Polyneuropathie durch Vitamin B12-Mangel: Ursachen und Behandlung

Polyneuropathie ist eine Erkrankung, bei der mehrere periphere Nerven geschädigt sind. Dies kann zu einer Vielzahl von Symptomen führen, darunter Schmerzen, Taubheitsgefühl, Kribbeln und Muskelschwäche. Es gibt viele Ursachen für Polyneuropathie, darunter Diabetes, Alkoholismus, Infektionen und Vitaminmangel. Ein Vitamin-B12-Mangel ist eine relativ häufige Ursache für Polyneuropathie, insbesondere bei älteren Menschen und Veganern.

Was ist Polyneuropathie?

Polyneuropathie ist eine Erkrankung, die durch Schädigung mehrerer Nerven im peripheren Nervensystem gekennzeichnet ist. Das periphere Nervensystem verbindet Organe und Gewebe mit dem zentralen Nervensystem und spielt eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung motorischer Befehle und der Übertragung von Sinneseindrücken. Schädigungen dieses Systems können zu vielfältigen Symptomen führen.

Symptome der Polyneuropathie

Die Symptome einer Polyneuropathie können je nach den betroffenen Nerven variieren. Man unterscheidet sensible, motorische und vegetative Polyneuropathien.

  • Sensible Polyneuropathie: Betrifft Nerven, die Informationen von der Haut zum Gehirn senden. Symptome können Empfindungsstörungen wie Ameisenlaufen, Brennen, Jucken, Taubheitsgefühle oder Kribbeln sein. Auch ein vermindertes Temperatur- oder Schmerzempfinden ist möglich, vor allem an Füßen oder Händen.

  • Motorische Polyneuropathie: Betrifft Nerven, die Signale vom Gehirn zu den Muskeln weiterleiten. Eine Nervenschädigung kann Muskelschwäche, Muskelschmerzen, Muskelzucken oder Muskelkrämpfe verursachen.

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  • Vegetative Polyneuropathie: Betrifft das vegetative Nervensystem, das automatisierte Körperfunktionen wie Verdauung, Atmung oder Schwitzen koordiniert. Symptome können Schwindel, Blasenschwäche, Durchfall oder verstärktes Schwitzen sein.

Zusätzlich zu den körperlichen Symptomen können Betroffene auch unter Erschöpfungszuständen und brennenden, schneidenden oder stechenden Schmerzen leiden.

Ursachen der Polyneuropathie

Es gibt über 200 verschiedene Ursachen für Polyneuropathie. Die häufigsten Ursachen sind:

  • Diabetes mellitus: Etwa jeder dritte Diabetespatient entwickelt eine diabetische Polyneuropathie. Ein dauerhaft zu hoher Blutzuckerspiegel schädigt die Nerven. Die Bildung von Advanced Glycation Endproducts (AGEs) spielt dabei eine zentrale Rolle. Diese AGEs verursachen direkte Schäden an Nerven und Blutgefäßen. Neben der optimalen Blutzuckereinstellung und dem Verzicht auf Risikofaktoren wie Nikotin und unkontrollierten Alkoholgenuss ist die optimale Versorgung mit Vitamin B1 eine Möglichkeit, in die Entstehung der Neuropathie einzugreifen. Vitamin B1 leitet die überschüssige Glukose auf einen Stoffwechselweg um, bei dem keine AGEs entstehen. Bei erhöhtem Blutzuckerspiegel steigt daher der Vitamin-B1-Bedarf und es kann zu einem Mangel kommen.
  • Chronischer Alkoholmissbrauch: Alkohol wirkt nervenschädigend und stört die Reizleitung.
  • Vitaminmangel: Insbesondere ein Mangel an Vitamin B12, aber auch an Vitamin B1, B6 oder E kann eine Polyneuropathie verursachen.
  • Infektionen: Bestimmte bakterielle oder virale Infektionen wie Borreliose, Diphtherie oder Gürtelrose können Entzündungen verursachen, die die Nerven schädigen.
  • Autoimmunerkrankungen: Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom oder rheumatoide Arthritis können ebenfalls zu Polyneuropathie führen.
  • Medikamente und Toxine: Bestimmte Medikamente wie Antibiotika (z.B. Nitrofurantoin oder Metronidazol) oder Zytostatika (z.B. Cisplatin) sowie der Kontakt mit giftigen Substanzen wie Schwermetallen können Nervenschäden verursachen.
  • Erbliche Veranlagung: In seltenen Fällen kann Polyneuropathie erblich bedingt sein (hereditäre Neuropathien).
  • Weitere Ursachen: Erkrankungen der Leber oder Nieren, Schilddrüsenunterfunktion, HIV-Infektionen und Krebserkrankungen können ebenfalls Polyneuropathie verursachen.

Vitamin B12-Mangel als Ursache

Ein Vitamin-B12-Mangel ist eine häufige Ursache für Polyneuropathie, insbesondere bei älteren Menschen und Veganern. Vitamin B12 ist essentiell für die Bildung und Regeneration der Nerven. Ein Mangel kann zu schwerwiegenden Nervenschädigungen führen.

Ursachen für Vitamin B12-Mangel

  • Mangelernährung: Vitamin B12 kommt hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln vor. Veganer und strenge Vegetarier haben ein erhöhtes Risiko für einen Mangel. Auch ältere Menschen, die sich einseitig ernähren, können betroffen sein.
  • Malabsorption: Bestimmte Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, wie z.B. chronische Magen-Darm-Erkrankungen oder eine Operation am Magen, können die Aufnahme von Vitamin B12 beeinträchtigen. Mit zunehmendem Alter sinkt die Leistungsfähigkeit des Magen-Darm-Trakts, was die Vitaminaufnahme erschwert.
  • Mangel an Intrinsic Factor: Intrinsic Factor ist ein Protein, das im Magen gebildet wird und für die Aufnahme von Vitamin B12 im Dünndarm notwendig ist. Ein Mangel an Intrinsic Factor kann durch Autoimmunerkrankungen oder nach einer Magenentfernung entstehen.
  • Medikamente: Bestimmte Medikamente, wie z.B. Metformin (ein Medikament zur Behandlung von Typ-2-Diabetes), können die Aufnahme von Vitamin B12 beeinträchtigen. Etwa 30 % der Patienten unter Metformin-Medikation leiden unter einem Vitamin-B12-Mangel.

Symptome des Vitamin B12-Mangels

Ein Vitamin-B12-Mangel entwickelt sich oft schleichend und die Symptome sind unspezifisch. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

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  • Neurologische Symptome: Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Brennen in Händen und Füßen, unsicherer Gang, Koordinationsschwierigkeiten, Muskelschwäche, Lähmungen, Sehstörungen bis hin zum Verlust des Sehvermögens.
  • Psychische Symptome: Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Depressionen, Demenz.
  • Hämatologische Symptome: Blutarmut (Anämie), Müdigkeit, Schwäche.

Diagnose des Vitamin B12-Mangels

Die Diagnose eines Vitamin-B12-Mangels erfolgt in der Regel durch eine Blutuntersuchung. Dabei werden verschiedene Parameter bestimmt:

  • Vitamin B12-Serumspiegel: Ein niedriger Vitamin B12-Spiegel im Serum kann auf einen Mangel hindeuten. Allerdings ist dieser Wert unspezifisch.
  • Holotranscobalamin (Holo-TC): Holo-TC ist die aktive Form von Vitamin B12 und gilt als Frühmarker für einen Mangel. Ein niedriger Holo-TC-Wert ist aussagekräftiger als der Gesamt-B12-Wert.
  • Methylmalonsäure (MMA): Ein erhöhter MMA-Wert im Serum oder Urin kann ebenfalls auf einen Vitamin-B12-Mangel hindeuten.
  • Blutbild: Bei einem Vitamin-B12-Mangel kann das Blutbild Veränderungen zeigen, wie z.B. eine Anämie mit vergrößerten roten Blutkörperchen (makrozytäre Anämie).
  • Antikörper: Bei Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung als Ursache des Mangels können Antikörper gegen Parietalzellen oder Intrinsic Factor bestimmt werden.

Differentialdiagnose

Es ist wichtig zu beachten, dass neurologische Symptome auch bei "normalen" Vitamin-B12-Blutwerten auftreten können. Daher sollte bei Verdacht auf eine Polyneuropathie auch bei Werten im unteren Normbereich eine weitere Abklärung erfolgen.

Behandlung der Polyneuropathie durch Vitamin B12-Mangel

Die Behandlung der Polyneuropathie durch Vitamin B12-Mangel zielt darauf ab, den Mangel zu beheben und die Nervenfunktion zu verbessern.

Vitamin B12-Substitution

Die wichtigste Maßnahme ist die Substitution von Vitamin B12. Dies kann auf verschiedene Arten erfolgen:

  • Orale Therapie: Bei einem leichten Mangel oder zur Erhaltungstherapie kann Vitamin B12 oral eingenommen werden. Eine hochdosierte orale Vitamin-B12-Substitution hat sich als effektiv erwiesen. B12 Ankermann® ist in Deutschland das höchstdosierte orale Vitamin-B12-Arzneimittel.

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  • Parenterale Therapie: Bei einem schweren Mangel oder bei Malabsorption wird Vitamin B12 intramuskulär oder subkutan gespritzt. Dies ermöglicht eine schnellere und zuverlässigere Aufnahme des Vitamins.

Die Dosierung richtet sich nach dem Schweregrad des Mangels und den individuellen Bedürfnissen des Patienten.

Weitere Maßnahmen

Neben der Vitamin B12-Substitution können weitere Maßnahmen zur Behandlung der Polyneuropathie erforderlich sein:

  • Behandlung der Grunderkrankung: Wenn die Polyneuropathie durch eine andere Erkrankung wie Diabetes oder Alkoholismus verursacht wird, muss diese Grunderkrankung behandelt werden. Bei Diabetes ist eine optimale Blutzuckereinstellung entscheidend. Bei Alkoholismus ist eine Suchttherapie erforderlich.
  • Schmerztherapie: Bei Schmerzen können Schmerzmittel wie Antidepressiva oder Antikonvulsiva eingesetzt werden. In manchen Fällen sind Opioide erforderlich, diese sollten jedoch nur kurzzeitig eingesetzt werden.
  • Physiotherapie und Ergotherapie: Diese Therapien können helfen, die Muskelkraft und Koordination zu verbessern und die Beweglichkeit zu erhalten. Spezielle Schienen (Orthesen) können bei Muskellähmungen helfen.
  • Ernährungsumstellung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitaminen und Nährstoffen ist wichtig für die Nervengesundheit. Bei vegetarischer oder veganer Ernährung ist eineSupplementierung mit Vitamin B12 unerlässlich.

Metformin und Vitamin B12

Bei Typ-2-Diabetikern, die Metformin einnehmen, sollte die Vitamin-B12-Versorgung besonders im Blick behalten werden, da Metformin das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel erhöht. In einer Studie normalisierten sich bei Diabetes-Patienten mit insuffizienten Vitamin-B12-Spiegeln, die mit Metformin behandelt wurden und unter Neuropathien litten, durch eine orale Gabe von 1000 μg Vitamin B12 pro Tag nicht nur die Vitamin-B12-Spiegel, sondern auch die Nervenfunktion und Lebensqualität verbesserten sich signifikant.

Vitamin B1 und Benfotiamin

Neben Vitamin B12 spielt auch Vitamin B1 eine wichtige Rolle bei der Behandlung der diabetischen Polyneuropathie. Vitamin B1 leitet überschüssige Glukose auf einen Stoffwechselweg um, bei dem keine schädlichen AGEs entstehen. Bei einem Vitamin-B1-Mangel kann Benfotiamin, eine fettlösliche Vorstufe von Vitamin B1, eingesetzt werden, um den Mangel auszugleichen und neuropathische Symptome zu verbessern.

Früherkennung und Vorbeugung

Eine Früherkennung und Vorbeugung von Vitamin-B12-Mangel und Polyneuropathie sind wichtig, um Nervenschäden zu vermeiden. Risikogruppen wie ältere Menschen, Veganer und Diabetiker sollten regelmäßig ihren Vitamin-B12-Spiegel überprüfen lassen. Eine ausgewogene Ernährung, der Verzicht auf Alkohol und Nikotin sowie eine gute Blutzuckereinstellung können dazu beitragen, das Risiko für Polyneuropathie zu senken.

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