Progredienter Verlauf der Demenz: Definition, Formen und Diagnose

Demenz ist ein Syndrom, das durch den Abbau geistiger Fähigkeiten gekennzeichnet ist. Dieser Abbau betrifft vor allem Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassungsgabe, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Die Beeinträchtigungen sind so stark, dass sie den Alltag der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Es ist wichtig zu beachten, dass Demenz nicht eine einzelne Krankheit ist, sondern ein Syndrom, das verschiedene Ursachen haben kann. Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um behandelbare Ursachen zu identifizieren und den Verlauf der Erkrankung bestmöglich zu beeinflussen.

Was versteht man unter Demenz?

Bei einer Demenz kommt es zu einem Abbau geistiger Fähigkeiten mit Nachlassen des Gedächtnisses sowie anderer Leistungsbereiche des Gehirns, die zu einer Beeinträchtigung im Alltag führen. Demenz-Syndrome können bei einer Vielzahl von Erkrankungen auftreten. Eine Klärung der Ursache ist wichtig, um behandelbare und damit möglicherweise rückbildungsfähige Formen nicht zu übersehen.

Wie verläuft eine Demenz?

Der Verlauf einer Demenz ist individuell verschieden, folgt aber oft bestimmten Mustern. Typischerweise kommt es im Verlauf zu merklichen Gedächtnisstörungen, die vor allem die jüngste Vergangenheit betreffen. Es kann zu gestörter zeitlicher oder örtlicher Orientierung kommen. So werden Dinge mehrfach verlegt oder früher selbstverständliche Aktionen wiederholt vergessen (z.B. Offenlassen der Kühlschranktür, Anlassen der Herdplatte, Nichtabschließens des Autos, Verlaufen auf bekannten Wegen). Die Bearbeitung komplexer Probleme fällt den Patienten schwer.

Bei einem weiteren Fortschreiten der dementiellen Entwicklung ist das Behalten neuer Inhalte nicht mehr möglich. Die Merkspanne, also das Einprägen von Sachverhalten oder Vorgängen oder Erlebnissen für eine gewisse Zeit, wird immer kürzer und beträgt zum Schluss nur noch wenige Minuten oder Sekunden. Dies führt dazu, dass der Patient immer wieder dasselbe erzählt oder das gleiche fragt. Die zeitliche Orientierung schwindet komplett, die örtliche Orientierung ist nur noch teilweise vorhanden. Das Urteilsvermögen ist zunehmend beeinträchtigt. Außerhalb des eigenen Haushalts kommen diese Menschen nicht mehr zurecht.

Es entwickelt sich eine zunehmende Hilfsbedürftigkeit, die vom Betroffenen oft nicht richtig eingeschätzt wird. So sind viele Demenzkranke lange überzeugt, dass ihre Alltagsfähigkeit nicht eingeschränkt ist und sie über eine normale geistige Leistungsfähigkeit verfügen. Schreitet die dementielle Entwicklung weiter fort, sind die Patienten nur noch zur eigenen Person orientiert. Das Gedächtnis ist nur noch in Fragmenten vorhanden. Bei diesem Schweregrad ist nahezu immer eine vollständige Pflegebedürftigkeit festzustellen. Oft besteht auch eine Inkontinenz.

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Stadien der Demenz

Der Verlauf einer Demenz lässt sich grob in verschiedene Stadien einteilen:

1. Frühe Phase:

  • Leichte Beeinträchtigungen des Denkens und Erinnerns
  • Kaum Einschränkungen im Alltag
  • Veränderungen werden manchmal selbst wahrgenommen, oft fallen sie zuerst Angehörigen auf

2. Mittlere Phase:

  • Zunehmende Vergesslichkeit im Alltag, insbesondere Kurzzeitgedächtnis
  • Schwierigkeiten, neue Informationen zu behalten
  • Anstrengende Gespräche, Wortfindungsstörungen
  • Verlegen von Gegenständen
  • Erste Probleme mit der Orientierung in Raum und Zeit
  • Alltägliche Aufgaben gelingen noch gut
  • Betroffene merken, dass etwas nicht stimmt, und versuchen, Schwierigkeiten zu verstecken
  • Rückzug, Vermeidung ungewohnter Situationen
  • Stimmungsveränderungen: Reizbarkeit, Traurigkeit, Unsicherheit

3. Späte Phase:

  • Deutliche Sichtbarkeit der Krankheit
  • Beeinträchtigung von Kurz- und Langzeitgedächtnis
  • Erinnerungen an das eigene Leben treten in den Hintergrund
  • Orientierungsprobleme, auch in vertrauter Umgebung
  • Bekannte Gesichter werden nicht mehr erkannt
  • Tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und im Wesen
  • Bewegungsdrang und Unruhe
  • Orientierungslosigkeit und Hilflosigkeit führen oft zu Misstrauen, Reizbarkeit, Nervosität und aggressiven Ausbrüchen
  • Gestörter Tag-Nacht-Rhythmus, Schlafstörungen
  • Selbstständige Lebensführung nicht mehr möglich

4. Endstadium:

  • Vollständige Pflegebedürftigkeit
  • Verlust der Sprache, nur noch einzelne Wörter oder Laute
  • Selbst engste Familienmitglieder werden nicht mehr erkannt
  • Völlige Orientierungslosigkeit, Leben nur noch im unmittelbaren Moment
  • Inkontinenz
  • Schluckstörungen, erschwerte Nahrungsaufnahme
  • Geschwächtes Immunsystem, Anfälligkeit für Infektionen

Welche Demenzerkrankungen gibt es?

Prinzipiell werden primär-degenerative und symptomatische Demenzen unterschieden.

Primär degenerative Demenzen

Bei den primär degenerativen Demenzen kommt es ohne andere verursachende Erkrankung zu einem Hirnabbau. Zu dieser Gruppe gehören:

  • Alzheimer-Demenz: Die Alzheimer-Demenz beginnt meist um das 65. Lebensjahr. Typischerweise kommt es zu einem schleichenden Beginn mit kontinuierlichem Fortschreiten der Symptome, wobei auch Zeiten ohne Verschlechterung vorkommen. Die ersten Anzeichen können häufig vom Patienten noch gut verborgen werden. Der Patient hat „eine gute Fassade“. Erst bei gezieltem Befragen des Patienten fallen z.B. die schon bestehenden Orientierungslücken auf. Die Störungen des Gedächtnisses, die anfangs vom Patienten oft noch mit einleuchtend erscheinenden Begründungen erläutert werden, werden im Verlauf oft begleitet von anderen Symptomen wie Depression, Schlafstörungen, Inkontinenz (Blasenschwäche), Wahn, Halluzinationen, Gewichtsabnahme, Erregungszuständen, sexuellen Störungen oder einer Gangstörung. In der Schichtaufnahme des Gehirns zeigt sich ein fortschreitender Abbau des Gehirns, besonders ist der Schläfenlappen betroffen. EEG und Liquor (Nervenwasser) sind normal.

  • Demenz mit Lewy-Körperchen: Es kommt zu einer Demenz, bei der besonders zu Beginn die Aufmerksamkeit, Handlungskompetenz und visuell-räumliche Leistungen betroffen sind. Die Gedächtnisstörung steht anfangs nicht im Vordergrund. Typisch für die Lewy-Körper-Demenz ist, dass es zu einer wechselnden Aufmerksamkeit und Wachheit der Patienten kommt (erst wach, plötzlich nicht ansprechbar und benebelt wirkend), optische Halluzinationen (Sehen von Gegenständen, Formen oder Farben, die nicht da sind) auftreten und die Patienten zusätzlich unter Parkinson-Symptomen, wie Zittern, Steifigkeit der Muskulatur und Gangstörung leiden. Oft bestehen bei dieser Demenzform Verhaltensstörungen in der REM-Phase (Traumschlaf).

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  • Fronto-temporale Demenzen: Die Gruppe der fronto-temporalen Demenzen, also der Demenzen mit Betroffensein von Stirn- und Schläfenlappen, besteht aus mehreren Unterformen, von denen die sogenannte Verhaltensvariante gekennzeichnet ist durch eine fortschreitende Verschlechterung von Verhalten und/oder Gedächtnis. Zusätzlich müssen mindestens drei der folgenden Symptome auftreten: enthemmtes Verhalten, Apathie oder Passivität, Verlust von Mitgefühl oder Einfühlungsvermögen, stereotypes oder ritualisiertes/zwanghaftes Verhalten, Veränderung der Ernährung (Essattacken, in den Mund nehmen von nicht essbaren Dingen). Eine andere Unterform ist die primär progrediente Aphasie, also der fortschreitende Verlust der Sprache, der schließlich zu einer Einschränkung im Alltag führt.

    • Verhaltensvariante der Frontotemporalen Demenz (bvFTD): Die Verhaltensvariante der Frontotemporalen Demenz (bvFTD) zeigt sich durch tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit. Die erkrankte Person wirkt „anders“, obwohl das Gedächtnis oft noch gut funktioniert. Zu den häufigsten Anzeichen gehören: Enthemmung, Apathie, emotionale Abstumpfung / Empathieverlust, zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten, verändertes Essverhalten und fehlende Einsicht.
    • Primär Progressive Aphasie (PPA): Die Primär Progressive Aphasie (PPA) zeigt sich in drei verschiedenen Formen, je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind: Semantischer Typ, Unflüssiger/agrammatischer Typ und Logopenischer Typ.

Symptomatische Demenzen

Symptomatische Demenzen entstehen als Folge anderer Erkrankungen.

  • Vaskuläre = gefäßbedingte Demenzen: Diese Demenzerkrankung stellt unter den symptomatischen Demenzen die größte Gruppe dar. Es existieren drei wesentliche Hypothesen, wie es zu einer vaskulären=durchblutungsbedingten Demenz kommt: Die Summationstheorie, Strategischer Infarkt und Theorie der diffusen Schädigung. Vorbeugend vor einer durchblutungsbedingten Demenz ist die Verhinderung von Schlaganfällen durch konsequente Kontrolle und Behandlung von Gefäßrisikofaktoren (z.B. Bluthochdruck, Diabetes, hohes Cholesterin, Rauchen). Falls es zu einem Schlaganfall gekommen ist, muss dieser optimal behandelt werden.
  • Andere symptomatische Demenzerkrankungen: Es gibt mehr als 30 weitere Ursachen für symptomatische Demenzen, wie z.B. Normaldruckhydrozephalus (Aufstau von Nervenwasser), Stoffwechselstörungen der Schilddrüse, Nierenerkrankungen, Leberfunktionsstörungen, Multiple Sklerose, Entzündungen durch Tuberkulose, Borrelien, HIV, Lues, Folgen von Schädel-Hirn-Verletzungen, Hirntumoren oder Metastasen von anderen Tumoren, Kohlenmonoxid- oder Schwermetallvergiftungen, chronischer Alkoholkonsum und andere Suchtmittel. Eine Sonderform ist der Aufstau von Nervenwasser im Gehirn, der sogenannte Normaldruckhydrocephalus. Dieser führt zu Gangstörungen, Inkontinenz und einer Demenz. Die Therapie besteht in der Dränage von Nervenwasser, entweder durch wiederholte Entnahmen durch Punktionen mit einer Kanüle aus dem Bereich der Lendenwirbelsäule oder durch Anlage eines Ventils mit Ablauf (Shunt).

Wer ist von Demenzerkrankungen betroffen?

Demenzerkrankungen nehmen mit steigendem Lebensalter zu. Einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt es wahrscheinlich nicht.

Wie diagnostiziert man eine Demenz am besten?

Neben einer ausführlichen Erhebung der Krankengeschichte vom Patienten selbst und auch von einem Angehörigen, findet eine gründliche neurologische und psychiatrische Untersuchung statt. An Zusatzuntersuchungen werden Tests zur Einschätzung u.a. der Merkfähigkeit, der Verarbeitungsgeschwindigkeit oder auch der Orientierung durchgeführt. Das EEG und eine Ultraschalluntersuchung der Hals- und Hirngefäße geben Aufschluss darüber, ob ein umschriebener Prozess im Gehirn vorliegt und ob die Durchblutung des Gehirns normal ist. Die evozierten Potentiale lassen erkennen, ob und in welchem Ausmaß Nervenbahnen für Sehen, Hören, Gleichgewicht und Empfindung mitbetroffen sind. Zusätzlich werden bestimmte Laborwerte überprüft und bei der Stellung der Erstdiagnose eventuell eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquor cerebrospinalis) durchgeführt.

Zur diagnostischen Abklärung einer Demenz werden verschiedene Tests und Verfahren eingesetzt:

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  • Krankengeschichte (Anamnese): Erhebung der Krankengeschichte des Patienten und Befragung von Angehörigen.
  • Neurologische und psychiatrische Untersuchung: Umfassende Untersuchung des Patienten.
  • Tests zur Einschätzung der kognitiven Fähigkeiten:
    • Mini Mental Status Test (MMST)
    • DEMTECT
    • Uhrentest
    • MoCA (Montreal Cognitive Assessment)
    • TFDD (zur Abgrenzung einer Depression/"Pseudodemenz")
    • CERAD (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer's Disease)
    • ADAS-Cog (Alzheimer's Disease Assessment Scale)
    • SIDAM (Strukturiertes Interview für die Diagnose einer Demenz vom Alzheimer Typ, Multiinfarkt-Demenz u.a.)
  • Radiologische/nuklearmedizinische Diagnostik:
    • Computertomographie (CT) oder Kernspintomographie (MRT) des Kopfes
    • SPECT (Single-Photon-Emissionscomputertomographie)
  • Elektroenzephalographie (EEG): Messung der Hirnströme.
  • Labordiagnostik:
    • Liquoruntersuchung (Nervenwasser)
    • Blutuntersuchung

Wie behandelt man eine Demenz am besten?

Zunächst muss nach einer Ursache gesucht werden, die falls vorhanden, dann auch spezifisch behandelt werden kann. Gibt es keine zugrundeliegende symptomatische Ursache der Demenz, die bei Behandlung zu einem Rückgang der Demenzsymptome führt, besteht die Möglichkeit, spezifische Medikamente einzusetzen, die die Gedächtnisleistung verbessern und Symptome wie Unruhe oder Schlafstörungen verbessern können. Zur Verfügung stehen hier Medikamente, die spezifische Botenstoffe im Gehirn stärken oder hemmen. Welches Medikament oder welche Medikamentenkombination für Sie in Frage kommt, hängt neben Ihren Wünschen und Bedürfnissen u.a. von der Art, Schwere und Ausprägung Ihrer Erkrankung, den Begleiterkrankungen und bereits eingenommenen Medikamenten ab.

Nicht medikamentös kann mittels kognitivem Training (Hirnleistungstraining) behandelt werden, um vorhandene Defizite zu stabilisieren. Bei Symptomen am Bewegungsapparat oder bei Störungen des Gleichgewichts ist eine physiotherapeutische Behandlung Teil der Therapie. Sie fördert die Beweglichkeit und beugt Stürzen vor. Auch psychisch stützende Maßnahmen wie die Gesprächstherapie können bei Bedarf angewendet werden.

Nicht-medikamentöse Therapieformen

Neben der medikamentösen Behandlung spielen nicht-medikamentöse Therapieformen eine wichtige Rolle:

  • Kognitives Training (Hirnleistungstraining): Zur Stabilisierung vorhandener Defizite.
  • Physiotherapie: Bei Symptomen am Bewegungsapparat oder Gleichgewichtsstörungen.
  • Psychotherapie: Psychisch stützende Maßnahmen wie Gesprächstherapie.
  • Ergotherapie: Hilfe bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben.
  • Musiktherapie: Kann beruhigend wirken und Erinnerungen wecken.
  • Validation: Eingehen auf die Gefühle und Bedürfnisse des Patienten.
  • Basale Stimulation: Förderung der Wahrnehmung und Kommunikation.

Weitere Maßnahmen

Neben therapeutischen Maßnahmen gibt es viele kleine Dinge, die dazu beitragen können, dass Menschen mit Frontotemporaler Demenz länger körperlich und geistig aktiv bleiben. Vieles lässt sich unkompliziert in den Alltag integrieren:

  • Sport: Hat nachgewiesene positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit, Fitness und Stimmung von Erkrankten.
  • Aktivitäten, die das Gehirn anregen: Gut für die geistige Fitness sind zum Beispiel Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln.
  • Soziale Kontakte erhalten: Gute Gespräche, gemeinsame Erlebnisse oder einfach Nähe - soziale Kontakte geben Halt und tun dem Gehirn gut.

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