Am 8. März wird der Weltfrauentag gefeiert. Doch was hat das mit dem Schlaganfallrisiko zu tun? Statistisch gesehen haben Frauen ein höheres Risiko für einen Schlaganfall, was vor allem auf die höhere Lebenserwartung von Frauen und den damit verbundenen Anstieg des Risikos im Alter zurückzuführen ist. Es gibt aber auch andere Faktoren, die das Schlaganfallrisiko bei Frauen beeinflussen können, insbesondere im jüngeren Alter. Einer dieser Faktoren ist die Einnahme der Anti-Baby-Pille.
Schlaganfall bei jungen Frauen: Ein Fallbeispiel
Die Geschichte von Sandra, die mit 30 Jahren einen Schlaganfall erlitt, verdeutlicht die Komplexität der Risikofaktoren. Sandra war sportlich und aktiv, doch während einer anstrengenden Wanderung in den italienischen Alpen kam es plötzlich zu Sehstörungen. Die Diagnose: Schlaganfall. Die Ärzte konnten zunächst keine eindeutige Ursache finden, bis die Frage nach der Einnahme der Pille aufkam.
Sandra selbst war überrascht, da sie nicht rauchte und sich gesund fühlte. Dennoch wurde die Pille als möglicher Mitverursacher in Betracht gezogen. Letztendlich kamen die Ärzte zu dem Schluss, dass mehrere Faktoren zusammenwirkten: die ungewohnte Anstrengung und Höhe, die den Blutdruck steigen ließen, und die langjährige Einnahme der Pille der zweiten Generation, die das Fass zum Überlaufen brachte.
Die Pille als Risikofaktor: Was sagt die Forschung?
Viele Menschen haben Angst vor einem Schlaganfall, und das nicht ohne Grund: Jährlich sind in Deutschland etwa 270.000 Menschen neu betroffen. Schlaganfälle können verschiedene Ursachen haben, meistens handelt es sich um einen akuten Verschluss einer Gehirnarterie durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) oder eine vorbestehende Arteriosklerose. Dadurch wird das betroffene Hirnareal nicht mehr ausreichend durchblutet („ischämischer Schlaganfall“).
Neben den klassischen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen und Übergewicht wird ein Faktor oft wenig berücksichtigt: die hormonelle Verhütung („Anti-Baby-Pille“). Östrogenhaltige Pillen (z. B. mit Ethinylestradiol, 20 Mikrogramm) erhöhen das Schlaganfallrisiko um das 1,7-Fache; bei einem Gehalt von 30-40 Mikrogramm Ethinylestradiol steigt das Risiko sogar bis um das 2,3-fache. Wenn noch weitere Gefäßrisikofaktoren hinzukommen, erhöht sich das Risiko weiter. Glücklicherweise besteht diese relative Risikoerhöhung durch die „Pille“ auf insgesamt niedrigem Niveau: Schlaganfälle traten in einem Jahr bei 21 von 100.000 Frauen, die die Pille einnahmen, auf. Eine aktuelle Studie [3] aus Großbritannien zeigte nur, dass sich das Risiko vornehmlich auf das erste Jahr der Einnahme beschränkt.
Lesen Sie auch: Risiko von Schlaganfall durch Pille bei Migräne
Darüber hinaus steigt bei Frauen, die die Pille nehmen, auch das Risiko für Hirnvenenthrombosen (HVT) an, eine ansonsten eher seltene Form des Schlaganfalles. Diese „Sinusthrombosen“ wurden im Rahmen der Corona-Impfstoffe häufig diskutiert. Inzwischen gilt diese Impfnebenwirkung, die vornehmlich bei Vektorimpfstoffen auftritt, als bestätigt, sie ist aber insgesamt sehr selten. Die Einnahme von oralen Kontrazeptiva bei zusätzlich vorliegenden Gefäßrisikofaktoren wie z. B. Rauchen, Bluthochdruck oder Übergewicht, erhöht das HVT-Risiko aber weit mehr. Eine Fall-Kontroll-Studie des „Academic Medical Center Amsterdam“ [1] mit 186 Betroffenen (davon 71,5% weiblich) und 6.134 Kontrollen ergab, dass 72,9% der von einer HVT betroffenen Frauen die Pille nahmen. Fettleibigkeit (BMI >30) alleine erhöhte das HVT-Risiko bei Frauen um den Faktor 3,5 (bei Männern dagegen nicht signifikant).
Ein weiterer, relativ unbekannter Risikofaktor, der das Gefäßrisiko bzw. Risiko für ischämische Schlaganfälle bei oraler Kontrazeption ansteigen lässt, ist Migräne, besonders Migräne mit sogenannter Aura.
Kryptogener Schlaganfall: Die Pille als möglicher Auslöser
Estrogenhaltige Verhütungsmittel können die Blutgerinnung beeinflussen. Sie könnten das Schlaganfallrisiko aber auch unabhängig davon erhöhen, wie aus einer Studie hervorgeht. Frauen, die kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) einnehmen, haben bekanntermaßen ein erhöhtes Schlaganfallrisiko, da die Pille die Bildung von Blutgerinnseln begünstigt. Die Anwendung von KOK scheint aber auch mit einigen Fällen von kryptogenen Schlaganfällen in Verbindung zu stehen - das sind solche, deren Ursache selbst nach intensiver Diagnostik unklar bleibt.
Hinweise darauf liefert eine Beobachtungsstudie aus der Türkei, deren Ergebnisse am 20. Die Anwendung von KOK ging in dieser Studie mit einem dreifach erhöhten Risiko für kryptogene Schlaganfälle (Cryptogenic Ischaemic Stroke, CIS) einher. An der SECRETO-Studie nahmen insgesamt 536 Frauen im Alter von 18 bis 49 Jahren teil - 268 mit kryptogenem Schlaganfall und 268 als altersgematchte Kontrollen ohne Schlaganfall in der Vorgeschichte. Die Studie wurde an 14 europäischen Zentren durchgeführt. Eine Assoziation zwischen KOK und CIS blieb auch nach der Adjustierung für bekannte Schlaganfall-Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen, Migräne mit Aura und Adipositas bestehen. »Das deutet darauf hin, dass zusätzliche - möglicherweise genetische oder biologische - Mechanismen beteiligt sind«, erklärte Erstautorin Dr. Mine Sezgin, Neurologin an der Universität Istanbul, in einer Pressemitteilung. Für KOK-Anwenderinnen ermittelten die Forschenden ein dreifaches relatives CIS-Risiko im Vergleich zu Nichtanwenderinnen (Odds Ratio: 3,0). Die Estrogenkomponente der angewendeten Präparate war meist Ethinylestradiol (mediane Dosis: 20 µg), seltener auch Estradiolhemihydrat oder Estradiolvalerat. »Unsere Daten liefern zwar wichtige erste Erkenntnisse, aber es sind größere und prospektive Studien erforderlich, um festzustellen, ob bestimmte Formulierungen mit unterschiedlichen Risiken verbunden sind«, räumte die Wissenschaftlerin ein.
Kürzlich vorgestellte Forschungsergebnisse auf der Konferenz der ESOC 2025 zeigen, dass die Einnahme kombinierter oraler Verhütungsmittel das Risiko für kryptogenen ischämischen Schlaganfall - also einen Schlaganfall ohne erkennbare Ursache - bei jungen Frauen etwa verdreifacht. Dieser Schlaganfalltyp macht bis zu 40 Prozent aller ischämischen Schlaganfälle bei jungen Erwachsenen aus. Geschlechtsspezifische Risikofaktoren wie die Verwendung von Verhütungsmitteln wurden bisher nur wenig untersucht. Während frühere Studien einen Zusammenhang zwischen oralen Verhütungsmitteln und Schlaganfallrisiko nahelegten, konzentriert sich die sogenannte Secreto-Studie speziell auf den kryptogenen Schlaganfall bei jungen Frauen.
Lesen Sie auch: Behandlungsmöglichkeiten bei Wadenkrämpfen
Risikobewertung und Prävention
„Grundsätzlich sollten die individuellen Risiken einer oralen Kontrazeption mit dem Gynäkologen und gegebenenfalls weiteren Fachdisziplinen gut besprochen werden“, empfiehlt Prof. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung, die bei neurologischen Fragen kostenfrei berät. „Vor allem, wenn Gefäßrisikofaktoren vorliegen, aber auch bei Hinweisen auf eine familiäre Veranlagung, z. B. Eine Thromboseneigung kann vorab gegebenenfalls mit Laboruntersuchungen ausgeschlossen werden; bei Migräne-Verdacht sollte eine neurologische Mitbehandlung erfolgen. „Bei sorgfältiger Abwägung und Verordnung eines geeigneten Präparates ist das Risiko der Pille gering. Dennoch kann die Kombination von Pille, Übergewicht, Rauchen und anderen Risiken schon bei sehr jungen Frauen eine gefährliche Kombination darstellen“, so Prof. Erbguth.
Der Präsident der Deutschen Hirnstiftung möchte anlässlich des Welt-Schlaganfalltags Frauen, die die Pille nehmen, dafür sensibilisieren, zusätzliche lebensstilbedingte Risiken möglichst zu reduzieren. Das heißt konkret: Sie sollten auf ihr Gewicht achten und bei Bedarf abnehmen, auf das Rauchen verzichten und bei Bedarf Gefäß schädigende Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes auch medikamentös behandeln lassen.
Alternativen zur Pille
Für Frauen, die aufgrund des Schlaganfallrisikos oder anderer Bedenken auf hormonelle Verhütungsmittel verzichten möchten, gibt es verschiedene Alternativen. Dazu gehören:
- Nicht-hormonelle Verhütungsmethoden: Kondome, Diaphragma, Kupferspirale oder -kette.
- Hormonfreie Spiralen: Die Spirale - in der Variante, die Hormone freisetzt - ergab sich dagegen kein erhöhtes Risiko.
- Natürliche Familienplanung (NFP): Beobachtung des Menstruationszyklus zur Bestimmung der fruchtbaren Tage.
Lesen Sie auch: Alles über die Pille danach
tags: #pille #und #schlaganfall #risiko