Ein Schlaganfall kann gravierende Folgen haben, die weit über körperliche Einschränkungen hinausgehen. Neben den offensichtlichen motorischen und kognitiven Defiziten leiden viele Betroffene unter psychischen Problemen wie Depressionen, Angststörungen und Persönlichkeitsveränderungen. Diese psychischen Symptome können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und die Rehabilitation erschweren. Es ist daher wichtig, diese Probleme frühzeitig zu erkennen und adäquat zu behandeln.
Folgen eines Schlaganfalls
Ein Schlaganfall entsteht durch eine Mangeldurchblutung des Gehirns, wodurch Nervenzellen absterben. Je nach Schweregrad und betroffener Hirnregion können die Folgen vorübergehend oder dauerhaft sein. Zu den häufigsten Folgen gehören:
- Körperliche Folgen: Lähmungen, Spastik, Schluckstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Fußheberschwäche
- Kognitive Folgen: Sprachstörungen (Aphasie, Dysarthrophonie), Sehstörungen, Neglect, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisverlust, Demenz
- Psychische Folgen: Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsveränderungen
Die Auswirkungen eines Schlaganfalls auf den Alltag, das Berufsleben und die Abhängigkeit von anderen Menschen sind für die Betroffenen und ihre Angehörigen sehr belastend.
Psychische Probleme nach einem Schlaganfall
Viele Schlaganfallpatienten leiden unter Depressionen und Angststörungen. Wenn die Betroffenen von anderen abhängig oder pflegebedürftig sind, sich einsam fühlen und keine Perspektiven für eine positive Entwicklung sehen, führt dies zu Enttäuschungen, Frustrationen und einem mangelnden Selbstwertgefühl. Die soziale Komponente ist daher nicht zu unterschätzen. Gemeinsame Aktivitäten, Unterhaltung und Abwechslung sind wichtig für eine stabile psychische und physische Verfassung. Das familiäre und soziale Umfeld kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten, das emotionale Gleichgewicht wiederzuerlangen.
Post-Stroke-Depression (PSD)
Trauer und Niedergeschlagenheit sind kurz nach einem Schlaganfall normal. Etwa ein Drittel der Erkrankten entwickeln jedoch eine behandlungsbedürftige Depression, die sogenannte Post-Stroke-Depression (PSD). Frauen haben möglicherweise ein etwas höheres Risiko als Männer, nach einem Schlaganfall eine Depression zu bekommen.
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Nicht immer werden Depressionen nach einem Schlaganfall erkannt und ausreichend behandelt. Umso wichtiger ist es, Anzeichen dafür ernstzunehmen. Es ist unklar, ob Depressionen nach einem Schlaganfall vorwiegend körperliche oder psychische Ursachen haben. Bei einem Schlaganfall wird das Gehirn geschädigt, was das Gefühlsleben verändern kann. Eine Depression kann aber auch eine Reaktion auf die körperlichen und geistigen Einschränkungen und den plötzlichen Verlust der Selbstständigkeit sein (reaktive Depression).
Depressionen treten meist in den ersten Wochen nach einem Schlaganfall auf. In dieser Zeit müssen Betroffene die Erfahrung verarbeiten, dass ihr Leben bedroht war, und sich von der körperlichen Belastung erholen. Mittel- und langfristig müssen manche Menschen lernen, mit Behinderungen und ihren Folgen für den Alltag sowie für die Kontakte zu Familie, Freundinnen und Freunden umzugehen.
Nach schweren Schlaganfällen kommt es häufiger zu Depressionen als nach leichteren; ebenso bei Menschen, die schon einmal eine Depression durchgemacht haben. Das Ausmaß der Depression hängt oft davon ab, wie stark die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Es gibt Hinweise aus Studien, dass auch die soziale Situation und die Wohnverhältnisse die Entstehung einer Depression beeinflussen können. Wenn Betroffene und ihre Angehörigen eine gute therapeutische und soziale Unterstützung bekommen, könnte dies das Risiko senken, depressiv zu werden.
Symptome der Post-Stroke-Depression
Die Symptome der Post-Stroke-Depression ähneln denen einer klassischen Depression und können verschiedene Bereiche betreffen:
- Niedergeschlagene Stimmung: Ein tiefes Gefühl der Hoffnungslosigkeit und negativer Verstimmung.
- Interessenverlust: Verlust des Interesses an Hobbys und Aktivitäten.
- Energiemangel: Erschöpfung und Antriebslosigkeit.
- Schlafstörungen: Probleme beim Ein- und Durchschlafen.
- Gewichtsveränderungen: Zunahme oder Abnahme des Gewichts.
- Konzentrationsprobleme: Schwierigkeiten, die Gedanken zu fokussieren.
- Schuld- und Wertlosigkeitsgefühle: Gefühle der Schuld und des Versagens.
- Körperliche Beschwerden: Kopfschmerzen oder Magenprobleme.
Wenn mehrere dieser Symptome über einen längeren Zeitraum (mehr als zwei Wochen) andauern, sollte man sich ärztlich beraten lassen.
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Behandlung der Post-Stroke-Depression
Depressionen werden oft mit Medikamenten (Antidepressiva) und/oder psychotherapeutischen Verfahren behandelt. Aber auch die Unterstützung durch Angehörige oder Pflegekräfte kann eine wichtige Rolle spielen. Entscheidend ist eine gut organisierte Behandlung und Rehabilitation, die dazu beiträgt, die krankheitsbedingten Einschränkungen zu bessern.
Studien zeigen, dass Antidepressiva Menschen helfen können, die nach einem Schlaganfall eine Depression entwickelt haben. Möglicherweise wirken sie sich auch auf die körperliche Genesung positiv aus. Am besten untersucht sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und trizyklische Antidepressiva. Die Wirkung der Medikamente setzt nicht sofort ein, aber innerhalb von 6 bis 8 Wochen können sich die Beschwerden verringern.
Antidepressiva können Nebenwirkungen wie Benommenheit, Zittern und Verdauungsprobleme auslösen. Da nach einem Schlaganfall das Laufen schwerfallen kann, ist es wichtig, auf Nebenwirkungen zu achten, die die Koordination beeinflussen.
Psychiatrische und psychologische Fachkräfte können dabei unterstützen, mit der Erkrankung und der veränderten Lebenssituation umzugehen. Im Krankenhaus oder der Rehaklinik gibt es entsprechende Angebote. Beratung und Psychoedukation können helfen, die Erkrankung zu verstehen und mit den Folgen umzugehen.
Ergotherapie kann helfen, bestimmte Körperfunktionen wiederzuerlangen. Dabei werden alltägliche Verrichtungen wie Waschen, Anziehen oder Haushaltstätigkeiten geübt. Auch Bewegungs- und Krafttraining ist wichtig und kann sogar dazu beitragen, dass sich depressive Beschwerden bessern.
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Einfache Ermunterungsversuche oder Ratschläge sind für Menschen mit Depressionen meist nicht hilfreich. Mit der Erkrankung umzugehen, erfordert viel Einfühlsamkeit und Geduld. Hinzu kommt, dass der Gemütszustand bei einer Depression stark schwanken kann. Eine Depression kann sich auch bei pflegenden Angehörigen entwickeln. Auf das Wohl der Helfenden zu achten, ist deshalb nicht nur für diese selbst und andere Familienangehörige wichtig, sondern auch für die Person, die den Schlaganfall hatte. Es gibt viele Unterstützungsmöglichkeiten, zum Beispiel Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen.
Angststörungen
Schlaganfall-Betroffene entwickeln oft eine Angststörung, vor allem in Zusammenhang mit einer Depression. Schon scheinbar banale Alltagssituationen können große Ängste bis hin zu Panikattacken auslösen. Die Betroffenen erleben dann klassische Panik-Reaktionen wie rasender Puls, Herzklopfen, Erröten, Schweißausbrüche, Benommenheit und Übelkeit. Die Angst kann auch durch die Sorge um einen erneuten Schlaganfall ausgelöst werden.
Behandlung von Angststörungen
Betroffene, die an einer Angststörung leiden, sollten sich in Absprache mit dem behandelnden Hausarzt und Neurologen in psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung begeben. Psychiater dürfen Medikamente verschreiben, während Psychologen bzw. Psychotherapeuten psychotherapeutische Behandlungen anbieten. Bei neurologischen Ursachen kann auch ein Neuropsychologe helfen.
Eine Angststörung kann die Bewältigung des Alltags erheblich beeinträchtigen. Betroffene meiden oft angstauslösende Situationen, was wiederum dazu führt, dass sie sich sozial zurückziehen.
Persönlichkeitsveränderungen
Emotionale Veränderungen wirken sich auf das Verhalten einer Person aus, sodass Angehörige den Schlaganfallbetroffenen in seinem Wesen kaum noch wiedererkennen. Familie und Freunde nehmen diese emotionalen Veränderungen oft schneller wahr als die Betroffenen selbst.
Arten von Persönlichkeitsveränderungen
Grundsätzlich lassen sich zwei Richtungen unterscheiden:
- Minus-Syndrom: Antriebsarm, apathisch, desinteressiert, wenige Emotionen, emotionslose Sprechweise oder Mimik.
- Plus-Syndrom: Impulsiv, aufbrausend, aggressiv, zum Teil paranoide Verdächtigungen.
Einige Beispiele für Persönlichkeitsveränderungen sind:
- Ehemals ausgeglichene Menschen werden aggressiv.
- Ehemals rationale Denker treffen plötzlich unnachvollziehbare Entscheidungen.
- Ehemals herzliche Menschen werden passiv und emotionslos.
- Ehemals ruhige Persönlichkeiten haben ihre Emotionen kaum unter Kontrolle, weinen oder lachen lautstark, auch in unpassenden Momenten.
- Ehemals aktive Menschen werden antriebslos.
- Ehemals mutige Menschen bekommen Angstzustände und Panikattacken.
Ursachen von Persönlichkeitsveränderungen
Wesensveränderungen kommen besonders häufig vor, wenn die Schädigung im Bereich des Frontal- und Temporallappens des Gehirns liegt. Sind der rechte und linke Frontallappen betroffen, begünstigt dies ein Plus-Syndrom, Schädigungen der Temporallappen können eher zu einem Minus-Syndrom führen.
Behandlung von Persönlichkeitsveränderungen
Manche Persönlichkeitsveränderungen bilden sich wieder zurück, andere nicht. Wichtig ist, die Situation zu thematisieren und Fachleute (Neurologen, Neuropsychologen, Psychologen, Psychotherapeuten etc.) zu Rate zu ziehen, um individuelle Therapien zu entwickeln, die langfristig sowohl den Betroffenen als auch den Angehörigen den Umgang mit den Veränderungen erleichtern.
Vor allem für Angehörige, aber auch für die Betroffenen, ist es oft schwieriger, mit den emotionalen Veränderungen nach einem Schlaganfall umzugehen als mit den körperlichen. Wenn eine Person „nicht mehr sie selbst“ ist, betrifft das das komplette soziale Umfeld. Daran können partnerschaftliche, familiäre und freundschaftliche Beziehungen scheitern.
Soziale Aktivitäten und Unterstützung
Soziale Aktivitäten, Sport- und Gesundheitskurse, Hobbys und der Kontakt zu anderen Menschen sind wichtig für das emotionale Gleichgewicht. Es gibt spezielle Angebote für Menschen mit Behinderung und Erfahrungsaustauschgruppen. Reha- und Unterstützungsangebote können ebenfalls helfen, den Alltag selbstständig zu bewältigen, ins Berufsleben zurückzukehren und die Lebensqualität zu verbessern.
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