René Weller und die Demenz: Ein Zusammenhang mit dem Boxen?

Der Tod des deutschen Boxers René Weller hat viele Fragen aufgeworfen, insbesondere im Hinblick auf den möglichen Zusammenhang zwischen seiner Karriere im Boxsport und seiner Demenzerkrankung. Weller litt an einer Hirnerkrankung, die als Chronisch Traumatische Enzephalopathie (CTE) bekannt ist. Diese Erkrankung tritt scheinbar gehäuft bei Menschen auf, die wiederholt Stößen am Kopf ausgesetzt waren. Es ist wichtig zu betonen, dass es zwar Hinweise auf einen Zusammenhang gibt, ein klarer wissenschaftlicher Beweis dafür aber noch aussteht.

Was ist Chronisch Traumatische Enzephalopathie (CTE)?

CTE ist keine eindeutig definierte Krankheit, sondern eher eine Beschreibung von Veränderungen im Hirngewebe, die bei Autopsien festgestellt werden können. Zu diesen Veränderungen gehören:

  • Ablagerungen von bestimmten Eiweißen (Tau, Amyloid, TDP43): Diese Eiweiße finden sich auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz und Parkinson.
  • Entzündungsvorgänge: Das Gehirn zeigt Anzeichen einer chronischen Entzündung.
  • Verlust von Hirngewebe (Atrophie): Bestimmte Bereiche des Gehirns schrumpfen.

Der genaue Entstehungsprozess und der Zusammenhang dieser Veränderungen sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass wiederholte, leichte Krafteinwirkungen auf den Kopf, aber möglicherweise auch einzelne, stärkere Gehirnerschütterungen, zu diesen Veränderungen führen können.

Der Fall René Weller

René Weller war eine Boxsport-Legende. Er war mehrfacher Deutscher Meister und Vize-Europameister bei den Amateuren, sowie Deutscher Meister und zweimaliger Europameister bei den Profis. Für viele war er ein Held ihrer Jugend, der den Boxsport in Deutschland mit prägte. Im Jahr 2014 wurde bei Weller Demenz diagnostiziert. Seine Frau Maria pflegte ihn aufopferungsvoll, bis zu seinem Tod im August 2023 im Alter von 69 Jahren.

Die Frage, ob Wellers Demenz eine Folge der vielen Schläge war, die er in seiner Karriere einstecken musste, liegt nahe. Prof. Dr. Walter Wagner, Deutschlands berühmtester Ringarzt und ein langjähriger Freund Wellers, äußerte sich dazu: "Es ist sicher nicht auszuschließen, dass die vielen Wirkungstreffer die Entwicklung bei Weller beschleunigt haben." Er wies jedoch auch darauf hin, dass es Abertausende von Menschen gibt, die an Demenz erkranken, ohne geboxt zu haben. Allerdings sei das frühe Auftreten der Demenz bei Weller, der erst um die 60 war, ungewöhnlich.

Lesen Sie auch: René Weller: Hirnerkrankung im Fokus

Wagner betonte, dass Wellers Kämpfe oft "Materialschlachten" waren, da er selbst keinen harten Schlag hatte und seine Kämpfe daher oft lang und hart waren. Er wies darauf hin, dass der Körper und das Gehirn Zeit zur Regeneration benötigen und dass Schläge während dieser Reparaturphase schlimmere Auswirkungen haben können.

CTE und Boxen: Eine bekannte Problematik

Der Zusammenhang zwischen wiederholten Schlägen auf den Kopf und früher Demenz ist seit fast hundert Jahren bekannt. Bereits in den 1920er Jahren wurde das Phänomen unter dem Begriff "Punch Drunk" bei Boxern beschrieben.

Beim Boxen ist der Kopf das Ziel, was bedeutet, dass Gehirnschädigungen ein inhärenter Bestandteil dieses Sports sind. Studien haben gezeigt, dass CTE gehäuft bei Boxern, American-Football-Spielern und anderen Sportlern auftritt, die häufig Kopfverletzungen erleiden.

Neurologische Aspekte der CTE

Der Neurologe Prof. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung, erklärte im Gespräch mit FITBOOK die neurologischen Aspekte der CTE. Bei CTE sind Teile des Frontallappens, der für Entscheidungen und Impulskontrolle wichtig ist, mit abgelagerten Tau-Proteinen überzogen. Zudem sind die Hirnventrikel erweitert und der für das Gedächtnis wichtige Hippocampus geschrumpft. Auch der Mandelkern, der für die Gefühle zuständig ist, ist stark beeinträchtigt.

Erbguth betonte, dass CTE nur bei Menschen vorkommt, die wiederholt Mikrotraumen erleiden. Diese kleinen Mikrotraumen sind oft nicht spürbar oder sichtbar, können aber bei hoher Frequenz zu einer Fehlentwicklung der Eiweißstoffe führen, bei der sich Tau-Proteine ablagern. Er wies darauf hin, dass es leider einen "Point of no Return" gibt, ab dem sich die Proteine immer weiter ablagern, selbst wenn der Sport aufgegeben wird.

Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick

Die Symptome einer CTE zeigen sich oft erst später im Leben, etwa ab 50 Jahren oder noch später. Da auch "normale" Demenz in diesem Alter häufiger auftritt, ist es schwierig, die beiden Formen voneinander abzugrenzen. Hinweise liefert dann die Lebensweise, wie im Fall von René Weller mit seinen berufsbedingten Kopfverletzungen.

CTE kann auch parkinsonartige Erscheinungen haben. Prof. Erbguth vermutet, dass auch Muhammad Ali, der 1984 eine Parkinson-Diagnose erhielt, möglicherweise an CTE litt, obwohl dies nicht bewiesen ist.

CTE ist unheilbar und führt unaufhaltsam zum Verlust von Gehirnfunktionen. Die Patienten sterben oft an Komplikationen wie Verschlucken oder Lungenentzündung.

Dosis-Effekt und Schutzfaktoren

Prof. Erbguth betonte, dass es bei CTE einen klaren Dosis-Effekt gibt: Je jünger das Gehirn ist, das Mikrotraumen erleidet, und je höher die Anzahl und Schwere der Verletzungen sind, desto größer sind die Folgen.

Interessanterweise entwickeln aber nur etwa 10 bis 15 Prozent der Sportler in Risikogruppen tatsächlich CTE. Die Frage ist, was die anderen schützt. Gibt es genetische Faktoren, die manche Menschen widerstandsfähiger machen? Spielen andere Faktoren wie Diabetes oder Bluthochdruck eine Rolle? Trotz der großen finanziellen Interessen im Profisport wird bisher wenig zu CTE geforscht.

Lesen Sie auch: Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und Demenz

Unterschiede zur Alzheimer-Krankheit

Letztendlich handelt es sich bei CTE um einen pathologischen Unterschied zur Alzheimer-Krankheit. Während bei Alzheimer-Patienten zwei Eiweißproteine (Beta-Amyloid und Tau-Protein) vermehrt gebildet werden, findet man bei dementen Boxern kein Beta-Amyloid. Auch der Hirnschaden ist bei CTE anders aufgebaut und lokalisiert.

Sport und Gehirn: Eine Gratwanderung

Es ist wichtig zu betonen, dass Sport nicht nur Risiken birgt, sondern auch unbestreitbare Vorteile für das Gehirn hat. Sport schützt das Gehirn, verbessert Lernleistungen und Gedächtnis, Schlaf, die Neubildung von Nervenzellen und die Lebenserwartung.

Die Frage ist, wie man die positiven Effekte des Sports nutzen und gleichzeitig die Risiken minimieren kann. Im Fall von Risikosportarten wie American Football gibt es bereits strenge Vorschriften für den Schutz des Kopfes.

tags: #Rene #Weller #Demenz #durch #Boxen