Pilze im Visier der Alzheimer-Forschung: Neue Therapieansätze und Präventionsmöglichkeiten

Die Alzheimer-Krankheit, eine der größten Herausforderungen für die moderne Medizin, ist durch einen fortschreitenden Verlust kognitiver Fähigkeiten gekennzeichnet. Seit Alois Alzheimer die ersten Fälle beschrieb, suchen Forscher nach den Ursachen und möglichen Therapien für diese verheerende Krankheit. Jüngste Studien deuten darauf hin, dass Pilze eine überraschende Rolle bei der Entstehung und Behandlung von Alzheimer spielen könnten. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Forschungsergebnisse und zeigt, wie bestimmte Pilzarten und ihre Inhaltsstoffe neue Hoffnung im Kampf gegen Alzheimer wecken.

Die Alzheimer-Krankheit: Eine Krankheit mit vielen offenen Fragen

Seit den ersten Untersuchungen der Gehirne verstorbener Alzheimer-Patienten durch Alois Alzheimer, sind die auffälligsten Befunde die Ablagerungen, die sich zwischen den Nerven und in ihrem Inneren ansammeln. Ob sich der schleichende Gedächtnisverlust damit wirklich erklären lässt, bleibt aber umstritten. Es gibt wohl keine Krankheit, bei der das Gehirn so gut untersucht wurde, wie bei Alzheimer. Aber sehen kann man dort nur, wonach man sucht, oder besser gesagt, was man anfärbt.

Die Pilztheorie: Ein neuer Ansatz zur Alzheimer-Forschung

Ein neuer Ansatz in der Alzheimer-Forschung geht von einer überraschenden Hypothese aus: Pilzinfektionen könnten eine Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielen. Ausgangspunkt war eine scheinbar weit hergeholte Parallele: Alzheimer entwickelt sich langsam und im Verborgenen, Pilzinfektionen zeigen einen ähnlichen Verlauf. Das ist vielleicht ein Zufall. Aber mit seinen Antikörpern konnte Luis Carrasco tatsächlich im Gehirn eines verstorbenen Alzheimerpatienten Pilzzellen nachweisen. Und zwar besonders im Entorhinalen Kortex und im Hippocampus. Die Pilze waren zum Teil im Inneren der Nervenzellen, oft aber auch an den Blutgefäßen, die bei Alzheimer ebenfalls geschädigt sind.

Luis Carrasco wurde neugierig und wollte wissen, ob das nur ein Einzelbefund war, oder ob sich mehr hinter den Pilzzellen verbirgt. "Bei den zehn Vergleichspersonen gab es überhaupt keine Spuren von Pilzen. Das ist eindeutig. Aber in den Gehirnen von elf Alzheimer Patienten ließen sich Pilzzellen nachweisen. Dabei fanden sich recht unterschiedliche Pilzarten, die sich sogar im Gehirnwasser nachweisen lassen. Weil sie die Pilze ja erst ganz am Ende des Krankheitsprozesses nachweist. Oliver Peters vermutet, dass dann das Immunsystem so beeinträchtigt ist, dass es den Pilzen nichts mehr entgegensetzen kann. "Ich glaube, die Ursache hat etwas mit den Pilzen zu tun. Die Infektion verläuft über Jahre und verbreitet sich über die Gefäße. Vielleicht verursachen die Pilze Schäden an den Adern. Allerdings beruhen diese Erklärungen im Moment vor allem aus Spekulationen. Sie sind auch wenig spezifisch, denn Pilzzellen konnte Luis Carrasco nicht nur bei Alzheimer nachweisen, sondern auch bei ALS, einer anderen Erkrankung es Gehirns. Das gewichtigste Argument für die Pilztheorie ist in seinen Augen, dass es Berichte über zwei Patienten gibt, die durch Anti-Pilz-Medikamente von ihrer Demenz geheilt werden konnte. "Das gibt bislang überhaupt keinen Anhalt dafür, dass das eine regelhafte Problematik wäre. Insofern gehe ich davon aus, dass ein Pilzbefall genauso wie ein viraler oder bakterieller Befall des Gehirns die absolute Ausnahme bei dem Beginn von kognitiven Störungen bis hin zu Gedächtnisstörungen und Demenzerkrankungen ist. Luis Carrasco weiß, dass neue Theorien zu Alzheimer auch neue experimentelle Belege benötigen.

Candida albicans und Alzheimer: Ein möglicher Zusammenhang

Auf der Suche nach den Ursachen für Alzheimer und andere Demenz-Erkrankungen ist ein häufiger Bewohner des menschlichen Organismus ins Visier der Forschung geraten: Candida albicans. Die Anhäufung von falsch gefaltetem β-Amyloid ist zwar nicht der einzige Auslöser für Alzheimer-Demenz. Die sog. Amyloid-Hypothese wird weiterhin höchst kontrovers diskustiert, scheint jedoch eine kardinale Rolle im Entstehungsprozess zu spielen. Bereits im Jahr 2016 hatten Forschungsergebnisse ergeben, dass sich in den Gehirnen von Alzheimer-Patient:innen Proteinfragmente verschiedener Pilzarten, darunter Candida albicans, ansammeln. Im Gegensatz dazu waren bei gesunden Proband:innen kaum Pilzproteine zu finden. Dies deutet möglicherweise darauf hin, dass wiederkehrende oder anhaltende Candida-Infektionen zur Entwicklung von Alzheimer-Demenz beitragen könnten. Jedoch war bisher unklar, auf welche Weise Candida die Alzheimer-Demenz beeinflussen könnte.

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Candida albicans und andere Pilz-Arten sind Teil der normalen Mikroflora des menschlichen Körpers und lebt üblicherweise in Harmonie mit anderen Mikroorganismen. Ein amerikanisches Forschungsteam des Baylor College of Medicine, Houston, Texas, hat jetzt in einer weiteren Studie einen Mechanismus aufgedeckt, der zeigt, wie eine Infektion des Gehirns durch Candida albicans mit der Bildung von Amyloid-Plaques, wie sie bei Alzheimer auftreten, zusammenhängt.

Die von Candida albicans produzierten Enzyme, bekannt als Saps (secreted aspartic proteinases), ermöglichen es dem Pilz zunächst, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Sie tun dies, indem sie Bestandteile der Schranke zerstören, wodurch sie durchlässiger wird. Nachdem C. albicans ins Gehirn eingedrungen ist, setzt sich die Wirkung der Saps-Enzyme fort. Unter anderem spalten sie das Amyloid Precursor Protein (APP) in ß-Amyloid auf, was bei der Entwicklung von Alzheimer-Demenz eine Rolle spielt. Diese Peptide regen die Immunzellen des Gehirns, die Mikroglia an, die Pilzbelastung zu reduzieren, ohne dass diese die Infektion jedoch vollständig beseitigen können. „Diese Arbeit trägt möglicherweise zu einem wichtigen neuen Puzzleteil in Bezug auf die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit bei“, so der korrespondierende Autor Dr.

Ein Einschränkungsfaktor der Studie ist, dass die Ergebnisse auf Untersuchungen in Zellkulturen und Mäusen basieren, weshalb die Übertragbarkeit auf den Menschen noch ungewiss ist. Bisher ging man schließlich davon aus, dass diese Amyloid-Proteine ausschließlich im Körper selbst erzeugt werden, indem körpereigene Proteasen Amyloid-Vorläuferproteine abbauen und dadurch toxische ß-Amyloid-Proteine entstehen. Die aktuellen Forschungsergebnisse legen jedoch die Vermutung nahe, dass die im Gehirn vorhandenen ß-Amyloid-Aggregate, die für neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer charakteristisch sind, sowohl vom Gehirn selbst als auch von C.

Ergothionein: Eine natürliche Waffe gegen Gehirnalterung

Eine natürliche Aminosäure könnte im Kampf gegen Alzheimer und Demenz neue Hoffnung bringen. Eine Aminosäure könnte ein Hoffnungsschimmer aus der Natur im Kampf gegen Alzheimer und Demenz sein. Die Weltgesundheitsorganisation prognostiziert, dass die Zahl der Demenzfälle weltweit im Jahr 2050 auf 152 Millionen ansteigen wird. Das sind mehr als 35 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Eine erschreckende Belastung auch für die Gesundheitssysteme.

Jetzt tritt ein neuer Hoffnungsträger in den Kampf gegen Gehirnalterung und Demenz ein: ein kleines natürliches Molekül namens Ergothionein. Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Ergothionein, kurz ET, wird von Forschern als „Langlebigkeitsvitamin“ gehandelt. ET ist eine schwefelhaltige Aminosäure und kommt besonders in Pilzen wie Austern- und Shiitake-Pilzen vor. Interessanterweise ist es möglich, dass Ergothionein die Blut-Hirn-Schranke passieren kann. Wie wir wissen, dient die Blut-Hirn-Schranke dem Schutz des Gehirns vor schädlichen Stoffen, stellt jedoch auch eine Barriere für die meisten Medikamente dar. ET reichert sich in Geweben mit hohem oxidativen Stress an, also in Leber, Nieren und im Gehirn. Studien zeigen, dass Menschen mit niedrigen ET-Spiegeln ein erhöhtes Risiko für Demenz und kognitive Beeinträchtigungen haben. Noch spannender sind die Ergebnisse aus Labor- und Tierversuchen: Ergothionein reduziert die Bildung von sogenannten Amyloid-Plaques. Das sind die abnormalen Ablagerungen im Hirn, die typisch für Alzheimer sind. Außerdem verbessert ET den Glukosestoffwechsel im Gehirn, der eine entscheidende Rolle für die Hirngesundheit.

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Eine vielversprechende Pilotstudie der Universität Singapur mit älteren Menschen lieferte ebenfalls positive Ergebnisse. Die Studie wurde über ein Jahr durchgeführt und war doppelblind und placebo-kontrolliert. 19 Teilnehmer im Alter von über 60 Jahren erhielten entweder Ergothionein oder ein Placebo, und das dreimal pro Woche. Die Teilnehmer, die Ergothionein erhielten, zeigten eine Verbesserung ihrer Lernfähigkeit. Es wurden sogar Biomarker beobachtet, die mit neuronalen Schäden in Verbindung stehen und sich stabilisierten. Obwohl die Studie aufgrund der begrenzten Anzahl von Teilnehmern ihre Beschränkungen hat, sind die Ergebnisse so vielversprechend, dass weitere Forschungen betrieben werden. Es wird jedoch noch weitere Untersuchungen benötigen, um den genauen Wirkungsmechanismus und die richtige Dosierung für medizinische Behandlungen und Vorbeugung nachzuweisen.

Der Löwenmähnenpilz: Ein Hoffnungsträger aus der traditionellen Medizin

Löwenmähnenpilze besitzen einen Wirkstoff, der das Wachstum von Nervenzellen verbessert und das Gedächtnis stärkt. Das ungewöhnliche Aussehen verleiht ihm seinen Namen: Der Löwenmähnenpilz ist ein Speisepilz, dessen Hut in zahlreiche weißliche Fasern aufgetrennt ist. Doch nicht nur optisch ist er herausragend. Der Löwenmähnenpilz (Hericium erinaceus), auch als Igel-Stachelbart oder Affenkopfpilz bekannt, kommt in gemäßigten Breiten und auch bei uns in Europa vor. Er wächst meist auf abgestorbenen Stämmen, Baumstümpfen oder an geschwächten Stämmen von Laubbäumen wie Eichen oder Buchen. Der essbare Pilz wird vor allem in Asien in Kultur gehalten und für den Verzehr gezüchtet. In der traditionellen chinesischen Medizin gilt der Löwenmähnenpilz schon seit Jahrtausenden als heilsam. Er soll unter anderem gegen Krebs, Magenbeschwerden und auch bei Nervenleiden und Demenz helfen.

Dabei konnten sie herausfinden, dass Hericium erinaceus einen Wirkstoff besitzt, der das Wachstum von Nervenzellen verbessert und das Gedächtnis stärkt. „Mit Hilfe von hochauflösender Mikroskopie konnten wir feststellen, dass die Wirkstoffe des Pilzes die Größe der Wachstumszapfen erhöhen. Künftig könnte diese Entdeckung für die Behandlung und den Schutz vor neurodegenerativen Krankheiten, wie Alzheimer, von großer Bedeutung sein. „Unsere Idee war es, bioaktive Verbindungen aus einer natürlichen Quelle zu finden, die das Gehirn erreichen und das Wachstum von Neuronen regulieren können“, erklärt Ramon Martinez-Marmol, Co-Autor der Studie.

Professor Frederic Meunier, Forscher am Queensland-Brain-Institute, fand in einer Untersuchung neue Wirkstoffe in dem Pilz Hericium erinaceus (Löwenmähnen-Pilz). „Die Extrakte aus diesen Pilzen werden in asiatischen Ländern seit Jahrhunderten in der traditionellen Medizin verwendet, aber wir wollten ihre potenzielle Wirkung auf die Gehirnzellen wissenschaftlich bestimmen", so Meunier. Dabei haben präklinische Tests ergeben, dass der Pilzextrakt einen signifikanten Einfluss auf das Wachstum von Gehirnzellen hat, somit kann die Gedächtnisleistung verbessert werden. „In Labortests wurden die neurotrophen Wirkungen von aus Hericium erinaceus isolierten Verbindungen auf kultivierte Gehirnzellen gemessen, und überraschenderweise stellten wir fest, dass die Wirkstoffe die Projektionen von Neuronen fördern, die sich ausdehnen und mit anderen Neuronen verbinden.“

Die Wissenschaftler:innen konnten feststellen, dass der Pilzextrakt und seine aktiven Bestandteile die Größe der Wachstumszapfen stark erhöht. Für die Gehirnzellen sind diese besonders wichtig, um ihre Umgebung wahrzunehmen und neue Verbindungen mit anderen Neuronen im Gehirn herzustellen. Dies steigert die Gehirnleistung. Mitautor Ramon Martinez-Marmol ist überzeugt, dass diese positiven Ergebnisse relevant für die Behandlung und den Schutz vor neurodegenerativen kognitiven Störungen wie der Alzheimer-Krankheit sein könnte. „Unsere Idee war es, bioaktive Verbindungen aus natürlichen Quellen zu identifizieren, die das Gehirn erreichen und das Wachstum von Neuronen regulieren können, was zu einer verbesserten Gedächtnisbildung führt", so Martinez-Marmol.

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Peptaibole: Hoffnung für die Entwicklung neuer Medikamente

"Peptaibole: Biosynthese, strukturelle Diversität, Bioaktivität und Wirkungsmechanismus" lautet das Thema einer internationalen Tagung, die das Hans-Knöll-Institut für Naturstoff-Forschung vom 9. bis 11. Jena, den 01.10.02 Peptaibole sind relativ kleine Moleküle (Peptide) aus höchstens 20 Bausteinen (Aminosäuren). Sie werden in der Natur von Pilzen gebildet, können aber auch auf synthetischem Wege im Labor hergestellt werden. Die Peptaibole haben antibiotische Eigenschaften, wirken also abtötend auf andere Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze. Wissenschaftler des HKI entdeckten vor einiger Zeit noch eine andere Wirkung: In speziellen Testsystemen zeigte die aus einem Pilz isolierte und inzwischen patentierte Substanz "Ampullosporin" neuroleptische Aktivität, wirkte also beruhigend, angst- und krampflösend. Diese Eigenschaft bestimmter Peptaibole beruht vermutlich auf ihrer Fähigkeit, Kanäle in den Membranen zu formen, von denen die Zellen umgeben sind, und so deren Durchlässigkeit für Ionen zu erhöhen. "An diese Entdeckung knüpfen sich Hoffnungen auf die Entwicklung besserer und wirksamerer Medikamente gegen Erkrankungen des Zentralnervensystems, wie zum Beispiel Alzheimer-Syndrom, Altersdemenz , Epilepsie, Schizophrenie oder Depressionen", so Prof. Dr. Udo Gräfe.

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