Quetiapin bei Parkinson-Krankheit: Ein umfassender Überblick

Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die sich nicht nur durch motorische Symptome wie Tremor, Rigor, Akinese und posturale Instabilität auszeichnet, sondern auch durch eine Vielzahl nicht-motorischer Symptome. Diese nicht-motorischen Symptome, zu denen neuropsychiatrische Störungen, autonome Dysfunktion, Schlafstörungen, Schmerzen und sensorische Beeinträchtigungen gehören, können die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen.

Nicht-motorische Symptome bei Morbus Parkinson

Die PRIAMO-Studie zeigte, dass nicht-motorische Symptome sowohl beim atypischen als auch beim idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) häufig auftreten. Tatsächlich wiesen 98,6 % der einbezogenen Patienten nicht-motorische Symptome auf. Am häufigsten wurden Fatigue (58 %) und Angst (56 %) beobachtet, gefolgt von Beinschmerzen (38 %), Insomnie (37 %), Dranginkontinenz und Nykturie (35 %) sowie Hypersalivation und Konzentrationsprobleme (31 %). Psychiatrische Symptome dominierten die nicht-motorischen Symptome insgesamt (67 %).

Früher ging man davon aus, dass sich nicht-motorische Symptome erst im Verlauf der Parkinson-Erkrankung entwickeln. Heute weiß man jedoch, dass sie bereits zu Beginn, im frühen Stadium und im gesamten weiteren Verlauf auftreten können. Validierte Fragebögen zeigten signifikante Unterschiede zwischen Parkinson-Patienten und der Normalbevölkerung.

Es gibt keine strenge Korrelation zwischen nicht-motorischen und motorischen Symptomen. Ein Patient kann im motorischen ON sein und trotzdem nicht-motorische Störungen wie Angst, Depression, Vigilanzprobleme oder Bradyphrenie haben.

Neuropsychiatrische Symptome im Fokus

Neuropsychiatrische Symptome spielen eine wichtige Rolle bei Morbus Parkinson. In der GEPAD-Studie mit über 1.300 Teilnehmern hatten knapp 65 % der Parkinson-Patienten neuropsychiatrische Symptome. Am häufigsten war Depression (18 %), gefolgt von Demenz (15 %). Kombinationen von Symptomen wie Demenz und Depression (11 %), Demenz und Psychose (9 %), Depression und Psychose (3 %) sowie Demenz, Depression und Psychose (6 %) wurden ebenfalls beobachtet. Insgesamt waren 35 % der Patienten von Depressionen und 41 % von Demenz betroffen.

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Angst

Parkinson-Patienten können generalisierte Angsterkrankungen, Panikattacken und Phobien entwickeln. Die Symptome treten oft bei schwerer erkrankten Patienten auf, können aber auch im Initialstadium vorhanden sein. Angsterkrankungen können familiär gehäuft auftreten und das Risiko für Parkinson erhöhen. Sie haben einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität. Die Therapiemöglichkeiten sind ähnlich wie bei Angstpatienten ohne Parkinson, einschließlich Verhaltenstherapie.

Depression

Wenn Parkinson-Patienten depressive Symptome entwickeln, sollte zunächst die dopaminerge Therapie optimiert werden. Persistieren die Symptome trotz optimaler dopaminerger Therapie im OFF, kann eine Eskalationstherapie hilfreich sein. Bleiben die Beschwerden ohne Zusammenhang mit dem OFF bestehen, sollte ein Antidepressivum eingesetzt werden.

Da für die Behandlung der Depression beim Parkinson-Syndrom wenig spezifische Studien zur Verfügung stehen, muss auf die Daten zur allgemeinen Therapie der Depression zurückgegriffen werden. Trizyklika sind gut untersucht, aber mit Nebenwirkungen und Interaktionen verbunden. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) sind weitere Optionen. Mirtazapin kann einen zusätzlichen schlafanstoßenden Effekt erzielen. Die S3-Leitlinie empfiehlt trizyklische Antidepressiva und Antidepressiva neuerer Generation wie SSRI und Venlafaxin für die Behandlung der Depression bei IPS-Patienten. Auch eine Psychotherapie soll genutzt werden.

Im Rahmen der Optimierung der dopaminergen Therapie könnte der Einsatz eines Dopaminagonisten hilfreich sein. Studien zeigten antidepressive Effekte für Pramipexol und Piribedil.

Vigilanzstörungen und Fatigue

Etwa die Hälfte der Parkinson-Patienten hat eine Vigilanzstörung, die in allen Phasen der Erkrankung auftreten kann. Sie beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich. Ein assoziiertes, häufiges nicht-motorisches Symptom ist die Fatigue.

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Die wichtigste Ursache der Vigilanzstörung ist die Parkinson-Krankheit selbst. Auch die Parkinson-Therapie, vor allem mit Dopaminagonisten, kann diesen Effekt verstärken. Begleitende Schlafstörungen können ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf die Tagesmüdigkeit haben. Geeignete Skalen zur Erfassung der Vigilanz sind ESS, MSLT, PDSS und SCOPA-Sleep.

Dopaminagonisten können zu Vigilanzstörungen beitragen, aber es gibt Unterschiede zwischen den Wirkstoffen bezüglich der Häufigkeit von Schlafattacken und Tagesmüdigkeit. Piribedil hat neben agonistischen Effekten auf D3- und D2-Rezeptoren zusätzliche antagonistische Eigenschaften an alpha-2-noradrenergen Rezeptoren. Studien zeigten, dass die Umstellung von Pramipexol oder Ropinirol auf Piribedil die Vigilanz verbessern kann.

Demenz und kognitive Störungen

Demenz und kognitive Störungen werden seit etwa 20 Jahren als Teil der Parkinson-Erkrankung betrachtet. Studien zeigten, dass im Krankheitsverlauf etwa 80 % der Patienten eine Demenz entwickeln. Die kognitiven Einschränkungen werden durch die Erkrankung selbst und durch Medikamentennebenwirkungen verursacht. ON-OFF-Fluktuationen in der Spätphase der Erkrankung können ebenfalls zu Bradyphrenie führen.

Rivastigmin ist für die symptomatische Behandlung der leichten bis mittelschweren Demenz bei IPS-Patienten zugelassen. Es kann jedoch zu Übelkeit, Erbrechen und Tremor kommen. Um dies zu vermeiden, sollte die Therapie in niedriger Dosis beginnen. Neben der Rivastigmin-Therapie kann eine Optimierung der Parkinson-Therapie sowie der Begleitmedikation erfolgen, indem Anticholinergika und andere Substanzen mit potentiell negativem Einfluss vermieden werden.

Psychosen bei Morbus Parkinson

Halluzinationen, Wahnvorstellungen oder Psychosen sind dosislimitierende Komplikationen bei der medikamentösen Therapie von Morbus Parkinson. Vor allem optische Halluzinationen sind häufig. Als wichtigster Auslöser gilt die medikamentöse Parkinson-Therapie, Demenz ist ein Risikofaktor.

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Therapie von Psychosen

Bei behandlungsbedürftiger Psychose sollten potenziell auslösende Faktoren wie metabolische Probleme oder Infekte ausgeschlossen werden. Nach Absetzen anticholinerger Parkinson-Mittel oder Antidepressiva empfiehlt es sich, die Medikation nötigenfalls bis auf Levodopa zu reduzieren. Wenn diese Maßnahmen versagen und eine antipsychotische Therapie erforderlich wird, kommen nur Neuroleptika in Frage, die möglichst wenig extrapyramidalmotorische Störwirkungen auslösen.

Die beste Evidenz besteht für Clozapin, welches in Leitlinien vorrangig empfohlen wird. Niedrigdosiertes Clozapin verbessert den klinischen Gesamteindruck und verringert die Positivsymptomatik, während sich motorische Funktion und Kognition nicht verschlechtern. In der Praxis wird in dieser Indikation häufig auf Quetiapin ausgewichen.

Quetiapin bei Psychosen

Quetiapin scheint niedrig dosiert die Motorik ebenfalls nicht wesentlich zu beeinträchtigen, wirkt aber nach neueren randomisierten Studien nicht besser als Scheinmedikament.

Antipsychotika und Mortalitätsrisiko bei Demenz

Bei an Demenz erkrankten Menschen werden Antipsychotika zur Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten, Agitation und Halluzinationen eingesetzt. Antipsychotika erhöhen jedoch das Mortalitätsrisiko bei Menschen mit Demenz. Quetiapin scheint am günstigsten zu sein, ist aber nicht zugelassen für diese Indikation.

Demenz bei Parkinson-Krankheit und Demenz mit Lewy-Körperchen

Die Demenz bei der Parkinson-Krankheit (PDD) und die Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) haben viele Gemeinsamkeiten. Im Verlauf beider Erkrankungen kommt es oft zu psychotischen Symptomen, die häufig durch Antiparkinsonika ausgelöst oder verstärkt werden. Bei einer Behandlung dieser Symptomatik mit konventionellen hoch- und niederpotenten Neuroleptika kommt es aber sehr häufig zu schweren Nebenwirkungen. Die am besten untersuchte Alternative ist die Behandlung der psychotischen, wie auch der kognitiven Symptome mit Cholinesterasehemmern, die als anerkannter Standard gelten. Wenn Cholinesterasehemmer aber kontraindiziert sind, nicht vertragen werden oder nicht ausreichend wirken, stellt sich die Frage nach anderen Behandlungsmöglichkeiten. Es gibt Hinweise für eine Wirksamkeit von Quetiapin, das aber für Demenzkranke nicht zugelassen ist.

Unter Berücksichtigung der teilweise sehr unsicheren Datenlage lässt sich folgende vorläufige Empfehlung für die Pharmakotherapie der PDD wie der DLB geben: alle anticholinerge Medikation absetzen, Antiparkinsonika minimieren, am besten Levodopa-Monotherapie, Cholinesterasehemmer in maximaler tolerierter Dosis, bei Bedarf zusätzlich Quetiapin oder, wenn das nicht ausreicht, Clozapin.

Praktische Hinweise zur Medikamenteneinstellung

  • Wirkungsfluktuationen protokollieren: Bei Schwankungen der Medikamentenwirkung kann es hilfreich sein, ein Protokoll zu führen, in dem die Zeiten guter und eingeschränkter Beweglichkeit festgehalten werden.
  • Überbewegungen richtig einschätzen: Betroffene empfinden den sogenannten ON-Zustand oft als angenehmer, selbst wenn starke Überbewegungen auftreten.
  • Frühe Anzeichen für Halluzinationen erkennen: Alle Parkinson-Medikamente können Halluzinationen oder Verwirrtheit auslösen. Erste Warnsignale sind häufig vermehrte Albträume oder Trugwahrnehmungen.
  • Pünktliche Medikamenteneinnahme ist entscheidend: Die meisten Betroffenen erhalten einen genauen Zeitplan für ihre Medikation.
  • Bedarfsmedikation nutzen: Zusätzlich zu den festgelegten Einnahmezeiten haben einige Betroffene eine Bedarfsmedikation für plötzliche OFF-Phasen oder besondere Belastungen.

Medikamenteninduzierter Parkinsonismus

Antipsychotika können einen Dopamin-Mangel entwickeln und Parkinson-Symptome auslösen. Durch Medikamente zu stoppen oder die Dosis zu reduzieren, verschwindet diese Form von Parkinsonismus in der Regel wieder.

Delir bei Morbus Parkinson

Das Delir stellt eine Herausforderung im klinischen Alltag dar. Therapeutische Optionen sind rar, da dopaminantagonistisch wirkende Neuroleptika kontraindiziert sind. Die Prävention eines Delirs durch nichtmedikamentöse Verfahren ist gut untersucht. Die Prävention umfasst Reorientierungsmaßnahmen, die Einhaltung des Tag-Nacht-Rhythmus, die Benutzung von Hilfsmitteln, die frühzeitige Mobilisierung, die ausreichende Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, eine ruhige Umgebung sowie die Vermeidung von Kathetern und Zugängen.

Medikamentöse Therapieoptionen umfassen die Behandlung potenziell ein Delir verursachender Faktoren, wie akute Infektionen, Schmerzen oder metabolische Störungen. Die bestehende medikamentöse Therapie sollte kritisch evaluiert werden, um prodelirogene Medikamente zu identifizieren und nach Möglichkeit abzusetzen.

Quetiapin stellt eine therapeutische Option dar, ohne dass ein Agranulozytosescreening wie bei Clozapin erfolgen muss. Allerdings besteht für die Wirksamkeit von Quetiapin auf psychotische Symptome bei IPS eine unzureichende Evidenzlage und es fehlen Studien zur Wirksamkeit beim Delir im Rahmen des IPS.

Aktuelle Studien und Empfehlungen

Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass Quetiapin und Pimavanserin die Sterblichkeit bei Parkinson-Patienten erhöhen können. Die Kombination von Quetiapin und Pimavanserin sollte vermieden werden.

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