ob die beobachteten Veränderungen dauerhaft sind oder sich nach dem Absetzen des Verhütungsmittels zurückbilden. Die Experten betonten jedoch: "Wir sagen nicht, dass Frauen jetzt sofort ihre Antibabypillen wegwerfen müssen." Die Studie zeige lediglich eine starke Assoziation auf.

Lesen Sie auch: Pille: Risiken für Frauen

Die Pille im Kontext: Vorteile und Risiken

Die Antibabypille gehört bis heute zu den beliebtesten Verhütungsmitteln. Sie ist einfach einzunehmen, zuverlässig und gibt vielen Frauen die Kontrolle über ihre Familienplanung. Doch in den letzten Jahren rückte die Pille immer mehr in die Kritik. Zu heftig seien die möglichen Nebenwirkungen, zu stark greife das Medikament in den weiblichen Hormonhaushalt ein.

Lange galt die Anti-Baby-Pille als die beliebteste Verhütungsmethode in Deutschland. Doch seit 2023 hat das Kondom die Spitzenposition übernommen. Besonders junge Frauen verhüten immer seltener mit der Pille. Die Gründe sind vielfältig: Kritische Diskussionen über Nebenwirkungen, von Thrombosen bis zu psychischen Veränderungen, werden zunehmend lauter. Gleichzeitig stellt sich die Frage, was die Pille eigentlich im Gehirn bewirkt.

In dieser Folge von „Aha! Zehn Minuten Alltagswissen“ erklärt die Gynäkologin Dr. Christine Adler, welche Vorteile und Risiken die Pille hat - und warum die Entscheidung immer individuell getroffen werden sollte. Genau hier knüpfen die Neurowissenschaftlerinnen Carina Heller (University of Minnesota) und Dr. Belinda Pletzer (Universität Salzburg) an. Sie untersuchen, wie sich die Pille auf das weibliche Gehirn auswirkt. Erste Ergebnisse besprechen sie im Podcast.

Die Pille verhindert den Eisprung, verändert die Gebärmutterschleimhaut und verdickt den Zervix-Schleim. Sie sorgt durch synthetische Hormone für einen konstanten Hormonspiegel und schützt so zuverlässig vor einer Schwangerschaft. Neben der Verhütung bringt sie aber auch Vorteile mit sich: Sie kann Regelbeschwerden lindern, unreine Haut verbessern, zyklusabhängige Migräne mildern und sogar das Risiko bestimmter Krebsarten senken.

Gleichzeitig sind die Risiken nicht zu vernachlässigen. Die Einnahme kombinierter Östrogenpräparate erhöht das Thromboserisiko leicht - von einem Basisrisiko von zwei Thrombosen pro 10.000 Frauenjahre auf fünf bis zwölf pro 10.000 Frauenjahre. Psychische Veränderungen wie Stimmungsschwankungen oder depressive Verstimmungen treten ebenfalls bei einigen Frauen auf, besonders bei jungen Anwenderinnen. Fachleute betonen, dass die Entscheidung für oder gegen eine Pille individuell und gut informiert erfolgen sollte, unter Abwägung von Vorteilen und Risiken.

Lesen Sie auch: Behandlungsmöglichkeiten bei Wadenkrämpfen

Aktuelle Forschung und Perspektiven

Bisherige Forschung zur Wirkung der Pille auf das Gehirn ist lückenhaft. Zwei Neurowissenschaftlerinnen gehen dem Thema systematisch nach: Eine von ihnen untersuchte im Selbstexperiment über mehrere Monate hinweg ihr eigenes Gehirn mit MRT-Aufnahmen während des natürlichen Zyklus, unter Pilleneinnahme und danach. Dabei zeigte sich, dass das Gehirnvolumen unter Pilleneinnahme im Mittel leicht geringer war, sich nach Absetzen der Pille jedoch wieder normalisierte. Die Veränderungen wirken adaptiv und reversibel - ähnlich wie bei der Schwangerschaft, die ebenfalls das Gehirn reorganisiert.

Die zweite Studie untersucht derzeit im größeren Maßstab, wie verschiedene hormonelle Verhütungsmittel auf das Gehirn wirken. Dabei werden nicht nur Strukturen und Aktivitätsmuster, sondern auch die Vernetzung von Gehirnregionen analysiert, die für Stimmung, Kognition und psychische Stabilität entscheidend sind. Ziel ist es, besser zu verstehen, warum manche Frauen Nebenwirkungen entwickeln und andere nicht - und letztlich, wie die Verhütungsmittel individuell abgestimmt werden können.

tags: #Pille #Nebenwirkungen #Gehirn