Invasive Pilzinfektionen stellen eine ernstzunehmende Komplikation bei Patienten mit hämatologischen Krebserkrankungen dar, insbesondere bei Leukämie. Diese Infektionen können zu erheblicher Morbidität und Letalität führen. Die rechtzeitige Diagnose und einleitung einer geeigneten Therapie sind entscheidend für den Behandlungserfolg.
Hintergrund
Invasive Pilzinfektionen bei immungeschwächten Patienten
Pilzinfektionen können bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem, wie z.B. Leukämiepatienten, schwerwiegende Komplikationen verursachen. Das Immunsystem hat den Viren, Bakterien oder Pilzen kaum etwas entgegenzusetzen, was zu einer raschen Ausbreitung der Infektion führen kann.
Häufige Erreger
Die häufigsten Erreger invasiver Pilzinfektionen sind Aspergillus- und Candida-Spezies. Zunehmend werden aber auch andere Pilze wie Zygomyzeten, Trichosporon und Fusarium spp. gefunden.
Risikofaktoren
Das Risiko für invasive Pilzinfektionen ist besonders hoch bei Patienten nach allogener Stammzelltransplantation und bei Patienten mit akuter Leukämie. Eine Neutropenie (Mangel an neutrophilen Granulozyten) von <500/µl über mehr als 7 Tage nach Induktion/Konsolidierung einer akuten Leukämie oder einer allogenen Stammzelltransplantation stellt ein hohes Risiko dar. Auch Patienten mit vorangegangener invasiver Pilzinfektion haben ein erhöhtes Risiko.
Diagnose
Diagnostische Maßnahmen
Die Diagnose einer invasiven Pilzinfektion erfordert eine Kombination verschiedener diagnostischer Maßnahmen:
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- Klinische Zeichen und Symptome: Die meisten Zeichen und Symptome einer invasiven Pilzinfektion sind unspezifisch und erfordern weitere diagnostische Maßnahmen.
- Mikrobiologische Befunde: Konventionelle Pilzkulturen, Antikörper/Antigen-Reaktionen und Molekularbiologie.
- Gewebediagnostik: Histopathologie von Gewebeproben.
- Bildgebung: Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT).
Mikroskopie
Gewebeproben von Patienten mit Verdacht auf eine invasive Pilzinfektion sollten mikroskopisch beurteilt werden. Bronchoskopisch gewonnenes Material oder Gewebeproben sollten mittels Perjod-Schiff-Säure-Reaktion (PAS), Grocott-Methenamin-Silber-Färbung oder optischer Aufheller untersucht werden.
Pilzkulturen
Von allen Proben bei Patienten mit hohem Risiko für eine invasive Pilzinfektion sollten Pilzkulturen angelegt werden. Positive Pilzerreger, die von üblicherweise sterilen Orten isoliert wurden, sollen bis zur Spezies-Ebene identifiziert werden.
Antigen- und Antikörpernachweis
Liquor soll simultan mittels Pilzkultur und Antigentest auf Cryptococcus neoformans untersucht werden. Eine routinemäßige Untersuchung auf Candida-Antikörper oder -Antigene wird bei Patienten mit malignen hämatologischen Erkrankungen nicht empfohlen. Eine routinemäßige Untersuchung mittels des Aspergillus Galactomannan-Tests wird bei Hochrisiko-Patienten ohne aktive Schimmelpilz-Prophylaxe empfohlen. Ein Screening auf 1,3-β-D-Glucane (BG) zum Nachweis einer invasiven Pilzinfektion kann bei Hochrisiko-Patienten mit einer malignen hämatologischen Erkrankung empfohlen werden.
Molekulare Diagnostik
Der Nachweis von Aspergillus-DNA im Blut von neutropenen Patienten und/oder von Patienten mit einer malignen hämatologischen Erkrankung soll als Hinweis auf eine invasive Aspergillose gewertet werden. Molekulardiagnostische Methoden sollen in Kombination mit anderen nicht-kulturbasierten Verfahren wie dem Antigennachweis im Blut eingesetzt werden. Molekularbiologische Tests (PCR) sollen für die Diagnose einer invasiven Aspergillose aus dem Blut in Kombination mit dem Aspergillus Galactomannan-Test eingesetzt werden.
Bildgebende Diagnostik
Bei Hochrisiko-Patienten mit persistierender Neutropenie und Fieber trotz Therapie mit Breitband-Antibiotika soll eine Computertomographie des Thorax zur Erstdiagnose einer invasiven Pilzinfektion durchgeführt werden. Bei Hochrisiko-Patienten mit persistierender Neutropenie und Fieber trotz Therapie mit Breitband-Antibiotika soll ein Multi-Slice- oder HR-Computertomographie des Thorax zur Erstdiagnose einer invasiven Pilzinfektion durchgeführt werden. Das sogenannte Halo-Phänomen ist bei neutropenen Patienten ein starker, aber nicht spezifischer, früher Hinweis auf eine invasive Schimmelpilzinfektion der Lunge. Zum bildgebenden Nachweis von Pilzinfektionen in ZNS, Nasennebenhöhlen, Augen oder einer hepatolienalen Candidose soll die Magnetresonanztomographie eingesetzt werden. Pilzinfektionen des Gastrointestinaltrakts können am besten mittels Computer- und besonders mittels Magnetresonanztomographie dargestellt werden.
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Endoskopie
Die Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL) wird zur Abklärung pulmonaler Infiltrate empfohlen. Die Ösophagogastroduodenoskopie (vorzugsweise mit Biopsie) soll bei Patienten mit Zeichen und Symptomen einer Ösophagitis durchgeführt werden, die nicht auf eine empirische antimykotische Therapie ansprechen.
Biopsie
Wenn klinisch vertretbar, sollen Biopsien von verdächtigen Läsionen entnommen werden (Haut, Organbefunden).
Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit
Bei Verdacht auf eine invasive Pilzinfektion sollte ein Infektiologe eingeschaltet werden, um unnötige Untersuchungen zu vermeiden und um Testergebnisse in den richtigen Kontext zu setzen. Die Behandlung von Pilzinfektionen erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Hämatoonkologen, Intensivmedizinern und Chirurgen.
Therapie
Antimykotische Therapie
Vor Einleitung einer antimykotischen Therapie soll die höchstmögliche Evidenz zum Nachweis einer invasiven Pilzinfektion erbracht werden, ohne den Therapiebeginn zu verzögern. Die meisten Zeichen und Symptome einer invasiven Pilzinfektion sind unspezifisch und erfordern weitere diagnostische Maßnahmen. Zur raschen Diagnose einer invasiven Pilzinfektion und zur Überwachung der antimykotischen Therapie ist die Kombination verschiedener Methoden erforderlich.
Spezifische Therapieansätze
- Invasive Aspergillose: Therapie der ersten Wahl sind die Azole Isavuconazol und Voriconazol. Als zweite Wahl stehen Medikamente aus der Gruppe der Echinocandine zur Verfügung. Alternativ oder als Salvage-Therapie kann liposomales Amphotericin eingesetzt werden.
- Kryptokokkose: Die meistens das ZNS befallende Pilzinfektion wird mit einer Kombination von liposomalem Amphotericin und Flucytosin behandelt.
- Candida-Infektion: Therapie der ersten Wahl sind Wirkstoffe aus der Gruppe der Echinocandine. Medikation der zweiten Wahl ist Fluconazol/Voriconazol. Als Salvage-Therapie kann auch hier liposomales Amphotericin eingesetzt werden.
Prävention
Prophylaxe bei Hochrisikopatienten
Bei Hochrisiko-Patienten, wie z.B. Patienten mit prolongierter Neutropenie, kann eine antimykotische Prophylaxe in Betracht gezogen werden.
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Infektionskontrolle im Krankenhaus
Eine gute Infektionskontrolle im Krankenhaus ist wichtig, um die Ausbreitung von Pilzinfektionen zu verhindern.
Auswirkungen neuer Krebstherapien
Die Entwicklung neuer onkologischer Therapieoptionen hat ein breit gefächertes Spektrum an personalisierten Behandlungswegen ermöglicht. Inwieweit die neuen Onkologika einen Einfluss auf die Entwicklung von IFI haben, ist momentan schwer einzuschätzen. Dies liegt an der Schwierigkeit in der Diagnostik von IFI, der nicht einheitlichen Erfassung in den Zulassungsstudien, Begleit- und Vortherapie und den teilweise erst mit einer deutlichen Latenz auftretenden Pilzinfektionen. Einige der neuen onkologischen Therapieoptionen gehen mit einem erhöhten Risiko einer Pilzinfektion einher.
Immuncheckpoint-Inhibitoren
Durch die Restimulation beziehungsweise Reprogrammierung des Immunsystems gegen Krebszellen hat diese neue Therapieoption wahrscheinlich sogar auch einen positiven Effekt auf die Behandlung von Pilzinfektionen im Zeitalter der zunehmenden antifungalen Resistenzen. Es gibt Einzelfallberichte von Patienten mit therapierefraktären Pilzinfektionen, die nach einer Immunchekpoint-Inhibitor-Behandlung erfolgreich die Pilzinfektion unter Kontrolle bekommen haben.
Tyrosinkinase-Inhibitoren
Seit der Einführung von Ibrutinib gibt es eine Vielzahl von Fallberichten, bei denen von opportunistischen Pilzinfektionen (Pneumocystis jirovecii, Cryptococcus neoformans, Aspergillosen, Fusariose und Mucorales) berichtet wurde. Aufgrund der nicht systemisch erfassten Infektionen und der mitunter stark vorbehandelten Patienten, kann man kaum verlässliche Aussagen über die Inzidenz von IFI machen.
So treten P.-jirovecii-Pneumonien (PJP) unter Ibrutinib-Therapie bei CLL in bis zu 5 % beziehungsweise invasive Aspergillosen in bis zu 39 % der Fälle auf. Bei anderen Lymphomen wird die Häufigkeit von IFI mit 0-11 % angegeben.
Während es bei Imatinib/Bosutinib kaum Hinweise auf opportunistische Infektionen gibt, werden bei Dasatinib in Casereports PjP, Pilzpneumonien und Candidämien gemeldet.
Phosphatidylinositol-3-Kinase-Inhibitoren
Bereits 2016 wurde ein Rote-Hand-Brief von EMA und BfArM verschickt, weil es unter Idelalisib unter anderem zu vermehrten PjP-Infektionen gekommen war. Die Patienten sollten deswegen unter der Behandlung eine PjP-Prophylaxe erhalten, die nach Therapieende über einen Zeitraum von 2-6 Monaten fortgesetzt wird.
Januskinase-Inhibitoren
Auch hier gibt es Casereports über vermehrte Infektionen, unter anderem auch IFI. Eine PjP-Prophylaxe kann je nach Begleittherapie erwogen werden.
Adoptiver Zelltransfer
Nach den bislang vorliegenden Studiendaten besteht in den ersten 28 Tagen nach Retransfusion der Zellen eine kumulative Inzidenz für IFI von 4 %. Allerdings hatten die Patienten ausgedehnte Vortherapien erhalten, die das IFI-Risiko deutlich erhöhen.
Herausforderungen und zukünftige Forschung
Resistenzentwicklung
Pilze entwickeln zunehmend Resistenzen gegen Antimykotika, was die Behandlung erschwert. Die Wandlungsfähigkeit der Pilze führt zu einer bedrohlichen Flexibilität, für die es oft keine geeigneten Wirkstoffe gibt.
Neue Therapieansätze
Die Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung neuer Antimykotika und alternativer Therapieansätze, um die Behandlung von Pilzinfektionen zu verbessern. Ein vielversprechender Ansatz ist die Hemmung der Biofilmbildung von Pilzen.
Bedeutung der Grundlagenforschung
Die Grundlagenforschung spielt eine wichtige Rolle, um die Infektionsmechanismen von Pilzerkrankungen auf molekularer Ebene zu klären und neue Angriffspunkte für Therapien zu identifizieren.
Fallbeispiele
Die zur Verfügung gestellten Informationen enthalten den Bericht einer Person, deren Mann an AML erkrankt ist und im Verlauf der Behandlung eine Pilzinfektion in der Lunge und im Gehirn entwickelt hat. Dieser Fall verdeutlicht die Schwere und Komplexität von Pilzinfektionen bei immungeschwächten Patienten.
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