Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die das Leben der Betroffenen auf vielfältige Weise beeinflussen kann. Die Krankheit wird oft als die "Krankheit mit den 1.000 Gesichtern" bezeichnet, da ihr Verlauf und die Symptome von Patient zu Patient stark variieren. Prominente Persönlichkeiten wie Anna Kraft, Malu Dreyer, Christina Applegate und Selma Blair haben offen über ihr Leben mit MS gesprochen und damit das Bewusstsein für diese Erkrankung geschärft.
Was ist Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose (MS), auch Encephalomyelitis disseminata genannt, ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise das körpereigene Nervensystem angreift. Dieser Angriff führt zu Entzündungen und Schädigungen der Myelinscheiden, die die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark umhüllen. Diese Schutzschicht ermöglicht eine schnelle und effiziente Übertragung von Nervenimpulsen. Werden die Myelinscheiden beschädigt, können die Nervensignale nicht mehr richtig weitergeleitet werden, was zu einer Vielzahl von neurologischen Symptomen führen kann.
Weltweit sind etwa 2,5 Millionen Menschen von MS betroffen, in Deutschland sind es schätzungsweise 130.000. Die Diagnose wird meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr gestellt, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer, insbesondere bei der schubförmigen MS.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genaue Ursache von MS ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren eine Rolle spielt, darunter:
- Genetische Veranlagung: Eine familiäre Häufung von MS deutet auf eine genetische Komponente hin. Verwandte ersten Grades von MS-Patienten haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko.
- Umweltfaktoren: Infektionen im Kindesalter, Vitamin-D-Mangel und Rauchen werden als mögliche Auslöser oder Risikofaktoren diskutiert.
- Autoimmunprozesse: Das fehlgeleitete Immunsystem greift die Myelinscheiden an und verursacht Entzündungen.
Symptome und Verlauf
Die Symptome von MS sind vielfältig und können je nach betroffenem Bereich des Nervensystems variieren. Typische Symptome sind:
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- Gefühlsstörungen: Kribbeln, Taubheitsgefühle oder brennende Schmerzen in Armen, Beinen oder im Gesicht.
- Sehstörungen: Verschwommenes Sehen, Doppeltsehen oder Entzündungen des Sehnervs (Optikusneuritis).
- Motorische Störungen: Muskelschwäche, Spastik, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen.
- Fatigue: Erschöpfung und Müdigkeit, die auch nach ausreichend Schlaf nicht verschwinden.
- Kognitive Beeinträchtigungen: Konzentrations-, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen.
- Blasen- und Darmfunktionsstörungen: Häufiger Harndrang, Inkontinenz oder Verstopfung.
MS verläuft bei jedem Patienten anders. Es gibt verschiedene Verlaufsformen:
- Schubförmig-remittierende MS (RRMS): Dies ist die häufigste Form, bei der die Symptome in Schüben auftreten, gefolgt von Phasen der teilweisen oder vollständigen Erholung (Remission).
- Primär progrediente MS (PPMS): Bei dieser Form verschlimmern sich die Symptome von Beginn an kontinuierlich, ohne deutliche Schübe oder Remissionen.
- Sekundär progrediente MS (SPMS): Diese Form entwickelt sich oft aus der RRMS, bei der die Schübe seltener werden und die Symptome allmählich fortschreiten.
Diagnose
Die Diagnose von MS ist oft ein komplexer Prozess, da die Symptome unspezifisch sein können und andere Erkrankungen ähnliche Beschwerden verursachen können. Ein Neurologe führt in der Regel eine umfassende Untersuchung durch, die folgende Elemente umfasst:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Symptome.
- Neurologische Untersuchung: Überprüfung der Nervenfunktionen, wie Kraft, Sensibilität, Reflexe, Koordination und Gleichgewicht.
- Evozierte Potentiale: Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns als Reaktion auf bestimmte Reize, um die Nervenleitgeschwindigkeit zu überprüfen.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Bildgebung des Gehirns und Rückenmarks, um Entzündungsherde und Schädigungen der Myelinscheiden sichtbar zu machen.
- Lumbalpunktion: Entnahme von Nervenwasser (Liquor) zur Untersuchung auf spezifische Antikörper und Entzündungsmarker.
Behandlung
MS ist derzeit nicht heilbar, aber es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die den Verlauf der Erkrankung beeinflussen und die Symptome lindern können. Die Behandlung zielt darauf ab:
- Schübe zu behandeln: Kortikosteroide werden eingesetzt, um Entzündungen zu reduzieren und die Symptome während eines Schubs zu lindern.
- Den Krankheitsverlauf zu verlangsamen: Immunmodulatorische Medikamente werden eingesetzt, um das Immunsystem zu beeinflussen und die Anzahl der Schübe zu reduzieren.
- Symptome zu lindern: Medikamente und Therapien werden eingesetzt, um spezifische Symptome wie Spastik, Schmerzen, Fatigue, Blasenfunktionsstörungen und Depressionen zu behandeln.
- Rehabilitation: Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie können helfen, die körperlichen Funktionen zu verbessern und die Lebensqualität zu erhalten.
Einige Patienten suchen auch nach alternativen Therapieansätzen wie Homöopathie, Akupunktur oder hochdosiertem Vitamin D (Coimbra-Protokoll). Die Wirksamkeit dieser Ansätze ist jedoch wissenschaftlich nicht ausreichend belegt.
Leben mit MS
Das Leben mit MS kann eine Herausforderung sein, aber viele Betroffene führen ein erfülltes und aktives Leben. Es ist wichtig, sich von einem multidisziplinären Team aus Ärzten, Therapeuten und Beratern unterstützen zu lassen. Selbsthilfegruppen und Online-Foren bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und Erfahrungen zu teilen.
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Anna Kraft, eine bekannte RTL-Sportmoderatorin, hat offen über ihr Leben mit MS gesprochen und damit vielen Betroffenen Mut gemacht. Sie betont, wie wichtig es ist, sich nicht von der Krankheit einschränken zu lassen und die eigenen Ziele weiterzuverfolgen. Sie achtet auf einen gesunden Lebensstil mit ausreichend Schlaf, ausgewogener Ernährung und regelmäßiger Bewegung. Auch der Rückhalt von Familie und Freunden spielt eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Krankheit.
MS und Schwangerschaft
MS ist kein Hindernis für eine Schwangerschaft. Studien haben gezeigt, dass sich eine Schwangerschaft sogar positiv auf den Verlauf der Krankheit auswirken kann, da die Schubrate während der Schwangerschaft oft sinkt. Nach der Entbindung kann es jedoch häufiger zu Schüben kommen. Es ist wichtig, dass MS-Patientinnen, die schwanger werden möchten, sich von ihrem Arzt beraten lassen, um die Behandlung entsprechend anzupassen und mögliche Risiken zu besprechen.
Forschung und Zukunftsperspektiven
Die Forschung im Bereich MS schreitet stetig voran. Es werden ständig neue Medikamente und Therapien entwickelt, die den Verlauf der Krankheit beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern können. Auch die Ursachenforschung wird intensiviert, um neue Ansätze für die Prävention und Heilung von MS zu finden.
Anna Kraft wünscht sich, dass MS in Zukunft noch früher erkannt wird, damit Betroffene schnell eine umfassende Therapie erhalten können. Sie setzt sich dafür ein, dass das Verständnis für MS in der Gesellschaft wächst und der Austausch darüber offener wird - in Familien, im Freundeskreis und am Arbeitsplatz.
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