Die Lumbalpunktion, auch Liquorpunktion genannt, ist ein Verfahren zur Entnahme von Nervenwasser (Liquor cerebrospinalis) aus dem Wirbelkanal im Bereich der Lendenwirbelsäule. Sie dient sowohl diagnostischen als auch therapeutischen Zwecken.
Was ist eine Lumbalpunktion?
Bei einer Lumbalpunktion wird mit einer speziellen Nadel im Bereich der Lendenwirbel eine kleine Menge Hirn- oder Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) aus dem Wirbelkanal (Spinalkanal) entnommen. Diese Flüssigkeit umgibt Gehirn und Rückenmark und schützt sie vor Erschütterungen. Die Punktion des Wirbelkanals kann auch zur Behandlung genutzt werden: Durch die gesetzte Nadel können etwa Mittel zur örtlichen Betäubung, Antibiotika oder Krebsmedikamente gespritzt werden. Die Wirkstoffe gelangen dann ohne Umweg über die Blutbahn direkt ins Nervensystem.
Wann wird eine Lumbalpunktion durchgeführt?
Eine Lumbalpunktion wird aus verschiedenen Gründen durchgeführt:
- Diagnostik:
- Verdacht auf Entzündungen des Gehirns und der Gehirnhäute (Enzephalitis, Meningitis)
- Multiple Sklerose (Nachweis von bestimmten Eiweißen und Entzündungszellen im Nervenwasser)
- Hirnhautentzündung (Meningitis)
- Hirnentzündung (Enzephalitis)
- Hirnblutungen
- Demenzerkrankungen
- Rückenmarkentzündung (Myelitis)
- Blutkrebs (Leukämie)
- Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose
- Hirn- und Rückenmarkstumore
- Krebsbefall der Hirnhäute (z.B. bei Lymphomen)
- Infektionskrankheiten (Lyme-Borreliose, Neurosyphilis u.a.)
- Subarachnoidalblutung
- Therapie:
- Medikamentengabe (z.B. Chemotherapie bei Tumoren)
- Schmerzstillung bei chirurgischen Eingriffen (Lumbalanästhesie, Spinalanästhesie, z.B. bei Hüftoperationen oder Kaiserschnitt)
- Entlastung bei Normaldruckhydrozephalus (Erweiterung der Liquorräume ohne Druckerhöhung)
Wann darf eine Lumbalpunktion nicht durchgeführt werden?
Eine Lumbalpunktion sollte nicht durchgeführt werden bei:
- Erhöhte Blutungsneigung oder Einnahme von Substanzen, die die Blutgerinnung hemmen (Antikoagulanzien)
- Entzündungen der Haut oder des Gewebes in der Nähe der Punktionsstelle
- Erhöhtem Hirndruck
Vorbereitung auf die Lumbalpunktion
Vor einer Lumbalpunktion sind folgende Punkte wichtig:
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- Aufklärung: Der Patient muss mehr als 24 Stunden vor der Behandlung über die Punktion informiert werden (außer in Notfällen).
- Einwilligung: Der Patient muss eine schriftliche Einwilligung abgeben.
- Blutgerinnung: Vor der Punktion wird geprüft, ob die Blutgerinnung normal ist, um Blutungen vorzubeugen.
- Medikamente: Der Patient sollte keine Medikamente eingenommen haben, die die Blutgerinnung hemmen.
- Umfassende Aufklärung: Ein Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient findet statt, um Nutzen, Risiken und Alternativen zu besprechen.
- Krankengeschichte und Laborbefunde: Vorliegende Laborbefunde, die für die Untersuchung relevant sind, werden besprochen.
- Medikamentenliste: Patientinnen und Patienten sollten dem behandelnden Arzt mitteilen, welche Medikamente sie einnehmen, da diese für die Untersuchung unter Umständen abgesetzt oder ersetzt werden müssen.
- Schriftliche Einverständniserklärung: Üblicherweise erfordert die Lumbalpunktion eine schriftliche Einverständniserklärung des Patienten beziehungsweise dessen Stellvertreters.
Wie wird eine Lumbalpunktion durchgeführt?
Die Lumbalpunktion erfolgt in folgenden Schritten:
- Lagerung: Der Patient macht einen runden Rücken (Katzenbuckel) und kann entweder sitzend vornübergebeugt auf der Untersuchungsliege sein oder in Embryonalstellung liegen (Seitenlage, Beine und Arme angezogen, Kinn auf die Brust).
- Desinfektion und Betäubung: Die Haut wird desinfiziert und örtlich betäubt.
- Punktion: Der Arzt führt eine Punktionsnadel zwischen zwei Lendenwirbeln ein (meist zwischen dem 3. und 4. oder 4. und 5. Lendenwirbel). Die Dornfortsätze der Wirbel können in der unteren Wirbelsäule gut ertastet werden.
- Entnahme: Sobald der Wirbelkanal erreicht ist, tropft das Nervenwasser aus der Nadel. Es werden 10 bis 15 Milliliter Nervenwasser entnommen. Dabei kann auch mit einem Steigrohr der Nervenwasserdruck ermittelt werden.
- Druckmessung: Direkt im Anschluss wird der Eröffnungsdruck im Nervenwasserraum gemessen, da der Druck durch das Ablassen des Liquors zunächst fällt.
- Rückzug der Nadel: Zum Schluss wird die Nadel vorsichtig herausgezogen und die Einstichstelle mit etwas Druck verbunden, damit sich die Wunde schnell wieder schließt.
- Untersuchung des Liquors: Im Labor wird die Zahl der Zellen im Nervenwasser oder die Zusammensetzung von Bestandteilen (Eiweiße, Glukose und Laktat) des Liquors analysiert.
Die Lumbalpunktion selbst dauert etwa 15 Minuten.
Atraumatische Punktionsnadeln
Vor Einführung der sogenannten atraumatischen Punktionsnadel, bei der über eine Führungsnadel eine dünnere Nadel in den Nervenwasserraum geschoben wird, kam es nicht selten zu dem gefürchteten Liquorunterdruck-Syndrom. Bei ihrer Verwendung kommt es eher zu einer Verdrängung von Gewebe als zum Durchstechen des Gewebes. Sie schonen das Gewebe und hinterlassen beim Herausziehen kein Loch. Durch Verwendung dieser Nadeln kann das Risiko für Nebenwirkungen der Lumbalpunktion um ein Vielfaches gesenkt werden. Zuvor wurden hauptsächlich sogenannte Quincke-Kanülen mit schräg geschliffener Spitze verwendet. Diese zeichnen sich durch hohe Stabilität aus. Sie hinterlassen Löcher, durch die auch nach der eigentlichen Lumbalpunktion weiter Liquor austreten kann.
Spezielle Hinweise zur Durchführung
- Positionierung: Um die Punktion bestmöglich durchführen zu können, werden Patientinnen und Patienten gebeten, einen “Katzenbuckel” zu machen, also ihren Rücken rund zu machen. Hierdurch fächern sich die Dornfortsätze der Wirbelkörper auf und erleichtern das Einstechen an der korrekten Stelle.
- Punktionsstelle: Diese wird ausgehend von den Beckenkämmen ertastet, da die Oberkante der Beckenkämme etwa auf der gleichen Höhe liegt wie der vierte und fünfte Lendenwirbelkörper. Damit der Einstich sicher unterhalb des zum Steißbein gerichteten Endes des Rückenmarks liegt, wird die Punktionsnadel zwischen dem 3. und 4. oder dem 4. und 5. Lendenwirbel-Dornfortsatz eingeführt.
Liquoruntersuchung
Die Liquoranalytik nach einer Lumbalpunktion kann neben bildgebenden Verfahren wie der Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie ergänzend zur Diagnostik der SAB eingesetzt werden. Vor allem bei kleineren oder länger zurückliegenden Blutungen kann eine ergänzende Untersuchung des Liquors sinnvoll sein, da diese in 10 bis 20 Prozent der Fälle im CT nicht klar erkennbar sind.
3-Gläser-Probe
Ist der Liquor rot verfärbt, führt der Arzt eine sogenannte 3-Gläser-Probe durch, bei der die Liquorfärbung von drei aufeinanderfolgend abgenommenen Röhrchen miteinander verglichen wird. Eine abnehmende Farbintensität weist auf eine künstlich verursachte Blutbeimengung durch die Punktion hin.
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Xanthochromie
Ist der Liquor gelblich verfärbt, spricht man von einer Xanthochromie. Im Rahmen einer SAB kann diese auftreten, wenn die als Erythrozyten bezeichneten roten Blutkörperchen zerfallen und infolgedessen beim Abbau des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin gelbes Bilirubin gebildet wird.
Was ist nach der Lumbalpunktion zu beachten?
Nach der Lumbalpunktion sollten folgende Punkte beachtet werden:
- Ruhe: Der Patient sollte nach dem Eingriff mindestens eine Stunde ruhen und sich hinlegen. Auch die folgenden 24 Stunden soll sich der Patient schonen.
- Flüssigkeit: Dem Patienten wird geraten, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen.
- Überwachung: Weil ein Bluterguss im Wirbelkanal auf Nerven drücken kann, kontrolliert die Ärztin oder der Arzt einige Stunden später die Einstichstelle und ob man die Beine bewegen kann. Normalerweise bleibt man bei einer Lumbalpunktion mindestens 1 Stunde, meist aber bis zu 4 Stunden in der Klinik oder Praxis.
- Schonung: Aufgrund möglicher Nebenwirkungen nach dem Eingriff sollten sich die Patienten für etwa 24 Stunden schonen. Das Einhalten einer Bettruhe ist nach aktuellem Stand bei Beschwerdefreiheit des Patienten nicht mehr erforderlich.
Schmerzen bei der Lumbalpunktion
Die Lumbalpunktion kann auf Wunsch unter örtlicher Betäubung erfolgen. Dennoch empfinden Patienten den Eingriff manchmal als unangenehm, weil beim Einführen der Punktionsnadel die Hirnhäute (Meningen) gereizt werden. Für kurze Zeit können Schmerzen auftreten: beim Einstich und falls die Nadel tiefer im Gewebe eine Nervenwurzel berührt. Dann strahlt der Schmerz in ein Bein aus, klingt aber sofort wieder ab. Häufig wird eine Lumbalpunktion, bezogen auf die empfundenen Schmerzen, einer Blutentnahme gleichgestellt.
Risiken und Nebenwirkungen der Lumbalpunktion
Die Lumbalpunktion ist ein risikoarmer Eingriff, birgt aber dennoch gewisse Risiken, über die der Patient zuvor von seinem Arzt informiert werden muss. Zu den möglichen Risiken und Nebenwirkungen gehören:
- Häufige Nebenwirkungen:
- Kopfschmerzen (postpunktioneller Kopfschmerz)
- Schmerzen an der Punktionsstelle
- Seltene Nebenwirkungen:
- Blutungen und Blutergüsse
- Infektionen und Entzündungen
- Kreislauf- und Bewusstseinsstörungen (Synkope)
- Vorübergehende Nervenausfälle mit Taubheitsgefühlen oder Lähmungen
- Übelkeit, Erbrechen
- Hoher Puls, niedriger Blutdruck
- Entzündungen
- Blutungen
- Sehr seltene Nebenwirkungen:
- Anfallsauslösung bei Patienten mit Epilepsie oder Migräne
- Liquorunterdrucksyndrom (Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, Ohrensausen, Übelkeit, Lichtempfindlichkeit)
Postpunktioneller Kopfschmerz
Einige Stunden oder auch Tage nach der Punktion kann es zu Kopfschmerzen, Übelkeit, einem hohen Puls oder niedrigem Blutdruck kommen. Medizinisch wird dies als „postpunktuelles Syndrom“ zusammengefasst. Diese Nachwirkungen klingen aber in der Regel nach etwa fünf Tagen ab. Die Kopfschmerzen treten selten auf und meist in einer aufrechten Körperhaltung. Sie lassen in einer liegenden Position erheblich nach.
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Behandlung des postpunktionellen Kopfschmerzes:
- Viel trinken
- Koffein oder Theophyllin
- Einfache Schmerzmittel (Paracetamol, Ibuprofen)
- Epiduraler Blutpatch mit Eigenblut des Patienten (bei stark ausgeprägten Kopfschmerzen)
Umgang mit Ängsten vor der Lumbalpunktion
- Arztsuche: Nehmen Sie sich Zeit bei der Arztsuche. Wenn Sie bereits einen Arzt kennen, der Lumbalpunktionen durchführt und dem Sie vertrauen beziehungsweise Sie von jemandem in Ihrem Freundes- und Verwandtenkreis einen Arzt empfohlen bekommen, kann Ihnen das die Angst vor der Untersuchung nehmen.
- Aufklärungsgespräch: Nutzen Sie das Aufklärungsgespräch, um Ihren Fragen und Ängsten Raum zu geben. Ihre Ängste sind verständlich, auch wenn sie aus medizinischer Sicht unbegründet sind.
- Begleitperson: Fragen Sie den Arzt, ob eine Begleitperson bei dem Eingriff anwesend sein darf.
- Hydratation: Trinken Sie vor der Untersuchung eine ausreichende Menge Wasser.
- Kommunikation: Sollten Sie während der Lumbalpunktion übermäßige Schmerzen oder Angst empfinden, teilen Sie dies dem Arzt mit.
- Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Bitten Sie den behandelnden Arzt um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, falls Sie berufstätig sind.
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