Sabine Kubesch: Das bewegte Gehirn – Inhalt und Auswirkungen von Sport auf unser Denkorgan

Einleitung

Die Neurowissenschaftlerin Sabine Kubesch hat sich intensiv mit den Auswirkungen von Sport und Bewegung auf das Gehirn auseinandergesetzt. Ihre Forschung zeigt, dass körperliche Aktivität nicht nur unseren Körper, sondern auch unser Denkorgan positiv beeinflusst. In diesem Artikel werden die wichtigsten Erkenntnisse ihrer Arbeit zusammengefasst und verständlich erklärt.

Sport macht schlau: Bewegung als Motor für das Gehirn

Die Aussage "Sport macht schlau" mag zunächst vereinfachend klingen, doch Sabine Kubesch bestätigt, dass Bewegung das Gehirn in vielerlei Hinsicht unterstützt. Körperliche Aktivität ermöglicht es dem Gehirn, leichter, schneller und nachhaltiger zu arbeiten. Dies wirkt sich positiv auf Lernprozesse aus.

Mithilfe von EEG-Untersuchungen konnten Neurowissenschaftler beobachten, wie körperliche Aktivität und Training das Gehirn befähigen, Informationen effizienter zu verarbeiten. Ähnlich wie ein Sportlerherz effizienter arbeitet, funktioniert auch das Gehirn von Sportlern besser.

Aufmerksamkeit, Gelassenheit und Lernfähigkeit:

Sport kann tatsächlich dazu beitragen, aufmerksamer, gelassener und aufnahmefähiger zu sein. Körperlich fittere Jugendliche sind beispielsweise deutlich aufmerksamer als weniger fitte. Kinder können sich nach dem Sportunterricht oder nach intensiven Bewegungspausen besser fokussieren und Störreize leichter ausblenden.

Exekutive Funktionen:

Forscher haben in allen Altersgruppen festgestellt, dass Sport und Bewegung die exekutiven Funktionen verbessern. Diese Funktionen sind entscheidend für die Selbstregulationsfähigkeit und den Lernerfolg. Exekutive Funktionen werden den höheren geistigen Leistungen zugeordnet und gelten als eine wichtige kognitive Komponente der allgemeinen Intelligenz. Sie sind vor allem in komplexen Situationen gefordert, für deren Bewältigung verschiedene kognitive Prozesse benötigt werden.

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Wie Bewegung in den Kopf kommt: Prozesse im Gehirn

Wenn wir uns bewegen, wird eine Vielzahl von Prozessen im Gehirn ausgelöst. Doch wie genau kommt die Bewegung in den Kopf, und was passiert dort?

Kognitiver Reiz:

Jede körperliche Belastung stellt einen kognitiven Reiz dar, der das Gehirn aktiviert. Die Prozesse, die dabei ablaufen, sind komplex und vielfältig.

Aktivierung verschiedener Hirnareale:

Bei Bewegung ist das gesamte Gehirn aktiv. Der supplementärmotorische Kortex plant Handlungsfolgen, während der primärmotorische Kortex für die Bewegungsausführung zuständig ist. Das Kleinhirn steuert Kraft, Ausmaß und zeitliche Abfolge von Bewegungen. Das Stirnhirn schaltet herunter, wenn Bewegungsabläufe automatisiert ablaufen.

Unterschiedliche Sportarten, unterschiedliche Effekte:

Verschiedene Sportarten trainieren unterschiedliche Hirnareale und Fähigkeiten. Zyklische Bewegungsformen wie Schwimmen, Laufen und Radfahren aktivieren das Stirnhirn weniger als schnelle Mannschaftssportarten wie Tennis oder Fußball, die den Kopf stärker fordern.

Beispiele:

  • Yoga: Regt nachweislich den Frontallappen an.
  • Tennis: Fordert den Kopf stark heraus, da unter Zeit- und Gegnerdruck vielfältige Entscheidungen getroffen werden müssen.
  • Baseball: Erfordert eine "Go/No-go"-Entscheidung bei jedem Schlag, was die kognitiven Fähigkeiten zusätzlich beansprucht.
  • Fußball: In komplexen Spielsituationen müssen Spieler viele Informationen gleichzeitig verarbeiten und flexible Entscheidungen treffen.

Exekutivfunktionen und sportliche Leistung:

Spieler der 1. Bundesliga haben nachweislich bessere Exekutivfunktionen als Spieler der 3. Liga und die Normalbevölkerung. Die Exekutivfunktionen können sogar den Torerfolg eines Spielers in der Zukunft vorhersagen. Ähnlich wie beim Lernen führen bessere Exekutivfunktionen zu besseren Leistungen in Sport, Bildung und Beruf.

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Die Rolle von Botenstoffen: Serotonin und BDNF

Sportliche Aktivität beeinflusst die Konzentration verschiedener Botenstoffe im Gehirn, die eine wichtige Rolle für unsere Stimmung, unser Gedächtnis und unsere Nervenzellen spielen.

Serotonin:

Beim Sport wird die Fettverbrennung angeregt, wodurch freie Fettsäuren freigesetzt werden. Diese lösen die Aminosäure Tryptophan vom Eiweiß im Blut. Das freie Tryptophan kann die Blut-Hirn-Schranke passieren und im Gehirn zu Serotonin umgewandelt werden. Dieser Serotoninanstieg wirkt gedächtnisfördernd, angstlösend und stimmungsaufhellend. Sport kann bei leichter bis mittelgradiger Depression ähnlich wirksam sein wie Antidepressiva.

BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor):

Training stimuliert nicht nur Muskeln, sondern auch das Nervengewebe. Der neurotrophe Wachstumsfaktor BDNF erhöht die synaptische Plastizität sowie das Wachstum und das Überleben von Nervenzellen. Ausdauertraining von 20 bis 40 Minuten täglich kann die BDNF-Konzentration um mehr als 30 Prozent erhöhen. Inaktivität führt dagegen zu einem Rückgang von 13 Prozent. Der BDNF-Anstieg unterstützt die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus und damit unser Gedächtnis für Fakten, persönlich Erlebtes und räumliche Orientierung.

Nachhaltigkeit der Veränderungen: Langzeiteffekte von Sport

Die positiven Auswirkungen von Sport auf das Gehirn sind nicht nur von kurzer Dauer. Regelmäßiges Training kann langfristige Veränderungen bewirken.

Molekulares Gedächtnis:

Es scheint eine Art molekulares Gedächtnis für die BDNF-Beeinflussung durch körperliches Training zu geben. Selbst nach einem dreimonatigen täglichen Training ist noch ein Anstieg der BDNF-Konzentration festzustellen. Nach einer kurzen zweiten Trainingseinheit wurde ein BDNF-Anstieg auf einem Niveau nachgewiesen, das üblicherweise ein mehrwöchiges Training erfordert.

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Langzeiteffekte bei älteren Menschen:

Studien mit älteren Frauen haben gezeigt, dass Krafttraining ein- bis zweimal wöchentlich auch 18 Monate nach Beendigung des Trainings noch positive Effekte hat.

Früh übt sich: Sport im Kindesalter

Es ist ratsam, möglichst früh mit sportlicher Aktivität zu beginnen, da sich das Gesundheitsverhalten in der Kindheit formt. Sport trainiert Kraft, Beweglichkeit und Koordination, wodurch die kognitiven Grundfunktionen gestärkt werden. Gut trainierte Exekutivfunktionen korrelieren mit besseren Noten in Mathe und Sprache. Sport fördert zudem die Anstrengungsbereitschaft, das Durchhaltevermögen und die Entwicklung von Willensstärke.

Nie zu spät: Sport im Erwachsenenalter

Auch im Erwachsenenalter ist es nie zu spät, mit Sport zu beginnen. Das Gehirn passt sich ein Leben lang an und kann neue Verknüpfungen herstellen. Regelmäßiger Sport reduziert das Risiko, an Demenz zu erkranken, um 18 Prozent und das Alzheimer-Risiko um 26 Prozent. In Kombination mit geistiger Aktivität, gesunder Ernährung und dem Verzicht auf Tabak und übermäßigen Alkoholkonsum kann das Risiko sogar um 60 Prozent minimiert werden.

Selbstkontrolle trainieren: Wege zu einem aktiven Gehirn

Um die exekutiven Funktionen zu trainieren, ist eine hohe Selbstkontrolle erforderlich. Diese kann jedoch erlernt werden.

Aufgaben, die Selbstkontrolle erfordern:

  • Änderungen gewohnheitsmäßiger Verhaltensweisen (z.B. nach dem Sport die Sporttasche ausräumen)
  • Kontrolle von Emotionen und Gedanken (z.B. statt laut zu werden, erst einmal durchzuatmen)

Selbstkontrolle im Alltag:

An der Selbstkontrolle und Selbstregulationsfähigkeit können wir jeden Tag arbeiten, indem wir uns bewusst Aufgaben stellen, die diese Fähigkeiten fordern.

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