Prader-Willi-Syndrom und Epilepsie: Ein umfassender Überblick

Das Prader-Willi-Syndrom (PWS) ist eine komplexe genetische Erkrankung, die durch eine Vielzahl von Symptomen gekennzeichnet ist, darunter Muskelhypotonie, Fütterungsschwierigkeiten im Säuglingsalter, zwanghaftes Essen, Fettleibigkeit, Entwicklungsverzögerungen, Verhaltensauffälligkeiten und endokrine Störungen. Obwohl Epilepsie nicht zu den Kernsymptomen des PWS gehört, tritt sie bei manchen Betroffenen auf und kann eine zusätzliche Herausforderung darstellen.

Was ist das Prader-Willi-Syndrom?

Das Prader-Willi-Syndrom (PWS) ist eine genetische Erkrankung, die mit einer Häufigkeit von 1:10.000 bis 1:25.000 auftritt. Ursächlich ist eine Veränderung in der chromosomalen Region 15q11-13. Diese Region unterliegt dem Imprinting.

Beim Gesunden ist das väterliche Allel unmethyliert (also aktiv), das mütterliche methyliert (also inaktiv). Beim Prader-Willi-Syndrom findet man bei 60-75 % der Patienten eine partielle Deletion des langen Arms vom väterlichen Chromosom 15 mit Anlagerung an q11-13, eine maternale UPD 15 (29 %) oder Imprinting-Defekte (1%). Als Folge kann nur die inaktive mütterliche Kopie abgelesen werden.

Die krankheitsspezifischen Veränderungen von Stoffwechsel, Muskelaktivität und Thermoregulation werden auf hypothalamischen Ursprung zurückgeführt.

Klinische Merkmale des PWS

  • Muskelhypotonie und Trinkschwäche im Neugeborenenalter: Neugeborene mit PWS zeigen oft eine ausgeprägte Muskelhypotonie ("floppy infant") und haben Schwierigkeiten beim Trinken.
  • Hyperphagie und Fettleibigkeit: Im späteren Verlauf entwickeln die Kinder meist ein zwanghaftes Hungergefühl (Hyperphagie), welches in der Folge zu starkem Übergewicht führen kann. Eine erhebliche Adipositas (Fallberichte von BMI >60 kg·m−2) kann insbesondere zu respiratorischen Problemen führen, aber auch die venöse oder arterielle Kanülierung erschweren.
  • Entwicklungsverzögerung und Lernschwierigkeiten: Menschen mit PWS zeigen oft eine verzögerte motorische Entwicklung und haben Lernschwierigkeiten.
  • Verhaltensauffälligkeiten: Verhaltensauffälligkeiten wie Wutanfälle, Sturheit und zwanghaftes Verhalten sind häufig.
  • Endokrine Störungen: Endokrine Störungen wie Hypogonadismus (Unterentwicklung der Geschlechtsorgane), Wachstumshormonmangel und Hypothyreose können auftreten. Eine zentral bedingte Nebenniereninsuffizienz tritt vorwiegend im Kindesalter auf.

Weitere Merkmale können sein: Strabismus, gastroösophageale Regurgitationsneigung, verkürzter bifrontaler Kopfdurchmesser, Diabetes mellitus, Wirbelsäulenanomalien (Skoliose), Hüftluxation, Arrhythmieneigung, niedriger Parasympathikustonus, Krampfneigung, kariöses Gebiss.

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Diagnose des PWS

Die Diagnose des PWS erfolgt in der Regel durch eine genetische Untersuchung, die eine Deletion oder Mutation im Bereich 15q11-13 des väterlichen Chromosoms 15 nachweist. Genomische DNA, isoliert aus EDTA-Blut, wird zunächst mittels einer MLPA-Analyse (Multiplex Ligation-dependent probe amplification) analysiert (MCR-Holland, ME028B1). Dabei können sowohl Deletionen als auch Methylierungsfehler im Bereich der chromosomalen Region 15q11-12 nachgewiesen werden bzw. ausgeschlossen werden. Für das Prader-Willi-Syndrom können mit dieser Methode dadurch mehr als 99 % aller Ursachen (paternale Deletion, maternale UPD 15, Imprinting-Defekte) untersucht, jedoch nicht zwischen ihnen unterschieden werden. In jedem Fall wird bei einem auffälligen MLPA-Befund eine Abklärung mittels FISH (bei Verdacht auf Deletion in der PWS-AS-Region) oder UPD-Analyse (bei auffälligem Methylierungsmuster) empfohlen. Bei unauffälligem MLPA-Befund ist ein Prader-Willi-Syndrom sehr unwahrscheinlich.

Behandlung des PWS

Das Prader-Willi-Syndrom ist nicht heilbar. Mit Hilfe einer konsequenten unterstützenden Therapie lassen sich die Symptome jedoch lindern. Die wichtigsten Bestandteile der Behandlung sind Nahrungskontrolle, Hormonersatztherapie und die Behandlung der Verhaltensauffälligkeiten.

Für eine optimale Behandlung ist es sinnvoll, die Aktivität und motorische Entwicklung des erkrankten Kindes regelmäßig durch den Arzt kontrollieren zu lassen. So ist es bei Bedarf möglich, die Entwicklung mit Physiotherapie oder ähnlichen Methoden zu unterstützen. Aufgrund der Störungen im Knochenstoffwechsel sollte der Kinderarzt auch die Skelettentwicklung regelmäßig überprüfen.

Ernährung

Besonders wenn die Muskelschwäche stark ausgeprägt ist, ist im Säuglingsalter eine ausreichende Ernährung wichtig. Um die Nahrungszufuhr zu erleichtern und sicherzustellen, dass das Kind genug wächst, besteht die Möglichkeit, Sonden oder spezielle künstliche Brustwarzen einzusetzen. Ergänzend ist ein Fütterungsplan ratsam, in dem Kalorienaufnahme und Gewichtskontrolle gut dokumentiert werden.

Mit zunehmendem Alter entwickeln die Kinder eine Essstörung mit übermäßiger Nahrungszufuhr. Dann ist es wichtig, einen Essensplan mit einer genau festgelegten Kalorienzufuhr einzuhalten. Möglicherweise müssen die Eltern den Zugang zu Nahrungsmitteln strikt kontrollieren.

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Die Essstörung beim PWS wirkt sich besonders gravierend auf den Krankheitsverlauf aus, da die Betroffenen sich zusätzlich zu der erhöhten Kalorienzufuhr wenig bewegen. So entwickelt sich leicht eine schwerwiegende Fettleibigkeit mit entsprechenden Folgeerkrankungen. Diese schränken die Lebenserwartung von Menschen mit Prader-Willi-Syndrom mitunter ein. Es ist deshalb entscheidend, dass betroffene Kinder schon frühzeitig mit Hilfe ihrer Eltern oder Pflegepersonen lernen, mit Nahrungsmitteln richtig umzugehen.

Trotz strikter Kalorienbegrenzung ist es wichtig, dass Betroffene über die Nahrung ausreichend mit Vitaminen und Mineralien versorgt sind. Beim Prader-Willi-Syndrom treten häufig Störungen des Knochenstoffwechsels auf. Deshalb ist es unter Umständen sinnvoll, Vitamin D und Kalzium einzunehmen.

Wachstums- und Sexualhormone

Mittlerweile ist es üblich, beim Prader-Willi-Syndrom bereits im Säuglingsalter Wachstumshormone zu verabreichen. Diese Therapie wirkt sich maßgeblich auf die körperliche Entwicklung der Kinder aus und ist solange sinnvoll, bis sich die Wachstumsfugen im Knochen verschlossen haben (Röntgenkontrolle).

Wie bei jeder Therapie sind auch unter der Einnahme von Wachstumshormonen Nebenwirkungen möglich. Dazu zählen Wassereinlagerungen an den Füßen (Fußödeme), eine Verschlechterung der Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) oder eine Druckerhöhung im Schädel. Zu Therapiebeginn treten manchmal Störungen der Atmung auf. In dieser Zeit ist es wichtig, den Schlaf zu überwachen.

Bei Pubertätsstörungen lassen sich die Beschwerden durch Sexualhormone lindern. Diese sind als Depot-Injektionen, Hormonpflaster oder Gel verfügbar. Unter Umständen bessern sich durch den Einsatz von Sexualhormonen auch die Verhaltensauffälligkeiten. Östrogene unterstützen zudem den Knochenaufbau, haben jedoch auch eine Vielzahl von Nebenwirkungen.

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Grundsätzlich sind während einer Hormontherapie regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Arzt sinnvoll, um den Behandlungserfolg zu überprüfen und Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen.

Psychologische Förderung

Betroffene Kinder benötigen Hilfe bei der Verhaltensentwicklung. Besonders wichtig ist es beim Prader-Willi-Syndrom, die sozialen Fähigkeiten mit dem Kind zu trainieren und Interaktionen mit Gleichaltrigen und Bezugspersonen zu fördern. In der Schule ist für manche Kinder eine Eins-zu-Eins-Betreuung erforderlich.

Bei erwachsenen Betroffenen ist es unter Umständen notwendig, die Wohn- und Arbeitsumgebung anzupassen. Psychiatrische Auffälligkeiten erfordern in einigen Fällen eine medikamentöse Therapie. Ziel der intensiven Begleitung ist eine bestmögliche Selbstständigkeit der Betroffenen.

Chirurgische Versorgung

Manchmal sind beim Prader-Willi-Syndrom operative Eingriffe sinnvoll, um bestimmte Beschwerden zu lindern. Kinder mit Prader-Willi-Syndrom leiden beispielsweise häufiger an einer Fehlstellung der Augen. Insbesondere eine Schielstellung lässt sich gut operativ behandeln, um Sehsstörungen zu verhindern. Manchmal ist es schon ausreichend, das gesunde Auge zeitweise abzudecken. Ebenfalls tritt Kurz- und Weitsichtigkeit häufig auf, so dass eine Brille nötig ist. Die Sehkraft kann sich auch im Erwachsenenalter verändern, deshalb sollten Menschen mit PWS jedes 2. bis 3. Jahr zum Augenarzt gehen.

Auch die Unterentwicklung der Geschlechtsorgane erfordert unter Umständen einen chirurgischen Eingriff, um den Hoden aus dem Unterbauch in den Hodensack zu verlagern. Manchmal hilft eine Hormonbehandlung dabei, den Hodensack zu vergrößern und so dem Hoden das Absinken ermöglichen.

In schweren Fällen erfordert eine S-Stellung der Wirbelsäule (Skoliose) eine operative Korrektur. Eine Skoliose (S-Form der Wirbelsäule) kommt bei PWS häufig vor, oft muss ein Korsett getragen werden (mindestens bis zum Ende des Wachstums), manchmal ist eine OP nötig. Kyphose (nach innen gekrümmte Wirbelsäule) kann eine Folge der Muskelhypotonie sein.

Epilepsie bei Prader-Willi-Syndrom

Obwohl Epilepsie nicht zu den typischen Merkmalen des PWS gehört, tritt sie bei einem Teil der Betroffenen auf. Die Häufigkeit von Epilepsie bei PWS wird unterschiedlich angegeben, liegt aber Schätzungen zufolge zwischen 10 % und 20 %.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen für das Auftreten von Epilepsie bei PWS sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass genetische Faktoren, neurologische Besonderheiten und Stoffwechselstörungen eine Rolle spielen könnten.

Arten von Anfällen

Bei Menschen mit PWS können verschiedene Arten von epileptischen Anfällen auftreten, darunter:

  • Generalisierte tonisch-klonische Anfälle (Grand mal): Diese Anfälle gehen mit Bewusstseinsverlust, Muskelversteifung (tonisch) und rhythmischen Zuckungen (klonisch) einher.
  • Absencen (Petit mal): Absencen sind kurze Bewusstseinsaussetzer, die oft unbemerkt bleiben.
  • Fokale Anfälle: Fokale Anfälle beginnen in einem bestimmten Bereich des Gehirns und können sich unterschiedlich äußern, je nachdem, welcher Bereich betroffen ist.

Diagnose von Epilepsie bei PWS

Die Diagnose von Epilepsie bei PWS basiert auf der Anamnese, der Beobachtung von Anfällen und der Durchführung eines Elektroenzephalogramms (EEG). Ein EEG kann helfen, abnorme Hirnaktivität zu erkennen, die auf Epilepsie hindeutet.

Behandlung von Epilepsie bei PWS

Die Behandlung von Epilepsie bei PWS erfolgt in der Regel mit antiepileptischen Medikamenten (Antikonvulsiva). Die Wahl des Medikaments hängt von der Art der Anfälle, dem Alter des Patienten und anderen individuellen Faktoren ab. Es ist wichtig, die Medikamente regelmäßig einzunehmen und die Anweisungen des Arztes genau zu befolgen.

Jennifer Saro musste mit ihrem Sohn erneut zum Arzt. Dieses Mal bekam er ein Epilepsie-Medikament verschrieben, das im Notfall das Leben des Zweijährigen retten könnte. Nun muss jennifers Sohn, den sie liebevoll „Keksi” nennt, ein Epilepsie-Medikament wegen seiner Krampfanfälle nehmen. Auf Instagram postet die ehemalige Bachelorette von ihrem Besuch im Sozialpädiatrischen Zentrum, wo die Anfälle ihres Sohnes untersucht wurden. „Da es in letzter Zeit immer wieder passiert ist und die Abstände auch nicht lange waren, haben wir jetzt ein Epilepsie-Medikament bekommen”, schreibt sie in ihrer Instagram-Story. „Ich war zwar erst dagegen, aber jeder Anfall ist schädlich fürs Gehirn und zusätzlich gibt es ,SUDEP’ (Anm. d. Red.: Sudden Unexpected Death in Epilepsy, zu dt.: plötzlicher Epilepsie-Tod).” Das bedeute, dass Kinder auch bei einem epileptischen Anfall sterben können.

Weitere Aspekte der Behandlung

Neben der medikamentösen Behandlung können auch andere Maßnahmen hilfreich sein, um Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität von Menschen mit PWS und Epilepsie zu verbessern:

  • Regelmäßiger Schlaf: Ausreichend Schlaf ist wichtig, da Schlafmangel Anfälle auslösen kann. Einschlafen erfolgt oft im Auto oder bei Dauersitzen, kleine Kinder schlafen oft bei Tisch ein. Atempausen (Apnoen) sind möglich bei PWS und sollten im Schlaflabor regelmäßig beobachtet werden. Bisweilen ist eine Behandlung mit CPAP-Maske nötig.
  • Stressbewältigung: Stress kann ebenfalls Anfälle auslösen. Entspannungstechniken und Stressbewältigungsstrategien können helfen, Anfälle zu reduzieren.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung kann sich positiv auf die Anfallskontrolle auswirken.
  • Vermeidung von Auslösern: Bestimmte Faktoren wie Flackerlicht, Alkohol oder Drogen können Anfälle auslösen und sollten vermieden werden.

Besondere Vorsichtsmaßnahmen bei PWS

Bei der Behandlung von Menschen mit PWS und Epilepsie sind einige Besonderheiten zu beachten:

  • Gewicht: Übergewicht kann die Anfallskontrolle erschweren und das Risiko von Nebenwirkungen der Medikamente erhöhen. Es ist wichtig, auf ein gesundes Gewicht zu achten.
  • Medikamentenwechselwirkungen: Einige Medikamente, die zur Behandlung anderer Symptome des PWS eingesetzt werden, können mit Antikonvulsiva interagieren. Es ist wichtig, den Arzt über alle eingenommenen Medikamente zu informieren. Der Körper eines Menschen mit PWS hat nur wenig fettfreie Masse, in der sich Medikamente verteilen können. Deshalb ist eine geringere Medikamentendosis am Anfang besser.
  • Schmerzunempfindlichkeit: Menschen mit PWS haben oft eine verminderte Schmerzempfindlichkeit. Anfälle können sich daher anders äußern als bei anderen Menschen. Man kann sich nicht auf die Körpertemperatur verlassen, und es gibt keine normale Schmerzreaktion. Das Erbrechen bei PWS ist selten. Beinbrüche können wegen der Schmerzunempfindlichkeit unerkannt bleiben.

Anästhesie bei Prader-Willi-Syndrom

Bei Menschen mit PWS sind bei Anästhesien besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Eine verminderte Antwort der peripheren Chemorezeptoren auf Hyperkapnie und Hypoxie ist beschrieben. Restriktive Ventilationsstörungen, erhöhte Reagibilität der Atemwege und obstruktives Schlafapnoe-Syndrom sind häufig. Eine erhebliche Adipositas kann insbesondere zu respiratorischen Problemen führen, aber auch die venöse oder arterielle Kanülierung erschweren.

Bei der Prämedikation ist ein vorsichtiger Umgang mit Benzodiazepinen geboten, da die Gefahr einer Atemdepression besteht; im optimalen Fall medikamentöse Prämedikation nur unter Überwachung. Empfohlen wird die prophylaktische i.v.-Gabe von H2-Rezeptorenblockern 1 h vor Anästhesiebeginn und eines Antazidums (z. B. 20-30 ml Natrium citricum 0,3 molar p.o. Adäquates Material zur Venenkanülierung bereitstellen, evtl. Die Wahl des Anästhetikums bzw. der Anästhesiemethode wird von der Kooperationsfähigkeit des Patienten beeinflusst. Grundsätzlich sind Anästhetika mit kurzer Wirkdauer (Remifentanil, Propofol, Sevo- oder Desfluran) langwirksamen Anästhetika vorzuziehen. Es gibt keine expliziten Kontraindikationen für Ketamin, bei bekannter Krampfneigung sollte es jedoch nicht verwendet werden.

Die Wirkung von nichtdepolarisierenden Relaxanzien ist weniger gut als bei Normalpersonen voraussehbar, daher empfiehlt sich die relaxometrisch kontrollierte Gabe von kleinen Einzeldosen, bis die gewünschte Wirkung erreicht ist. Die Einleitung einer Allgemeinanästhesie sollte das erhöhte Aspirationsrisiko berücksichtigen. Das Atemwegsmanagement kann aufgrund der Fehlbildungen und der erheblichen Adipositas erschwert sein. Equipment zur Beherrschung des schwierigen Atemwegs sollte bereitstehen. Möglicherweise stößt man auf nicht altersentsprechende zu enge obere Atemwege; daher auch Tuben kleineren Durchmessers bereithalten. Rückenmarksnahe Regionalanästhesien sind bei ausgeprägter Adipositas oder bei Skoliosen erschwert, sodass der Einsatz von Ultraschall empfehlenswert ist.

Es wurde sowohl über Fälle von Hypo- als auch von Hyperthermie und metabolischer Azidose berichtet. Die Aufwachphase kann verzögert sein. Erst extubieren, wenn ausreichende Abwehr- und Schutzreflexe vorhanden sind. Postoperativ besteht bei schwachem Hustenstoß und erhöhtem Aspirationsrisiko ein größeres Risiko für pulmonale Infektionen. Eine längere postoperative Überwachung ist indiziert und dient v. a. der Vermeidung von hypoxischen Zuständen und Blutzuckerentgleisungen. Mangelnde Kooperationsfähigkeit kann den postoperativen Verlauf beeinträchtigen.

Das Angelman-Syndrom

Das Angelman-Syndrom (AS) ist eine genetische Erkrankung, die in einigen Aspekten Ähnlichkeiten zum Prader-Willi-Syndrom aufweist, aber auch deutliche Unterschiede zeigt. Ursächlich für das Prader-Willi-/Angelman-Syndrom ist eine Veränderung in der chromosomalen Region 15q11-13. Diese Region unterliegt dem Imprinting.

Beim Angelman-Syndrom liegt eine Deletion des mütterlichen Allels in 50-80 %, eine paternale UPD in 2-5 %, eine UBE3A-Mutation in 8-11 % und ein Imprinting-Defekt in 5 % der Fälle vor.

Klinische Merkmale des AS

Das Angelman-Syndrom (AS) zeigt klinisch eine schwere Entwicklungsverzögerung, wobei die Sprache wesentlich stärker betroffen ist als die Motorik. Frühsymptome sind inkonstantes Fixieren, unsicheres Greifen, Muskelhypotonie; später finden sich eine Gangataxie, vermehrter Speichelfluß, vermehrte Exploration von Gegenständen mit dem Mund und Handautomatismen. Viele Kinder entwickeln eine Epilepsie mit charakteristischen EEG-Auffälligkeiten. An äußeren Merkmalen finden sich oft eine Mikrozephalie, eine Mittelgesichtshypoplasie mit einer mandibulären Prognathie und eine breite Mundspalte, bei Patienten mit Mikrodeletion (s.u.) oft auch eine Hypopigmentierung. Viele Patienten verfügen über nur wenige Worte bei besserem Sprachverständnis und können sich besser über Gesten oder Gebärdensprache verständigen. Typisch für das Angelman-Syndrom ist die ausgeglichene, freundliche Persönlichkeit; manche Patienten zeigen Lachepisoden, z.T. auch auf inadäquate Stimuli wie Schmerzreize. Kongenitale Fehlbildungen sind beim Angelman-Syndrom selten, dementsprechend scheint die Lebenserwartung nicht wesentlich eingeschränkt zu sein.

Diagnose des AS

Die zytogenetische (FISH-)Analyse erfasst nur die Mikrodeletion, die methylierungssensitive MLPA erfasst Mikrodeletion und Methylierungsveränderungen, kann jedoch die Grundlage: UPD bzw. Imprinting-Mutationen nicht spezifizieren. Genomische DNA, isoliert aus EDTA-Blut, wird zunächst mittels einer MLPA-Analyse (Multiplex Ligation-dependent probe amplification) analysiert (MCR-Holland, ME028B1). Dabei können sowohl Deletionen als auch Methylierungsfehler im Bereich der chromosomalen Region 15q11-12 nachgewiesen werden bzw. ausgeschlossen werden. Für das Angelman-Syndrom können die Ursachen maternale Deletion, paternale UPD, Imprinting-Defekte untersucht werden. Mutationen im UBE3A-Gen, die ca. 8-11 % aller Angelman-Fälle bedingen, können mit der Methode nicht nachgewiesen werden. Bei unauffälligem MLPA-Befund und fortbestehendem Verdacht auf Angelman-Syndrom sollte daher eine Mutationsanalyse des UBE3A-Gens durchgeführt werden.

Behandlung des AS

Imprinting-Erkrankungen sind bestimmte seltene Erkrankungen. Bislang sind sie nicht ursächlich behandelbar. Heilbar im Sinne einer Behebung der Krankheitsursache sind sie nicht. „Zunächst müssen wir die grundlegenden Mechanismen besser verstehen, die zu einer fehlerhaften Prägung führen“, erläutert Prof. Bernhard Horsthemke, Koordinator des Netzwerks Imprinting-Erkrankungen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchen im Erbgut der Erkrankten nach Veränderungen und Auffälligkeiten, die Imprinting-Fehler verursachen könnten. „Viele der fehlerhaften Prägungen scheinen wirklich eine Laune der Natur zu sein. Sie geschehen einfach“, verdeutlicht Horsthemke. „Aber auch kleine Veränderungen in der DNA-Sequenz, sogenannte Mutationen, können die Ursache sein.“ Denn Mutationen können die Funktion des Genbereiches beeinflussen, in dem sie auftreten. Je nachdem, wo sie auftreten, können sie sogar dazu führen, dass ein Gen ganz ausfällt. Eine Mutation in einem Gen, das für den Prägemechanismus wichtig ist, kann daher dazu führen, dass die Prägung an mehreren Stellen fehlerhaft abläuft.

Weitere Aspekte im Umgang mit PWS

  • Augenprobleme: Es kommt häufig vor, dass Menschen mit PWS schielen. Das Schielen kann operiert werden. Im Säuglings- und Kleinkindalter empfiehlt sich eine engmaschige Augenkontrolle.
  • Orthopädische Probleme: Kinder und Erwachsene mit PWS brauchen oft orthopädische Schuhe oder Einlagen, die die Füße stützen. Bei Übergewicht bilden sich oft Ödeme an den Beinen. Gelenke an Hüften, Knien und Füßen werden durch Übergewicht beeinträchtigt.
  • Hautempfindlichkeit: Die Haut von Menschen mit PWS kann sehr empfindlich gegenüber Sonnenstrahlen sein. Hier empfiehlt sich eher, ein leichtes Hemd und einen Hut zu tragen als Creme mit Lichschutzfaktor.
  • Temperaturregulation und Schmerzempfinden: Kann ein großes Problem bei PWS sein. Der Grund ist nicht geklärt, eventuell stressbedingt oder bei Langeweile. Wegen des schlechten Wärme- und Kälteempfindens brauchen Menschen mit PWS Hilfe bei der Kleiderauswahl.
  • Zahngesundheit: Bei PWS ist der Speichel oft zähflüssig, was dazu führt, dass die Zähne nicht genügend gereinigt werden. Ein Rückfluss von Magensäure kann ein Problem sein und den Zähnen schaden.
  • Einnässen: Einnässen ist ein häufiges Problem, Menschen mit PWS fühlen oft keinen Harndrang. Harnwegsinfektion ist bei Übergewicht/schlechter Hygiene möglich, daher: regelmäßig zum Toilettengang auffordern, genug Zeit geben! Medizin gegen Einnässen kann gefährlich sein, wenn abends zu viel Wasser getrunken wird.

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