Post-Zoster-Neuralgie: Prognose, Risiken und Behandlungsansätze

Herpes zoster, auch Gürtelrose genannt, ist eine Viruserkrankung, die durch die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV) verursacht wird. Dieses Virus persistiert nach einer Erstinfektion mit Windpocken lebenslang in den sensorischen Spinal- und Hirnnervenganglien. Die Gürtelrose äußert sich typischerweise durch einen schmerzhaften, einseitigen Hautausschlag, der auf ein bestimmtes Dermatom begrenzt ist.

Epidemiologie und Risikofaktoren

Die Gürtelrose ist ein weltweit verbreitetes neurokutanes Krankheitsbild, das vor allem ältere und immunsupprimierte Menschen betrifft. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die Lebenszeitprävalenz liegt zwischen 25 und 50 %. Die Inzidenz steigt mit dem Alter deutlich an:

  • Unter 20-Jährige: 1 Fall pro 1.000 Personenjahre
  • Ab 50 Jahre: 5 Fälle pro 1.000 Personenjahre
  • Über 85-Jährige: >12 Fälle pro 1.000 Personenjahre

Risikofaktoren für die Reaktivierung des VZV sind:

  • Erhöhtes Lebensalter: Mit zunehmendem Alter lässt die Immunabwehr nach (Immunseneszenz).
  • Immunsuppression: Ursachen können maligne Erkrankungen, HIV-Infektion/AIDS, Organtransplantationen oder die Einnahme immunsuppressiver Medikamente sein.
  • Erkrankungen mit indirekter Schwächung des Immunsystems: Rheumatoide Arthritis, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, COPD, Asthma, chronische Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus können das Risiko erhöhen.
  • Weitere Faktoren: Schlafstörungen, Depressionen, Stress und selten auch UV-Licht.

Der demografische Wandel mit steigender Lebenserwartung und zunehmender Zahl immunsupprimierter Personen führt zu einem Anstieg der Zoster-Fälle und damit assoziierter Komplikationen wie der Post-Zoster-Neuralgie.

Ursachen und Pathogenese

Ursächlich für Herpes zoster ist das Varizella-Zoster-Virus (VZV), ein Alpha-Herpesvirus. Nach der Primärinfektion (Windpocken) persistiert das Virus latent in den Spinal- und Hirnnervenganglien. Bei Reaktivierung wandern die Viren entlang der Nervenbahnen zur Haut und verursachen dort den charakteristischen Hautausschlag.

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Die "Latenz" des VZV wird durch die körpereigene VZV-spezifische Immunabwehr gewährleistet. Sobald die Kontrolle durch Alterungsprozesse oder eine Defizienz der zellulären Immunität nachlässt, können die Viren erneut aktiv replizieren.

Symptomatik und Manifestation

Leitsymptom ist ein unilateraler, umschriebener, oft sehr schmerzhafter Hautausschlag in einem definierten Dermatom. In 80 % der Fälle geht dem Exanthem eine Prodromalsymptomatik voraus, die unspezifische Beschwerden wie Unwohlsein, Kopf- und Gliederschmerzen, Pruritus, Parästhesien, Dysästhesien oder Taubheitsgefühle im betroffenen Dermatom umfasst. Dies kann zu Fehldiagnosen führen.

Das Exanthem beginnt mit erythematösen Maculae und Papeln, aus denen sich Vesiculae und Pusteln entwickeln, die nach fünf bis sieben Tagen verkrusten. Die eruptive Phase kann zwei bis vier Wochen dauern, die neuritisbedingten Schmerzen können länger bestehen. Die Schmerzen werden als brennend, stechend und pulsierend beschrieben, Dysästhesien und Parästhesien sind begleitend möglich.

Die meisten Läsionen finden sich thorakal (55 %), gefolgt von der Trigeminusregion (20 %) sowie zervikalen (11 %), lumbalen (13 %) und sakralen (2 %) Dermatomen. Mit zunehmendem Alter ist auch der Kopfbereich inklusive der behaarten Kopfhaut und der Schleimhäute vermehrt betroffen.

Weitere Zoster-Manifestationen sind:

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  • Zoster oticus: Befall des Nervus facialis (VII. Hirnnerv) und des Nervus vestibulocochlearis (VIII. Hirnnerv) mit Ohrenschmerzen, Hörminderung, Schwindel, Gesichtsnervenlähmung und Bläschen auf der Ohrmuschel und im äußeren Gehörgang.
  • Zoster maxillaris: Betrifft den Ast des Trigeminusnervs (V. Hirnnerv), der den Oberkiefer versorgt.
  • Zoster genitalis: Befall der Nerven im Genitalbereich mit Bläschen auf Penis und Labien.
  • Zoster ophthalmicus: Beteiligung des ophthalmischen Asts des Trigeminusnervs (V. Hirnnerv) mit okulären Beschwerden wie Konjunktivitis, Uveitis, Keratitis oder Retinitis. Dies ist ein ophthalmologischer Notfall.
  • Ramsay-Hunt-Syndrom: Betrifft das Ganglion geniculare und den Nervus facialis (VII. Hirnnerv) mit einseitiger Gesichtslähmung, Otalgie und schmerzhaften Bläschen an der Ohrmuschel und/oder am äußeren Gehörgang.

Komplikationen

Die häufigste Komplikation ist die Post-Zoster-Neuralgie (PZN). Weitere Komplikationen sind disseminierter Zoster, neurologische Komplikationen wie Meningitis oder Enzephalitis, bakterielle Superinfektionen und seltener Nephritis, Arthritis, Myokarditis, Hepatitis, Guillain-Barré-Syndrom oder Reye-Syndrom.

Post-Zoster-Neuralgie (PZN)

Die PZN ist definiert als Schmerz, der länger als drei Monate nach Abheilen der Hautläsionen persistiert. Sie betrifft etwa jeden zweiten der über 60-Jährigen und bis zu 70 % der über 70-Jährigen. Die PZN kann die Patienten im Alltag gravierend belasten und die Lebensqualität stark einschränken.

Risikofaktoren für eine PZN sind:

  • Zoster ophthalmicus mit Keratitis oder intraokulärer Entzündung
  • Höheres Lebensalter (> 50 Jahre)
  • Prodromaler Schmerz
  • Weibliches Geschlecht
  • Entwicklung von > 50 Effloreszenzen
  • Hämorrhagische Läsionen
  • Kraniale/sakrale Lokalisation

Diagnose

Der Verdacht auf Herpes zoster ergibt sich aus der Anamnese und Klinik. Bei typischem klinischem Bild kann auf eine molekulare Labordiagnostik verzichtet werden. Eine rasche laborchemische Bestätigung ist jedoch bei atypischen Verläufen oder unklaren Fällen sinnvoll.

Therapie

Ziel der Therapie ist es, die akuten Symptome zu lindern, Komplikationen zu vermeiden und die Entwicklung einer PZN zu verhindern.

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Akuttherapie

  • Systemische antivirale Therapie: So früh wie möglich, idealerweise innerhalb von 72 Stunden nach Exanthembeginn, um die Virusreplikation zu hemmen und das Risiko für Komplikationen zu reduzieren. Zum Einsatz kommen Aciclovir, Valaciclovir, Famciclovir oder Brivudin.
  • Analgesie: Konsequente Schmerztherapie, angepasst an die Schmerzintensität. Nicht-Opioid-Analgetika (z.B. Paracetamol, Ibuprofen) können bei leichten bis mäßigen Schmerzen ausreichend sein. Bei stärkeren Schmerzen können Opioide erforderlich sein.
  • Lokale antiseptische Behandlung: Zur Vermeidung bakterieller Superinfektionen. Polihexanid-Gele oder Octenidin-Lösungen können zur Reinigung und Desinfektion der Hautläsionen verwendet werden. Zinkhaltige Schüttelmixturen sollten vermieden werden, da sie das Risiko einer bakteriellen Infektion erhöhen können.

Therapie der Post-Zoster-Neuralgie

Die Behandlung der PZN ist oft langwierig und erfordert einen multimodalen Ansatz.

  • Topische Therapie:
    • Lidocain-Pflaster oder -Salbe: Lokalanästhetikum zur Schmerzlinderung.
    • Capsaicin-Pflaster (Qutenza®): Hochkonzentriertes Capsaicin wirkt antinozizeptiv. Die Anwendung erfordert eine intakte Haut und sollte von erfahrenem Personal durchgeführt werden.
  • Systemische Therapie:
    • Antikonvulsiva: Gabapentin oder Pregabalin können die Nervenschmerzen reduzieren.
    • Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) oder selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) können ebenfalls schmerzlindernd wirken.
    • Opioide: Können bei starken Schmerzen eingesetzt werden, sollten aber aufgrund des Suchtpotenzials nur in Ausnahmefällen und unter strenger Indikationsstellung verwendet werden.
  • Weitere Maßnahmen:
    • Multimodale Schmerztherapie: Kombination aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Verfahren wie Physiotherapie, Psychotherapie und Entspannungstechniken.
    • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Kann bei einigen Patienten die Schmerzen lindern.

Prävention

  • Impfung: Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung mit dem rekombinanten, adjuvantierten Herpes-zoster-Subunit-Totimpfstoff Shingrix® als Standardimpfung für Menschen ab 60 Jahren. Für Patient*innen mit einer Immunschwäche oder einer chronischen Grunderkrankung empfiehlt die STIKO die Gürtelrose-Impfung bereits ab 50 Jahren.

Prognose

Die Prognose der Gürtelrose ist im Allgemeinen gut. Bei den meisten Menschen mit gesundem Immunsystem heilt die Erkrankung innerhalb weniger Wochen aus. Komplikationen wie die Post-Zoster-Neuralgie können jedoch die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie sind entscheidend, um das Risiko für Komplikationen zu minimieren und die Prognose zu verbessern.

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