Eine Myelopathie ist eine Erkrankung des Rückenmarks, die sich durch neurologische Störungen bemerkbar macht. Der Begriff leitet sich von den griechischen Wörtern "myelon" (Mark) und "pathos" (Leiden) ab. Es handelt sich um einen Sammelbegriff für alle Rückenmarkserkrankungen, die mit neurologischen Störungen einhergehen.
Was ist Myelopathie?
Das Rückenmark, ein dicker Nervenstrang, verläuft im Spinalkanal der Wirbelsäule und verbindet Gehirn und Körper. Absteigende Bahnen leiten Informationen vom Gehirn an den Körper, während aufsteigende Bahnen Informationen von der Körperperipherie zum Gehirn transportieren. Bei einer Myelopathie ist dieser Informationsaustausch gestört, was zu verschiedenen Ausfällen führt.
Ursachen von Myelopathie
Die Ursachen für Myelopathien sind vielfältig. Sie lassen sich in drei Hauptkategorien einteilen:
- Kompressionsmyelopathien: Hierbei wird das Rückenmark durch äußeren Druck beeinträchtigt. Ursachen können verschleißbedingte Prozesse wie Spinalkanalstenose, Arthrose der Wirbelgelenke (Spondylose), Bandscheibenvorfälle, Tumore oder Frakturen sein.
- Vaskuläre Myelopathien: Diese entstehen durch Gefäßveränderungen, die die Blutversorgung des Rückenmarks beeinträchtigen. Dazu gehören Gefäßfehlbildungen, Gefäßtumore oder Gefäßverschlüsse, die zu einer Unterversorgung des Rückenmarks führen.
- Strahlenmyelopathien: Ionisierende Strahlung, wie sie in der Krebstherapie eingesetzt wird, kann das umliegende Gewebe schädigen und zu einer Myelopathie führen, wenn das Rückenmark betroffen ist.
Weitere Ursachen können sein:
- Bandscheibendegeneration in verschiedenen Stadien (Bandscheibenvorwölbung, Bandscheibenvorfall, Sequesterbildung)
- Traumatische Läsionen durch Unfälle
- Entzündungen (Myelitis) durch Infektionen (Bakterien, Viren, Pilze) oder Autoimmunerkrankungen (Multiple Sklerose, Neuromyelitis optica)
- Neurodegenerative Erkrankungen (Amyotrophe Lateralsklerose)
- Blutungen nach Unfällen
- Knochenerkrankungen
- Tumore
- Vergiftungen (Blei)
Formen der Myelopathie
Myelopathien können nach verschiedenen Kriterien eingeteilt werden:
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- Klinischer Verlauf: Akute Myelopathien (plötzlich auftretende Symptome, z.B. durch Durchblutungsstörungen, Entzündungen, Bandscheibenvorfälle) vs. progrediente Myelopathien (langsam zunehmende Beschwerden, z.B. durch Tumore, Gefäßschädigungen).
- Lokalisation: Zervikale Myelopathie (Halswirbelsäule), thorakale Myelopathie (Brustwirbelsäule). Die zervikale Myelopathie ist häufiger und wird meist durch Verschleißerscheinungen verursacht.
Zervikale Myelopathie
Die zervikale Myelopathie betrifft die Halswirbelsäule und wird häufig durch Verschleißerscheinungen verursacht. Diese führen zu einer Höhenminderung zwischen den Wirbelkörpern und zur Reizung der Bandscheiben. Als Reaktion auf diese Instabilität kommt es zu knöchernen Umbauten an den Wirbelkörpern, die das Rückenmark in diesem Bereich bedrängen und einengen können.
Thorakale Myelopathie
Die thorakale Myelopathie betrifft die Brustwirbelsäule und ist seltener als die zervikale Form. Sie kann jedoch auf ähnlichen degenerativen Prozessen beruhen und ähnliche Symptome aufweisen. Oft zeigen sich die Symptome hier im Bereich des Rumpfes oder der Muskulatur der unteren Extremitäten.
Symptome einer Myelopathie
Die Symptome einer Myelopathie hängen von der Lokalisation und dem Ausmaß der Rückenmarksschädigung ab. Vereinfacht unterscheidet man zwischen absteigenden motorischen Nervenfasern und aufsteigenden sensiblen Fasern.
- Motorische Ausfälle: Schädigung der vorderen Bereiche des Rückenmarks führt zu Gangstörungen, Muskelschwäche oder Lähmungen. Je nach Höhe der Schädigung können vermehrt die oberen oder unteren Extremitäten betroffen sein.
- Sensible Ausfälle: Schädigung der hinteren Bereiche des Rückenmarks führt zu Empfindungsstörungen, Kribbeln oder Taubheit.
Typische Symptome sind:
- Nackenschmerzen, die in die Arme ausstrahlen (bei zervikaler Myelopathie)
- Taubheit und Kraftverlust in den Armen
- Einschlafen der Arme oder Hände während der Nachtruhe
- Zunehmende Steifheit im Nacken mit Schmerzen beim Drehen des Kopfes
- Bewegungsabhängige Störungen der Motorik und Sensibilität, die später auch in Ruhe bestehen können
- Schmerzen im Bereich der Schultern oder Arme
- Lähmungserscheinungen, teilweise einhergehend mit erhöhter Muskelspannung (Spastik)
- Störungen der Schmerz- und Temperaturempfindung
- Störungen der Blasen- und Darmtätigkeit
- Gangstörungen (vorwiegend im Bereich der Beine bei thorakaler Myelopathie)
Diagnose einer Myelopathie
Die Diagnose einer Myelopathie umfasst mehrere Schritte:
- Anamnese: Erhebung der Krankheitsgeschichte, Art und Verlauf der Beschwerden, Vorliegen von Begleiterkrankungen.
- Körperliche Untersuchung: Testen von Kraft, Bewegungsausmaß und sensiblem Empfinden. Überprüfung der Reflexe.
- Bildgebende Verfahren: Magnetresonanztomografie (MRT) ist das Mittel der Wahl, um das Nervengewebe des Rückenmarks darzustellen und Hinweise auf die Ursache der Myelopathie zu erhalten. Röntgenaufnahmen können knöcherne Veränderungen darstellen. Die 3D-Wirbelsäulenmessung bietet eine schmerzfreie Diagnostik von Wirbelsäulenerkrankungen und Rückenschmerzen. Die 3D-Wirbelsäulenmessung kombiniert Videomesstechnik mit moderner Datenverarbeitung. Auf diese Weise misst sie millimetergenau Lage und Form von Wirbelsäule und Wirbelkörpern. Das schnelle und schmerzfreie Untersuchungsverfahren ist strahlungs- und belastungsfrei.
- Elektrophysiologische Verfahren: Beurteilung der Funktionsweise und Leitungsfähigkeit der Nerven sowie der Ansteuerbarkeit der Muskulatur.
Behandlung einer Myelopathie
Die Behandlung einer Myelopathie richtet sich nach der Ursache und dem Ausmaß der Erkrankung. Grundsätzlich stehen konservative und operative Möglichkeiten zur Verfügung.
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Konservative Behandlung
- Schmerzmittel: Gabe von Schmerzmitteln zur Linderung der Schmerzen.
- Physiotherapie: Stärkung und Stabilisierung der Muskulatur.
- Kortisonpräparate: Behandlung entzündlicher Ursachen.
- Ruhigstellung der Halswirbelsäule (HWS) mit einer medizinischen HWS-Krawatte: Kann bei akuten Schmerzen Linderung verschaffen.
Operative Behandlung
- Dekompression: Freilegung des Nervengewebes bei Kompressionsmyelopathien. Bei einer Spinalkanalstenose kann eine Operation erforderlich sein, um das Nervengewebe vom Druck zu befreien.
- Rekanalisation: Wiederherstellung der Blutversorgung des Rückenmarks bei vaskulären Myelopathien.
- Ventrale Fusion: Entfernung der Bandscheibe und Ersatz durch einen Platzhalter.
- Ersatzoperation einzelner Wirbelkörper: Bei Verengungen über mehrere Wirbelkörper.
Myelopathie Therapie bei Wirbelsäulenchirurg Dr. Charilaos Christopoulos
Ziel des neurochirurgischen Eingriffs ist es, dem Rückenmark und den Nerven wieder mehr Raum zu verschaffen. Hierzu wird meistens eine sog „ventrale Fusion“ durchgeführt. Die entfernte Bandscheibe wird dann durch einen Platzhalter ersetzt. Erstreckt sich die Verengung über mehrere Wirbelkörper, ist unter Umständen eine Ersatzoperation einzelner Wirbelkörper erforderlich.
Krankheitsverlauf und Prognose
Da Nervengewebe nur begrenzt regenerationsfähig ist, können Funktionsausfälle durch Schädigung des Rückenmarks oft auch nach einer Therapie bestehen bleiben. Das Fortschreiten der Symptome kann jedoch verhindert werden. Intensive physiotherapeutische Behandlung kann dazu beitragen, die umgebende Muskulatur so zu stärken, dass motorische Ausfälle in gewissem Maße kompensiert werden können. Die Prognose einer Myelopathie hängt maßgeblich vom Ausmaß der Einschränkungen vor der Behandlung ab. Eine frühzeitige Einleitung einer adäquaten Therapie ist entscheidend.
Vorbeugung einer Spinalkanalstenose der Halswirbelsäule
Mit gezielten Maßnahmen können Sie aktiv dazu beitragen, das Risiko für eine Spinalkanalstenose der Halswirbelsäule (HWS) zu reduzieren.
- Eine ergonomische Gestaltung Ihres Schreibtischplatzes entlastet Ihre Halswirbelsäule. Der Computerbildschirm sollte sich auf Augenhöhe befinden.
- Langes Sitzen übt Druck auf die Halswirbelsäule aus. Planen Sie daher beim Arbeiten am Schreibtisch alle 30 Minuten eine kurze Pause ein, in der Sie aufstehen und sich bewegen. Mit ein paar einfachen Nacken- und Schulterübungen lassen sich Verspannungen lösen.
- Ein starker Nacken trägt dazu bei, die Halswirbelsäule zu stützen. Bauen Sie daher auch spezifische Übungen zur Kräftigung der Nackenmuskulatur in Ihr Fitnessprogramm ein.
- Übergewicht belastet die Wirbelsäule. Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung, um ein gesundes Körpergewicht zu halten. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mindestens 150 Minuten moderate Aktivität pro Woche.
- Rauchen und Alkoholkonsum fördern auch im Bereich der Wirbelsäule Entzündungen und beschleunigen deren Verschleiß.
- Ausreichend zu trinken, ist generell wichtig - auch für die Gesundheit der Bandscheiben.
- Chronischer Stress führt häufig zu Muskelverspannungen. Diese können wiederum die Symptome einer Spinalkanalstenose verstärken. Integrieren Sie tiefe Atemübungen, Meditation oder Yoga in Ihren Alltag.
- Durch falsches Heben wird die Wirbelsäule unnötig belastet. Heben Sie Gegenstände immer mit geradem Rücken und gebeugten Knien an. Tragen Sie schwere Lasten nah am Körper oder, falls möglich, mit Unterstützung.
- Eine ausreichende Aufnahme von Kalzium und Vitamin D ist wichtig für die Knochengesundheit. Lassen Sie sich dazu in Ihrer Hausarztpraxis beraten. Mit einer ausgewogenen Ernährung und regelmäßigen Aufenthalten in der Sonne tun Sie bereits sehr viel für eine gute Nährstoffversorgung.
- Regelmäßige Kontrollen bei Wirbelsäulenspezialist:innen tragen dazu bei, frühe Anzeichen einer Spinalkanalstenose zu erkennen.
Indem Sie diese Maßnahmen in Ihrem Alltag umsetzen, unterstützen Sie die Gesundheit Ihrer Wirbelsäule, Ihre generelle Fitness und Ihr Wohlbefinden.
Spezialisten für Myelopathie
Neurologen sind wichtige Ansprechpartner für Betroffene, da es sich bei Myelopathien um Erkrankungen von Nervengewebe handelt. Fachärzte für Neurochirurgie sind ebenfalls stark in die Behandlung miteingebunden, da oft eine operative Therapie eingeleitet werden muss.
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