Post-Zoster-Neuralgie Therapie Leitlinie

Wenn der Hautausschlag einer Gürtelrose abgeheilt ist, die Schmerzen aber noch längere Zeit anhalten, spricht man von einer Post-Zoster-Neuralgie (PZN). Sie ist die häufigste Komplikation einer Gürtelrose und kann mit verschiedenen Wirkstoffen behandelt werden.

Einführung

Eine Gürtelrose verursacht meist einen schmerzhaften Ausschlag. Normalerweise verschwinden die Schmerzen mit dem Abklingen des Ausschlags nach 2 bis 4 Wochen. Bleiben sie länger als drei Monate bestehen, spricht man von einer Post-Zoster-Neuralgie. Sehr selten kehren die Schmerzen auch wieder zurück, nachdem sie bereits verschwunden waren. Die Lebenszeitprävalenz beträgt 25 bis 50 %. Infolge der steigenden Lebenserwartung und der damit verbundenen wachsenden Anzahl älterer Menschen in Deutschland ist von einem Anstieg der Herpes Zoster Inzidenz und assoziierter Komplikationen wie der Post-Zoster-Neuralgie (PZN) auszugehen. Diese Entwicklung verstärkt sich weiterhin durch die ebenfalls steigende Zahl immunsupprimierter und organtransplantierter Patienten wie etwa Tumor- und AIDS-Patienten.

Symptome und Risikofaktoren

Das Hauptsymptom einer Post-Zoster-Neuralgie sind die Nervenschmerzen (Neuralgie). Häufig ist auch die Haut überempfindlich und juckt. Dann kann es zum Beispiel unangenehm oder schmerzhaft sein, sich zu waschen, im Bett umzudrehen oder jemanden in den Arm zu nehmen. Die Schmerzen und der Juckreiz können sehr belastend sein und den Schlaf stören. Die PZN wird von den Betroffenen typischerweise als ein sehr schwerer brennender Schmerz beschrieben. Sie kann lange Zeit, eventuell sogar lebenslang, anhalten und stellt eine gravierende Belastung und Einschränkung der Lebensqualität für die Betroffenen dar. Das pharmazeutische Personal sollte den Patienten vermitteln, dass die Schmerzen rechtzeitig und ausreichend behandelt werden, da sonst das Risiko für irreversible Nervenveränderungen steigt.

Das Risiko, eine Post-Zoster-Neuralgie zu entwickeln, nimmt mit dem Alter zu. 30 % der 55- bis 59-jährigen, 50 % der über 60-jährigen und 70 % der über 70-jährigen Menschen mit Gürtelrose entwickeln Nervenschmerzen. Bei Frauen treten länger anhaltende Nervenschmerzen anscheinend öfter auf als bei Männern. Risikofaktoren für das Entstehen einer solchen Komplikation sind somit ein höheres Lebensalter, dermatomaler Schmerz, das weibliche Geschlecht, die Entwicklung von mehr als 50 Effloreszenzen, hämorrhagische Effloreszenzen sowie eine kraniale oder sakrale Lokalisation der Erkrankung.

Prävention

Wenn man an einer schweren Gürtelrose erkrankt ist oder ein erhöhtes Risiko für Komplikationen hat, wird häufig geraten, Medikamente einzunehmen, die die Viren bekämpfen. Diese sogenannte antivirale Therapie soll vor Post-Zoster-Neuralgien schützen. Einige Studien haben untersucht, ob eine solche Behandlung langanhaltenden Nervenschmerzen vorbeugen kann. Eine Therapie mit dem antiviralen Wirkstoff Aciclovir konnte eine Post-Zoster-Neuralgie jedoch nicht verhindern: Sowohl 4 als auch 6 Monate nach der Gürtelrose hatten noch immer gleich viele Personen Nervenschmerzen - egal, ob sie das Medikament eingenommen hatten oder ein Präparat ohne Wirkstoff (Placebo). Ob antivirale Therapien mit den Wirkstoffen Brivudin, Famciclovir oder Valaciclovir einer Post-Zoster-Neuralgie vorbeugen können, ist noch nicht ausreichend untersucht. Selten wird auch eine vorbeugende Behandlung mit Kortison empfohlen. Kortison kann als Tablette eingenommen oder in einen Muskel gespritzt werden.

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Seit 2013 existiert mit Zostavax® ein attenuierter Lebendimpfstoff und seit März 2018 mit Shingrix® ein rekombinanter, adjuvantierter Subunit-Totimpfstoff in Deutschland zur Verhinderung des Herpes zoster und der Post-Zoster-Neuralgie. In zwei Zulassungsstudien an insgesamt fast 30.000 Personen überzeugte der Totimpfstoff mit einer Wirksamkeit von ≥ 90 % gegenüber Herpes zoster und von ≥ 89 % gegenüber chronischen Schmerzen und Post-Zoster-Neuralgie. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt aufgrund der hohen Schutzwirkung auch in höheren Altersklassen und der längeren Schutzdauer ausschließlich die Impfung mit dem Totimpfstoff. Shingrix® ist zugelassen für Erwachsene ab einem Alter von 50 Jahren sowie ab einem Alter von 18 Jahren, sofern ein erhöhtes Risiko für Herpes zoster vorliegt. Das übliche Impf­schema beträgt zwei Impfdosen im Abstand von zwei Monaten. Es liegen keine Daten vor, ob Auffrischungsimpfungen nach Abschluss der Grundimmunisierung erforderlich werden.

Laut Robert Koch-Institut (RKI) stellt die postherpetische Neuralgie (PHN) mit zwölf bis 20 % der Erkrankten die häufigste Komplikation dar. Ohne Impfung würden 33 von 100 Erwachsenen im Laufe ihres Lebens an Herpes zoster erkranken, im Vergleich zu nur drei von 100 Geimpften. Völlig vermeiden kann eine Impfung Herpes zoster nicht. Laut Hochrechnungen des RKI werden aber selbst bei einer Impfquote von nur 35 % bei Erwachsenen ab 60 Jahren immerhin 8 % der Herpes-zoster-Fälle und 9 % der PHN-Erkrankungen verhindert.

Therapie

Die Behandlung einer Post-Zoster-Neuralgie zielt darauf ab, die Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Es gibt verschiedene Therapieansätze, die einzeln oder in Kombination eingesetzt werden können:

Medikamentöse Therapie

  • Antiepileptika: Bei anhaltenden Nervenschmerzen werden oft Antiepileptika wie Pregabalin oder Gabapentin eingesetzt. Sie werden anfangs mit Schmerzmitteln kombiniert, da es etwas dauert, bis sie wirken. Dann können die Schmerzmittel wieder abgesetzt werden.
  • Antidepressiva: Reichen Antiepileptika nicht aus, ist es möglich, zusätzlich Antidepressiva einzunehmen. Beide hemmen die Schmerzweiterleitung zum Gehirn und dämpfen die Erregbarkeit der betroffenen Nerven. Medikamentöse Therapie der Wahl bei der Behandlung der PZN sind Antikonvulsiva wie Gabapentin oder Pregabalin oder trizyklische Antidepressiva.
  • Schmerzmittel: Entsprechend dem Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommen nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) und/oder Opioide sowie ergänzend Koanalgetika, wie Antidepressiva und Antikonvulsiva, zum Einsatz.
  • Schmerzbetäubende Pflaster: Sind die Schmerzen auf eine Körperstelle begrenzt, helfen möglicherweise Pflaster mit schmerzbetäubenden Wirkstoffen wie Lidocain oder Capsaicin. Studien deuten darauf hin, dass Pflaster mit hochdosiertem Capsaicin (8-prozentig) die Nervenschmerzen verringern können. Topische Therapieoptionen wie Lidocain- oder Capsaicin-Pflaster stehen als Mittel der zweiten Wahl ebenfalls zur Verfügung.

Welcher Wirkstoff und welche Kombination geeignet ist, hängt von der Stärke der Schmerzen ab und davon, wie man die Medikamente verträgt. Deshalb ist es sehr wichtig, der Ärztin oder dem Arzt möglichst genau zu beschreiben, wie stark die Schmerzen sind, wie die Mittel wirken und ob es Nebenwirkungen gibt.

Nicht-medikamentöse Therapie

  • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Manche Betroffene profitieren von transkutaner elektrischer Nervenstimulation (TENS).
  • Andere Behandlungen: Andere Behandlungen wie Akupunktur sind nicht ausreichend in Studien untersucht.

Topische Strategien in der Therapie der Post-Zoster-Neuralgie

Ein 78-jähriger Patient wird durch seinen Hausarzt 2018 erstmals in der interdisziplinären Schmerzambulanz vorgestellt mit anhaltenden Schmerzen rechts thorakal insbesondere im Bereich unterhalb der rechten Mamma sowie der mittleren Brustwirbelsäule bei Zustand nach Varizella-Zoster-Infektion 2017. Die typischen Effloreszenzen begleitet von intensiven Schmerzen in den Segmenten Th3-5 rechts traten damals nach einem länger anhaltenden grippalen Infekt im Herbst auf. Es wurde ambulant erst nach einigen Tagen mit einer oralen antiviralen Therapie reagiert. Die topische Applikation einer trocknenden, auch lokalanästhetisch wirkenden, Zink-Lotion unterstützte damals die Abheilung der Bläschen.

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Der Patient schilderte im Erstkontakt kribbelnd-brennende Schmerzen rechts thorakal, intermittierend auch mit einschießenden, als „elektrisch“ beschriebenen Sensationen. Die Schmerzintensität wurde tagsüber mit NRS 4-5 (numerische Rating-Skala) im Durchschnitt angegeben, gegen Abend lag das Schmerzniveau bereits bei NRS 6 von 10. Der Nachtschlaf war schmerzbedingt erheblich beeinträchtigt mit Ein- und Durchschlafstörungen, eine Bettdecke wurde nicht toleriert, liegen war nur auf der linken Körperseite möglich. Die Schmerzen wurden durch das Tragen eines Hemdes deutlich verstärkt, sodass dies tagsüber in der Wohnung häufig vermieden wurde. Zusammen mit einer depressiven Verstimmung bedingt durch die chronische Schmerzsituation mündete dies bei einem eigentlich rüstigen und vielfältig interessierten älteren Herrn auch in einem sozialen Rückzug. In der Untersuchung waren neben den narbigen Veränderungen nach Herpes-Effloreszenzen am rechten Brustkorb, eine ausgeprägte, schmerzhafte Überempfindlichkeit der Haut auf Berührung und Druck (Allodynie) sowie leichtes Kratzen mit einem Holzspatel (Hyperalgesie) im betroffenen und den angrenzenden Segmenten kranial und kaudal zu finden, bei ansonsten unauffälligem körperlichen Status.

Noch während des ersten ambulanten Kontakts wurde mit einer topischen Therapie begonnen. Die Applikation von Lidocain-Salbe 5 % im zuvor ausgetesteten, empfindlichen Bereich zeigte ­eine unmittelbare analgetische Wirkung mit einer Schmerzreduktion bis NRS 1-2 nach ca. 30 Minuten. Aufgrund des positiven Ansprechens wurde zeitnah ein Termin für die Anwendung eines Capsaicin-Pflasters (Qutenza® 8 %) vereinbart.

Drei Tage nach der Capsaicin-Pflaster-Anwendung stellte sich der Patient zur Evaluation in der Schmerzambulanz vor und berichtete über eine Reduktion des Schmerzniveaus bis NRS 1-2, intermittierend waren bei Ablenkung die Beschwerden auch für längere Zeit vollständig regredient. Aufgrund der über einen Zeitraum von ca. In der Folge konnte er durch die Reaktivierung seiner unterschiedlichen Hobbies und Wiederaufnahme seiner sozialen Beziehungen wieder neue Lebensqualität gewinnen.

Gerade bei älteren Menschen bestehen neben der Schmerzerkrankung weitere, vielfältige Vorerkrankungen, die einer spezifischen, auch medikamentösen Therapie bedürfen. Die Polypharmazie ist dabei ein unabhängiger Risikofaktor für weitere Komplikationen. Deshalb wird versucht, durch die Anwendung der topischen Wirkstoffe soweit möglich potenzielle Interaktionen und unter Umständen nachteilige Neben- bzw. In der geschilderten Situation sollte aufgrund des kardiovaskulären Risikoprofils mit Verdacht auf eine Koronare Herzerkrankung bei stabiler Angina pectoris NYHA II und arterieller Hypertonie sowie einer vorübergehenden cerebralen Ischämie (TIA) 2016 auf den Einsatz von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAID) verzichtet werden, um nicht die Wahrscheinlichkeit für weitere kardiovaskuläre Ereignisse zu erhöhen. Zudem zeigen NSAID ebenso wie Metamizol bei einer Post-Zoster-Neuralgie kaum eine Wirkung. Grundsätzlich ist bei einem neuropathischen Schmerz die Gabe eines Antikonvulsivums wie Gabapentin oder Pregabalin in allmählich ansteigender Dosierung zur Symptomkontrolle indiziert, kann im höheren Lebensalter unter anderem jedoch auch mit einem erhöhten Sturzrisiko assoziiert sein. Durch die Anwendung topischer Wirkstoffe bei neuropathischen Schmerzsyndromen können ­adjuvante orale Medikamente niedriger dosiert bzw. teilweise auch vermieden werden. Ausschlag­gebend ist dabei eine regelmäßige Wiederholung der Capsaicin-Anwendung nach ca.

Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnostisch müssen Herpes-simplex-Virusinfektionen (HSV1 vor allem im Kopf-/Halsbereich, HSV2 insbesondere im Lumbosakralbereich) sowie zosteriforme dermatologische Erkrankungen in Erwägung gezogen werden.

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Diagnostik

Die Diagnose des Herpes Zoster erfolgt üblicherweise klinisch anhand der Symptomatik und dabei primär durch eine Inspektion der Haut einschließlich der Beachtung der Lokalisation der Effloreszenzen. Die rein klinische Diagnose weist abhängig von Ausprägung und Lokalisation eine Spezifität von etwa 60 bis 90 % auf. Bei einem typischen klinischen Bild eines Herpes Zoster kann in der Regel auf eine Laborbestätigung verzichtet werden. Allerdings sind auch atypische Manifestationen möglich (zum Beispiel bei Personen mit Immundefizienz), sodass im Einzelfall eine spezifische Labordiagnostik angezeigt ist. Diese sollte auch bei ZNS-Beteiligung, bei Pneumonie, bei Infektionen während der Schwangerschaft sowie bei Neugeborenen erfolgen.

Der molekulare Nachweis von VZV-DNA aus Abstrichen gilt heute als Goldstandard für die Labordiagnostik der VZV-Infektion. Moderne Realtime-PCR-Methoden weisen bei korrekter Durchführung eine nahezu 100%ige Sensitivität und Spezifität auf. Für den PCR-Nachweis sind keine flüssigkeitsgefüllten Bläschen notwendig. Virus-DNA kann in aller Regel auch im makulopapulösen oder Abheilungsstadium zuverlässig detektiert werden. Bei Verdacht auf ZNS-Befall muss die VZV-PCR aus Liquor erfolgen. Bei Verdacht auf Zoster ophthalmicus kann VZV-DNA im Kammerwasser oder z. T. auch aus einem Augenabstrich nachgewiesen werden. Bei Verdacht auf systemische Dissemination wird Serum oder Plasma für die VZV-PCR gewonnen (in diesen Fällen wird eine quantitative PCR empfohlen).

Der direkte Antigennachweis ist deutlich weniger sensitiv und spezifisch als die PCR. Der serologische Antikörpernachweis ist für die Akutdiagnostik der Zoster-Effloreszenzen nicht geeignet. Die Antikörperdiagnostik kann sich allerdings bei Seronegativität als differenzialdiagnostisch nützlich erweisen, um zosterartige neurologische Symptome von Herpes Zoster abzugrenzen. Die Viruskultur hat aufgrund ihrer niedrigen Sensitivität und des höheren technischen Aufwandes nur noch bei besonderen Fragestellungen (z. B. Testung der Medikamentensensitivität) einen Stellenwert. Bei atypischer kutaner Manifestation (z. B. verruköse oder lichenoide Läsionen) kann eine Hautbiopsie mit Histologie hilfreich sein. Bei jüngeren Patienten gilt Herpes Zoster als Indikator einer HIV-Infektion.

Ziele der Zostertherapie

Ziel der antiviralen Behandlung des Zoster bei immunkompetenten Patienten ist die Verkürzung der akuten Krankheitsphase, gemessen an der Fiebersenkung, der Linderung des akuten Zosterschmerzes, am Stopp der Bläscheneruption, an der beschleunigten Abheilung der Hautläsionen und der Verhinderung der Narbenbildung. Ein weiteres wesentliches Behandlungsziel ist die Verhinderung beziehungsweise Verkürzung der Dauer der postzosterischen Neuralgie. Darüber hinaus soll möglichen Komplikationen wie zum Beispiel der kutanen und viszeralen Disseminierung bei Immunsupprimierten, der Augenbeteiligung, dem Befall des ZNS oder kranialer Nerven bei Patienten mit Zoster im Kopfbereich vorgebeugt werden.

Medikamentöse Therapie des Zoster

Zur symptomatischen, lokalen Behandlung werden vor allem austrocknende, juckreizlindernde und antiseptisch wirksame topische Wirkstoffe und eventuell feuchte Umschläge (im Bläschenstadium) eingesetzt. Insbesondere bei ausgedehntem Befall und Risikopatienten für Komplikationen ist eine früh einsetzende systemische antivirale Therapie indiziert mit dem Ziel, die weitere Virusreplikation bereits frühestmöglich zu unterbinden. Eine frühe analgetische Therapie kann einer Chronifizierung vorbeugen. Sie erfolgt entsprechend der Schmerzintensität nach WHO-Stufenschema mit nicht steroidalen Antiphlogistika oder mit Opioiden. Co-Analgetika wie Antidepressiva und Antikonvulsiva können ergänzend gegeben werden. Bei Zoster ophthalmicus wird eine augenärztliche Mitbetreuung empfohlen; bei Zoster oticus muss eine Mitbehandlung durch einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Neurologen erfolgen.

Ein spontanes Abheilen des Herpes Zoster ist prinzipiell möglich. Es gibt jedoch dringende Indikationen für eine systemische antivirale Behandlung. Hierzu gehören eine Erkrankung im höheren Lebensalter (über 50 Jahre), eine Manifestation im Kopf-Hals-Bereich einschließlich eines Herpes Zoster ophthalmicus (Befall des Auges) sowie eines Herpes Zoster oticus (Ohrbefall), ein ausgeprägter Zoster am Stamm oder an den Extremitäten, ein erhöhtes Risiko für einen schwerwiegenden Krankheitsverlauf (beispielsweise bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem), bei Tumorpatienten oder bei Patienten mit schwerer vorbestehender Hauterkrankung (z. B. schwere atopische Dermatitis). Idealerweise erfolgt die Einnahme der antiviralen Medikation innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten der Hautsymptome oder innerhalb von 48 Stunden nach Manifestation der charakteristischen Hautbläschen. Der Wirkspiegel des antiviralen Medikaments muss rasch erreicht und aufrechterhalten werden, um einen optimalen Therapieerfolg zu gewährleisten.

In Deutschland sind vier verschiedene systemische antivirale Wirkstoffe zugelassen. Es handelt sich um das Nukleosidanalogon Aciclovir (oral oder parenteral) sowie die oralen Nukleosidanaloga Valaciclovir, Famciclovir und Brivudin. Placebo-kontrollierte Studien konnten eine statistisch signifikante Überlegenheit v. a. Die Behandlung des Herpes Zoster erfolgt mit Virustatika, wobei lange Zeit Aciclovir die Standardtherapie darstellte. Unter Aciclovir werden die Abheilung der Hautläsionen beschleunigt und die Schmerzen reduziert. Aciclovir kann außerdem auch dreimal täglich intravenös verabreicht werden. Eine Indikation zur parenteralen Gabe besteht bei immungeschwächten Patienten und bei Manifestation einer Komplikation wie etwa einer Varizellenpneumonie oder einem Zoster ophthalmicus.

Inzwischen deuten Ergebnisse aus kontrollierten Studien auf eine Überlegenheit von Valaciclovir gegenüber Aciclovir im Hinblick auf Linderung der mit Zoster assoziierten Schmerzen hin. Alternativ zu Aciclovir kann mit Brivudin behandelt werden, einem hochpotenten Nukleosidanalogon, das ebenfalls die VZV-Replikation hemmt. Aufgrund der höheren antiviralen Potenz gegenüber oralem Aciclovir setzt die Hemmung der Virusreplikation unter Brivudin deutlich schneller ein. Die Behandlung mit Brivudin führt im Vergleich zu Aciclovir zu einer signifikant geringeren PZN-Inzidenz. Die Halbwertszeit von Brivudin beträgt 16 Stunden, gegenüber 2,9 Stunden von Aciclovir. Patienten nehmen Brivudin sieben Tage lang einmal täglich ein. Die einmalige tägliche Einnahme kann ein Vorteil sein, da hierdurch die Therapieadhärenz gefördert wird. Anders als bei Aciclovir sowie anderen Virustatika zur Therapie des Herpes Zoster muss die Brivudin-Dosierung auch bei eingeschränkter Kreatinin-Clearance nicht angepass…

Unabhängig vom Wirkstoff soll eine antivirale Therapie laut Leitlinie schnellstmöglich und innerhalb von 72 Stunden nach Symptombeginn eingeleitet werden. Wurde das Zeitfenster versäumt, kann ein späterer Therapiebeginn trotzdem noch indiziert sein. Dies betrifft insbesondere immunsupprimierte Patienten, Betroffene von Zoster ophthalmicus (Gürtelrose, die das Auge betrifft) und solange neue Bläschen entstehen. Aciclovir wird als Tablette standardmäßig fünfmal täglich alle vier Stunden dosiert. Da Aciclovir oral nur schlecht resorbiert wird, soll die Einnahme vorzugsweise nach dem Essen erfolgen. Valaciclovir ist ein Prodrug (Vorstufe) mit drei- bis fünffach höherer Bioverfügbarkeit und wird nach peroraler Gabe vollständig zu Aciclovir umgesetzt - das umgeht die schlechte Bioverfügbarkeit. Im Apothekenalltag spielen jedoch fast nur Aciclovir und Brivudin eine Rolle. Im Gegensatz zu Aciclovir müssen Patienten Brivudin nur einmal täglich über sieben Tage einnehmen, da es eine lange intrazelluläre Verweildauer hat. Es ist zudem bei Niereninsuffizienz Mittel der Wahl, sofern keine intravenöse Therapie indiziert ist. Nehmen Patienten dopaminerge Wirkstoffe zur Behandlung von Parkinson ein, gibt es laut Fachinformation Hinweise, dass in Kombination mit Brivudin möglicherweise Chorea (Dyskinesien) ausgelöst werden kann.

Brivudin ist jedoch nicht für alle Patienten geeignet: Anlässlich eines aufgetretenen Todesfalles wies bereits 2006 die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) auf die potenziell tödliche Interaktion mit 5-Fluorouracil und Derivaten hin. Die Prodrugs Capecitabin, Tegafur (Hartkapseln) und Flucytosin (Antimykotikum) werden zu 5-FU metabolisiert und sind damit ebenfalls kontraindiziert. Bei irrtümlich gleichzeitiger Anwendung soll der Patient stationär aufgenommen werden und laut Fachinformation alle Maßnahmen zur Verhütung systemischer Infektionen und Dehy­dratation ergriffen werden. Eine sofortige Beratung über die Giftnotrufzentrale wird empfohlen, von einem spezifischen Antidot ist nicht die Rede. Symptome einer Intoxikation seien Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und in schweren Fällen Stomatitis (Entzündung der Mundschleimhaut).

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