Ein psychotischer Schub bei Demenz ist ein komplexes Thema, das eine differenzierte Betrachtung der Ursachen und Behandlungsstrategien erfordert. Insbesondere bei Demenzformen wie der Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) und der Parkinson-Demenz (PDD) treten psychotische Symptome häufig auf und stellen eine besondere Herausforderung dar. Dieser Artikel beleuchtet die spezifischen Aspekte psychotischer Schübe bei Demenz, wobei ein besonderer Fokus auf die Ursachenforschung und die daraus resultierenden Behandlungsmöglichkeiten gelegt wird.
Einführung
Psychosen im Alter können vielfältige Ursachen haben, wobei neurodegenerative Erkrankungen, aber auch psychische Störungen eine Rolle spielen können. Es ist wichtig zu erkennen, dass psychische Auffälligkeiten nicht immer zuerst mit kognitiven oder motorischen Defiziten einhergehen müssen, sondern auch im Vordergrund stehen können, wie beispielsweise bei der frontotemporalen Demenz (FTD). Die Unterscheidung zwischen primären psychischen Erkrankungen und solchen, die im Zusammenhang mit einer Neurodegeneration auftreten, ist für die Prognose und Behandlung entscheidend.
Ursachen psychotischer Schübe bei Demenz
Die Ursachen für psychotische Schübe bei Demenz sind vielfältig und können sowohl krankheitsspezifische Faktoren als auch äußere Einflüsse umfassen.
Krankheitsbedingte Faktoren
- Neurodegenerative Veränderungen: Bei Demenzerkrankungen wie DLB und PDD kommt es zu spezifischen Veränderungen im Gehirn, die die Neurotransmission beeinflussen können. Insbesondere das kortikale cholinerge Defizit spielt eine wichtige Rolle, da es zu einem Ungleichgewicht zwischen dopaminerger und cholinerger Aktivität führen kann.
- Neurochemische Besonderheiten: Die neurochemischen Charakteristika von DLB und PDD bedingen die klinische Symptomatik und ein häufiges therapeutisches Dilemma. Eine Behandlung der motorischen Symptome kann die psychiatrischen Symptome verschlechtern und umgekehrt.
- Lewy-Körperchen-Pathologie: Patienten mit Lewy-Körperchen-Pathologie neigen zu Fluktuationen von Vigilanz und Kognition sowie zu optischen Halluzinationen, was auf ein permanentes anticholinerges Delir infolge eines kortikalen cholinergen Defizits hindeutet.
Externe Faktoren
- Medikamente: Insbesondere Antiparkinsonika können psychotische Symptome auslösen oder verstärken. Dies liegt daran, dass diese Medikamente in den Dopaminhaushalt eingreifen und so das ohnehin bestehende Ungleichgewicht im Gehirn weiter verstärken können.
- Komorbiditäten: Begleitende Erkrankungen wie Infektionen, Stoffwechselstörungen oder Dehydration können ebenfalls psychotische Symptome verstärken oder auslösen.
- Belastende Lebensereignisse: Akute psychische oder soziale Belastungen, wie Traumata, der Verlust von Angehörigen oder schwere körperliche Erkrankungen, können ebenfalls als auslösende Faktoren wirken.
Spät beginnende Psychose (LOS)
Ein Viertel aller Psychosen treten erst nach dem 40. Lebensjahr auf. Im Gegensatz zu einer früh beginnenden Schizophrenie dominieren positive Symptome, hier vor allem Halluzinationen und ein Durchdringungswahn. Auffällig bei einer spät beginnenden Psychose sind jedoch meist kognitive Probleme: 70-80 Prozent zeigen in Kognitionstests deutlich schlechtere Ergebnisse als gleich alte Personen ohne Psychose. Studien zufolge haben LOS-Patienten ein zwei- bis dreifach erhöhtes Demenzrisiko, allerdings ohne Präferenz für einen bestimmten Demenztyp.
Symptome psychotischer Schübe bei Demenz
Die Symptome eines psychotischen Schubs bei Demenz können vielfältig sein und variieren je nach Art der Demenz und individueller Veranlagung. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
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- Halluzinationen: Insbesondere optische Halluzinationen sind bei DLB und PDD häufig. Betroffene sehen Dinge oder Personen, die nicht real sind. Akustische Halluzinationen (z.B. Stimmen hören) können ebenfalls auftreten.
- Wahnvorstellungen: Betroffene entwickeln starre, unerschütterliche Überzeugungen, die nicht der Realität entsprechen. Häufige Wahnvorstellungen sind Verfolgungswahn, Beziehungswahn oder Größenwahn.
- Verwirrtheit und Desorientierung: Betroffene sind oft desorientiert bezüglich Zeit, Ort und Person. Sie können sich in ihrer Umgebung nicht mehr zurechtfinden und haben Schwierigkeiten, sich an aktuelle Ereignisse zu erinnern.
- Verhaltensauffälligkeiten: Psychotische Symptome können zu Verhaltensauffälligkeiten wie Agitation, Aggressivität, sozialem Rückzug oder inadäquatem Verhalten führen.
- Emotionale Veränderungen: Betroffene können emotional aufgewühlt sein, intensive Glücksgefühle oder Angst und Reizbarkeit zeigen. Manchmal reagieren sie unpassend, indem sie etwa in einer traurigen Situation zu lachen beginnen.
- Ich-Störungen: Betroffene können nicht mehr oder nur schwer zwischen sich und der Umwelt unterscheiden. Mitunter sind Erkrankte überzeugt, Gedanken lesen zu können oder sie glauben, dass ihre Gedanken von einer äußeren Macht geraubt werden.
- Formale Denkstörungen: Der gedankliche Ablauf ist beeinträchtigt, der Wortschatz eingeschränkt und das Denken verlangsamt. Gedanken reißen plötzlich ab und die Umwelt scheint nicht real.
Diagnose
Die Diagnose eines psychotischen Schubs bei Demenz erfordert eine sorgfältige Anamnese, eine umfassende körperliche und neurologische Untersuchung sowie eine Beurteilung der kognitiven und psychischen Funktionen.
Anamnese
In einem ausführlichen Gespräch mit dem Patienten und seinen Angehörigen werden die aktuellen Symptome, der bisherige Verlauf der Erkrankung, das soziale Umfeld, Vorerkrankungen und Lebensgewohnheiten erfasst. Dabei ist es wichtig, auf mögliche Auslöser oder verstärkende Faktoren zu achten.
- Seit wann haben Sie bemerkt, dass sich etwas verändert hat?
- Wechseln die Veränderungen im Denken, in der Wahrnehmung und Ihre Ängste immer wieder schnell in andere oder neue Veränderungen oder Ängste?
- Gab es belastende Ereignisse in den letzten Wochen?
- Nehmen Sie/ die erkrankte Person Drogen oder Medikamente ein?
- Gibt es bekannte körperliche Erkrankungen?
- Haben Sie sich in der letzten Zeit verletzt oder haben Sie Veränderungen bemerkt, die auf eine körperliche Erkrankung hinweisen?
- Gab es bei Ihnen in der Vergangenheit bereits psychische Erkrankungen?
- Gibt es psychische Erkrankungen innerhalb der Familie?
- Haben Sie Dinge gehört oder gesehen, die Ihnen ungewöhnlich erscheinen oder die andere nicht sehen?
- Hatten Sie seltsame Erlebnisse bezogen auf Ihren Körper: sich gesteuert fühlen, elektrische Schläge bekommen oder Ähnliches?
- Hatten Sie seltsame Geruchs- oder Geschmackserlebnisse?
- Fühlen Sie sich überwacht, verfolgt oder gab es ungewöhnliche Ideen?
- Haben Sie besondere Fähigkeiten oder empfangen Sie Mitteilungen oder Nachrichten aus Zeitungen, aus dem Radio oder dem Fernsehen?
- Haben Sie Probleme beim Denken?
- Liest jemand Ihre Gedanken, entzieht oder gibt Ihnen jemand Gedanken ein oder haben Sie Probleme Ihre Gedanken zusammenzuhalten?
Körperliche Untersuchung
Um körperliche Ursachen auszuschließen, werden eine gründliche körperliche Untersuchung und eine Blutuntersuchung (z. B. Blutbild, Blutzucker, Schilddrüsenwerte, Leberwerte, Entzündungswerte) sowie ein EKG und die Messung von Blutdruckwerten vorgenommen. In seltenen, begründeten Fällen kann es notwendig sein, eine Untersuchung von Hirn- und Nervenwasser durchzuführen. Um eine Epilepsie als Ursache auszuschließen, können Hirnströme mittels EEG abgeleitet werden. Außerdem sollten beim erstmaligen Auftreten psychotischer Symptome und zum Ausschluss möglicher Ursachen im Bereich des Gehirns ein MRT oder alternativ ein CT angefertigt werden.
Kognitive Tests
Kognitionstests können Defizite in verschiedenen Bereichen aufzeigen, wie z.B. Exekutivfunktionen, Arbeitsgedächtnis und Wortfindung. Diese Tests können helfen, die Art und den Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigungen zu bestimmen und zwischen verschiedenen Demenzformen zu differenzieren.
Differenzialdiagnosen
Es ist wichtig, andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen, wie z.B. Delir, Depressionen, bipolare Störung oder andere neurologische Erkrankungen.
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Behandlung psychotischer Schübe bei Demenz
Die Behandlung psychotischer Schübe bei Demenz zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern und die Belastung für die Angehörigen zu reduzieren. Die Behandlungsstrategie sollte individuell auf den Patienten zugeschnitten sein und sowohl nicht-medikamentöse als auch medikamentöse Ansätze umfassen.
Nicht-medikamentöse Behandlung
- Umgebungsanpassung: Eine ruhige, strukturierte Umgebung mit wenig Reizen kann helfen, Verwirrtheit und Agitation zu reduzieren.
- Realitätsorientierung: Regelmäßige Hinweise auf Zeit, Ort und Person können die Orientierung verbessern.
- Beschäftigungstherapie: Sinnvolle Aktivitäten und Beschäftigungen können die Stimmung verbessern und Verhaltensauffälligkeiten reduzieren.
- Psychotherapie: Kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen umzugehen und soziale Ängste zu reduzieren.
- Soziale Unterstützung: Ein stabiles soziales Netzwerk und die Einbeziehung der Angehörigen in die Behandlung sind wichtig für den Erfolg der Therapie.
- Psychoedukation: Aufklärung von Patienten und Angehörigen über die Erkrankung, ihre Ursachen und Symptome sowie über den Umgang mit diesen.
Medikamentöse Behandlung
Die medikamentöse Behandlung psychotischer Schübe bei Demenz ist oft eine Herausforderung, da viele Medikamente unerwünschte Nebenwirkungen haben können.
- Cholinesterasehemmer: Cholinesterasehemmer wie Rivastigmin, Donepezil und Galantamin können die kognitiven und psychotischen Symptome bei DLB und PDD verbessern. Rivastigmin ist in Deutschland für die PDD zugelassen.
- Antipsychotika: Antipsychotika sollten nur in Ausnahmefällen und mit großer Vorsicht eingesetzt werden, da sie schwere Nebenwirkungen verursachen können, insbesondere bei DLB-Patienten. Clozapin kann in niedriger Dosis eine Option sein, erfordert aber besondere Vorsichtsmaßnahmen. Quetiapin kann ebenfalls in niedriger Dosis versucht werden, ist aber für Demenzkranke nicht zugelassen. Risperidon und Olanzapin sind bei DLB kontraindiziert.
- Antidepressiva: Bei begleitenden Depressionen können Antidepressiva wie Citalopram eingesetzt werden.
Spezifische Empfehlungen für PDD und DLB
Unter Berücksichtigung der teilweise sehr unsicheren Datenlage lässt sich folgende vorläufige Empfehlung für die Pharmakotherapie der PDD wie der DLB geben:
- Alle anticholinerge Medikation absetzen.
- Antiparkinsonika minimieren, am besten Levodopa-Monotherapie.
- Cholinesterasehemmer in maximaler tolerierter Dosis.
- Bei Bedarf zusätzlich Quetiapin oder, wenn das nicht ausreicht, Clozapin.
- Antiparkinsonika sollten bei DLB-Patienten sehr zurückhaltend eingesetzt werden.
- Falls affektive Symptome zu herausforderndem Verhalten führen, empfiehlt sich ein antidepressiver Behandlungsversuch, in erster Linie mit Citalopram.
Wichtige Hinweise zur medikamentösen Behandlung
- Neuroleptische Sensitivität: DLB-Patienten reagieren oft sehr empfindlich auf Neuroleptika, was zu schweren, oft letalen Nebenwirkungen führen kann.
- Anticholinergika: Anticholinergika sind bei Demenzen kontraindiziert, da sie ein Delir auslösen können.
- Dopaminagonisten: Dopaminagonisten sollten ebenfalls vermieden werden, da sie psychotische Symptome verschlimmern können.
- Memantin: Die Daten zu Memantin sind kontrovers, es scheint die psychotische Symptomatik bei DLB verschlechtern zu können.
- Benzodiazepine: Benzodiazepine werden für die Langzeitbehandlung dementer Patienten aus verschiedenen Gründen nicht empfohlen.
Verlauf und Prognose
Der Verlauf eines psychotischen Schubs bei Demenz ist individuell unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Art der Demenz, dem Schweregrad der Symptome, dem Vorhandensein von Begleiterkrankungen und der Wirksamkeit der Behandlung. Eine frühzeitige Diagnose und eine konsequente Behandlung können den Verlauf positiv beeinflussen und die Lebensqualität des Patienten verbessern.
Prävention
Einer nicht-organisch bedingten Psychose lässt sich nach aktuellem Wissensstand nicht vorbeugen. Allerdings lässt sich das Erkrankungsrisiko senken, indem keine Drogen konsumiert werden und körperliche und psychische Grunderkrankungen, die als mögliche Auslöser bekannt sind, konsequent behandelt werden. Grundsätzlich ist es hilfreich, mögliche psychotische Warnzeichen zu kennen, sodass frühzeitig ärztlicher Rat gesucht und eine Diagnose gestellt werden kann.
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