Schlaf ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, das für die Erhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit unerlässlich ist. Schlaf und Gehirn beeinflussen sich gegenseitig, so dass altersbedingte Veränderungen verschiedener Schlafmerkmale darauf hindeuten, dass eine verminderte Schlafqualität ein häufiges Merkmal des Alterns ist. Umgekehrt kann eine Schlafstörung den Alterungsprozess des Gehirns beschleunigen.
Die Auswirkungen von Schlafentzug auf das Gehirn sind vielfältig und reichen von kurzfristigen Beeinträchtigungen der kognitiven Funktionen bis hin zu langfristigen Schäden an den Gehirnzellen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte des Schlafentzugs und seine Auswirkungen auf das Gehirn, einschliesslich der neuesten Forschungsergebnisse und praktischen Hinweise.
Kurzfristige Auswirkungen von Schlafentzug
Kognitive Beeinträchtigungen
Schon eine einzige Nacht ohne Schlaf kann erhebliche Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit haben. Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und verminderte Aufmerksamkeit sind die unmittelbaren Folgen. Die Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu bewältigen, nimmt ebenfalls ab. Dies kann sich negativ auf die Arbeit, die Schule und andere Aktivitäten des täglichen Lebens auswirken.
Emotionale Instabilität
Schlafmangel beeinträchtigt auch das emotionale Befinden. Eine kurze Nacht genügt, damit man gereizt und übellaunig ist. Genereller Schlafmangel kann zu erhöhter Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Angstzuständen und Depressionen führen. Das Gehirn ist schlichtweg weniger in der Lage, Emotionen und Gefühlszustände angemessen zu regulieren, wenn es nicht genügend Ruhe bekommt.
Gedächtnisprobleme
Ein ausreichendes Schlafpensum ist auch unerlässlich, um wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen und Gelerntes im Langzeitgedächtnis zu speichern. Alle Informationen, die man am Tag aufnimmt, gelangen zunächst in das Zwischenhirn, den so genannten Hippocampus. Erst im Tiefschlaf werden die Informationen verarbeitet und in den Langzeitspeicher übertragen. Damit das Gehirn nur wichtige Informationen speichern muss, filtert es zuerst die Eindrücke des Tages. Wissen, das man tagsüber aufnimmt, stärkt vorhandene Synapsen oder produziert neue. Während man schläft, schwächt das Gehirn die Synapsen, ohnehin kränkelnde werden ganz abgebaut. Woran man selten denkt, vergisst man darum meist mit der Zeit. Man behält nur, was man auch nutzt.
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Auswirkungen auf das Gehirnalter
Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass eine einzige Nacht ohne Schlaf das biologische Alter des Gehirns um ein bis zwei Jahre erhöhen kann. Mithilfe von Algorithmen des Maschinellen Lernens, deren Trainingsgrundlage strukturelle Aufnahmen mit dem Magnetresonanztomographen (MRT) sind, lässt sich das „biologische“ Alter des Gehirns einer Person zuverlässig schätzen. Dieses kann sich jedoch vom „kalendarischen“ Alter der Person unterscheiden, z. B. wenn Demenz-Erkrankungen das Gehirn vorzeitig altern lassen. Die gute Nachricht ist, dass ein anschließender Erholungsschlaf diese Veränderungen rückgängig machen kann.
Langfristige Auswirkungen von Schlafentzug
Irreversible Schäden im Gehirn
Auf lange Sicht kann Schlafentzug irreversible Schäden im Gehirn anrichten. Ein Forschungsteam hat bereits in einer früheren Studie festgestellt, dass durch Schlafmangel Gehirnzellen in einem Hirnareal zugrunde gehen, das für Aufmerksamkeit und geistige Leistung verantwortlich ist. Nun haben die Forschenden jüngst weitere Hinweise entdeckt, die darauf hindeuten, dass wenig Schlaf einen rascheren Rückgang des Gehirnvolumens bedingt. Und tatsächlich: Bei den Teilnehmern, die unter Schlafstörungen litten, baute sich das Gehirnvolumen in bestimmten Hirnregionen wesentlich schneller ab als in der Vergleichsgruppe.
Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung
Häufiger Schlafentzug schädigt das Gehirn. So zeigen Studien, dass häufiger Schlafentzug die Gehirnentwicklung beeinträchtigt, Schadstoffe aus dem Gehirn schlechter abtransportiert werden, die emotionale Stabilität abnimmt und das Arbeitsgedächtnis sowie die Schul- und Arbeitsleistung massiv nachlassen.
Erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen
Chronische Schlafstörungen konnten allerdings mit Gehirnerkrankungen wie Schizophrenie, Autismus und Alzheimer in Verbindung gebracht werden. Schlaf spielt eine wichtige Rolle für die kognitiven Funktionen unseres Körpers. Schlafentzug kann daher eine Vielzahl von Auswirkungen haben - auch auf Gehirn und Gedächtnis.
Auswirkungen auf die Gehirnstruktur
Bei Menschen mit chronischen Schlafstörungen treten Veränderungen im vorderen cingulären Cortex, in der rechten Amygdala und im Hippocampus auf. Diese Regionen sind beispielsweise an der Verarbeitung von Argumenten, Emotionen, Erinnerungen, Entscheidungen sowie Geruch und Geschmack beteiligt. Im Gegensatz dazu war ein kurzfristiger Schlafmangel mit Veränderungen im rechten Thalamus verbunden. Diese Hirnregion ist für Temperaturregulierung, Bewegung und Schmerzempfinden verantwortlich.
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Erhöhtes Risiko für körperliche Erkrankungen
Schlafen Personen über einen längeren Zeitraum zu wenig, leiden sie also unter einem chronischen Schlafmangel, geht davon neben den direkten Auswirkungen wie der Tagesschläfrigkeit auch ein erhöhtes Risiko für Krankheiten einher. So haben zum Beispiel Jugendliche mit Schlafproblemen ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Ungenügender Schlaf wird außerdem mit vielen chronischen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, darunter Herz- und Nierenerkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Schlaganfälle, Fettleibigkeit. Auch bei Erwachsenen kann sich Schlafmangel auf die psychische Gesundheit auswirken. Chronischer Schlafmangel kann zu Erkrankungen führen, die die Lebenserwartung verringern.
Die Rolle des Schlafs für die Gehirnfunktion
Verarbeitung von Erfahrungen
Der Schlaf hat viele verschiedene Funktionen. Eine davon ist, die Erfahrungen des Tages zu verarbeiten. REM-Schlaf soll wichtig für emotionale Erinnerungen (bspw. Angst) und prozessuale Erinnerungen (bspw. wie fahre ich Fahrrad) sein, wohingegen der Tiefschlaf die sogenannten erklärenden Erinnerungen verarbeitet, die als Aufzeichnung all unserer Erfahrungen und unseres Wissens gelten. Wir wissen, dass unsere täglichen Erfahrungen im Schlaf nochmal durchlebt werden. Diese Wiederholungen finden in den Neuronen des Hippocampus - der relevanten Gehirnregion für das Gedächtnis - statt. Um wichtig von unwichtig zu unterscheiden, kann das Gehirn die Erinnerungen nur selektierend speichern. Der Schlaf ermöglicht es dem Gehirn, die Erinnerungen zu überprüfen und unwichtige Erlebnisse zu vergessen. An die wichtigen Ereignisse können wir uns dann besser erinnern. Um zu vergessen werden die Verbindungen einzelner Hirnzellen geschwächt oder gänzlich getrennt.
Synaptische Homöostase
Eine gängige Theorie zur Funktion des Schlafs liefert die Hypothese zur synaptischen Homöostase. Sie besagt, dass es während des Schlafes zu einer weiterverbreiteten Schwächung der Synapsen (also der Verbindungen im Gehirn) kommt. Man geht davon aus, dass es diesen Vorgang braucht, um das Gleichgewicht von Erinnern und Vergessen zu halten. Durch das gezielte Vergessen während des Schlafs, können wir am folgenden Tag wieder Neues lernen. Durchkreuzt oder verhindert man diesen Vorgang, so kann es zu intensiveren und unter Umständen auch ungewollten Erinnerungen kommen.
Reinigung des Gehirns
Schlaf wird ausserdem benötigt um das Gehirn "instand zu halten“. Eine aktuelle Studie mit Mäusen hat bestätigt, dass Schlaf das Gehirn auch von Giftstoffen reinigt, die sich während des wachen Zustandes ansammeln. Während des Schlafs vergrößert sich der Zellabstand, sodass Giftstoffproteine abtransportiert werden können. Es ist möglich, dass durch diesen Abtransport Krankheiten wie Alzheimer abgewehrt werden können.
Reparatur der DNA
Forschende der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv haben 2018 durch Untersuchungen herausgefunden, dass Schlaf den Körper auch dabei unterstützt, beschädigte DNA zu reparieren. Das Team färbte dafür die Chromosomen von transparenten Zebrafischen ein. Sie stellten fest, dass die Chromosomen tagsüber kaum aktiv waren, sich jedoch nachts bewegten und dadurch einen Reparaturprozess in Gang setzten. Wer viel schläft, gibt seinem Gehirn die Zeit, die es braucht, um das Erbgut wieder in Ordnung zu bringen. So wirkt die Nachtruhe dem Abbau von Nervenzellen im Gehirn entgegen.
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Praktische Hinweise für einen besseren Schlaf
Schlafhygiene
Eine gute Schlafhygiene ist entscheidend für einen erholsamen Schlaf. Dazu gehören regelmäßige Schlafzeiten, eine entspannende Schlafumgebung, der Verzicht auf Koffein und Alkohol vor dem Schlafengehen sowie regelmäßige Bewegung.
Stressmanagement
Stress kann zu Schlafmangel führen. Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga oder Atemübungen können helfen, Stress abzubauen und den Schlaf zu verbessern.
Behandlung von Schlafstörungen
Wenn Sie unter Schlafstörungen leiden, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten für Schlafstörungen, wie z.B. kognitive Verhaltenstherapie, Medikamente oder spezielle Atemtherapien.
Ausreichend Schlaf
Für Erwachsene lautet die Empfehlung, circa sieben bis neun Stunden nachts zu schlafen. Es ist wichtig, diese Empfehlung zu beachten, um die Gesundheit des Gehirns und des Körpers zu erhalten.
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