Die Frage, ob Aspirin nach einem Schlaganfall oder zur Vorbeugung eingenommen werden sollte, ist komplex und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Studienlage und gibt einen Überblick über Nutzen und Risiken der Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS), besser bekannt als Aspirin.
Aspirin nach einem Schlaganfall: Sekundärprävention
Aspirin hat einen festen Platz in der Therapie nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt. Es gibt genügend wissenschaftliche Belege, dass ASS zur Sekundärprophylaxe (d.h. zum Schutz vor einem weiteren Hirninfarkt) eine gute Wirkung zeigt und das Risiko eines erneuten Hirninfarktes relevant reduziert. Wer bereits einen Herzinfarkt oder ischämischen (durch Durchblutungsstörungen) ausgelösten Schlaganfall in der Vergangenheit erlitten hat, profitiert von einer langfristigen, regelmäßigen ASS-Einnahme. Auch bei der koronaren Herzkrankheit mit fortschreitender Brustenge (instabiler Angina pectoris) verordnen Kardiologen ASS - in der Regel in einer Dosierung von 100 mg einmal täglich. Der Wirkstoff kommt in dieser niedrigen Dosierung ebenfalls zum Einsatz, falls ein Blutgefäß geweitet und mit einem Metallgitter (Stent) stabilisiert worden ist. Falls erforderlich, wird ASS für eine gewisse Zeit (meist 6-12 Monate) noch mit einem weiteren Wirkstoff kombiniert, etwa Clopidogrel.
Die Bedeutung der sofortigen Einnahme nach Warnzeichen
Ein europäisches Forscherteam fand heraus, dass Aspirin nach einem leichten Schlaganfall das Risiko einer weiteren, heftigeren Attacke minimieren kann. Die Tablette muss aber unmittelbar nach den ersten Warnzeichen eingenommen werden. Die sofortige Einnahme von Aspirin nach den ersten Anzeichen oder einem ersten leichten Schlaganfall kann das Risiko eines weiteren, ernsten Schlaganfalls innerhalb der nächsten Tage minimieren. Die Gefahr unmittelbar einen Schlaganfall zu erleiden ist sehr hoch, sobald sich die ersten Vorboten zeigen. Allerdings nur in den ersten Tagen. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass das Medikament nach einem leichten Schlaganfall oder den ersten Warnzeichen das Risiko und den Schweregrad weiterer Attacken reduzieren kann. Es senkt das Risiko gerade in den ersten Tagen und Wochen um 70 bis 80 Prozent. Sie empfehlen daher, dass Betroffene mit ersten Warnzeichen, eine Dosis von 300 Milligramm Aspirin einnehmen.
Aspirin Protect: Unterschiede in Dosierung und Anwendung
Aspirin ist in verschiedenen Dosierungen erhältlich. Aspirin® Protect 100 mg und 300 mg enthalten den Wirkstoff Acetylsalicylsäure. Aspirin® Protect 100 mg sollte stets vor den Mahlzeiten unzerkaut und mit reichlich Flüssigkeit, etwa einem Glas Wasser, eingenommen werden. Generell ist das Medikament zur Langzeitbehandlung geeignet. Bitte beachten Sie, dass Sie Aspirin® Protect 100 mg täglich und auf Dauer einnehmen sollten. Zudem ist es wichtig, dass Sie Arzneimittel niemals in Eigenregie absetzen oder zu einer anderen Dosierung wechseln - dies muss der Arzt mit Ihnen gemeinsam entscheiden. Wichtig: Aspirin® Protect 100 mg eignet sich wegen seiner magensaftresistenten Formulierung nicht zur Behandlung von Schmerzzuständen. Aspirin® Protect 300 mg beugt genau wie Aspirin® Protect 100 mg der Entstehung von Blutgerinnseln vor. Der Unterschied ist die höhere Dosierung von Acetylsalicylsäure. Aspirin® Protect 300 mg wird zur Vorbeugung eines weiteren Herzinfarktes nach erstem Herzinfarkt angewandt. Nehmen Sie hierfür täglich eine der magensaftresistenten Tabletten unzerkaut und vor den Mahlzeiten mit reichlich Flüssigkeit ein. Aspirin® Protect 300 mg eignet sich zur Langzeitbehandlung. Da die Lebensdauer eines Blutplättchens auf acht bis zehn Tage beschränkt ist und ständig neue gebildet werden, ist es wichtig, Aspirin® Protect 300 mg jeden Tag und auf Dauer einzunehmen.
Aspirin zur Schlaganfall-Prävention: Primärprävention
Die Frage, ob Aspirin zur Vorbeugung eines ersten Schlaganfalls eingenommen werden sollte, ist umstritten. Es gibt mittlerweile genug wissenschaftliche Studien, die keinen Nutzen von ASS in der sogenannten Primärprävention nachweisen konnten. Vielmehr schadet Aspirin oftmals, wenn es ohne klare Notwendigkeit eingesetzt wird, da es das Blutungsrisiko erhöht. Eine aktuelle Studie hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ältere Menschen, die an sich ein höheres Schlaganfallrisiko haben, von niedrigdosierten Aspirin profitieren. Für die Studie wurden fast 20.000 Studienteilnehmer über mehrere Jahre beobachtet. Dabei hat die eine Hälfte täglich Aspirin 100 mg erhalten, die andere Hälfte hatte keine Medikation. Auch in dieser Studie waren die Ergebnisse eindeutig. Das Schlaganfallrisiko war etwas niedriger in der Aspirin-Gruppe (-11%), wobei das als nicht relevant eingestuft wurde. Das Risiko für Hirnblutungen war aber deutlich erhöht (+38%). Aspirin / ASS sollte nicht zur Vorbeugung eines Schlaganfalls eingenommen werden, wenn nicht entsprechende Risikofaktoren vorliegen.
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Genetische Faktoren beeinflussen die Wirksamkeit
Mediziner um den DZHK-Wissenschaftler PD Dr. med. Thorsten Keßler vom Deutschen Herzzentrum München haben einen genetischen Risikofaktor identifiziert, der mit darüber entscheidet, ob Aspirin als vorbeugender Gefäßschutz wirksam ist - oder ob es sogar schaden kann. Die von Keßler und seinen Kollegen identifizierte Risikovariante führt über mehrere Zwischenschritte letztlich dazu, dass gefäßschützende Reaktionen nur abgeschwächt ablaufen. Unter anderem fällt die durch Stickstoffmonoxid vermittelte Hemmung der Blutgerinnung deutlich geringer aus, sodass Thrombozyten (also die Blutplättchen) sich leichter zu Blutpfropfen zusammenlagern.
Die getrennte Auswertung zeigte, dass Menschen mit der Risikovariante von rs7692387 deutlich von der Aspirineinnahme profitierten; ihr Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse sank um 21 Prozent. Interessanterweise zeigte sich bei den Trägern der Nichtrisikovariante sogar der gegenteilige Effekt: Ihr Risiko stieg um 39 Prozent an.
Risikoabschätzung und individuelle Entscheidung
Auch Personen ohne Herzinfarkt oder koronarer Herzerkrankung profitieren vermutlich von einer prophylaktischen ASS-Einnahme. Das gilt aber nur wenn ihr Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden, über 20 Prozent liegt. Das Herzrisiko lässt sich anhand von speziellen Programmen zur Risikoabschätzung, dem PROCAM- oder CARRISMA-Score, ermitteln. Ab 60 Jahren, so die Einschätzung der Experten, sei das Verhältnis von Nutzen zu Risiken zu ungünstig - zumindest, um mit dieser Form des Herzschutzes zu beginnen. Wer aber schon vorher ASS niedrigdosiert eingenommen habe, könne das auch bis etwa zum 75. Lebensjahr fortfahren.
Alternativen zu Aspirin: Apixaban bei unklarem Schlaganfall
Wie die optimale Therapie nach einem Schlaganfall mit unbekannter Ursache zur Vermeidung eines erneuten Schlaganfalls aussieht, ist bisher unklar. Leitlinien empfehlen in der Nachbehandlung Acetylsalicylsäure (ASS), bekannt als Aspirin. Eine Studie des Universitätsklinikums Tübingen hat untersucht, ob der Blutverdünner Apixaban bei Patientinnen und Patienten mit einem zusätzlichen Risiko für Blutgerinnselbildung im Herzen besser zur Vermeidung eines erneuten Schlaganfalls geeignet sein könnte. Zwar zeigte Apixaban gegenüber ASS keine besseren Behandlungserfolge. Im Ergebnis zeigte Apixaban gegenüber ASS keine besseren Behandlungserfolge. Trotz des formal neutralen Ergebnisses brachte die Studie laut Studienleiter Dr. Sven Poli, Professor an der Neurologischen Universitätsklinik, wichtige Erkenntnisse über den Zusammenhang von Risikofaktoren und dem Auftreten von Vorhofflimmern bei Patientinnen und Patienten mit ungeklärtem Schlaganfall.
Weitere Aspekte und Risiken
Nebenwirkungen und Wechselwirkungen
Wer täglich Aspirin schluckt und es gut verträgt, vergisst leicht, dass es auch in niedriger Dosis mit anderen Medikamenten kollidiert. Etwa, wenn jemand Mini-ASS fürs Herz und Ibuprofen gegen akute Gelenkschmerzen einnimmt. Beide Wirkstoffe docken an denselben Rezeptoren an, dürfen daher nur mit großem Zeitabstand eingenommen werden.
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Vorbeugendes Aspirin nicht eigenmächtig absetzen
Eine neue Studie der Universität Upsala hat nämlich festgestellt, dass Menschen, die schon einmal einen Herzinfarkt hatten, ein hohes Risiko für einen weiteren Infarkt haben, wenn sie das niedrig dosierte ASS absetzen. Das tun immerhin bis zu 20 Prozent der Patienten in den Jahren nach dem Herzereignis, andere nehmen das „Kardio-ASS“ nur sporadisch. Dadurch steigt die Gefahr eines weiteren Infarkts oder Schlaganfalls um fast 40 Prozent. Bei geplanten Operationen werden Patienten oft aufgefordert, ASS eine Woche vor dem Termin abzusetzen, um die Blutgerinnung nicht zu gefährden. Viele tun es ohne Rücksprache mit dem Arzt. Dadurch kann bei einigen Menschen, die Gefahr eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls um bis zu 60 Prozent steigen.
Aspirin und Krebsprävention
Die potenzielle Krebsprävention haben verschiedene Studien der letzten Jahre nahegelegt. Zuletzt stellte eine Studie der Harvard-Universität fest, dass nach mindestens sechs Jahren ASS-Konsum ein leicht rückläufiges Darmkrebs-Risiko feststellbar ist. Dafür würde sprechen, dass Entzündungen Krebs fördern, und niedrig dosiertes ASS eine starke antientzündliche Wirkung hat.
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