Die Polyneuropathie ist eine Erkrankung, die viele Menschen betrifft und durch Schädigung der peripheren Nerven gekennzeichnet ist. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen der Polyneuropathie nach Operationen, ihre Diagnose und verschiedene Behandlungsmöglichkeiten.
Was ist eine Polyneuropathie?
Periphere Nerven sind die Nerven außerhalb des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark). Sie umfassen sensible Nerven (für Gefühlsempfindungen), motorische Nerven (für Muskelbewegungen) und gemischte Nerven. Sensible Nerven vermitteln Empfindungen wie Druck, Temperatur, Bewegung und Schmerz in Händen und Füßen. Sie sind auch für die Gewebebeschaffenheit, Temperaturregulation, Schweißbildung und Durchblutung verantwortlich.
Sind mehrere Nerven betroffen, spricht man von Polyneuropathie. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und reichen von Stoffwechselerkrankungen bis hin zu den Folgen von Operationen.
Ursachen der Polyneuropathie nach Operationen
Postoperative Neuropathien sind Nervenschädigungen, die nach einem chirurgischen Eingriff auftreten können. Obwohl sie meist mild verlaufen und vorübergehend sind, können sie in manchen Fällen zu anhaltenden Beeinträchtigungen führen.
Risikofaktoren
Bestimmte Faktoren erhöhen das Risiko für postoperative Neuropathien:
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- Vorerkrankungen der peripheren Nerven: Patienten mit bereits bestehenden Nervenerkrankungen sind anfälliger.
- Erkrankungen, die Nervenschädigungen begünstigen: Dazu gehören Diabetes mellitus, periphere Gefäßerkrankungen, Alkoholabhängigkeit, Tabakkonsum, Arthritis sowie ein sehr niedriger oder sehr hoher Body-Mass-Index.
- Krebserkrankungen: Auch der Tumor selbst kann eine Nervenschädigung hervorrufen.
- Chemotherapie: Einige Chemotherapeutika können Nervenenden, Nervenzellen oder die isolierende Hülle um die Nervenzellfortsätze herum zerstören und so den Stoff- und Informationsaustausch zwischen Nervenzellen und Gewebe behindern.
Ursachen während und nach der Operation
Die Ursachen für postoperative Nervenschäden sind vielfältig:
- Trauma durch den Eingriff: Überdehnungen, Kompressionen oder direkte Schäden an den Nerven während der Operation.
- Lagerung des Patienten: Falsche Positionierung auf dem Operationstisch kann zu Druck auf Nerven führen. Starke Überdehnung oder hohe Druckbelastungen, wie etwa auf den Ellenbogen, sind zu vermeiden.
- Entzündliche Prozesse: Entzündungen nach der Operation können ebenfalls eine Neuropathie verursachen.
- Mechanische Ursachen: In seltenen Fällen können mechanische Faktoren wie Narben oder Schwellungen Nerven einengen.
- Nervenblockaden: Auch die Injektionsnadel kann bei einer Regionalanästhesie lokal ein Trauma hervorrufen oder verstärken.
Spezifische Beispiele für Nervenkompressionen
Kompressionssyndrome der Nerven treten oft an anatomisch bedingten Engstellen auf, wo der Nerv keinen Platz zum Ausweichen hat. Dies kann durch knöcherne Strukturen oder straffe Band-/Kapselapparate verursacht werden. Beispiele hierfür sind:
- Tarsaltunnelsyndrom: Einengung des Nervus tibialis im Bereich des Innenknöchels.
- Morton-Neuralgie: Nervenkompression im Bereich der Zehen, oft zwischen dem dritten und vierten Zeh.
- Engpasssyndrom des N. suralis: Kompression des Nervus suralis am Unterschenkel.
Auch Narben, Schwellungen in der Umgebung von Sehnen oder Gelenken, Ganglien oder Nerventumore können zu Nervenkompressionen führen.
Neurome
Nerven, die nach einer Durchtrennung nicht vollständig regenerieren, können an ihrem körpernahen Ende Knoten bzw. Narben (Neurome) bilden. Diese Neurome enthalten frustran ausgesprosste Nervenenden, die bei Berührung erhebliche Schmerzen auslösen können. Ein bekanntes Beispiel ist das Phänomen der Phantomschmerzen nach Amputationen.
Nerventumore
Selten können Tumore im peripheren Nervensystem entstehen, wie z.B. Schwannome (Neurinome) oder Neurofibrome. Diese Tumore verursachen oft intensive, messerstichartige Schmerzen.
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Symptome einer Polyneuropathie
Die Symptome einer Polyneuropathie sind vielfältig und hängen davon ab, welche Nerven betroffen sind.
Sensible Störungen
- Missempfindungen: Kribbeln, Stechen, Brennen, Taubheit, elektrisierende Gefühle, Hitze- oder Kältegefühl.
- Koordinationsschwierigkeiten: Unsicherheit beim Gehen, das Gefühl, auf "rohen Eiern" zu laufen.
- Nachlassendes Temperatur- und Schmerzempfinden: Erhöhtes Risiko für Verletzungen.
Motorische Störungen
- Muskelkrämpfe und -zuckungen.
- Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen.
- Schwierigkeiten beim Greifen und Gehen.
Vegetative Störungen
- Störung der Organsteuerung: Verminderte Schweißsekretion (trockene Füße), Temperaturregulierungsstörungen (kalte oder warme Beine), Wundheilungsstörungen.
- Hör- und Sehstörungen: Bei Schädigungen von Hirnnerven.
Psychische Auswirkungen
Viele Krebspatienten kennen Gefühle wie innere Unruhe, Nervosität und Angst nur zu gut. Abgeschlagenheit, körperliche Verspannungen sowie Anspannung während und nach einer Krebstherapie sind belastend.
Diagnose der Polyneuropathie
Eine umfassende Diagnostik ist entscheidend, um die Ursache der Polyneuropathie zu ermitteln und eine geeignete Therapie einzuleiten.
Anamnese
Ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt ist wichtig, um die genaue Art und Entwicklungsgeschichte der Beschwerden zu erfassen. Dabei werden Fragen zu Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme, Lebensstil und möglichen Risikofaktoren gestellt.
Neurologische Untersuchung
Die neurologische Untersuchung dient dazu, das Schädigungsmuster festzustellen und Rückschlüsse auf die Ursache zu ziehen. Dabei werden Sensibilität, Motorik, Reflexe und Koordination geprüft.
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Technische Untersuchungen
- Elektroneurografie (ENG): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, um die Funktion der Nerven zu überprüfen.
- Elektromyografie (EMG): Analyse der Muskelaktivität, um Schädigungen frühzeitig zu erkennen.
Laboruntersuchungen
Eine Blutuntersuchung kann Hinweise auf Stoffwechselstörungen, Entzündungen, Vitaminmangel oder andere Ursachen der Polyneuropathie liefern.
Nervenwasseruntersuchung (Liquorpunktion)
Bei Verdacht auf eine entzündliche Ursache kann eine Nervenwasseruntersuchung durchgeführt werden.
Bildgebende Verfahren
In bestimmten Fällen können bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomografie (MRT) oder Ultraschall eingesetzt werden, um Nervenstrukturen darzustellen und Kompressionen oder Tumore zu erkennen.
Biopsie
In seltenen Fällen kann eine Gewebeprobe der Haut, von Muskeln oder Nerven entnommen werden, um die Ursache der Polyneuropathie zu klären.
Behandlung der Polyneuropathie
Die Behandlung der Polyneuropathie zielt darauf ab, die Ursache zu beheben, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Behandlung der Ursache
- Behebung von Mangelzuständen: Ausgleich von Vitaminmangel (z.B. Vitamin B12).
- Optimierung der Stoffwechseleinstellung: Bei Diabetes mellitus ist eine gute Blutzuckereinstellung wichtig.
- Verzicht auf schädigende Substanzen: Vermeidung von Alkohol und anderen Toxinen.
- Behandlung von Grunderkrankungen: Therapie von Entzündungen, Autoimmunerkrankungen oder Krebserkrankungen.
Symptomatische Therapie
- Schmerzmittel: Bei neuropathischen Schmerzen werden spezielle Medikamente eingesetzt, die auch bei Epilepsie oder Depressionen verwendet werden.
- Physiotherapie:Gangtraining und spezielle Übungen können helfen, die Koordination und Muskelkraft zu verbessern und Stürzen vorzubeugen. Ein regelmäßiges Bewegungstraining, insbesondere der Finger- und Zehenfunktionen, wird von Expert*innen empfohlen. Das so genannte Funktionstraining, welches Balanceübungen, sensomotorisches Training, Koordinationstraining, Vibrationstraining und auch Feinmotorikertraining umfasst, hat sich Studien zwecks Symptomlinderung positiv hervorgetan.
- Ergotherapie: Hilft bei der Bewältigung von Alltagsproblemen und der Verbesserung der Feinmotorik.
- Elektrotherapie und Bäder: Können bei Taubheitsgefühlen und Missempfindungen helfen.
- Entspannungstechniken: Können helfen, Verspannungen und Ängste zu reduzieren.
- Kälte vermeiden: Patient*innen, die mit Probleme mit Kältereizen haben, sollten sich nicht zu lange in kalten Räumen oder bei kaltem Wetter draußen aufhalten, ohne sich entsprechend zu schützen.
- Für einen guten Stand sorgen: Um sich sicher fortzubewegen, sollten Vorkehrungen wie festes Schuhwerk oder eine Gehhilfe getroffen werden.
- Verletzungen und Infektionen vorbeugen: Verletzungen, wie Schnittwunden oder Verbrennungen an Händen und Füßen werden später oder gar nicht wahrgenommen, wenn das Empfinden an diesen Stellen stark eingeschränkt ist.
- Ohrgeräusche minimieren: Wer bei lauten Geräuschen an Tinnitus leidet, sollte laute Umgebungen meiden.
Prävention postoperativer Neuropathien
- Risikofaktoren abklären und dokumentieren.
- Sorgfältige Planung des Eingriffs und Austausch im Operationsteam.
- Vermeidung von Überdehnungen und Druckbelastungen bei der Lagerung des Patienten.
- Kurze Operationszeit.
- Frühzeitige und fortlaufende Kontrolle hinsichtlich neuropathischer Symptome nach der Operation.
- Aufklärung des Patienten über das Risiko eines Nervenschadens.
Chirurgische Behandlung
In bestimmten Fällen kann eine Operation erforderlich sein, um Nerven zu entlasten, Neurome zu entfernen oder Nerventumore zu behandeln.
- Dekompression von Nerven: Bei Kompressionssyndromen kann eine operative Entlastung des Nervs die Beschwerden bessern oder beseitigen.
- Neuromexzision: Schmerzhafte Neurome können operativ entfernt werden.
- Nerventransplantation oder -versenkung: Bei irreparablen Nervenschäden kann eine Nerventransplantation oder die Versenkung des schmerzhaften Nervenastes in die Tiefe der Muskulatur in Erwägung gezogen werden.
- Tumorentfernung: Nerventumore wie Schwannome oder Neurofibrome können operativ entfernt werden.
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