Querschnitt durch das Rückenmark: Aufbau und Funktion

Das Rückenmark ist ein hochsensibles Gewebe, das aus etwa einer Milliarde Neuronen besteht und als Verlängerung des Gehirns durch den schützenden knöchernen Tunnel der Wirbelsäule verläuft. Es dient als Hauptleitungsweg, der das Gehirn mit dem Körper verbindet und Signale zwischen Gehirn und Körper vermittelt. Gemeinsam bilden das Gehirn und das Rückenmark das zentrale Nervensystem (ZNS).

Anatomie des Rückenmarks

Das Rückenmark (Medulla spinalis) ist ein von Hüllen umgebener, etwa 40-50 cm langer Nervenstrang mit einem Durchmesser von ca. 0,5 cm, der im Rückenmarkskanal innerhalb der knöchernen Wirbelsäule verläuft. Es erstreckt sich vom Foramen magnum im Os occipitale bis zur Höhe des 1. oder 2. Lendenwirbels. Am unteren Ende verjüngt sich das Rückenmark zum Conus medullaris und endet als dünner Strang (Filum terminale).

Gliederung des Rückenmarks

Das Rückenmark ist in Zervikal-, Thorakal-, Lumbal- und Sakralregion unterteilt. Diese Regionen stimmen nicht ganz mit ihren entsprechenden Wirbelniveaus überein. Vom Rückenmark gehen die 31 paarigen Spinalnerven aus, welche die Brücke zum peripheren Nervensystem schlagen. In regelmäßigen Abständen zweigen sie vom Rückenmark ab und verlaufen durch den Zwischenraum in den Wirbeln hinein in den Körper. Die Spinalnerven bestehen aus einer vorderen und einer hinteren Wurzel.

Die Einteilung des Rückenmarks erfolgt in Segmente, die den verschiedenen Körperregionen zugeordnet sind. Insgesamt gibt es 31 bis 33 dieser Segmente:

  • Acht Halssegmente (Zervikalmark)
  • Zwölf Brustsegmente (Thorakalmark)
  • Fünf Lendensegmente (Lumbalmark)
  • Fünf Kreuzbeinsegmente (Sakralmark)
  • Ein bis drei Steißbeinsegmente

Schutzhüllen des Rückenmarks (Meningen)

Das Rückenmark wird von drei Bindegewebshüllen, den Meningen (Hirnhäuten), geschützt:

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  1. Dura mater spinalis (harte Außenhülle)
  2. Arachnoidea spinalis (weichere Zwischenhaut)
  3. Pia mater spinalis (zarte Innenhaut)

Zwischen der mittleren und der inneren Rückenmarkshaut liegt ein spaltförmiger Raum, der Subarachnoidalraum, der mit Nervenwasser (Liquor) gefüllt ist. Die Meningen sind die faserigen Membranen, die das Rückenmark und das Gehirn umhüllen.

Blutversorgung des Rückenmarks

Das Rückenmark wird von einer vorderen und zwei paarigen, hinteren Spinalarterien versorgt. Die Spinalarterien entspringen aus den Aa. vertebrales und den Aa. intercostales. Die A. sulcocommissuralis zweigt von der A. spinalis anterior ab und speist die vordere graue Substanz. Die Aa. spinales posteriores finden sich an vielen anderen Stellen im Inneren, wo sie sich als Arteriae bzw. spinales internae weiterverzweigen.

Das venöse Blut wird über die V. spinalis anterior und die V. spinalis posterior abgeleitet. Die V. spinalis posterior steht in Verbindung mit den Vv. intervertebrales. Im Halsbereich erfolgt die Drainage in die V. vertebralis, im Thorakalbereich in die (Hemi-)Azygosvenen und die gemeinsame Drainage in die V. cava superior.

Querschnitt des Rückenmarks

Im Querschnitt ist das Rückenmark in einen H-förmigen Bereich mit grauer Substanz (Substantia grisea) und einen umgebenden Bereich mit weißer Substanz (Substantia alba) unterteilt.

Graue Substanz

Die graue Substanz hat im Querschnitt die Form eines Schmetterlings. Sie besteht hauptsächlich aus Nervenzellkörpern (Neuronen) und ihren Dendriten. Hier werden Reize aus Hirn und Peripherie aufgenommen und verarbeitet. Die graue Substanz enthält ca. 3.10 hoch 7 Neurone.

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Die graue Substanz ist in drei Hauptbereiche unterteilt:

  1. Vorderhorn (Cornu anterius): Enthält somatomotorische Neurone, die für die willkürlichen Bewegungen zuständig sind. Hier liegen die Mediale Kerngruppen (Ncl. dorsomedialis und Ncl. ventromedialis), die Laterale Kerngruppen (Ncl. dorsolateralis, Ncl. ventrolateralis und Ncl. retrolateralis) und die Zentrale Kerngruppen (im Zervikalmark: Ncl. phrenicus; im Halsmark: Ncl. accessorius (XI. Hirnnerv) und Ncl. ventromedialis). Die Laterale Kerngruppen im Halsmark enthalten den Ncl. cervicalis lateralis (Arm), den Ncl. intermediolateralis (Hand) und den Ncl. retrodorsolateralis (Finger).

  2. Seitenhorn (Cornu laterale): Befindet sich in den thorakalen und oberen lumbalen Segmenten und enthält die präganglionären Neurone des autonomen Nervensystems (Sympathikus). Hier befinden sich zum vegetativen Nervensystem gehörende Kerngebiete [Th1-L2; Ncl. intermediolateralis [Th1-L2] und L2-S2]; Nucleus retrodorsolateralis [C8-Th1 und S1-3]).

  3. Hinterhorn (Cornu posterius): Beinhaltet die posterioren Wurzelgänge, die für die Weiterleitung von sensorischen Informationen ins Gehirn verantwortlich sind. Hier findet die Umschaltung auf das zweite Neuron statt. Das Hinterhorn enthält Nervenfasern, die sensorische Informationen zum Gehirn leiten (Apex cornuis dorsalis). Die sensorischen Neurone der 1. Ordnung ziehen in den Nucleus gracilis (Goll) bzw. Nucleus cuneatus (Burdach), wo die Umschaltung auf das zweite Neuron erfolgt.

Innerhalb der grauen Substanz lassen sich verschiedene Laminae (Schichten) unterscheiden, die nach Rexed nummeriert sind (Lamina I-X). Diese Laminae sind nach zytoarchitektonischen Gesichtspunkten unterteilt und enthalten unterschiedliche Neuronentypen.

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Weiße Substanz

Die weiße Substanz umgibt die graue Substanz und besteht hauptsächlich aus myelinisierten Axonen, die als aufsteigende (afferente) und absteigende (efferente) Bahnen verlaufen. Diese Faserbahnen verbinden verschiedene Rückenmarksegmente miteinander und leiten Informationen zwischen dem Gehirn und den peripheren Nerven bzw. Organen.

Die weiße Substanz ist in drei Bereiche unterteilt:

  1. Hinterstrang (Funiculus posterior): Leitet präzise Berührung und Druck sowie Informationen über die Propriozeption (Bewusstsein für die Bewegungen des eigenen Körpers) zum Gehirn.
  2. Seitenstrang (Funiculus lateralis): Enthält sowohl aufsteigende als auch absteigende Bahnen, die für Schmerz- und Temperaturwahrnehmung, Motorik und autonome Funktionen zuständig sind.
  3. Vorderstrang (Funiculus anterior): Verantwortlich für Schmerz- und Temperaturwahrnehmung sowie für die Steuerung der grobmotorischen Bewegungen.

Zentralkanal

Das Rückenmark weist eine zentrale Höhle, den Zentralkanal (Canalis centralis), auf. Dieser ist mit Rückenmarksflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) gefüllt und bildet den inneren Teil des zentralen Nervensystems.

Funktionen des Rückenmarks

Das Rückenmark übernimmt vielfältige und wesentliche Funktionen im menschlichen Körper:

  1. Informationsübertragung: Das Rückenmark fungiert als zentrales Organ zur Übermittlung von Nervenimpulsen zwischen Gehirn und den peripheren Körperregionen. Es leitet sowohl sensorische Informationen aus der Peripherie zum Gehirn als auch motorische Befehle vom Gehirn zu den Muskeln und anderen Effektororganen.

  2. Reflexzentrum: Das Rückenmark verfügt über eigene Reflexzentren. Reflexe sind unwillkürliche und schnelle Antworten auf spezifische Reize. Ein bekanntes Beispiel ist der Patellasehnenreflex (Kniesehnenreflex).

  3. Koordination von Bewegungen: Das Rückenmark spielt eine wichtige Rolle bei der Koordination von Bewegungen, insbesondere bei der Steuerung von Muskeltonus und Körperhaltung.

Aufsteigende (afferente) Bahnen

Die aufsteigenden Bahnen leiten sensorische Informationen aus der Peripherie zum Gehirn. Zu den wichtigsten aufsteigenden Bahnen gehören:

  • Hinterstrangbahnen (Fasciculus gracilis und Fasciculus cuneatus): Übertragen Informationen über Berührung, Druck, Vibration und Propriozeption.
  • Spinothalamische Bahnen (Tractus spinothalamicus lateralis und Tractus spinothalamicus anterior): Übertragen Informationen über Schmerz, Temperatur und grobe Berührung.
  • Spinozerebelläre Bahnen (Tractus spinocerebellaris posterior und Tractus spinocerebellaris anterior): Übertragen Informationen über die Muskelspannung und Körperhaltung zum Kleinhirn.

Absteigende (efferente) Bahnen

Die absteigenden Bahnen leiten motorische Befehle vom Gehirn zu den Muskeln. Zu den wichtigsten absteigenden Bahnen gehören:

  • Pyramidenbahn (Tractus corticospinalis): Steuert willkürliche Bewegungen, insbesondere der distalen Extremitäten.
  • Extrapyramidale Bahnen (z.B. Tractus rubrospinalis, Tractus vestibulospinalis, Tractus reticulospinalis): Steuern unwillkürliche Bewegungen, Muskeltonus und Körperhaltung.

Klinische Bedeutung

Schädigungen des Rückenmarks können weitreichende Folgen haben, die von Sensibilitätsstörungen über Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen reichen. Die Symptome hängen von der Lokalisation und dem Ausmaß der Schädigung ab.

Querschnittssyndrome

Schädigungen des Rückenmarks, die eine Unterbrechung der Nervenbahnen nach sich ziehen, werden als Querschnittssyndrome bezeichnet. Je nachdem, wo das Rückenmark betroffen ist, können die Symptome stark variieren und von Lähmungserscheinungen bis hin zu einer vollständigen Immobilität führen.

Beispiele für Querschnittssyndrome sind:

  • Zentromedulläres Syndrom: Neurologisches Syndrom, das durch eine Verletzung des Zentrums des Rückenmarks verursacht wird und die spinothalamischen Bahnen (Sensorik) und den medialen Anteilen der Tractus corticospinales (Motorik) betrifft.
  • Vorderes Quadrantensyndrom: Inkomplettes Rückenmarkssyndrom infolge einer Verletzung des ventralen Rückenmarks unter der Schonung der dorsalen Anteile. Klinische Manifestationen sind der Verlust der motorischen und sensorischen Funktion unterhalb des Verletzungsniveaus.
  • Hinteres Quadrantensyndrom: Inkomplettes Rückenmarkssyndrom, das die dorsalen Säulen, die Tractus corticospinales und die absteigenden autonomen Bahnen zur Blase betrifft.
  • Brown-Séquard-Syndrom: Seltenes neurologisches Syndrom, das durch eine halbseitige Rückenmarkschädigung verursacht wird.

Weitere Erkrankungen des Rückenmarks

Neben den Querschnittssyndromen gibt es eine Vielzahl weiterer Erkrankungen, die das Rückenmark betreffen können:

  • Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Neurodegenerative Erkrankung sowohl der oberen als auch der unteren Motoneurone.
  • Multiple Sklerose: Chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die zur Demyelinisierung des zentralen Nervensystems (ZNS) führt.
  • Bandscheibenvorfall (Prolapsus nuclei pulposi): Kann auf das Rückenmark drücken und zu neurologischen Ausfallerscheinungen führen.
  • Myelitis: Seltene Erkrankung mit meist immunologischen oder allergischen Ursachen.
  • Neuralrohrdefekte: Verursacht durch den fehlerhaften Verschluss des Neuralrohrs während der Embryonalentwicklung.

Diagnostische Verfahren

Zur Diagnose von Rückenmarkserkrankungen stehen verschiedene diagnostische Verfahren zur Verfügung:

  • Neurologische Untersuchung: Beurteilung der motorischen und sensorischen Funktionen, der Reflexe und der Koordination.
  • Bildgebende Verfahren: Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie (CT) der Wirbelsäule zur Darstellung des Rückenmarks und der umliegenden Strukturen.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) und der evozierten Potentiale (VEP, SEP, MEP) zur Beurteilung der Funktion der Nervenbahnen.
  • Lumbale Spinalpunktion: Entnahme von Liquor aus der lumbalen Zisterne unterhalb des Rückenmarks zur Beurteilung von Entzündungen, Infektionen oder Blutungen im ZNS.

Therapeutische Maßnahmen

Die Wahl der geeigneten Therapie richtet sich nach Art und Schwere der Rückenmarkserkrankung. Im Allgemeinen kommt ein breites Spektrum an Behandlungen zum Einsatz, das von Medikamenten über Physiotherapie bis hin zu chirurgischen Eingriffen reicht.

  • Medikamentöse Therapie: Entzündungshemmende Medikamente, Immunsuppressiva, Schmerzmittel, Antidepressiva und Antikonvulsiva können zur Behandlung von Rückenmarkserkrankungen eingesetzt werden.
  • Physiotherapie: Hilft dabei, Muskeln zu kräftigen, Beweglichkeit und Gleichgewicht zu fördern und Schmerzen zu lindern.
  • Chirurgische Eingriffe: Können bei Tumoren, Bandscheibenvorfällen oder schweren Verletzungen des Rückenmarks notwendig sein, um das Rückenmark zu entlasten und die Funktionsfähigkeit der Nerven zu erhalten oder wiederherzustellen.

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