Acetylsalicylsäure (ASS), besser bekannt als Aspirin, wird weltweit von etwa einer Milliarde Menschen regelmäßig eingenommen, um Schlaganfällen, Herzinfarkten und anderen vaskulären Ereignissen vorzubeugen. Die Standarddosis liegt dabei zwischen 75 und 100 mg. Doch neue Forschungsergebnisse werfen Fragen nach der optimalen Dosierung auf und fordern eine Neubewertung der gängigen Praxis.
Die "One Dose Fits All"-Strategie auf dem Prüfstand
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) fordern angesichts aktueller Studienergebnisse neue Untersuchungen mit dem altbekannten Medikament. Professor Hans-Christoph Diener betont, dass die derzeit praktizierte "One Dose Fits All"-Strategie neu bewertet werden muss.
Ein internationales Team um Professor Peter M. Rothwell (Oxford) untersuchte in einer aktuellen Studie insgesamt zehn randomisierte Analysen mit exakt 117.279 Teilnehmern. Dabei stellte sich heraus, dass niedrig dosiertes ASS (75-100 Milligramm täglich) bei Menschen zwischen 50 und 69 Kilogramm das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis um durchschnittlich 25 Prozent reduzierte.
Körpergewicht als entscheidender Faktor
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Standarddosis von Acetylsalicylsäure bei Menschen ab einem Körpergewicht von 70 kg wenig wirksam ist. Ab dieser Schwelle zeigte sich kein eindeutiger Nutzen mehr. Die Sterblichkeit bei einem ersten Ereignis war bei Personen über 70 kg sogar um ein Drittel erhöht. Im Gegensatz dazu war Acetylsalicylsäure in einer hohen Dosierung (≥ 325 mg Tagesdosis) bei Personen ab 70 kg geeignet, um Herzinfarkte und Schlaganfälle zu verhindern. Bei Personen unterhalb der Schwelle von 70 kg Körpergewicht zeigte sich kein präventiver Effekt.
Professor Armin Grau, 1. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), äußert sich überrascht über diese neuen Aspekte eines alten Medikaments wie Aspirin. Jahrzehntelang wurde ASS in einheitlichen Dosierungen verschrieben. Die Analysen von Rothwell und Mitarbeitern belegen nun überzeugend, dass das Körpergewicht einen erheblichen Einfluss auf die optimale Dosis in der Primär- und Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls besitzt.
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Unterversorgung in der Bevölkerung?
Da etwa 80 Prozent aller Männer und die Hälfte aller Frauen mehr als 70 Kilogramm wiegen, müssen wir davon ausgehen, dass sehr viele Menschen in der Primär- und Sekundärprophylaxe unterversorgt sind. Die Neurologen halten vertiefende Forschungen für dringend notwendig, auch im Hinblick auf eine eventuelle Neubewertung der derzeit gültigen Leitlinienempfehlungen.
Aspirin: Mehr als nur ein Kopfschmerzmittel
Acetylsalicylsäure, weltweit bekannt als Aspirin, wird nicht nur zur Behandlung von Kopfschmerzen eingesetzt. Täglich in einer Mini-Dosis eingenommen, schützt es vor Herzinfarkt, Schlaganfall und möglicherweise sogar vor Krebs. Umstritten ist allerdings, wer profitiert und wann die Nebenwirkungen überwiegen.
Während in Europa gerade die Nebenwirkungen von frei verkäuflichen Schmerzmitteln die Diskussion bestimmen, raten viele Mediziner jenseits des Atlantiks dazu, einen dieser umstrittenen Wirkstoffe täglich einzunehmen - als Schutz vor Herzinfarkt, Schlaganfall und sogar Krebs.
Nutzen und Risiken: Eine Abwägung
Mediziner streiten darüber, wie groß der Aspirin-Schutz tatsächlich ist, welche Personen davon profitieren und wie viele Jahre der Wirkstoff eingenommen werden soll. Denn so unumstritten die positiven Effekte sind, so klar ist auch, dass selbst niedrige ASS-Mengen die Nieren belasten, den Magen angreifen und zu schweren Blutungen im Verdauungstrakt oder auch im Gehirn führen können.
In den USA, wo Aspirin in Großpackungen in jedem Drugstore erhältlich ist, schlucken 40 Prozent der Generation 50-plus täglich eine Aspirin-Tablette zur Vorbeugung. Ihren Arzt fragen dabei die wenigsten, ob es Sinn macht. Viele Mediziner raten ohnehin allen Erwachsenen im mittleren Alter zum täglichen Baby-Aspirin: Männern über 45, um einem Herzinfarkt vorzubeugen, Frauen über 55, um einen Schlaganfall abzuwenden.
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Die potenzielle Krebsprävention haben verschiedene Studien der letzten Jahre nahegelegt. Zuletzt stellte eine Studie der Harvard-Universität fest, dass nach mindestens sechs Jahren ASS-Konsum ein leicht rückläufiges Darmkrebs-Risiko feststellbar ist. Dafür würde sprechen, dass Entzündungen Krebs fördern, und niedrig dosiertes ASS eine starke antientzündliche Wirkung hat.
Skepsis gegenüber "Aspirin für alle"
Deutsche Experten sind allerdings wesentlich zurückhaltender. Für die Darmkrebs-Prophylaxe sehen die Forscher vom Deutschen Krebsforschungszentrum keine ausreichenden Beweise. Außerdem können regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und eine darmfreundliche Ernährung (viel Ballaststoffe, wenig rotes und verarbeitetes Fleisch, wenig Alkohol) ebenso vorbeugen - ganz ohne ASS-Nebenwirkungen.
All jene, denen niedrig dosiertes ASS helfen kann, sollten sich auf jeden Fall mit ihrem Arzt absprechen und sich dann streng an die regelmäßige Einnahme halten.
Vorbeugendes Aspirin nicht eigenmächtig absetzen
Eine neue Studie der Universität Upsala hat nämlich festgestellt, dass Menschen, die schon einmal einen Herzinfarkt hatten, ein hohes Risiko für einen weiteren Infarkt haben, wenn sie das niedrig dosierte ASS absetzen. Das tun immerhin bis zu 20 Prozent der Patienten in den Jahren nach dem Herzereignis, andere nehmen das „Kardio-ASS“ nur sporadisch. Dadurch steigt die Gefahr eines weiteren Infarkts oder Schlaganfalls um fast 40 Prozent.
Bei geplanten Operationen werden Patienten oft aufgefordert, ASS eine Woche vor dem Termin abzusetzen, um die Blutgerinnung nicht zu gefährden. Viele tun es ohne Rücksprache mit dem Arzt. Dadurch kann bei einigen Menschen, die Gefahr eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls um bis zu 60 Prozent steigen. Das hat wiederum eine Untersuchung an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf ergeben.
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Wechselwirkungen und Nebenwirkungen
Wer täglich Aspirin schluckt und es gut verträgt, vergisst leicht, dass es auch in niedriger Dosis mit anderen Medikamenten kollidiert. Etwa, wenn jemand Mini-ASS fürs Herz und Ibuprofen gegen akute Gelenkschmerzen einnimmt. Beide Wirkstoffe docken an denselben Rezeptoren an, dürfen daher nur mit großem Zeitabstand eingenommen werden.
ASS wird auch zur Schlaganfallprävention und nach Operationen eingenommen, um der Bildung von Thrombosen vorzubeugen. Allerdings sind aus diesem Grund auch Blutungen eine mögliche Nebenwirkung. Denn dem Medikament mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) wird neben der schmerzlindernden, entzündungshemmenden und fiebersenkenden Wirkung auch die Eigenschaft zugeschrieben, das Verklumpen von Blutplättchen zu verhindern.
Eine von der Monash University in Melbourne (Australien) geleitete Studie kam zu dem Ergebnis, dass das Risiko von Hirnblutungen den potenziellen Nutzen im Hinblick auf die Vorbeugung eines Schlaganfalls bei gesunden älteren Erwachsenen überwiegt. Das hat laut den Forschenden vor allem damit zu tun, dass ältere Menschen häufiger stürzen oder sich am Kopf stoßen, was unter der Einnahme von Aspirin die Gefahr erhöht, dass es eine Hirnblutung nach sich zieht.
Hauptautor John McNeil sagt zu den Ergebnissen laut einer Mitteilung der Monash University, sie unterstreiche mögliche Risiken für einige ältere Menschen durch die Einnahme von Aspirin. Deshalb sollte das freiverkäufliche Mittel nie ohne Rücksprache mit dem Hausarzt eingenommen werden, erklärt der Mediziner.
Aspirin Protect: Anwendung und Dosierung
Die Einnahme von Aspirin® Protect 100 mg richtet sich nach dem Beschwerdebild. Erkundigen Sie sich dazu bei Ihrem Arzt oder Apotheker und lesen Sie die Packungsbeilage. Aspirin® Protect 100 mg sollte stets vor den Mahlzeiten unzerkaut und mit reichlich Flüssigkeit, etwa einem Glas Wasser, eingenommen werden. Generell ist das Medikament zur Langzeitbehandlung geeignet. Bitte beachten Sie, dass Sie Aspirin® Protect 100 mg täglich und auf Dauer einnehmen sollten. Zudem ist es wichtig, dass Sie Arzneimittel niemals in Eigenregie absetzen oder zu einer anderen Dosierung wechseln - dies muss der Arzt mit Ihnen gemeinsam entscheiden. Wichtig: Aspirin® Protect 100 mg eignet sich wegen seiner magensaftresistenten Formulierung nicht zur Behandlung von Schmerzzuständen.
Aspirin® Protect 300 mg beugt genau wie Aspirin® Protect 100 mg der Entstehung von Blutgerinnseln vor. Der Unterschied ist die höhere Dosierung von Acetylsalicylsäure. Aspirin® Protect 300 mg wird zur Vorbeugung eines weiteren Herzinfarktes nach erstem Herzinfarkt angewandt. Nehmen Sie hierfür täglich eine der magensaftresistenten Tabletten unzerkaut und vor den Mahlzeiten mit reichlich Flüssigkeit ein. Aspirin® Protect 300 mg eignet sich zur Langzeitbehandlung. Da die Lebensdauer eines Blutplättchens auf acht bis zehn Tage beschränkt ist und ständig neue gebildet werden, ist es wichtig, Aspirin® Protect 300 mg jeden Tag und auf Dauer einzunehmen.
Wer profitiert von einer regelmäßigen ASS-Einnahme?
Von einer langfristigen, regelmäßigen ASS-Einnahme profitieren Menschen, die bereits einen Herzinfarkt oder ischämischen (durch Durchblutungsstörungen) ausgelösten Schlaganfall in der Vergangenheit erlitten haben. Auch bei der koronaren Herzkrankheit mit fortschreitender Brustenge (instabiler Angina pectoris) verordnen Kardiologinnen und Kardiologen ASS - in der Regel in einer Dosierung von 100 mg einmal täglich. Der Wirkstoff kommt in dieser niedrigen Dosierung ebenfalls zum Einsatz, falls ein Blutgefäß geweitet und mit einem Metallgitter (Stent) stabilisiert worden ist. Falls erforderlich, wird ASS für eine gewisse Zeit (meist 6-12 Monate) noch mit einem weiteren Wirkstoff kombiniert, etwa Clopidogrel.
Auch Personen ohne Herzinfarkt oder koronarer Herzerkrankung profitieren vermutlich von einer prophylaktischen ASS-Einnahme. Das gilt aber nur wenn ihr Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden, über 20 Prozent liegt. Der Wert erscheint auf den ersten Blick zwar willkürlich, berücksichtigt aber, dass jedes Arzneimittel auch Nebenwirkungen hat - hier vor allem Blutungsrisiken. Das Herzrisiko lässt sich anhand von speziellen Programmen zur Risikoabschätzung, dem PROCAM- oder CARRISMA-Score, ermitteln.
In den USA hat ein Expertengremium im Jahr 2022 seine Empfehlung ebenfalls eng gesteckt: Danach sollten nur 40-59-Jährige mit einem mindestens zehnprozentigen Risiko, in den nächsten zehn Jahren eine atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln, ASS vorbeugend einnehmen. Ab 60 Jahren, so die Einschätzung der Experten, sei das Verhältnis von Nutzen zu Risiken zu ungünstig - zumindest, um mit dieser Form des Herzschutzes zu beginnen. Wer aber schon vorher ASS niedrigdosiert eingenommen habe, könne das auch bis etwa zum 75. Lebensjahr fortsetzen.
Nicht jede Person profitiert somit von ASS. Wer keine Vorerkrankungen und kein erhöhtes Risiko hat, Blutgerinnsel zu entwickeln, sollte nicht vorbeugend zu ASS greifen. Denn damit erhöht sich die Gefahr eventueller Nebenwirkungen, die unter ASS auftreten können, bei einem vergleichsweise geringen Nutzen. Das ist nur bei schweren Eingriffen erforderlich.
Genetische Faktoren beeinflussen die Wirkung von Aspirin
Nach einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt wird den Patienten oft Aspirin verordnet, um einem erneuten Gefäßverschluss entgegenzuwirken. Ob die Gabe des Blutverdünners auch in der Primärprävention sinnvoll ist - also bei Menschen, die noch kein kardiovaskuläres Ereignis erlitten haben - ist dagegen umstritten. Mediziner haben nun einen genetischen Risikofaktor identifiziert, der mit darüber entscheidet, ob Aspirin als vorbeugender Gefäßschutz wirksam ist - oder ob es sogar schaden kann.
Die Forschungsarbeit, die einen möglichen Weg zu einer individualisierten und damit effizienteren Herz-Kreislauf-Prävention aufzeigt, wurde nun mit dem Präventionspreis der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ausgezeichnet. Mittlerweile sind einige genetische Faktoren bekannt, die das Risiko für eine Atherosklerose, für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen können.
Einen dieser Faktoren, eine als rs7692387 bezeichnete genetische Variante im Erbgut, konnte der diesjährige Preisträger bereits in früheren Studien charakterisieren und seine Funktion im zellulären Geschehen genau beleuchten. Wie er herausfand, liegt rs7692387 nicht in einem kodierenden Abschnitt des Erbguts, beeinflusst also nicht direkt den Aufbau oder die Funktion eines Proteins. Vielmehr handelt es sich um eine so genannte Enhancer-Region, die die Expression anderer Gene beeinflusst.
Die von Keßler und seinen Kollegen identifizierte Risikovariante führt über mehrere Zwischenschritte letztlich dazu, dass gefäßschützende Reaktionen nur abgeschwächt ablaufen. Unter anderem fällt die durch Stickstoffmonoxid vermittelte Hemmung der Blutgerinnung deutlich geringer aus, sodass Thrombozyten (also die Blutplättchen) sich leichter zu Blutpfropfen zusammenlagern.
Diese Beobachtung führte Keßler und seine Kollegen zu der Frage, ob Träger der Risikovariante - das sind in Westeuropa immerhin 63 Prozent der Menschen - womöglich von einer Primärprävention mit Aspirin profitieren, das bekanntermaßen die Thrombozytenaggregation hemmt. Für die Allgemeinbevölkerung hatten mehrere große Studien einen solchen Nutzen von Aspirin bislang nicht belegen können.
In Kooperation mit Wissenschaftlern der Harvard Medical School in Boston unterzogen die Münchener Mediziner zwei dieser Studien - die Women´s Health Study und die Physicians`Health Study - einer erneuten Analyse, wobei sie Träger der Risikovariante und Teilnehmer mit der Nichtrisikovariante gesondert betrachteten. In der Tat zeigte die getrennte Auswertung, dass Menschen mit der Risikovariante von rs7692387 deutlich von der Aspirineinnahme profitierten; ihr Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse sank um 21 Prozent. Interessanterweise zeigte sich bei den Trägern der Nichtrisikovariante sogar der gegenteilige Effekt: Ihr Risiko stieg um 39 Prozent an.
Die Kenntnis solcher genetischen Varianten ist ein wichtiger Baustein für die individuell zugeschnittene Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die nun ausgezeichnete Arbeit mache deutlich, dass präventive - ebenso wie kurative - Ansätze nicht für alle Patienten gleich sinnvoll seien.
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