Quetiapin bei Morbus Parkinson: Wirkung und Anwendung bei Delir

Das Delir stellt im klinischen Alltag eine erhebliche Herausforderung dar, insbesondere bei Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom (IPS). Da dopaminantagonistisch wirkende Neuroleptika bei IPS-Patienten kontraindiziert sind, sind die therapeutischen Optionen begrenzt. Quetiapin stellt eine mögliche Behandlungsoption dar, obwohl die Evidenzlage zur Wirksamkeit bei IPS-Patienten mit Delir unzureichend ist.

Was ist ein Delir?

Das Delir wird im International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems 10 (ICD-10) bzw. Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders 5 (DSM-5) als akute und transiente Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsstörung mit begleitender Störung des Gedächtnisses, der Orientierung, der Sprache und der Auffassung beschrieben. Ein fluktuierender Verlauf ist ebenfalls charakteristisch. Weitere Symptome können Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Halluzinationen, Illusionen, Wahnvorstellungen und psychomotorische Unruhe sein. Es gibt zwei klinische Prägnanztypen: die hyperaktive und die hypoaktive Form.

Morbus Parkinson und Delir

Das IPS hat eine Prävalenz von 200 pro 100.000 Einwohner mit altersassoziiert zunehmender Inzidenz. Ein erheblicher Teil der Patienten mit IPS entwickelt eine Parkinson-Demenz, und die Prävalenz psychotischer Symptome ist ebenfalls hoch. IPS-Patienten haben während eines stationären Aufenthalts ein erhöhtes Risiko, ein Delir zu erleiden.

Risikofaktoren für ein Delir

Es gibt prädisponierende und präzipitierende Risikofaktoren für das Delir. Zu den prädisponierenden Faktoren gehören ein höheres Lebensalter und kognitive Störungen. Als Auslöser kommen unter anderem Infekte, metabolische Störungen und Schmerzen in Betracht. Längere Krankenhausaufenthalte, operative Eingriffe und liegende Zugänge erhöhen ebenfalls das Risiko. Die Parkinson-Erkrankung selbst ist als eigenständiger Risikofaktor zu betrachten.

Diagnose des Delirs bei IPS

Die Diagnose eines Delirs bei IPS erfordert die Abgrenzung von IPS-immanenten Symptomen und der deliranten Symptomatik. Dies umfasst motorische Symptome wie Hypokinese und nichtmotorische Symptome wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Apathie, Bewegungsunruhe und Insomnie. Die Detektion des Delirs ist eine multiprofessionelle Aufgabe, und ein Delirscreening sollte standardmäßig durchgeführt werden. Bewertungsskalen wie die Nurse Delirium Screening Scale (Nu-Desc) oder die Delirium Observation Scale (DOS‑S) können verwendet werden, aber keine ist bisher für IPS-Patienten validiert.

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Prävention und Therapie des Delirs bei IPS

Die Prävention eines Delirs bei Patienten mit erhöhtem Delirrisiko durch nichtmedikamentöse Verfahren ist gut untersucht. Diese umfasst Reorientierungsmaßnahmen, die Einhaltung des Tag-Nacht-Rhythmus, die Benutzung von Hilfsmitteln, die frühzeitige Mobilisierung, die ausreichende Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr und eine ruhige Umgebung. Ein speziell entwickeltes Programm zur Delirprävention von IPS-Patienten existiert bislang nicht.

Medikamentöse Therapie

Medikamentöse Therapieoptionen umfassen die Behandlung potenziell ein Delir verursachender Faktoren, wie akute Infektionen, Schmerzen oder metabolische Störungen. Die bestehende medikamentöse Therapie sollte kritisch evaluiert werden, um prodelirogene Medikamente zu identifizieren und nach Möglichkeit abzusetzen. Ein Stufenschema zur Anpassung der Medikation im Fall eines drohenden oder manifesten Delirs bei IPS-Patienten kann hilfreich sein.

Quetiapin als Therapieoption

Neuroleptika werden häufig zur Delirbehandlung eingesetzt. Die gängigen Antipsychotika Haloperidol, Risperidon, Olanzapin und Aripiprazol sollten jedoch bei IPS-Patienten aufgrund ihrer antidopaminergen Eigenschaften nicht angewandt werden. Clozapin wird effektiv bei Halluzinationen im Rahmen eines IPS eingesetzt, birgt aber aufgrund seines anticholinergen Effekts auch das Risiko einer Zunahme der Verwirrtheit und von Orientierungsstörungen bei deliranten IPS-Patienten.

Quetiapin stellt eine weitere therapeutische Option dar, ohne dass ein Agranulozytosescreening wie bei Clozapin erfolgen muss. Allerdings besteht für die Wirksamkeit von Quetiapin auf psychotische Symptome bei IPS eine unzureichende Evidenzlage und es fehlen Studien zur Wirksamkeit beim Delir im Rahmen des IPS. Sowohl bei Clozapin als auch bei Quetiapin sollte die Dosierung bei Patienten mit IPS und Delir deutlich niedriger gewählt werden als bei anderen psychotischen Syndromen.

Antipsychotika im Allgemeinen

Antipsychotika (AP) werden bei weitaus mehr Indikationen eingesetzt als nur bei Psychosen, beispielsweise bei Schlafstörungen, Unruhezuständen, Delir, Demenz und affektiven oder organisch wahnhaften Erkrankungen. Der Einsatz von Psychopharmaka bei älteren Menschen ist jedoch mit Risiken verbunden. Ob Risiko oder Nutzen überwiegen, hängt von Indikation und patientenindividuellen Faktoren ab.

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Antipsychotika bei Schizophrenie

Bei Menschen mit Schizophrenie oder Psychosen profitieren von einer Therapie mit Antipsychotika, vor allem von Depotpräparaten. Bei Behandlung der Schizophrenie mit Antipsychotika sinkt die Mortalität deutlich. Die Herausforderung in der Pharmakotherapie besteht darin, den Mangel und gleichzeitig den Überschuss an Dopamin auszugleichen. Am besten gelingt dies mit Antipsychotika der dritten Generation wie Aripiprazol und Cariprazin.

Antipsychotika bei organisch wahnhaften Störungen

Das Hauptmerkmal der organisch wahnhaften Störung sind Verfolgungswahn, Wahn körperlicher Veränderung, Eifersuchts- oder Krankheitswahn - immer bei ungestörtem Bewusstsein und Gedächtnis (Unterschied zum Delir). Die medikamentöse Behandlung steht im Vordergrund, symptomorientiert mit sehr D2-affinen Antipsychotika wie Risperidon, Amisulprid, Aripiprazol und Cariprazin.

Antipsychotika bei Delir

Ein Delir ist definiert als akut auftretendes und fluktuierendes Krankheitsbild mit Desorientierung, Aufmerksamkeitsstörung, formalen Denkstörungen, psychomotorischer Unruhe oder Apathie sowie häufigen Tag-Nacht-Rhythmusstörungen. Präventive Maßnahmen sind Frühmobilisation und Hilfen zur Reorientierung, optimierte Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr, Schlafverbesserung, adäquate Schmerztherapie und die Vermeidung einer Polypharmazie. Die medikamentöse Therapie erfolgt zeitlich limitiert und symptomorientiert. Die S1-Leitlinie »Delir und Verwirrtheitszustände inklusive Alkoholentzugsdelir« empfiehlt explizit den Verzicht auf Promethazin und Levomepromazin, die stark anticholinerg sind. Bei Patienten mit Morbus Parkinson und atypischen Parkinson-Syndromen kommen Clozapin und Quetiapin (off Label) in Betracht, da diese eine geringere Affinität zum Dopaminrezeptor und somit ein deutlich geringes Risiko für extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen haben.

Antipsychotika bei Demenz

Bei an Demenz erkrankten Menschen werden Antipsychotika zur Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten, Agitation und Halluzinationen eingesetzt. Wichtig bei der Abwägung einer antipsychotischen Therapie ist, ob der Betroffene einen Leidensdruck hat. Nicht medikamentöse Maßnahmen sind zwar vorzuziehen, doch nicht immer möglich. Antipsychotika erhöhen das Mortalitätsrisiko bei Menschen mit Demenz.

Interaktionen von Medikamenten bei Morbus Parkinson

Bei der Behandlung von Morbus Parkinson ist es wichtig, die Wechselwirkungen zwischen Medikamenten zu berücksichtigen. Kombiniert man zwei oder mehr Medikamente miteinander, so kann es durch gegenseitige Beeinflussung zu einer verstärkten Wirkung bis hin zur Vergiftung oder zu einer Wirkungsabschwächung bis hin zum völligen Wirkverlust kommen. Auch Nahrungs- und Genussmittel können die Aufnahme eines Medikamentes, seinen Weg durch den Körper und/oder seine Ausscheidung verändern.

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Pharmakokinetische und pharmakodynamische Interaktionen

Man unterscheidet pharmakokinetische von pharmakodynamischen Interaktionen. Die Pharmakokinetik untersucht, welchen Weg ein Wirkstoff von der Aufnahme bis zu seiner Ausscheidung durch den Körper nimmt und auf welche Weise dieser Weg durch andere Einflüsse verändert werden kann. Die Pharmakodynamik dagegen befasst sich mit der spezifischen Wirkung des Stoffes im Organismus.

Besonderheiten bei Morbus Parkinson

Besonderheiten in diesem Bereich beginnen bei Parkinson-Patienten schon in der Mundhöhle: in den ersten Krankheitsjahren ist es die Mundtrockenheit, in den späteren Phasen der vermehrte Speichelfluss, welcher die Aufnahme von Medikamenten beeinflussen kann. Bei Schluckstörungen sollte der Kopf beim Schlucken leicht nach vorn gebeugt werden (chin-tuck Manöver). Die Einnahme L-Dopa-haltiger Medikamente mit Milch, Molke, Quark und Joghurt ist wegen dem hohen Eiweißgehalt verboten.

Medikamente, die bei Morbus Parkinson vermieden werden sollten

Es verbieten sich bei M. Parkinson Medikamente, welche die Dopamin-Bindungsstellen im Gehirn besetzen und dadurch die Aufnahme von Dopamin einschränken oder verhindern. Neuroleptika sind kontraindiziert mit Ausnahme von Clozapin und Quetiapin.

Weitere Aspekte der Behandlung von Morbus Parkinson

Neben der medikamentösen Therapie gibt es weitere Aspekte, die bei der Behandlung von Morbus Parkinson berücksichtigt werden sollten. Dazu gehören die Berücksichtigung der geriatrischen Multimorbidität, neuropsychiatrische Symptome und die Optimierung der dopaminergen Therapie.

Geriatrische Aspekte

Geriatrische Patientinnen und Patienten werden durch eine geriatrietypische Multimorbidität und ein höheres Lebensalter definiert. Die Prävalenz von Morbus Parkinson nimmt mit dem Alter zu. Mit zunehmender Erkrankungsdauer sind schwerwiegende Beeinträchtigungen durch Nebenwirkungen der Parkinson-Medikation und durch die Erkrankung selbst zu erwarten.

Nicht-motorische Symptome

Beim Morbus Parkinson können neben den motorischen Symptomen in allen Stadien der Erkrankung auch nicht motorische Symptome auftreten, die die Lebensqualität der Patienten teils erheblich beeinträchtigen. Unter ihnen spielen neuropsychiatrische Symptome eine wichtige Rolle. Weit verbreitet sind beispielsweise Tagesmüdigkeit/Fatigue, Angst, Depression und Demenz.

Depression bei Morbus Parkinson

Wenn Parkinson-Patienten depressive Symptome entwickeln, sollte zunächst versucht werden, die dopaminerge Therapie zu optimieren. Bleiben die Beschwerden ohne Zusammenhang mit dem OFF bestehen, sollte ein Antidepressivum eingesetzt werden. Die S3-Leitlinie zur Therapie des Morbus Parkinson empfiehlt trizyklische Antidepressiva sowie Antidepressiva neuerer Generation wie SSRI und Venlafaxin für die Behandlung der Depression bei IPS-Patienten.

Vigilanzstörung und Fatigue bei Morbus Parkinson

Etwa die Hälfte der Parkinson-Patienten hat eine Vigilanzstörung. Auch diese kann nicht nur im fortgeschrittenen Stadium, sondern ebenfalls in der Frühphase auftreten. Ein assoziiertes, ebenfalls sehr häufiges, beim Morbus Parkinson dennoch oft zu wenig berücksichtigtes nicht motorisches Symptom ist die Fatigue. Die wichtigste Ursache der Vigilanzstörung ist die Parkinson-Krankheit an sich. Die Parkinson-Therapie verstärkt diesen Effekt, wobei es hier Unterschiede gibt.

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