Acetylsalicylsäure (ASS), besser bekannt als Aspirin, ist ein weit verbreitetes Medikament mit schmerzlindernden, fiebersenkenden und entzündungshemmenden Eigenschaften. Ursprünglich um 1900 gegen Entzündungsschmerz, Rheuma und Fieber eingesetzt, findet ASS heute vor allem bei akuten Beschwerden wie Kopfschmerzen Anwendung. Darüber hinaus hat sich ASS bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko nach einem Herzinfarkt oder ischämischen Schlaganfall zur weiteren Prävention bewährt.
Wie Aspirin wirkt
Der Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) gehört zur Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). ASS hemmt das Enzym Cyclooxygenase und damit die Bildung von Prostaglandinen. Diese körpereigenen Stoffe spielen eine große Rolle bei Entzündungsprozessen und bei der Entstehung von Schmerzen.
ASS wirkt auch als Blutverdünner. Diese Eigenschaft wurde eher zufällig entdeckt, wird aber heute gezielt zur Vorbeugung von erneuten Herzinfarkten und Schlaganfällen bei Risikopatienten mit entsprechender Vorerkrankung eingesetzt. In niedriger Dosierung (in der Regel 100 Milligramm täglich) verhindert ASS, dass die Blutplättchen verklumpen.
Aspirin in der Schlaganfallprävention
Sekundärprävention nach Schlaganfall und TIA
ASS ist ein etablierter Bestandteil der antithrombotischen Sekundärprävention nach einer transitorisch ischämischen Attacke (TIA) und einem ischämischen Schlaganfall. Eine nach TIA oder leichtem Schlaganfall sofort begonnene Sekundärprävention mit ASS scheint klinisch besonders effektiv zu sein. Demnach lässt sich durch die frühe Einnahme von ASS das Risiko für Schlaganfallrezidive in den ersten Wochen nach dem Ereignis mehr als halbieren. Zudem war der Schweregrad neurologischer Schädigungen im Fall wiederholt auftretender ischämischer Insulte deutlich niedriger.
Eine Arbeitsgruppe um Professor Peter Rothwell aus Oxford wertete Datensätze aus zwölf randomisierten Studien mit insgesamt knapp 16.000 Teilnehmern zur längerfristigen Sekundärprävention mit ASS aus. In den ersten sechs Wochen reduzierte ASS das relative Risiko für einen erneuten ischämischen Schlaganfall signifikant um 58% im Vergleich zu Placebo oder Kontrollen. Die Inzidenz von schweren oder tödlichen Hirninsulten wurde in dieser Zeit um 71% verringert. Am größten war der Benefit in den ersten zwei Wochen. Auch zwischen der 6. und 12. Woche war ein - wenngleich nicht mehr so starker - Effekt von ASS auf ischämische Schlaganfälle zu verzeichnen.
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Die frühe prophylaktische Wirkung von ASS differierte in Abhängigkeit von der Schwere der zerebrovaskulären Ereignisse. Den relativ größten Nutzen hatten Patienten mit TIA oder leichten Schlaganfällen: Nur bei 2 von 6.691 Patienten, die sofort mit ASS behandelt wurden, trat innerhalb der nächsten zwei Wochen ein schwerer oder tödlicher ischämischer Schlaganfall auf, in der Kontrollgruppe waren es 23 Ereignisse bei 5.726 Patienten. Der Unterschied entspricht einer hochsignifikanten relativen Risikoreduktion um 93 %. Bereits am 2. Tag nach Therapiebeginn wurde eine signifikante relative Risikoreduktion um 63% beobachtet. Im Übrigen nahm auch die Zahl der akuten Herzinfarkte signifikant ab.
Nach Ansicht der Gruppe um Rothwell haben diese Ergebnisse Implikationen für die Praxis. Sie stützten die generelle Empfehlung, bei Verdacht auf Schlaganfall sofort um medizinische Hilfe nachzusuchen. Schon bei Verdacht auf TIA oder leichten Schlaganfall sollte sofort eine Behandlung mit ASS eingeleitet werden. Werde damit bis zur Abklärung durch einen Spezialisten gewartet, verstreiche wertvolle Zeit.
Primärprävention: Nutzen und Risiken abwägen
Ob die Gabe des Blutverdünners auch in der Primärprävention sinnvoll ist - also bei Menschen, die noch kein kardiovaskuläres Ereignis erlitten haben - ist dagegen umstritten.
Mehrere große Studien konnten einen solchen Nutzen von Aspirin für die Allgemeinbevölkerung bislang nicht belegen. Ein internationales Team um Prof. Peter M. stellte fest, dass niedrig dosiertes ASS (75-100 Milligramm täglich) bei Menschen zwischen 50 und 69 Kilogramm das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis um durchschnittlich 25 Prozent reduzierte. „Zu einem alten Medikament wie Aspirin solche neuen Aspekte zu finden ist überraschend“, so Professor Armin Grau, 1. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). „Jahrzehntelang haben wir ASS in einheitlichen Dosierungen verschrieben." Er ergänzt: „Etwa 80 Prozent aller Männer und die Hälfte aller Frauen wiegen mehr als 70 Kilogramm." Die Neurologen halten vertiefende Forschungen für dringend notwendig, auch im Hinblick auf eine eventuelle Neubewertung der derzeit gültigen Leitlinienempfehlungen.
Ein genetischer Risikofaktor, identifiziert von Medizinern um den DZHK-Wissenschaftler PD Dr. med. Thorsten Keßler vom Deutschen Herzzentrum München, könnte mit darüber entscheiden, ob Aspirin als vorbeugender Gefäßschutz wirksam ist - oder ob es sogar schaden kann. Die von Keßler und seinen Kollegen identifizierte Risikovariante führt über mehrere Zwischenschritte letztlich dazu, dass gefäßschützende Reaktionen nur abgeschwächt ablaufen. Unter anderem fällt die durch Stickstoffmonoxid vermittelte Hemmung der Blutgerinnung deutlich geringer aus, sodass Thrombozyten (also die Blutplättchen) sich leichter zu Blutpfropfen zusammenlagern.
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In Kooperation mit Wissenschaftlern der Harvard Medical School in Boston unterzogen die Münchener Mediziner zwei Studien - die Women´s Health Study und die Physicians`Health Study - einer erneuten Analyse, wobei sie Träger der Risikovariante und Teilnehmer mit der Nichtrisikovariante gesondert betrachteten. In der Tat zeigte die getrennte Auswertung, dass Menschen mit der Risikovariante von rs7692387 deutlich von der Aspirineinnahme profitierten; ihr Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse sank um 21 Prozent. Interessanterweise zeigte sich bei den Trägern der Nichtrisikovariante sogar der gegenteilige Effekt: Ihr Risiko stieg um 39 Prozent an.
Richtlinien und Empfehlungen
Leitlinien empfehlen in der Nachbehandlung Acetylsalicylsäure (ASS), bekannt als Aspirin. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) appellieren vor diesem Hintergrund für neue Studien mit dem alten Medikament. „Die derzeit praktizierte ‚One Dose Fits All‘-Strategie muss neu bewertet werden“, sagt Prof. Weltweit nimmt etwa eine Milliarde Menschen regelmäßig ASS in einer fixen Dosierung ein, um damit einem Herzinfarkt, einem Schlaganfall oder anderen vaskulären Ereignissen vorzubeugen.
Auch Personen ohne Herzinfarkt oder koronarer Herzerkrankung profitieren vermutlich von einer prophylaktischen ASS-Einnahme. Das gilt aber nur wenn ihr Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden, über 20 Prozent liegt. Der Wert erscheint auf den ersten Blick zwar willkürlich, berücksichtigt aber, dass jedes Arzneimittel auch Nebenwirkungen hat - hier vor allem Blutungsrisiken. Das Herzrisiko lässt sich anhand von speziellen Programmen zur Risikoabschätzung, dem PROCAM- oder CARRISMA-Score, ermitteln.
In den USA hat ein Expertengremium im Jahr 2022 seine Empfehlung ebenfalls eng gesteckt: Danach sollten nur 40-59-Jährige mit einem mindestens zehnprozentigen Risiko, in den nächsten zehn Jahren eine atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln, ASS vorbeugend einnehmen. Ab 60 Jahren, so die Einschätzung der Experten, sei das Verhältnis von Nutzen zu Risiken zu ungünstig - zumindest, um mit dieser Form des Herzschutzes zu beginnen. Wer aber schon vorher ASS niedrigdosiert eingenommen habe, könne das auch bis etwa zum 75.
Gegenanzeigen und Vorsichtsmaßnahmen
Wie alle Medikamente können auch Präparate mit Acetylsalicylsäure unerwünschte Wirkungen haben. Die Wahrscheinlichkeit steigt mit der Dauer der Einnahme und bei höheren Dosierungen. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören:
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- Magen- und Darmbeschwerden, bis hin zu Blutungen
- Erhöhte Blutungsneigung
- Nierenschäden
- Anfälle bei Asthmapatienten
Aspirin Protect sollte nicht gleichzeitig mit Methotrexat, Warfarin, Cyclosporin, Ibuprofen, Diuretika, ACE-Hemmern, Steroiden und Entzündungshemmern eingenommen werden.
Vorsicht bei der Einnahme von Aspirin Protect gilt bei:
- Allergien, Asthma, Heuschnupfen
- Nicht eingestelltem Bluthochdruck
- Eingeschränkter Nieren- und Leberfunktion
- Gleichzeitiger Einnahme von Medikamenten, die auch blutverdünnende Wirkung zeigen (z.B. Marcumar)
- Magen- oder Darmgeschwüren
- Vor Operationen
Durch Aspirin Protect können Kinder mit Fieber am sehr seltenen aber lebensbedrohlichen Reye-Syndrom erkranken. Daher muss mit dem Arzt besprochen werden, inwieweit eine Behandlung mit dem Blutverdünner sinnvoll ist.
In den ersten zwei Trimestern der Schwangerschaft sollte ASS nicht angewendet werden - wenn, dann nur nach Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt und in so geringer Dosierung und so kurzer Dauer wie möglich. Im letzten Schwangerschaftsdrittel darf Acetylsalicylsäure nicht eingenommen werden. ASS geht in die Muttermilch über - bei gelegentlicher Anwendung sind bislang keine nachteiligen Auswirkungen auf das Baby bekannt.
Dosierung und Einnahme
Die Einnahme von Aspirin® Protect 100 mg richtet sich nach dem Beschwerdebild. Erkundigen Sie sich dazu bei Ihrem Arzt oder Apotheker und lesen Sie die Packungsbeilage. Aspirin® Protect 100 mg sollte stets vor den Mahlzeiten unzerkaut und mit reichlich Flüssigkeit, etwa einem Glas Wasser, eingenommen werden. Generell ist das Medikament zur Langzeitbehandlung geeignet. Bitte beachten Sie, dass Sie Aspirin® Protect 100 mg täglich und auf Dauer einnehmen sollten. Zudem ist es wichtig, dass Sie Arzneimittel niemals in Eigenregie absetzen oder zu einer anderen Dosierung wechseln - dies muss der Arzt mit Ihnen gemeinsam entscheiden. Wichtig: Aspirin® Protect 100 mg eignet sich wegen seiner magensaftresistenten Formulierung nicht zur Behandlung von Schmerzzuständen.
Aspirin® Protect 300 mg beugt genau wie Aspirin® Protect 100 mg der Entstehung von Blutgerinnseln vor. Der Unterschied ist die höhere Dosierung von Acetylsalicylsäure. Aspirin® Protect 300 mg wird zur Vorbeugung eines weiteren Herzinfarktes nach erstem Herzinfarkt angewandt. Nehmen Sie hierfür täglich eine der magensaftresistenten Tabletten unzerkaut und vor den Mahlzeiten mit reichlich Flüssigkeit ein. Aspirin® Protect 300 mg eignet sich zur Langzeitbehandlung. Da die Lebensdauer eines Blutplättchens auf acht bis zehn Tage beschränkt ist und ständig neue gebildet werden, ist es wichtig, Aspirin® Protect 300 mg jeden Tag und auf Dauer einzunehmen.
Die typische Aspirin-Protect-Dosierung zur Vorbeugung eines Schlaganfalles liegt bei einer Tablette (100 mg) täglich. Besteht die Möglichkeit eines erneuten Herzinfarktes werden drei Tabletten mit je 100 mg Wirkstoff am Tag eingenommen. Zur Behandlung des Kawasaki-Syndroms bedarf es täglich 80 bis 100 mg Wirkstoff pro Kilogramm Körpergewicht auf vier Anwendungen am Tag verteilt. Aspirin Protect eignet sich zur Langzeittherapie. Die exakte Dauer der Behandlung wird vom Arzt verordnet. Die maximale Tagesdosis des Arzneimittelwirkstoffs liegt bei Jugendlichen und Erwachsenen bei 3 Gramm, bei Kindern bis 14 Jahre bei 1,5 Gramm.
Erste Symptome einer Überdosierung sind Ohrgeräusche, Schwitzen, Übelkeit und Erbrechen sowie Schwindel. Des Weiteren kann es infolge von hohen Überdosierungen zu Fieber, Hyperventilation, Azidosen (Störung des Säure-Base-Haushaltes) und Atemstillstand kommen. Patienten mit Verdacht auf eine Überdosierung mit Aspirin Protect müssen unverzüglich im Krankenhaus intensivmedizinisch versorgt werden.
Alternativen zu Aspirin
Es gibt jedoch sogenannte, Ass-Non-Responder. Das heißt bei ca. 15-30% der Patient wirkt das Medikament nicht, was durch Bluttest wie z. B. Als Alternative zu T-Ass wurde das Medikament Clopidogrel entdeckt.
In einer Studie des Universitätsklinikums Tübingen wurde untersucht, ob der Blutverdünner Apixaban bei Patientinnen und Patienten mit einem zusätzlichen Risiko für Blutgerinnselbildung im Herzen besser zur Vermeidung eines erneuten Schlaganfalls geeignet sein könnte. Im Ergebnis zeigte Apixaban gegenüber ASS keine besseren Behandlungserfolge. Trotz des formal neutralen Ergebnisses brachte die Studie laut Studienleiter Dr. Sven Poli, Professor an der Neurologischen Universitätsklinik, wichtige Erkenntnisse über den Zusammenhang von Risikofaktoren und dem Auftreten von Vorhofflimmern bei Patientinnen und Patienten mit ungeklärtem Schlaganfall. Solche Patientinnen und Patienten könnten von einer frühzeitigen Einnahme des Blutverdünners Apixaban profitieren.
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