Polyneuropathie durch Vitaminmangel: Ursachen, Symptome und Behandlung

Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die durch Schädigung mehrerer Nerven gekennzeichnet ist. Dies führt zu einer Beeinträchtigung der Signalübertragung zwischen Gehirn, Rückenmark und den übrigen Körperregionen. Vitaminmangel kann eine der vielen Ursachen für diese Erkrankung sein. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Vitaminmangel und Polyneuropathie, insbesondere die Rolle von Vitamin B1, B12 und B6.

Was ist Polyneuropathie?

Bei einer Polyneuropathie handelt es sich um eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, also der Nerven, die außerhalb von Gehirn und Rückenmark verlaufen. Diese Nerven sind dafür verantwortlich, Berührungen, Temperatur oder Schmerzempfindungen wahrzunehmen sowie die Bewegungen der Muskeln zu steuern. Bei Menschen mit einer Polyneuropathie sind mehrere periphere Nerven geschädigt, was die Weiterleitung von Signalen zwischen Gehirn, Rückenmark und den übrigen Körperregionen beeinträchtigt. Circa fünf Prozent aller Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Polyneuropathie, wobei das Risiko mit zunehmendem Alter steigt.

Symptome der Polyneuropathie

Je nachdem, welche Nerven betroffen sind, können unterschiedliche Beschwerden auftreten:

  • Schäden an den sensiblen Nerven (Empfindungsnerven): Stechende oder brennende Schmerzen, das Gefühl von Ameisenlaufen auf der Haut, Überempfindlichkeit bei Berührungen (Allodynie).
  • Schäden an den kleinen Nervenfasern: Abgeschwächte oder fehlende Wahrnehmung von Hitze, Kälte und Schmerzen, Taubheitsgefühle, pelziges Gefühl auf der Haut, erhöhtes Verletzungsrisiko.
  • Schäden an motorischen Nerven: Muskelschwäche oder Lähmungen, insbesondere in den Beinen und Füßen, langfristiger Abbau der Muskelmasse.
  • Schäden an den autonomen Nerven: Kreislaufprobleme wie Schwindel oder Ohnmacht beim Aufstehen, Verdauungsbeschwerden wie Verstopfung, Durchfall oder Inkontinenz, Blasenprobleme.

Ursachen der Polyneuropathie

Die Polyneuropathie kann verschiedene Ursachen haben. Zu den häufigsten Auslösern zählen:

  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit): Ein dauerhaft hoher Blutzuckerspiegel schädigt die Nerven. Etwa jeder dritte Diabetespatient entwickelt eine diabetische Polyneuropathie. Der Bildung von Advanced Glycation Endproducts (AGEs) wird dabei eine zentrale Rolle zugesprochen.
  • Langjähriger Alkoholmissbrauch: Alkohol greift das empfindliche periphere Nervensystem an.
  • Infektionskrankheiten: Wie etwa Borrelien oder Herpes zoster-Viren.
  • Autoimmunreaktionen: Wie das Guillain-Barré-Syndrom und rheumatoide Arthritis.
  • Vitaminmangel: Insbesondere Vitamin B12.
  • Schilddrüsen-, Leber- oder Krebserkrankungen.
  • Genetische Faktoren.

Diagnose der Polyneuropathie

Die Diagnose einer Polyneuropathie erfordert eine umfangreiche Suche nach möglichen Ursachen. Zu den Untersuchungen zählen:

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  • Umfangreiche Labordiagnostik: Blutuntersuchungen, eventuelle Untersuchung des Nervenwassers mittels Lumbalpunktion.
  • Messung der elektrischen Nervenleitung: Elektroneurographie oder Elektromyographie.
  • Körperliche Untersuchung: Prüfung von Reizempfinden, Geh- und Stehvermögen, Muskelstärke und Reflexe.

Vitaminmangel als Ursache der Polyneuropathie

Ein Vitaminmangel gehört zu den Hauptursachen von Polyneuropathie. Vor allem ein Mangel an Vitamin B12 kann zu einer Polyneuropathie führen, wodurch das Erkrankungsrisiko bei Vegetariern und Veganern besonders hoch ist. Ein Vitaminmangel kann verschiedene Erkrankungen begünstigen.

Vitamin B12-Mangel

Ein Mangel an Vitamin B12 macht sich zumeist erst dann bemerkbar, wenn er schon weit fortgeschritten ist. Er kann sich mit Kribbeln und Lähmungserscheinungen in den Füßen, sensibler Ataxie (Störung der Bewegungskoordination) und Hypästhesie (herabgesetzte Druck- und Berührungsempfindung) äußern. In seltenen Fällen kann es zu Paresen (Lähmungen) kommen. Ohne Behandlung kann ein Vitamin-B12-Mangel zu Depression, Demenz oder Optikusatrophie (degenerative Erkrankung des Sehnervs) führen. Um das Fortschreiten des Vitaminmangels und das Entstehen einer Polyneuropathie sowie weiterer Erkrankungen zu verhindern, ist eine schnelle Gabe von Vitamin B12 erforderlich. Vitamin B12 wird zumeist als Injektion verabreicht. Um die Folgen einer Polyneuropathie zu begrenzen, ist eine entsprechend hohe Dosis des Vitamins erforderlich.

Vitamin B1-Mangel

Ein Mangel an Vitamin B1 (Thiamin) kann die Entstehung von Diabetes und damit verbunden einer Polyneuropathie fördern. Bei vielen Diabetikern besteht ein gravierender Mangel an Vitamin B1, wodurch pathogene Prozesse im diabetischen Stoffwechsel gefördert werden. Diese können zu Gefäßschäden und anderen diabetischen Komplikationen führen.

Bei erhöhtem Blutzuckerspiegel steigt der Vitamin-B1-Bedarf und es kann zu einem Mangel kommen. Dies bestätigte eine Metaanalyse vom April 2023, die zeigt, dass Diabetespatienten niedrigere Vitamin-B1-Konzentrationen im Blut aufweisen als Personen ohne Diabetes.

Wird im Zusammenhang mit Diabetes oder einer Polyneuropathie ein Mangel an Vitamin B1 festgestellt, kann er mit der Gabe von Benfotiamin, einer Vorstufe von Vitamin B1, kompensiert werden. Benfotiamin leitet die überschüssige Glukose auf einen Stoffwechselweg um, bei dem keine AGEs entstehen. Bei einer diabetischen Polyneuropathie wirkt Benfotiamin zusätzlich der Schmerzwahrnehmung entgegen. Als fettlösliche Verbindung kann Benfotiamin vom Körper gut aufgenommen werden. Mit der biologisch aktiven Form von Vitamin B1, Thiamin-Diphosphat, wird eine höhere Bioverfügbarkeit von Vitamin B1 erzielt.

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Vitamin B6-Mangel und -Überdosierung

Ein Mangel an Vitamin B6 kann eine subakute sensomotorische Polyneuropathie verursachen. Zu einem Mangel an Vitamin B6 kann es bei einer raschen Gewichtsabnahme oder durch Komplikationen bei der Behandlung von Morbus Parkinson kommen. Ein ernährungsbedingter Mangel an Vitamin B6 ist selten. Häufiger führt die Einnahme verschiedener Medikamente zu einem Mangel an Vitamin B6.

Eine Gefahr besteht bei einer zu hohen Dosierung von Vitamin B6. Werden langfristig sehr hohe Dosen von Vitamin B6 gegeben, kann es zu Neuropathien kommen. Es kommt daher darauf an, einen Mangel sehr sorgfältig und kontrolliert zu kompensieren.

Metformin und Vitamin B12-Mangel

Nicht bei jedem Typ-2-Diabetiker reicht ein Lifestyle-Change, um den erhöhten Blutglukosespiegel dauerhaft zu senken. Bei diesen Patienten kommt oft das orale Antidiabetikum Metformin zum Einsatz, dass allerdings bei Langzeiteinnahme das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel erhöht. Etwa 30 % der Patienten unter Metformin-Medikation leiden unter einem Vitamin-B12-Mangel. Einer Metaanalyse zufolge haben Patienten mit Typ-2-Diabetes, die eine tägliche Dosis von mehr als 2.000 mg Metformin einnehmen, ein dreifach höheres Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel als Patienten ohne Metformin-Einnahme. Ein Vitamin-B12-Mangel wiederum erhöht das Risiko für Neuropathien.

Daher ist es bei Diabetespatienten unter Metfomin-Therapie besonders wichtig, die Vitamin-B12-Versorgung im Blick zu haben.

Therapiemöglichkeiten bei Polyneuropathie

Die Therapie der Polyneuropathie richtet sich nach der Ursache:

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  • Diabetische Polyneuropathie: Eine stabile Blutzuckereinstellung ist der entscheidende Faktor.
  • Alkoholbedingte Polyneuropathie: Konsequenter Verzicht auf Alkohol.
  • Entzündungsbedingte Nervenschädigung: Antibiotika-Therapie oder eine antivirale Medikation.
  • Autoimmunentzündung: Entzündungshemmende Medikamente wie Kortison oder Immunglobuline.
  • Vitaminmangel: Gezielte Ernährungsumstellung oder die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln. Wichtig ist das Vermeiden einer Überdosierung, etwa von Vitamin B6.

Zusätzlich können Schmerzen oder Gangstörungen bei Polyneuropathie medikamentös oder durch eine physikalische Therapie gebessert werden.

Vermeidung von Vitaminmangel und Polyneuropathie

Um einem Vitaminmangel und damit verbunden dem Entstehen einer Polyneuropathie entgegenzuwirken, ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung wichtig. Bei vegetarischer oder veganer Ernährung kann einem Mangel an Vitamin B12 durch Nahrungsergänzungsmittel entgegengewirkt werden. Anhand von Blutuntersuchungen kann eine Vitaminanalyse vorgenommen werden. Wird ein Mangel an Vitaminen festgestellt, sollte ein Ausgleich erfolgen. Eine Modifikation des Lebensstils kann sinnvoll sein, um die Beschwerden einer diabetischen Neuropathie auf einem niedrigen Niveau zu halten.

Fazit für die Praxis

Neben einem Lifestyle-Change mit Ernährungsumstellung und mehr Bewegung sollte ein Mangel an Vitamin B1 und Vitamin B12 vermieden werden. Falls ein solcher Mangel diagnostiziert wird und alimentär nicht zu beheben ist, empfiehlt sich eine entsprechende Supplementierung, um dem Typ-2-Diabetes und seinen Folge- und Begleiterkrankungen entgegenwirken zu können.

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