Die neurologische Untersuchung ist ein entscheidender erster Schritt in der Diagnostik von Erkrankungen des Nervensystems. Sie kann sehr aufwendig sein, aber jeder Arzt entwickelt seine eigene Routine, um nichts zu vergessen. Im Rahmen der klinisch-neurologischen Untersuchung werden unter anderem Sensibilität, Motorik und Eigenreflexe überprüft.
Neurologische Notfalluntersuchung
In Notfallsituationen ist eine fokussierte neurologische Untersuchung unerlässlich. Diese sollte immer individuell an die Situation und die klinischen Befunde angepasst und gegebenenfalls erweitert werden. Ein pragmatischer "von Kopf bis Fuß"-Ablauf hat sich bewährt.
Bewusstsein
Die Beurteilung des Bewusstseins erfolgt quantitativ und qualitativ.
Quantitative Beurteilung: GCS und FOUR-Score
Glasgow Coma Scale (GCS): Die GCS ist insbesondere für Schädel-Hirn-Traumata evaluiert. Sie besteht aus drei Komponenten: Augen öffnen, beste verbale Reaktion und beste motorische Reaktion. Die maximale Punktzahl beträgt 15, die minimale 3. Die Dokumentation sollte optimalerweise die Unterkategorien enthalten (z.B. "GCS 9 - A3V2P4") anstatt nur die Summe ("GCS 9 Punkte").
- Augen öffnen (max. 4 Punkte):
- Spontan: 4 Punkte
- Auf Ansprache: 3 Punkte
- Auf Schmerzreiz: 2 Punkte
- Kein: 1 Punkt
- Beste verbale Reaktion (max. 5 Punkte):
- Orientiert: 5 Punkte
- Desorientiert: 4 Punkte
- Einzelne Worte: 3 Punkte
- Sinnlose Laute: 2 Punkte
- Keine: 1 Punkt
- Beste motorische Reaktion (max. 6 Punkte):
- Auf Aufforderung: 6 Punkte
- Auf Schmerzreiz, gezielt: 5 Punkte
- Auf Schmerzreiz, ungezielt: 4 Punkte
- Beugesynergismen: 3 Punkte
- Strecksynergismen: 2 Punkte
- Keine: 1 Punkt
- Augen öffnen (max. 4 Punkte):
FOUR-Score (Full Outline of UnResponsiveness): Der FOUR-Score ist ein alternativer Score zur Beurteilung des Bewusstseins. Er ermöglicht eine breitere Untersuchung als die GCS, insbesondere werden auch Hirnstammreflexe evaluiert. Der FOUR-Score kann auch bei intubierten Patienten angewendet werden. Er besteht aus vier Kategorien (Augen, Motorik (obere Extremität), Hirnstammreflexe, Atemmuster), wobei jede Kategorie 0-4 Punkte erhält. Die maximale Punktzahl beträgt 16, die minimale 0.
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- Augen:
- Augen offen, Blickfolge, Blinzeln auf Kommando: 4 Punkte
- Augen offen, keine Blickfolge: 3 Punkte
- Augen geschlossen, öffnen auf (laute) Ansprache: 2 Punkte
- Augen geschlossen, öffnen auf Schmerzreiz: 1 Punkt
- Augen bleiben geschlossen, auch auf Schmerzreiz: 0 Punkte
- Motorische Reaktion (obere Extremität):
- Reaktion auf Kommando z.B. Daumen hoch, Faust: 4 Punkte
- Lokalisation auf Schmerzreiz: 3 Punkte
- Flexion auf Schmerzreiz: 2 Punkte
- Extension auf Schmerzreiz: 1 Punkt
- Keine Reaktion oder generelle Myoklonien: 0 Punkte
- Hirnstamm-Reflexe:
- Pupillenreaktion und Kornealreflex vorhanden: 4 Punkte
- Eine Pupille weit + lichtstarr: 3 Punkte
- Pupillenreaktion oder Kornealreflex fehlt: 2 Punkte
- Pupillenreaktion und Kornealreflex fehlt: 1 Punkt
- Keine Pupillenreaktion, kein Kornealreflex, kein Hustenreflex: 0 Punkte
- Atemmuster:
- Normales Atemmuster, nicht intubiert: 4 Punkte
- Cheyne-Stokes-Atmung, nicht intubiert: 3 Punkte
- Irreguläre Atmung, nicht intubiert: 2 Punkte
- Intubiert - atmet gegen / höher als Beatmungsgerät: 1 Punkt
- Intubiert - atmet mit Beatmungsgerät / Apnoe: 0 Punkte
- Augen:
Qualitative Beurteilung: Orientierung
Die qualitative Beurteilung des Bewusstseins umfasst die Prüfung der Orientierung zu Zeit, Ort, Situation und Person. Ein Normalbefund wäre beispielsweise eine Orientierung in allen vier Qualitäten.
Sprache und Sprechen
Es gilt, zwischen Sprechstörungen (Dysarthrie) und Sprachstörungen (Aphasie) zu unterscheiden.
- Dysarthrie: Verwaschene Sprache. Um eine Dysarthrie festzustellen, kann man den Patienten einen Satz nachsprechen lassen.
- Aphasie:
- Nicht-flüssige ("Broca") Aphasie: Wortfindungsstörungen
- Flüssige ("Wernicke") Aphasie: Worte ergeben keinen Sinn; eingeschränktes Sprachverständnis
- Globale Aphasie: Kombination aus beiden oben genannten Aphasieformen
Um eine Aphasie festzustellen, kann man den Patienten einen Satz nachsprechen lassen oder allgemeine Gegenstände benennen lassen.
Hirnnerven
Die Untersuchung der Hirnnerven umfasst verschiedene Tests, um ihre Funktion zu überprüfen.
- Nervus olfactorius (I): Der Geruchssinn wird mit bestimmten Duftstoffen getestet. Dazu hält der Arzt neutral gestaltete Röhrchen mit Proben, zum Beispiel von Kaffee, Vanille, Zimt oder Seife, einzeln unter jedes Nasenloch. Der Duftstoff ist dann von einer Leerprobe zu unterscheiden.
- Nervus opticus (II):
- Pupillen und Gesichtsfeld: Pupillenweite und Lichtreagibilität im Seitenvergleich werden geprüft. Das Gesichtsfeld wird fingerperimetrisch untersucht. Eine Pupillendifferenz in Kombination mit Vigilanzminderung oder vegetativer Symptomatik (z.B. Erbrechen) kann auf einen erhöhten Hirndruck hindeuten. Das Sehvermögen kann durch Erkennen von Buchstaben oder Zeichen auf Lesetafeln untersucht werden. Zudem kann der Arzt mit einem Fingertest prüfen, ob das Gesichtsfeld eingeschränkt ist.
- Nervus oculomotorius (III), Nervus trochlearis (IV), Nervus abducens (VI):
- Bulbusstellung und Augenmotilität: Es wird auf Bulbusdivergenz geachtet. Die Motilität wird geprüft, indem der Patient einem Finger folgt. Eine Bulbusdivergenz kann horizontal oder vertikal sein. Ein Herdblick kann ebenfalls beobachtet werden. Die äußeren Augenmuskeln werden mit einem Blickfolgeversuch untersucht. Der Proband wird gebeten, den Kopf ruhig zu halten und dem Finger des Untersuchers nur mit den Augen zu folgen.
- Nervus trigeminus (V): Die Sensibilität des Gesichts wird geprüft, indem die Gesichtshälften bestrichen werden. Ein Normalbefund ist eine normale Gesichtssensibilität.
- Nervus facialis (VII): Die Gesichtssymmetrie wird geprüft, indem der Patient die Zähne zeigt. Es wird auf eine Mundwinkel-Asymmetrie (Seitenvergleich) geachtet. Ein Normalbefund ist eine seitengleiche und unauffällige Mimik. Der Proband wird aufgefordert, seine Wangen aufzublasen, um die Stärke der Gesichtsmuskeln zu demonstrieren. Andere Aufgaben können sein: Augenbrauen hochziehen, Augen fest zusammenkneifen, lächeln.
- Nervus vestibulocochlearis (VIII): Das Gehör wird überprüft. Beim Weber-Test wird dem Probanden eine vibrierende Stimmgabel auf die Stirn (Mittellinie) gesetzt. Eine Schallleitungsstörung würde dazu führen, dass der Proband ein lauteres Geräusch auf der betroffenen Seite wahrnimmt. Bei Schallempfindungsstörungen wäre der Ton auf der betroffenen Seite leiser.
- Nervus glossopharyngeus (IX) und Nervus vagus (X): Die Uvula wird beim Sprechen beobachtet. Der Patient soll einen Ton erzeugen ("Aaaaa") bei geöffnetem Mund, während die Uvula beobachtet wird. Ein Normalbefund ist keine Deviation der Uvula (keine Schluckstörung). Es ist wichtig, die Symmetrie des weichen Gaumens zu beurteilen. Die Uvula sollte in der Mittellinie liegen. Heiserkeit oder ein gestörter Hustenreflex weisen auf eine Schädigung des N. vagus hin.
- Nervus accessorius (XI): Die Schulterkraft wird geprüft, indem der Patient die Schultern gegen Widerstand hebt. Ein Normalbefund ist ein normales Schulterheben gegen Widerstand. Lassen Sie die Person für diesen Test den Kopf gegen Widerstand drehen.
- Nervus hypoglossus (XII): Die Zungenmotorik wird geprüft, indem der Patient die Zunge zeigt. Ein Normalbefund ist eine normale Zungenmotorik. Selten isoliert auffällig, ggf. Hinweise auf spezielle Hirnstammsyndrome. Lassen Sie die Testperson für diesen Test die Zunge herausstrecken und bewegen Sie sie von einer Seite zur anderen. Alternativ: Bitten Sie den Patienten, mit der Zunge von innen gegen die rechte bzw. linke Wange zu drücken und beurteilen Sie durch Gegendrücken die Kraft. Bei Läsionen des N. XII weicht die Zunge zur erkrankten Seite hin ab.
Meningismus
Ein Meningismus wird geprüft, indem der Kopf zum Brustbein bewegt wird. Ein fehlender Meningismus ist der Normalbefund. Bei sonst passender Klinik ist ein Meningismus ein Hinweis auf eine Subarachnoidalblutung (SAB) oder Meningitis.
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Obere Extremität
Die Untersuchung der oberen Extremität umfasst die Prüfung von Kraft, Sensibilität und Koordination.
- Kraft obere Extremität proximal: Der Arm-Vorhalteversuch wird durchgeführt.
- Kraft obere Extremität distal: Die Finger werden gegen Widerstand gespreizt oder alternativ ein Faustschluss durchgeführt. Ein Normalbefund ist eine grobe Kraft der oberen Extremität proximal und distal normal. Die Kraft der interossären Handmuskulatur (C8-Th1) wird geprüft, indem der Proband die Finger des Untersuchers gegen Widerstand zusammenpresst.
- Sensibilität obere Extremität: Die gleichzeitige Berührung im Seitenvergleich wird geprüft. Ein Normalbefund ist eine seitengleiche Sensibilität der oberen Extremität bei Berührung.
- Koordination: Es wird auf Dysdiadochokinese geachtet. Der Patient soll "Glühbirnen eindrehen": Beide Hände gleichzeitig: Rasche, gegenläufig rotatorische Bewegungen. Dysdiadochokinese ist eine Seitendifferenz, Bradydiadochokinese ist eine (beidseits) langsame Bewegung. Es wird auf Dysmetrie und Intentionstremor geachtet. Der Finger-Nase-Versuch wird durchgeführt. Dysmetrie bedeutet, dass der Patient das Ziel "nicht trifft". Intentionstremor ist ein Tremor, der zunimmt, je näher man dem Ziel kommt.
Untere Extremität
Die Untersuchung der unteren Extremität umfasst die Prüfung von Kraft, Sensibilität, Reflexen und Koordination.
- Kraft untere Extremität proximal: Der Bein-Vorhalteversuch wird durchgeführt.
- Kraft untere Extremität distal: Zehen- und Hackengang werden geprüft. Ein Normalbefund ist eine grobe Kraft der unteren Extremität proximal und distal normal. Die Kraft der Dorsalflexion des Fußes (L4) und der Plantarflexion (L5-S1) wird überprüft.
- Sensibilität untere Extremität: Die gleichzeitige Berührung im Seitenvergleich wird geprüft. Ein Normalbefund ist eine seitengleiche Sensibilität der unteren Extremität bei Berührung.
- Babinski-Reflex: Es erfolgt ein festes Streichen an der Außenseite der Fußsohle im Seitenvergleich. Ein negativer Babinski-Reflex ist der Normalbefund. Dorsalextension der Großzehe und Abspreizen der anderen Zehen deuten auf eine Läsion der Pyramidenbahn hin.
- Romberg-Test: Die Standsicherheit wird geprüft, indem der Patient Fuß an Fuß zunächst mit offenen, dann mit geschlossenen Augen steht. Ein negativer Romberg-Test ist der Normalbefund. Verstärkte Unsicherheit bei geschlossenen Augen deutet auf eine sensorische Störung hin (z.B. M. Menière, chronische Polyneuropathie) und spricht eher gegen einen Kleinhirninfarkt.
Spezifische Leitsymptome
Je nach Leitsymptom ist eine fokussierte neurologische Untersuchung erforderlich.
Rückenschmerz
- Inspektion im Bereich der Schmerzen (Rötung? Schwellung? Druckschmerz?)
- Exakte und differenzierte Prüfung der peripheren Motorik
- Bei HWS-Schmerzen: aller Extremitäten im Seitenvergleich
- Bei LWS-Schmerzen: der unteren Extremitäten im Seitenvergleich
- Sensibilitätsprüfung mittels gleichzeitigen Bestreichens in etwa der sensiblen Dermatome (CAVE: sensibler Querschnitt oder Reithosenanästhesie)
- Prüfung der peripheren Reflexe (insb. Patella- und Achillessehnenreflex) im Seitenvergleich
Kopfschmerz
- Allgemeine neurologische Untersuchung (s. oben) je nach begleitenden Symptomen, zumindest jedoch:
- Prüfung Meningismus
- Untersuchung Hirnnerven
Bewusstseinsstörung
- Allgemeine neurologische Untersuchung (s.o.), soweit es die jeweilige Vigilanz erlaubt
- Quantifizierung der Bewusstseinsstörung (GCS, ggf. FOUR-Score)
- Prüfung Meningismus (im Koma meist nicht mehr vorhanden, sonst Hinweis z.B. auf SAB/Meningitis)
- Pupillen (Weite, Seitendifferenzierung, Reaktion auf Lichtreiz) und Bulbi (Stellung? Herdblick?)
- Periphere Sensomotorik bei Schmerzreiz (Seitendifferenz?)
- Babinski-Reflex als Hinweis auf strukturelle Läsion der Pyramidenbahn
Untersuchungstechniken bei Schwindel
Die HINTS-Untersuchung (Head Impulse, Nystagmus, Test of Skew) ist eine wichtige Untersuchungstechnik bei Schwindel.
- Kopfimpulstest ("Halmagyi"): Der Kopf wird ruckartig nach links und rechts gedreht. Der Patient soll den Untersucher fixieren. Die Bewegung sollte für den Patienten nicht immer vorhersehbar sein. Ca 20° zur Seite, dann rasch zur Mitte, zwischen langsam und schnell und Seiten wechseln.
- Normalbefund: Automatisches, rasches Fixieren des Untersuchers. Bei Schwindel: Hinweis auf zentrale (!) Genese (z.B. Kleinhirninfarkt)
- Pathologischer Befund: Augen drehen mit Kopfbewegung mit, Patient muss aktiv nachjustieren/zeigt Sakkaden. Bei Schwindel: Hinweis auf peripher-vestibuläre Genese (z.B. Neuritis vestibularis)
- Nystagmus: Optimalerweise mit Frenzelbrille untersucht; alternativ soll Patient versuchen, „in die Ferne“ oder durch ein vorgehaltenes weißes Blatt Papier zu blicken.
- Einseitiger, horizontaler (spontaner) Nystagmus: Hinweis auf periphere Genese (z.B. Neuritis vestibularis)
- Richtungswechselnder und/oder vertikaler Spontan-Nystagmus: Hinweis auf zentrale Genese (z.B. Kleinhirninfarkt)
- Tipp: Minimaler „Endstellnystagmus“ bei extrem lateralem Blick in beide Richtungen ist normal!
- Test of Skew (Test auf Bulbusdeviation): Alternierendes Abdecken eines Auges, Patient sieht gerade aus.
- Vertikaler Positionswechsel der Bulbi (ein Auge blickt etwas mehr nach oben/unten): V.a. zentrale Genese (z.B. Kleinhirninfarkt)
Weitere Bestandteile der neurologischen Untersuchung
Neben den oben genannten Aspekten umfasst die neurologische Untersuchung auch die Prüfung von:
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- Bewegung und Koordination: Der Arzt lässt den Patienten einige Male durch den Raum laufen, auch im „Gänsefüßchenschritt“, rückwärts und mit geschlossenen Augen. Beidseitiges Händeschütteln und das Anheben-Lassen der Beine im Liegen gegen Widerstand decken Seitenunterschiede der Muskelkraft und damit leichte Lähmungen auf. Stehen und Auf-der-Stelle-Gehen mit geschlossenen Augen, das Berühren der Nasenspitze mit dem Zeigefinger oder im Liegen das Berühren des Knies mit der Ferse des anderen Fußes (beides ebenfalls mit geschlossenen Augen) sind einfache, aber aussagekräftige Koordinationstests.
- Empfinden (Sensibilität): Auch die Fähigkeit, verschiedene Reize aufzunehmen und zu erkennen, wird im Rahmen der neurologischen Untersuchung geprüft. Getestet wird das Berührungsempfinden (leichtes Berühren der Haut, Zahlen-Schreiben auf die Haut), das Schmerzempfinden (z. B. durch Kneifen), das Temperaturempfinden (etwa indem Röhrchen mit kaltem und warmem Wasser an die Haut gehalten werden) und der Tiefensinn, etwa durch Aufsetzen einer angeschlagenen Stimmgabel auf Knochen.
Die Reflexprüfung im Detail
Die Reflexprüfung ist ein wohlbekannter Bestandteil der neurologischen Untersuchung. Sie umfasst die Prüfung der Eigen- und Fremdreflexe.
Muskeleigenreflexe
Bei der Prüfung der Muskeleigenreflexe wird ein Muskel durch Schlag auf seine Sehne mit einem kleinen Hämmerchen gedehnt. Als Reaktion folgt eine kurze Muskelzuckung. Zu den wichtigsten Muskeleigenreflexen gehören:
- Bizepssehnenreflex (BSR):
- Synonym: Bizeps-brachii-Reflex
- Wurzel: C5/C6
- Schlag auf den auf die Bizeps sehne gelegten Daumen bei angewinkeltem Arm
- Effekt: Armbeugung
- Radiusperiostreflex (RPR):
- Synonym: Brachioradialisreflex
- Wurzel: C5/C6
- Schlag auf den distalen medialen Radius (oder aufgelegte Finger) bei angewinkeltem Arm
- Effekt: Armbeugung
- Trizepssehnenreflex:
- Synonym: Triceps-brachii-Reflex:
- Wurzel: C7
- Schlag auf die Triceps brachii Sehne knapp oberhalb des Olecranons bei angewinkeltem Arm
- Effekt: Armstreckung
- Adduktorenreflex:
- Wurzel: L2-L4
- Schlag auf die auf die Adduktorenmuskel im distalen Oberschenkel gelegten Finger (bzw. Daumen am gegenüberliegenden Bein)
- Effekt: Spür- oder sichtbare Muskelkontraktion
- Gekreuzter Adduktorenreflex: Mitbewegung auf Gegenseite. Bei starker gegensetiger Reflexantwort V.a. Pyramidenbahnläsion
- Patellarsehenreflex:
- Wurzel: L2-4
- Schlag auf die Patella-Sehne unterhalb der Kniescheibe bei gebeugtem Kniegelenk im Sitzen oder durch passives Anheben im Liegen
- Bei lebhaften Reflexen Versuch der Reflexauslösung entlang der Tibiakante (verbreiterte Reflexzone 1-3/3)
- Patellarsehnenklonus: Im Liegen durchführen. Rasches Schieben der Kniescheibe nach distal. Effekt: erschöpflicher/unerschöpflicher Klonus
- Tibialis-posterior-Reflex:
- Wurzel: L5
- Schlag auf die Tibialis posterior Sehne hinter und oberhalb des Innenknöchels
- Fuß wird dabei mit anderer Hand leicht proniert
- Effekt: Supinationsbewegung des Fußes
- Reflex selten erhältlich, nur bei Seitendifferenz zu verwerten
- Achillessehnenreflex (ASR):
- Wurzel: S1
- Schlag auf die Achillessehne bei dorsalextendiertem Fuß und flektiertem Kniegelenk
- Effekt: Flexion des Fußes
- ASR-Klonus: Forcierte Extension des Fußes, wdh. Durchführen. Effekt: erschöpflicher/unerschöpflicher Klonus
Fremdreflexe
Bei Fremdreflexen sind der Ort der Reizung und der Ort der Reaktion verschieden. Diagnostisch bedeutsam ist z. B. der Babinski-Reflex.
- Babinski-Reflex:
- Bestreichen der lateralen Fußkante von proximal nach distal und vom Dig. V zum Fußballen Dig. II mit Holstäbchen oder Stiel des Reflexhammers
- Effekt: Tonische Extension der Großzehe mit Spreizen der Digiti II-V
- Reaktion während des Reizes, sistiert danach spontan
- Wiederholte Prüfung wichtig
- Oppenheim-Reflex:
- Kräftiges Bestreichen der Tibiavorderkante von proximal nach distal
- Effekt: Wie bei Babinski
- Gordon-Reflex:
- Kräftiges Kneten der Wade
- Effekt: Wie bei Babinski
- Rossolimo-Reflex:
- Wurzeln S1-S2
- Leichte passive Streckung des Fußes
- Schlag gegen die Zehen „von unten"
- Effekt: Reflektorische Zehenbeugung
- Selten auslösbar
- Steigerung Zeichen einer Pyramidenbahnschädigung
- Bauchhautreflexe:
- Prüfung an entspanntem Patienten beim Ausatmen
- Höhe ca. Th8/9, Th10/11, Th12/L1
- Bestreichen der Bauchdecke von lateral nach medial mit spitzem Gegenstand (Zahnstocher oder
- Effekt: Kurze Kontraktion der Bauchdecke
- Fehlen der Bauchhautreflexe häufig bei schlaffen Bauchdecken, adipösem Patient
- Prüfung auf Seitendifferenz/Ausfall
- Pathologischer Befund Hinweis auf Pyramidenbahnschädigung
- Kremasterreflex:
- Wurzel L1
- Bestreichen der Innenseite des Oberschenkel von distal nach proximal mit spitzem Gegenstand
- Effekt: Kontraktion mit „Aufsteigen" des Hodens
- Nur einseitiger Ausfall verwertbar
- Zeichen einer Pyramidenbahnläsion oder Schädigung des N. genitofemoralis oder N.
Primitive Reflexe
Außerdem werden die Primitivreflexe getestet, welche beim Gesunden nicht mehr auslösbar sein sollten und nur bei Neugeborenen und Kleinkindern vorhanden sind.
- Schnauzreflex: (Orbicularis-oris-Reflex) Beklopfen des Mundwinkels mit konsekutivem Vorstülpen der Lippen (diffuse Hirnschädigungen)
- Saugreflex: Bestreichen des Mundes. Effekt: Saugbewegungen, Mundöffnen (diffuse Hirnschädigungen)
- Palmomentalreflex: Bestreichen der Handinnenfläche. Effekt: Ipsilaterale Kontraktion der Kinnmuskulatur.
Diese Reflexe sind in der Regel Zeichen einer diffusen organischen Hirnschädigung (z.B. Demenz).
Weitere Untersuchungsmethoden
- Überprüfung des Berührungsempfindens mithilfe eines Monofilament. Dies ist ein nützliches Instrument zum Screening der diabetischen Polyneuropathie. Hier überprüft der Untersucher das Berührungsempfinden der Fußsohlen.
- Das Vibrationsempfinden wird oft mithilfe einer 120-Hz-Stimmgabel überprüft. Hier wird das Vibrationsempfinden der distalen unteren Extremität getestet.
- Die Tiefensensibilität (Propriozeption) wird überprüft, indem der Proband mit geschlossenen Augen Bewegungen der Finger oder Zehen erkennen muss. Hier test der Untersucher die Propriozeption der distalen oberen Extremität.
- Die Stereognosie (taktile Identifikation eines bekannten Objekts) wird überprüft, indem der Proband ein bekanntest Objekt mittels Ertasten identifizieren muss. Hier verwendet der Untersucher zur Überprüfung der Stereognosie einen Schlüssel.
- Überprüfung der Graphästhesie (Fähigkeit, auf die Hautgezeichnete Symbole zu erkennen) wird folgendermaßen durchgeführt: Der Proband schließt die Augen, der Untersucher zeichnet eine Figur auf die Haut und der Proband muss diese erraten. In diesem Fall testet der Untersucher die Graphästhesie, indem er einen imaginären Buchstaben auf die Handfläche der Person zeichnet.
- Die taktile Auslöschung (Unfähigkeit, Reize gleichzeitig wahrzunehmen) wird getestet, indem der Proband bei geschlossenen Augen zunächst einen Reiz getrennt auf beiden Seiten und danach zeitgleich auf beiden Seiten erkennen muss. Hier überprüft der Untersucher die taktile Auslöschung mittels eines Berührungsreizes an den Armen.
- Kleinhirn (Cerebellum) ist wesentlich an der Koordination von Bewegungen beteiligt. Zur Überprüfung des Vorliegens einer Extremitätenataxie führt der Proband den Finger-Nase-Versuch durch. Ein weiterer Test der Extremitätenataxie ist der Knie-Hacke-Versuch. Die Diadochokinese wird getestet, indem der Proband schnelle alternierende Bewegungen durchführt (z. B. „Glühbirnen einschrauben“). Der Romberg-Test kann sensible von zerebellären Ataxien unterscheiden. Eine Person mit sensibler Ataxie wird bei geschlossenen Augen mehr schwanken; eine Person mit einer zerebellären Ataxie schwankt zunächst mit geschlossenen Augen genauso viel wie mit offenen Augen, es sei denn, sie verliert ihr Gleichgewicht (z. B. durch leichtes Anstoßen des Untersuchers). Kleinhirnläsionen manifestieren sich nicht immer im Romberg-Test; es sei denn, eine Störung des Gleichgewichts wird von außen erreicht (z. B. Der Test auf eine Gangataxie wird oft durchgeführt, indem man die Person einfach durch den Raum gehen lässt.
Neurologische Untersuchung bei Verdacht auf Neuropathie
Bei Verdacht auf Neuropathie führen einfache neurologische Tests zur Diagnose. Diese Untersuchungen zeigen Nervenschäden auf. Die Ärztin oder der Arzt testet dabei unter anderem die Berührungsempfindlichkeit Ihrer Haut sowie das Vibrations- und Temperaturempfinden. Außerdem prüft er Ihre Reflexe. Zu den wichtigsten Untersuchungsmethoden bei einem Polyneuropathie-Test gehören:
- Berührungsempfinden: Mit einem Nylonfaden (Monofilament) prüft die Ärztin oder der Arzt, wie empfindlich Sie auf Druck und Berührung am Fuß reagieren. Dazu drückt er den Faden leicht auf Fuß oder Hand.
- Vibrationsempfinden: Mit dem sogenannten Stimmgabel-Test prüft die Ärztin oder der Arzt, wie deutlich Sie Vibrationen am Fuß wahrnehmen. Dazu schlägt er die Stimmgabel an und hält sie an den Fuß- oder Handknöchel.
- Temperaturempfinden: Mit einem speziellen Instrument untersucht die Ärztin oder der Arzt, wie empfindlich Sie auf Wärme und Kälte an den Füßen reagieren. Der sogenannte Tip Therm® verfügt über eine Kunststoffoberfläche, die als relativ warm empfunden wird und eine Metalloberfläche, die auch bei Raumtemperatur ein Kältegefühl auslöst.
- Muskelreflexe: Mit dem Reflexhammer untersucht die Ärztin oder der Arzt im Rahmen des Neuropathie-Tests, ob Ihre Muskelreflexe funktionieren.
- Durchblutung der Beine: Mit einer ausführlichen Inspektion der Haut und durch das Tasten der Pulse an den Arterien des Fußes (Fußpulse) kann die Ärztin oder der Arzt feststellen, ob die Beine gut durchblutet sind.
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