Die progressive supranukleäre Lähmung (PSP) ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung, die durch eine fortschreitende Schädigung bestimmter Bereiche im Gehirn verursacht wird. Sie gehört zu den atypischen Parkinson-Syndromen und weist einige Gemeinsamkeiten mit der Parkinson-Krankheit auf, unterscheidet sich aber in Bezug auf Ursachen, Symptome und Verlauf. Die PSP hat erhebliche Auswirkungen auf den Alltag der Betroffenen und erfordert eine umfassende Pflege und Unterstützung.
Definition und Abgrenzung
Eine Kombination des Kernsymptoms Bradykinese mit Rigor, Tremor oder Haltungsinstabilität definiert ein Parkinson-Syndrom. Abgesehen von sekundären Parkinson-Syndromen, bei denen die Ursachen, wie zum Beispiel Medikamentennebenwirkungen, Normaldruckhydrozephalus und vaskuläre Enzephalopathie, erkennbar sind und gegebenenfalls beseitigt werden können, sind die Parkinson-Syndrome Folge neurodegenerativer Erkrankungen. Das häufigste neurodegenerative Parkinson-Syndrom wird bei sporadischem (nichtfamiliären) Auftreten und klinisch führender Bewegungsstörung infolge Hirnstamm-prädominanter α-Synuclein-Ablagerung als Parkinson-Krankheit (PK) oder idiopathisches Parkinson-Syndrom bezeichnet. In Abgrenzung zur PK werden andere sporadische Krankheitsentitäten als atypische Parkinson-Syndrome bezeichnet. Die vorliegende Übersichtsarbeit beschreibt aktuelle Standards zur Diagnose und Therapie der wichtigsten Vertreter dieser Gruppe, der Demenz mit Lewy-Körpern (DLK) (Tabelle 1), der Multisystematrophie (MSA) (Tabelle 2), der progressiven supranukleären Blickparese (PSP) (Tabelle 3) und der kortikobasalen Degeneration (CBD) (Tabelle 4). Die Differenzialdiagnosen und therapeutischen Konzepte der Syndrome sollen hier besprochen werden.
Atypische Parkinson-Syndrome sind neurodegenerative Krankheiten mit intrazellulärer Ablagerung amyloidogener Proteine. Während das Protein α-Synuclein die DLK, MSA sowie PK (Synucleinopathien) kennzeichnet, tritt das Tau-Protein bei der PSP und der CBD auf (Tauopathien). Bei PSP und CBD aggregiert Tau in Nervenzellen, aber auch Oligodendrozyten und Astrozyten. Die Morphologie der astrozytären Tau-Ablagerungen unterscheidet die PSP von der CBD. Die verschiedenen Krankheitsentitäten befallen typischerweise charakteristische Hirnregionen. Die Fehlfaltung und Aggregation dieser Proteine kann einerseits zu Degeneration der betroffenen Zellpopulationen führen, andererseits aber auch die Ausbreitung in anatomisch verbundenen Hirnregionen und damit die Krankheitsprogression vermitteln.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen der PSP sind noch nicht vollständig verstanden. Es wird angenommen, dass eine Kombination von genetischen und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Es wurden bestimmte genetische Mutationen identifiziert, die mit einem erhöhten Risiko für PSP in Verbindung gebracht werden, jedoch sind diese Mutationen bei den meisten Patienten mit PSP nicht vorhanden.
Symptome
Die klinischen Manifestationen der PSP sind vielfältig. Am häufigsten (circa 40 %) zeigt sich das klassische Richardson-Syndrom mit Levodopa-resistentem akinetisch-rigiden Syndrom der axialen Muskulatur, früh im Krankheitsverlauf auftretender Fallneigung nach hinten und vertikal betonter supranukleärer Blickparese. Während der Patient die Augen nicht willkürlich nach oben oder unten bewegen kann, können die vertikalen Augenbewegungen dennoch über den vestibulo-okulären Reflex (passive Kopfbewegung durch den Untersucher) ausgelöst werden.
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Die motorischen Symptome der PSP sind vielfältig und können zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen. Die Muskelsteifheit und die langsame Bewegung (Rigor) sind typisch für die Erkrankung. Betroffene können Schwierigkeiten haben, Bewegungen zu initiieren und zu kontrollieren, was zu verlangsamten Bewegungsabläufen führt. Das Gehen wird oft zu einem schwierigen und unsicheren Prozess. Betroffene haben häufig einen steifen, gebeugten Gang, bei dem sie kleine Schritte machen und das Gleichgewicht schwer halten können.
Die Blicklähmung nach oben und unten ist eines der charakteristischen Merkmale der PSP. Betroffene haben Schwierigkeiten, ihre Augen nach oben oder unten zu bewegen, während die seitliche Augenbewegung normalerweise erhalten bleibt. Dies kann die Fähigkeit beeinträchtigen, Dinge in verschiedenen Höhen zu betrachten, beispielsweise beim Lesen oder Treppensteigen. Neben den Blickbewegungsstörungen können auch andere Augenprobleme auftreten, wie zum Beispiel Probleme mit der Augenliderkontrolle, wie schweres Blinzeln oder Probleme beim Öffnen oder Schließen der Augenlider. Typisch ist auch ein Frontalhirnsyndrom mit Antriebsminderung (Apathie) und Störung der Exekutivfunktionen, zum Beispiel positivem Applaus-Zeichen, das die Unfähigkeit, nach dreimaligem Klatschen aufzuhören, beschreibt. Darüber hinaus liegt eine pathologische Luria-Sequenz vor, das heißt, der Patient ist nicht in der Lage, die Abfolge Handkante-Faust-Handfläche mindestens sechs Mal korrekt auszuführen. Auch die Wortflüssigkeit ist mit < 9 S-Wörtern in 60 Sekunden reduziert. Charakteristisch ist weiterhin eine spastische (pseudobulbäre) Sprech- und Schluckstörung.
Obwohl die PSP in erster Linie als Bewegungsstörung betrachtet wird, können auch kognitive und Verhaltenssymptome auftreten. Die kognitiven Veränderungen können Gedächtnisstörungen, Probleme mit der Aufmerksamkeit und dem Denken, Schwierigkeiten beim Abrufen von Informationen und Einschränkungen der Urteilsfähigkeit umfassen. Verhaltenssymptome können sich in verschiedenen Formen äußern. Betroffene können Apathie entwickeln, was zu einer reduzierten Motivation und Teilnahmslosigkeit führt. Sie können auch Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Wutausbrüche und emotionale Labilität erleben. Die kognitiven und Verhaltenssymptome können zu einer Einschränkung der Lebensqualität führen und die Interaktionen mit anderen Menschen beeinflussen. Betroffene können Schwierigkeiten haben, sozialen und beruflichen Verpflichtungen nachzukommen und sich an Veränderungen anzupassen.
Nicht selten zeigt sich eine PSP-Pathologie mit zunächst im Vordergrund stehendem, asymmetrischem Levodopa-responsivem Parkinson-Syndrom (PSP-P, circa 20 %), das klinisch nicht von einer PK unterschieden werden kann, bis später eine vertikale supranukleäre Blickparese auftritt. Ein seltenes Syndrom mit plötzlichen und vorübergehenden Gang-Blockaden ohne begleitenden Rigor oder Tremor wird als pure Akinese mit Gang-Freezing (PAGF, < 5 %) bezeichnet und ist sehr typisch für eine zugrundeliegende PSP-Neuropathologie. Mitunter kann zu Beginn der Krankheit ein klinisches Bild entsprechend der verhaltensbetonten (behavioralen) Variante der frontotemporalen Demenz (bvFTD, circa 15 %) oder einer progressiven nichtflüssigen Aphasie (PNFA, circa 5 %) im Vordergrund stehen, die sich klinisch erst von anderen Formen einer frontotemporalen Demenz unterscheiden lassen, wenn okulomotorische Probleme erscheinen. Ebenfalls kann eine PSP-Pathologie klinisch ein kortikobasales Syndrom (CBS, circa 10 %) hervorrufen, das im Kapitel zur CBD beschrieben wird.
Die PSP ist eine fortschreitende Erkrankung, bei der die Symptome im Laufe der Zeit zunehmen. Der Verlauf und die Progression der Krankheit können von Person zu Person variieren, aber im Allgemeinen verschlechtert sich die Funktionsfähigkeit im Laufe der Zeit. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung sind Betroffene oft stark auf Unterstützung und Pflege angewiesen.
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Diagnose
Die Anamnese und eine gründliche klinische Untersuchung sind wichtige Schritte bei der Diagnosestellung. Der Arzt wird nach den Symptomen und ihrem Verlauf fragen und verschiedene neurologische Tests durchführen, um die Funktionen des Nervensystems zu überprüfen. Neurologische Bildgebungsverfahren wie eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns können durchgeführt werden, um andere mögliche Ursachen der Symptome auszuschließen. Im MRT kann eine Mittelhirn- und Frontalhirnatrophie nachgewiesen werden. Im Levodopa-Test verbessert sich die Parkinson-Symptomatik in der Regel nur gering. Im Zweifelsfall können nuklearmedizinische Methoden zum Nachweis einer symmetrischen präsynaptischen nigrostriatalen dopaminergen Denervierung (zum Beispiel FP-CIT-SPECT), einer postsynaptischen striatalen Degeneration (beispielsweise IBZM-SPECT), oder eines Hypometabolismus im Frontal- und Mittelhirn (FDG-PET) herangezogen werden, damit die Diagnose geklärt werden kann.
Die aktuell gültigen Kriterien der National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS) und Society for Progressive Supranuclear Palsy (SPSP) zur Diagnose der PSP beruhen auf dem klinischen Nachweis der Fallneigung sowie der Augenbewegungsstörungen. Sie sind daher sehr sensitiv für das Richardson-Syndrom, aber weniger dafür geeignet, die anderen klinischen PSP-Verlaufsformen zu erkennen.
Differentialdiagnosen umfassen andere neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson-Krankheit, multiple Systematrophie (MSA), frontotemporale Demenz und normale Druckhydrozephalus (NPH).
Auswirkungen auf den Alltag
Die progressive supranukleäre Blicklähmung (PSP) hat erhebliche Auswirkungen auf den Alltag der Betroffenen. Die motorischen Symptome der PSP, wie Muskelsteifheit, langsame Bewegungen und Gleichgewichtsprobleme, machen es schwierig, alltägliche Aktivitäten auszuführen. Betroffene können Schwierigkeiten haben, sich sicher zu bewegen, Treppen zu steigen, sich anzuziehen oder selbstständig zu essen.
Schluckstörungen sind häufig bei PSP und können zu Problemen bei der Nahrungsaufnahme und Flüssigkeitsaufnahme führen. Betroffene können Schwierigkeiten haben, Nahrung und Flüssigkeiten sicher zu schlucken, was zu Aspirationsgefahr und Mangelernährung führen kann. Sprachstörungen sind ebenfalls häufig bei PSP. Betroffene können Schwierigkeiten haben, Wörter zu finden, ihre Gedanken verbal auszudrücken oder die Bedeutung von gesprochener Sprache zu verstehen.
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Die kognitiven Veränderungen bei PSP können die geistige Schärfe, das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit und die Urteilsfähigkeit beeinträchtigen. Betroffene können Schwierigkeiten haben, Informationen zu verarbeiten, sich zu konzentrieren und Entscheidungen zu treffen. Dies kann dazu führen, dass alltägliche Aufgaben schwieriger werden und die Unabhängigkeit beeinträchtigt wird.
Die emotionalen Auswirkungen der PSP sollten nicht unterschätzt werden. Depressionen, Angstzustände und Stimmungsschwankungen sind häufig bei Menschen mit PSP. Die Einschränkungen im Alltag und die fortschreitende Natur der Erkrankung können zu einem Verlust an Lebensqualität, sozialer Isolation und einer erhöhten Belastung für die Betroffenen führen.
Aufgrund der motorischen und sprachlichen Einschränkungen können sich Kommunikationsprobleme ergeben. Betroffene können Schwierigkeiten haben, ihre Bedürfnisse und Wünsche auszudrücken und am sozialen Leben teilzunehmen. Die Veränderungen der körperlichen Erscheinung und der kognitiven Fähigkeiten können auch zu Stigmatisierung und Missverständnissen seitens anderer Menschen führen.
Therapie
Die Behandlung der PSP ist derzeit rein Symptom-orientiert. Therapeutische Zielsymptome sind die akinetisch-rigide Symptomatik, die okulomotorischen Störungen, neuropsychologische Defizite und eine mitunter auftretende Dystonie sowie Schlafstörungen.
Die Grundzüge der pharmakologischen Therapie sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Zusätzlich sind logopädische, ergotherapeutische und physiotherapeutische Maßnahmen indiziert.
Da die PSP zu emotionalen Herausforderungen und sozialer Isolation führen kann, benötigen Betroffene emotionale Unterstützung und soziale Interaktion, um ihre Lebensqualität zu erhalten.
Pflege und Unterstützung
Die Pflege bei PSP erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise und eine individuelle Anpassung an die Bedürfnisse der Betroffenen. Eine enge Zusammenarbeit mit einem multidisziplinären Team, bestehend aus Neurologen, Therapeuten, Pflegekräften und Sozialarbeitern, ist wichtig, um die bestmögliche Unterstützung und Pflege zu gewährleisten. Pflegende Angehörige sollten sich nicht scheuen, Unterstützung von professionellen Pflegediensten in Anspruch zu nehmen. Je nach Bedarf können ambulante Pflegedienste, Tagespflegeeinrichtungen oder Kurzzeitpflegeeinrichtungen eine wichtige Rolle spielen, um pflegende Angehörige zu entlasten und ihnen Zeit für Erholung oder eigene Verpflichtungen zu geben.
Der Austausch mit anderen Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen, kann eine wertvolle Unterstützung für pflegende Angehörige sein. Selbsthilfegruppen, Online-Foren oder lokale Gemeinschaften bieten die Möglichkeit, Informationen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und emotionale Unterstützung zu erhalten. Die Unterstützung und Selbstfürsorge von pflegenden Angehörigen sind von entscheidender Bedeutung, um ihre Rolle effektiv und langfristig bewältigen zu können. Pflegende Angehörige sollten sich nicht scheuen, Unterstützung und Entlastung anzunehmen, um ihre eigene Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu erhalten.
Aufgrund von Sprachstörungen können Betroffene Schwierigkeiten haben, sich verbal auszudrücken und zu kommunizieren. Alternative Kommunikationsmethoden wie Gesten, Bildkarten, Schreibtafeln oder technologische Hilfsmittel wie Sprachgeneratoren können eingesetzt werden, um die Kommunikation zu erleichtern. Bei PSP treten kognitive Veränderungen auf, die die geistige Schärfe und das Gedächtnis beeinflussen können. Strukturierte Aktivitäten, Gedächtnisübungen und kognitives Training können dazu beitragen, die geistige Aktivität aufrechtzuerhalten und das Wohlbefinden zu fördern.
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