Psychogene Lähmung: Behandlung, Ursachen und Perspektiven

Die psychogene Lähmung, auch bekannt als dissoziative Bewegungsstörung, ist ein komplexes Phänomen, bei dem Betroffene einen Verlust der motorischen Kontrolle erleben, ohne dass eine organische Ursache nachgewiesen werden kann. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte dieser Störung, von den Symptomen und Ursachen bis hin zu den Behandlungsmöglichkeiten und den Perspektiven für Betroffene.

Was ist eine dissoziative Lähmung?

Das allgemeine Kennzeichen der dissoziativen oder Konversionsstörungen besteht in einem teilweisen oder völligen Verlust der normalen Integration der Erinnerung an die Vergangenheit, des Identitätsbewusstseins, der Wahrnehmung unmittelbarer Empfindungen sowie der Kontrolle von Körperbewegungen. Die Symptome verkörpern häufig das Konzept der betroffenen Person, wie sich eine körperliche Krankheit manifestieren müsste. Körperliche Untersuchung und Befragungen geben keinen Hinweis auf eine bekannte somatische oder neurologische Krankheit. Zusätzlich ist der Funktionsverlust offensichtlich Ausdruck emotionaler Konflikte oder Bedürfnisse. Die Symptome können sich in enger Beziehung zu psychischer Belastung entwickeln und erscheinen oft plötzlich. Nur Störungen der körperlichen Funktionen, die normalerweise unter willentlicher Kontrolle stehen, und Verlust der sinnlichen Wahrnehmung sind hier eingeschlossen. Störungen mit Schmerz und anderen komplexen körperlichen Empfindungen, die durch das vegetative Nervensystem vermittelt werden, sind unter Somatisierungsstörungen (F45.0) zu klassifizieren. Die Möglichkeit eines späteren Auftretens ernsthafter körperlicher oder psychiatrischer Störungen muss immer mitbedacht werden.

Abgrenzung zu anderen Lähmungsformen

Es ist wichtig, die psychogene Lähmung von anderen Formen der Lähmung zu unterscheiden, die organische Ursachen haben. Motorische Lähmungen werden in der Regel im Laufe des Lebens erworben, als Folge eines Unfalls oder verschiedener Erkrankungen. Im Gegensatz dazu liegt der psychogenen Lähmung keine Schädigung des Nervensystems zugrunde.

Symptome der psychogenen Lähmung

Die Symptome einer psychogenen Lähmung können vielfältig sein und sich von Person zu Person unterscheiden. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen: Dies kann sich als Schwierigkeit beim Bewegen eines Körperteils äußern, bis hin zum vollständigen Verlust der Bewegungsfähigkeit.
  • Gangstörungen: Humpeln, Stolpern oder Hinken können auftreten.
  • Bewegungsstörungen: Zittern, Zuckungen, Muskelverkrampfungen und Gangstörungen sind möglich.
  • Sensibilitätsstörungen: Missempfindungen, Taubheitsgefühle oder einseitige Lähmungen können auftreten.
  • Schmerzzustände: Hüftschmerzen können im Zusammenhang mit der Lähmung auftreten.
  • Weitere Symptome: In seltenen Fällen können auch Blindheit oder Taubheit auftreten.

Die Grenzen anästhetischer Hautareale entsprechen oft eher den Vorstellungen des Patienten über Körperfunktionen als medizinischen Tatsachen. Es kann auch unterschiedliche Ausfälle der sensorischen Modalitäten geben, die nicht Folge einer neurologischen Läsion sein können. Sensorische Ausfälle können von Klagen über Parästhesien begleitet sein. Vollständige Seh- oder Hörverluste bei dissoziativen Störungen sind selten.

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Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen

Bei Kindern und Jugendlichen äußert sich die psychogene Lähmung häufig durch Gangstörungen wie Humpeln, Stolpern und Hinken, durch Bewegungseinschränkung, Hüftschmerzen und Lähmungen. Betroffen sind vor allem Kinder im Alter zwischen elf und dreizehn Jahren.

Ursachen der psychogenen Lähmung

Die Ursachen der psychogenen Lähmung sind komplex und oft nicht eindeutig zu bestimmen. Es wird angenommen, dass psychische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Die Störung wird als ursächlich psychogen angesehen, in enger zeitlicher Verbindung mit traumatisierenden Ereignissen, unlösbaren oder unerträglichen Konflikten oder gestörten Beziehungen. Die Symptome können als Lösungsversuch in Konfliktsituationen verstanden werden.

Psychische Belastungen und Traumata

Dissoziative Störungen treten hauptsächlich als Folge traumatisierender Erfahrungen (Posttraumatische Belastungen) auf und sind eine pathologische Form der Erlebnisverarbeitung. Im Sinne einer Schutzfunktion werden unangenehme Erfahrungen abgespalten (dissoziiert) und der Betroffene erlebt stattdessen körperliche Symptome, häufig mit symbolischem Charakter. Eine Lähmung der Beine kann z. B. bedeuten, dass „es nicht mehr weitergeht“, eine Blindheit, dass der Patient von der Welt nichts mehr sehen möchte.

Weitere mögliche Faktoren

  • Konflikte: Konflikte mit der Familie oder mit Gleichaltrigen sowie schulischer Druck können die Symptome auslösen und auch verstärken.
  • Lernerfahrungen und Identifikationsmodelle: Im Kindes- und Jugendalter haben Lernerfahrungen und Identifikationsmodelle eine besondere Bedeutung.
  • Familiäre Faktoren: Möglicherweise fördern besondere Familienkonstellationen, wie zum Beispiel eine sehr enge Mutterbindung, überprotektive Eltern oder ein überabhängiges oder überangepasstes Kindverhalten die Genese.

Diagnose der psychogenen Lähmung

Die Diagnose einer psychogenen Lähmung ist oft eine Herausforderung, da organische Ursachen ausgeschlossen werden müssen. Ein Neurologe kann mittels Anamnese und Untersuchungen in der Regel organische Ursachen für die Ausfallerscheinungen ausschließen. Auch Fragebögen zur Selbsteinschätzung können verwendet werden.

Ausschluss organischer Ursachen

Gelegentlich werden zusätzliche bildgebende oder elektrophysiologische Verfahren angewandt, um eine Schädigung des Nervensystems auszuschließen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es sich nicht um eine reine „Ausschlussdiagnose“ handelt.

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Psychosomatische Abklärung

In der psychosomatischen Abklärung wird gemeinsam mit dem Patienten untersucht, ob sich die Beschwerden durch unbewusste emotionale Faktoren erklären lassen.

Behandlung der psychogenen Lähmung

Die Behandlung der psychogenen Lähmung erfordert einen integrativen Ansatz, der sowohl körperliche als auch psychische Aspekte berücksichtigt.

Psychotherapie

Es kommen vor allem tiefenpsychologisch orientierte Verfahren oder Verhaltenstherapie infrage. So können psychische Auslöser erkannt und der Betroffene aus seiner selbst geschaffenen Isolation in die Realität zurückgeholt werden. Die Beschwerden einer dissoziativen (funktionellen) Störung lassen sich nicht durch eine bekannte neurologische oder körperliche Krankheit erklären.

Physiotherapie

Zur Behandlung motorischer und sensibler funktioneller Störungen haben sich sowohl physiotherapeutische als auch psychotherapeutische Verfahren bewährt. Mithilfe einer Massage lassen sich die gelähmten Bereiche beispielsweise aktivieren. Zusätzlich kann der Patient mithilfe des Physiotherapeuten Bewegungen einüben, die er im Alltag regelmäßig wiederholt und die stets anspruchsvoller werden.

Medikamentöse Behandlung

Begleitend ist eine Behandlung der Konversionsstörung mit Medikamenten möglich.

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Multimodaler Therapieansatz

Bei funktionellen neurologischen Störungen bietet eine multimodale Therapie die Möglichkeit, körperbezogene Therapiemodule einzubeziehen, z.B. Kraftlosigkeit in Armen oder Beinen, Gefühlsstörungen oder einseitige Lähmungen.

Stationäre Behandlung

Die psychogene Lähmung wird meist stationär durch verhaltenstherapeutisch orientierte Psychotherapie und individuelle Physiotherapie behandelt. Dabei steht zunächst die Annahme der Symptome als Erkrankung und die primäre Beseitigung der Symptomatik im Vordergrund.

Prognose der psychogenen Lähmung

Die Prognose der psychogenen Lähmung ist im Allgemeinen gut, insbesondere wenn die Behandlung frühzeitig begonnen wird. Alle dissoziativen Störungen neigen nach einigen Wochen oder Monaten zur Remission, besonders wenn der Beginn mit einem traumatisierenden Lebensereignis verbunden ist. Ohne eine spezifische Behandlung ist der Verlauf funktioneller Lähmungen in etwa der Hälfte der Fälle chronisch.

Remissionsraten

Bei multimodaler Therapie zeigt die Lähmung einen günstigen Verlauf und hat eine gute Prognose. Die Remissionsraten liegen bei 85 bis 95 Prozent.

Leben mit psychogener Lähmung

Eine Lähmung kann die Selbstständigkeit im Alltag beeinträchtigen. Je nach Ausmaß stehen Betroffenen verschiedene Leistungen der Pflegekasse zu. Voraussetzung hierfür ist ein anerkannter Pflegegrad.

Hilfsmittel und Unterstützung

Bei medizinischer Notwendigkeit stellt Ihnen Ihr Arzt ein Rezept für das geeignete Hilfsmittel aus. Bei Gangunsicherheiten und einem erhöhten Sturzrisiko sorgt ein Notrufsystem - ob zuhause oder mobil - für mehr Sicherheit.

Barrierefreiheit

Häufig werden auch Umbaumaßnahmen notwendig, um die Wohnung barrierefrei zu gestalten. Werden Treppen zur echten Herausforderung in Ihrem Alltag, kann ein Treppenliftsystem für Sie in Frage kommen.

Austausch mit anderen Betroffenen

Wertvolle Hilfestellungen von Mensch zu Mensch in dieser schwierigen Situation können Verbände und Beratungsstellen zu speziellen Erkrankungen bieten. Oftmals ist auch ein Austausch mit anderen Betroffenen in Online-Foren oder regionalen Selbsthilfegruppen möglich.

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