Epilepsiebehandlung: Ein umfassender Überblick und persönliche Erfahrungen

Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, von der in Deutschland schätzungsweise 600.000 bis 800.000 Menschen betroffen sind. Bis zu 10 % der Menschen erleben im Laufe ihres Lebens einen epileptischen Anfall. Von Epilepsie spricht man jedoch erst, wenn ein erhöhtes Risiko für wiederholte, unprovozierte epileptische Anfälle besteht. Die Erkrankung manifestiert sich durch spontane und überschießende elektrische Entladungen von Nervenzellen im Gehirn, die zu Bewusstseinsstörungen, Muskelzuckungen oder -anspannungen bis hin zu komplexen Handlungen führen können. Es gibt vielfältige Ursachen für Epilepsien. Genetische Epilepsien treten beispielsweise eher im jüngeren Lebensalter auf, mit zunehmendem Lebensalter nehmen dann erworbene Hirnveränderungen als Ursache für sich neu manifestierende Epilepsien an Bedeutung zu. Oft lässt sich in der Diagnostik, die neben einer Elektroenzephalographie (EEG) und einer bildgebenden Diagnostik (v.a. MRT) auch andere Untersuchungen umfassen kann, jedoch auch keine eindeutige Ursache finden.

Diagnose und Behandlung von Epilepsie

Die Diagnose von Epilepsie erfordert eine sorgfältige Anamnese und neurologische Untersuchung. Wichtig ist eine möglichst genaue Beschreibung des Anfalls durch Dritte, da diese Beobachtungen oft entscheidende Informationen bei der Diagnosefindung liefern. Fragen wie: Was ging dem Anfall voraus? Wie sah der Sturz aus, wenn es einen gab? Waren die Augen geöffnet oder geschlossen? Auf welcher Körperseite begannen Zuckungen? In welche Richtung war der Kopf gedreht? sind dabei von Bedeutung.

Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) teilt die unterschiedlichen Formen von Anfällen und Epilepsien grob ein in:

  • Fokale Anfälle: Sie werden von einer Funktionsstörung an einer bestimmten Region des Gehirns ausgelöst und äußern sich klinisch zum Beispiel durch unwillkürliche Zuckungen an einem Arm bei erhaltenem Bewusstsein. Der Patient verspürt häufig ein Vorgefühl (Aura) vor dem Anfall.
  • Fokale Anfälle mit Übergang zu bilateral tonisch klonischen Anfällen (früher sekundär generalisierte Anfälle): Sie treten zunächst wie fokale Anfälle auf, breiten sich aber im Verlauf auf das ganze Gehirn aus, so dass ein Bewusstseinsverlust und Zuckungen an beiden Armen und Beinen auftreten.
  • Generalisierte Anfälle: Sie zeigen keinen bestimmten Ursprung und betreffen vom ersten Moment das gesamte Gehirn. Hier kommt es zu einer Bewusstseinsstörung ohne Vorgefühl.

Insgesamt gibt es drei wesentliche Säulen der Epilepsietherapie:

  1. Medikamentöse Therapie: Eine Vielzahl anfallssupprimierender Medikamente steht zur Verfügung, mit denen bei etwa 70 % der Patientinnen und Patienten mit Epilepsie mit den ersten beiden medikamentösen Therapieversuchen Anfallsfreiheit erreicht werden kann.
  2. Epilepsiechirurgie: Besteht eine Pharmakoresistenz, sollte evaluiert werden, welche Chancen und Risiken eine epilepsiechirurgische Behandlung hat. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um eine fokale Epilepsie handelt, bei der die Anfälle in einer umschriebenen Hirnregion entstehen, die operativ entfernt werden kann, ohne dass postoperativ neurologische Defizite entstehen. Sogenannte "generalisierte Epilepsien", bei denen schon zu Beginn des epileptischen Anfalles beide Großhirnhälften in das Anfallsgeschehen miteinbezogen sind, sind chirurgisch nicht kurativ behandelbar, d.h. Anfallsfreiheit kann durch einen epilepsiechirurgischen Eingriff nicht erreicht werden.
  3. Stimulationsverfahren: Als weitere Therapiemöglichkeit stehen zudem Stimulationsverfahren (u.a. Vagus-Nerv-Stimulation oder das EASEE System in Betracht. Bei der Neurostimulation schützen Schrittmacher Gehirnzellen vor Fehlentladungen. Es gibt zwei Arten: Vagusnerv-Stimulation, bei der sich der Schrittmacher auf einem Nerv außerhalb des Gehirns befindet, und Tiefe-Hirn-Stimulation, bei der sich der Schrittmacher im Gehirn selbst befindet.

Persönliche Erfahrungen mit Epilepsie und Behandlung

Die Geschichte von Alexander Walter, einem 40-jährigen Kaufmann und engagierten Selbsthilfe-Aktivisten, bietet einen Einblick in den Umgang mit Epilepsie. Im Alter von zwei Jahren erkrankte er an Leukämie und überlebte Chemotherapie und Schädelbestrahlung. Seine ersten epileptischen Anfälle traten im Alter von 23 Jahren auf. Die Suche nach der richtigen Medikation und Behandlung dauerte rund 13 Jahre.

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Alexander Walter berichtet: „Im Jahr 2004 ging es definitiv mit meiner Epilepsie los. Wir haben viele Ärzte aufgesucht - von Vitamin B-Mangel bis zu Migräne, die Diagnosen waren vielfältig. 2010 hatte ich schließlich meinen ersten Termin im Epilepsiezentrum Bethel und bekam die gesicherte Diagnose Epilepsie. Ich erhielt ein passendes Medikament und umgehend sank die Anzahl auf nur noch ca. 10-15 Anfälle im Monat. Nach einem weiteren stationären Aufenthalt dort mit noch detaillierterer Diagnostik wurde meine Medikamentendosis angepasst, so dass die Anzahl auf ca. Danach wechselte ich zur Behandlung nach Hessen ans UKGM (Universitätsklinikum Gießen und Marburg) in Marburg. Hier passte man den Spiegel meines Medikamentes mit der Zeit besser an, zudem wurden ergänzende Wirkstoffe ausprobiert. In den nächsten Jahren ging es auf und ab, die meisten der zusätzlich ausprobierten sechs Antiepileptika machten es schlechter als zuvor, teils deutlich. Ab 2015 verlegte mein behandelnder Arzt seine Arbeitsstelle nach Frankfurt. Zwei Jahre später starteten wir einen weiteren Versuch mit einem „modernen“ Medikament. Nach einigen Dosiserhöhungen und anfänglich extremer Müdigkeit bzw. Abgeschlagenheit geschah dann „das Wunder von Hessen“. Seitdem hat sich der „Vorhang nie wieder geschlossen“, es gab nie wieder einen Anfall."

Er betont, dass er viel Glück hatte, da eine Operation aufgrund mehrerer Anfallsherde zunächst als nicht möglich galt. Er plant jedoch, die Möglichkeiten für seinen Fall zu prüfen, insbesondere im Hinblick auf moderne Verfahren wie die Laserthermoablationstechnologie.

Alexander Walter hat auch gelernt, seine Anfälle selbst zu kontrollieren und sich nach einem Anfall gut zu erholen, was ihm einen Vorteil verschafft hat. Er berichtet, dass der Verlust an Wissen durch jeden einzelnen Anfall die mit Abstand größte Einschränkung für ihn ist. Er hat jedoch auch positive Erfahrungen gemacht, indem er gelernt hat, seine Freunde besser auszuwählen und umsichtiger und gelassener mit vielen Dingen umzugehen.

Auswirkungen von Epilepsie auf das Leben

Epilepsie kann erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. Alexander Walter berichtet, dass er in der Schulzeit Probleme mit seiner Merkfähigkeit hatte und ab dem Alter von 23 Jahren begann, seine Vergangenheit zu vergessen. Er geht jedoch offen mit seiner Erkrankung um.

Die Anfälle können auch das Berufsleben beeinträchtigen. Nach einem leichten Anfall benötigte Alexander Walter etwa 2-3 Stunden Schlaf, bei starken Anfällen bis zu 12-14 Stunden. Dies schränkte seine Arbeitsfähigkeit erheblich ein.

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Trotz der Herausforderungen engagiert sich Alexander Walter in der Selbsthilfe und ist Vorsitzender des DE Landesverbandes Epilepsie Hessen e. Er betont, dass es in der Selbsthilfearbeit viele Möglichkeiten gibt, sich einzubringen, auch ohne in einem oder gar mehreren Vorständen und Vereinen zu sein.

Unterstützung und Rehabilitation bei Epilepsie

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung und Rehabilitation für Menschen mit Epilepsie. Dazu gehören:

  • Epilepsieberatungsstellen: Diese bieten Informationen und Beratung zu allen Aspekten der Erkrankung.
  • Selbsthilfegruppen: Diese bieten eine Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen.
  • Rehabilitationskliniken: Diese bieten spezialisierte Rehabilitationsprogramme für Menschen mit Epilepsie. Die Schön Kliniken bieten für Kinder und Jugendliche und für Erwachsene mit Epilepsie eine hoch spezialisierte Diagnostik und umfassende Therapie an. Als international renommierte Klinik gehört die Schön Klinik Vogtareuth zu den führenden Adressen bei der Behandlung einer Epilepsie.
  • Unterstützende Angebote: Von elektronischen Geräten bis zum Epilepsiewarnhund. Die Deutsche Epilepsievereinigung hat zwei neue Broschüren herausgegeben:„Epilepsie im Alltag“ und „Epilepsie und Studium“.

Medikamentenstudien

Etwa 20-30% der Epilepsiepatienten sind trotz der vielen verfügbaren Medikamente nicht ausreichend behandelbar und viele Patienten sind zwar anfallsfrei, leiden jedoch unter Nebenwirkungen, wie z.B. chronischer Müdigkeit. Deshalb ist es wichtig, neue Medikamente zu finden, die noch effektiver in der Behandlung sind, unsere Therapiemöglichkeiten erweitern und mit weniger bzw. idealerweise gar keinen Nebenwirkungen einhergehen. Für viele Patienten ist es eine Chance, einen Behandlungsversuch mit einem neuen, d.h. in der klinischen Prüfung befindlichen Medikament durchzuführen, falls Anfallsfreiheit mit den zugelassenen Medikamenten bislang nicht erreicht werden konnte. Nach den internationalen Richtlinien werden solche Medikamentenstudien unter sorgfältiger Überwachung nach strengen Grundsätzen durchgeführt.

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