Reizstromtherapie bei Nervenschmerzen: Eine umfassende Betrachtung

Die Reizstromtherapie, insbesondere die Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS), hat sich als eine vielversprechende Option zur Schmerzlinderung etabliert, insbesondere bei Nervenschmerzen. Dieses Verfahren, bei dem elektrische Impulse über die Haut appliziert werden, zielt darauf ab, Schmerzsignale zu modulieren und die körpereigenen Schmerzmechanismen zu aktivieren.

Grundlagen der Reizstromtherapie

Die Elektrotherapie nutzt verschiedene Stromformen, um therapeutische Effekte im Körper zu erzielen. Dazu gehören die Erwärmung von Gewebe, die Reduktion von Schmerzen, die Reizung von Nerven, die Förderung des Abbaus von Schwellungen und die Aktivierung der Muskulatur. Es ist wichtig zu betonen, dass die Elektrotherapie idealerweise als Ergänzung zu aktiven Maßnahmen wie Bewegungsübungen und Training eingesetzt werden sollte.

Die Reizstromtherapie, einschließlich TENS, wird in der Regel zur Schmerzbehandlung, Durchblutungsförderung und Muskelkräftigung eingesetzt.

Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS)

Die Abkürzung TENS steht für transkutane elektrische Nervenstimulation, bei der Stromimpulse über Elektroden unter die Haut geschickt werden. Dieses Verfahren wird häufig zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt, einschließlich Polyneuropathien, wie sie beispielsweise bei Menschen mit Diabetes auftreten können.

Prof. Dr. Christina Haubrich, eine niedergelassene Neurologin aus Düsseldorf, erklärt: „TENS kann etwa dann versucht werden, wenn Medikamente oder andere etablierte Methoden nicht ausreichen bei Polyneuropathien und anderen chronischen Schmerzen“.

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Wirkungsweise von TENS gegen Schmerzen

Die Wirkung der elektrischen Signale wird teilweise mit der sogenannten Gate-Control-Theorie erklärt. Die Impulse stimulieren Nervenfasern, die eigentlich Berührungsreize weiterleiten und im Rückenmark mit den Schmerzfasern verschaltet sind. Schmerzmedizinerin und Neurochirurgin Dr. Kristin Kieselbach, Leiterin des Interdisziplinären Schmerzzentrums des Universitätsklinikums Freiburg, erläutert: „Das Signal der Berührungsnerven kann so die Weiterleitung der Schmerzen an das Gehirn hemmen“.

Es gibt zwei Hauptwege, auf denen TENS vermutlich wirkt:

  1. Blockierung der Schmerzübertragung zum Gehirn: Bei Verletzungen oder Erkrankungen nehmen wir Schmerzen nur wahr, wenn die entsprechenden Schmerzsignale aus dem betroffenen Bereich das Gehirn erreichen. Hochfrequente TENS überlagert die Schmerzsignale und blockiert so die Übertragung zum Gehirn.
  2. Stimulation der Endorphin-Ausschüttung: Der menschliche Körper verfügt über einen natürlichen Schmerzkontrollmechanismus, bei dem Glückshormone (Endorphine) freigesetzt werden, die das Schmerzempfinden reduzieren. TENS-Geräte können die Freisetzung von Endorphinen stimulieren.

Anwendung von TENS-Geräten

TENS-Geräte sind in verschiedenen Formen und Größen erhältlich, von kleinen Handgeräten für den Heimgebrauch bis hin zu größeren Tischgeräten, die in Krankenhäusern und Physiotherapiepraxen verwendet werden. Sie verfügen in der Regel über mehrere einstellbare Parameter, mit denen die Stärke des Stimulationsstroms, die Impulsbreite und die Frequenz variiert werden können.

Die Anwendung von TENS-Geräten kann durch medizinisches Fachpersonal oder von Einzelpersonen zu Hause erfolgen, um chronische oder akute Schmerzen zu lindern, die durch verschiedene Erkrankungen wie Arthritis, Rückenschmerzen, Nackenverspannungen, Ischias, Kopfschmerzen, Muskelkrämpfe, Sportverletzungen usw. verursacht werden.

Die Elektroden werden in der Regel für bis zu 30 Minuten pro Sitzung auf den betroffenen Bereich aufgebracht. Diese Dauer kann jedoch je nach den individuellen Bedürfnissen variieren. Die Klebeelektroden werden so platziert, dass der schmerzhafte Bereich begrenzt wird. Anschließend wird ein vorinstalliertes Programm ausgewählt, das zur Art der Schmerzen passt, oder die Parameter werden manuell eingestellt. Um die Leitfähigkeit der Elektroden zu optimieren, sollte die Haut vor der Anwendung von Schmutz und Fett befreit werden.

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Bedeutung der Elektroden

Die Elektroden spielen eine wichtige Rolle bei der TENS-Schmerztherapie. Axion entwickelt seit über 10 Jahren kontinuierlich Elektroden, um die Behandlung so effektiv und komfortabel wie möglich zu gestalten. Es gibt eine große Auswahl an Elektroden, sowohl für Axion-Stimulationsstromgeräte als auch für alle anderen gängigen elektrischen Stimulatoren. Wenn die Klebekraft nachlässt, kann die Lebensdauer mit dem Elektrodenkontaktspray oder dem Elektrodengel verlängert werden. Dennoch sind die Elektrodenpads Verbrauchsmaterialien, die regelmäßig ausgetauscht werden müssen.

Verträglichkeit und Nebenwirkungen

Beide Expertinnen haben mit der Anwendung gute Erfahrungen gemacht. „Die Pa­tienten setzen TENS regelmäßig für etwa 15 bis 20 Minuten am Tag ein und berichten uns von deutlichen Verbesserungen“, sagt Haubrich. Möglich sei zudem, die handlichen Geräte am Körper zu tragen und immer dann anzuschalten, wenn der Schmerz stärker wird, ergänzt Kieselbach. Sie sieht darin auch einen großen psychologischen Vorteil: „Patienten mit chronischen Schmerzen fühlen sich ihrem Schmerz oft hilflos ausgeliefert. Dazu kommt: Das Verfahren hat kaum Nebenwirkungen. In seltenen Fällen kann es zum Beispiel zu Hautreizungen an der Klebstelle kommen. Bei sensibler Haut können antiallergene Elektroden die Reizungen lindern. Und die Kosten für die Geräte werden bei chronischen Schmerzen von den Krankenkassen übernommen - allerdings zu unterschiedlichen Bedingungen. Vorher bei der Kasse informieren!

Die Nebenwirkungen von TENS-Geräten zur Schmerztherapie sind im Allgemeinen mild, selbst bei längerer Anwendung. Wenn jedoch irgendwelche Auswirkungen besonders störend sind, kann ein Arzt die fortgesetzte Verwendung von TENS-Geräten beurteilen. Mögliche Nebenwirkungen sind Hautreizungen und leichte Verbrennungen.

Wissenschaftliche Evidenz und Studienlage

Wissenschaftlich nachgewiesen ist die Wirkung der TENS-Behandlung bisher nicht. Es gibt vorwiegend kleinere Untersuchungen, die eine Schmerzlinderung feststellen, aber nur bedingt aussagekräftig sind. Regelmäßig gab es zudem Versuche, über sogenannte Meta-Analysen viele kleinere Studien gemeinsam zu betrachten - mit gemischten Ergebnissen.

Immerhin: Eine besonders große Meta-Analyse von 2022 mit insgesamt 381 randomisierten, kontrollierten Studien legt eine Wirksamkeit nahe. Die Forscherinnen und Forscher kamen zu dem Schluss: TENS lindert Schmerzen vermutlich besser als ein Placebo. Auch im Vergleich zu anderen medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapien ergab das Verfahren einen Nutzen. Allerdings bemängelten Fachleute die Qualität der zugrunde liegenden Studien.

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Kristin Kieselbach kann sich durchaus vorstellen, dass ein Teil der TENS-Wirkung auf dem Placeboeffekt beruht - also dass die Schmerzen sich nur deshalb bessern, weil die Betroffenen genau darauf hoffen. „Aber was wäre daran schlimm? Solange sich die Patienten besser fühlen, nehme ich doch gerne auch den Placeboeffekt mit.“

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Von einer TENS-­Behandlung abraten würde Christina Haubrich Menschen mit einem Herzschrittmacher oder einer Epilepsie. „In Deutschland ist sie auch für Schwangere nicht empfohlen“, so die Neurologin. „Im englischsprachigen Raum wird TENS allerdings teilweise eingesetzt, um Geburtsschmerzen zu lindern.“

Bei folgenden Erkrankungen oder Befunden sollten andere Therapieform der Elektrotherapie vorgezogen werden:

  • Metalle im Körper des Patienten (zum Beispiel Gelenkprothesen)
  • Akute Entzündungen
  • Blutgerinnsel (Thrombose)
  • Offene Hautstellen
  • Schwere Durchblutungsstörungen der Arterien (Arteriosklerose)
  • Herzrhythmusstörungen oder vorhandener Herzschrittmacher
  • Bösartige Tumorerkrankungen
  • Fieberhafte Krankheitsprozesse
  • Erhöhte Blutungsneigung

Grundsätzlich ist zu beachten, die Elektroden nicht direkt auf verletzter Haut, direkt über dem Auge oder den Hauptschlagadern anzubringen.

TENS im Vergleich zu anderen Therapieformen

Die Transkutane Elektrische Nervenstimulation kann den Schmerzmittelbedarf bei Arthroseschmerzen (z. B. im Knie) deutlich senken oder sogar ganz ersetzen. Besonders bei Schmerzmittelunverträglichkeiten wie den weit verbreiteten Magen-Darm-Beschwerden in Verbindung mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) kann TENS den Patienten eine gute Alternative in der Schmerzbehandlung bieten.

EMS (Elektrische Muskelstimulation) kann in Verbindung mit TENS eingesetzt werden, um Muskeln gezielt aufzubauen und zu stärken, was präventiv vor Schmerzen schützen kann. EMS-Training ist besonders schonend für die Gelenke.

Auswahl und Anwendung von TENS-Geräten für den Heimgebrauch

Sichere TENS-Geräte für zu Hause erkennt man am CE-Zeichen, dann sind sie in Europa zugelassen. Die Preisspanne liegt zwischen etwa 25 und mehr als 200 Euro. Um das TENS-System auf das Beschwerdebild abzustimmen, lassen sich verschiedene Parameter variieren, darunter die Frequenz, die Intensität und auch die Potenzierung des Stroms. Die im Handel erhältlichen Geräte bieten Voreinstellungen für unterschiedliche Therapien. Ob diese tatsächlich etwas gegen die Beschwerden ausrichten, muss jeder selbst ausprobieren oder sich medizinischen Rat holen, zum Beispiel bei Physiotherapeuten.

Die Haut muss vor der Anwendung möglichst unbehaart, trocken und sauber sein. Die Elektroden tragen meist eine Gelschicht, die mehrfach angewandt werden kann.

Geschichte der Reizstromtherapie

Auch wenn TENS seiner Natur nach erst mit der technischen Revolution und der Möglichkeit künstlichen Strom zu erzeugen eine fundierte Basis erhielt, erstrecken sich seine frühen geschichtlichen Anfänge bis in die Antike. Es wurden bereits Hinweise aus ägyptischen, römischen und griechischen Kulturen gefunden. Diese Hinweise zeigen, dass Behandlungen von Schmerzsymptomen mittels elektrischer Impulse bereits weit vor Christus stattgefunden haben. Ein Reizstromgerät hatten diese Kulturen natürlich noch nicht. Stattdessen kamen Elektrizität erzeugende Fische wie Zitteraale, Zitterrochen und Zitterwelse für die Schmerztherapie zum Einsatz.

Erst Mitte des 18. Jahrhunderts stieg das moderne Interesse an der Elektrizität und ihrer künstlichen Erzeugung. Im Zuge dessen war der Mediziner Luigi Galvani in der Lage, in seinen Studien an Froschbeinen Muskelkontraktionen durch elektrische Ströme zu stimulieren.

In den 1960er Jahren erfuhr die Schmerzforschung einen Umbruch mit der Arbeit der Professoren Ronald Melzack und Patrick Wall. Mit ihrem Konzept der Kontrollschranken, welche die Schmerzleitung im Körper maßgeblich beeinflussen, schufen sie die theoretische Grundlage für die Schmerzbehandlung mit Strom.

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