Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, von der weltweit Millionen Menschen betroffen sind. Sie ist gekennzeichnet durch wiederholte, unprovozierte Anfälle, die durch abnormale elektrische Aktivitäten im Gehirn ausgelöst werden. Diese Anfälle können sich vielfältig äußern, von kurzen Aussetzern bis hin zu schweren Krampfanfällen mit Bewusstseinsverlust. Im Folgenden werden die verschiedenen Aspekte der Epilepsie beleuchtet, um ein umfassendes Verständnis dieser komplexen Erkrankung zu ermöglichen.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie, auch bekannt als Fallsucht, ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte, unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese epileptischen Anfälle entstehen dadurch, dass Nervenzellen im Gehirn zu viele Signale auf einmal geben. Die Bedeutung des Begriffs Epilepsie geht auf das griechische Wort „epilambanein“ zurück, was „ergriffen werden“ meint, und beschreibt die plötzliche Natur der Krampfanfälle.
Wie entstehen Anfälle?
Das zentrale Nervensystem im Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die elektrische Signale erzeugen, empfangen und übertragen. Das Zusammenspiel dieser Nervenzellen ist genau aufeinander abgestimmt. Bei Störungen kommt es zu plötzlichen elektrischen Entladungen, die sich im Körper ausbreiten und krampfartige Zuckungen von Muskelgruppen auslösen können, vor allem in Armen und Beinen. Diese Zuckungen lassen sich willentlich nicht kontrollieren. Jede Schädigung von Hirngewebe kann zu einer spontanen Entladung von Nervenzellen und damit zu einem Krampf führen.
Ursachen von Epilepsie
Die Ursachen der Epilepsie sind vielfältig und nicht immer eindeutig feststellbar. In vielen Fällen lässt sich keine eindeutige Ursache für die Epilepsie feststellen. Es gibt genetische Veränderungen, die dazu führen, dass Nervenzellen im Gehirn grundsätzlich mehr dazu neigen, sich spontan synchron zu entladen.
Mögliche Auslöser
Bestimmte Bereiche des Gehirns steuern Bewegungen, Sprache, Gefühle und Wahrnehmungen. Bei einem epileptischen Anfall ist das Zusammenspiel der Nervenzellen zeitweise gestört. Diese Störung führt dazu, dass einzelne Gehirnbereiche oder das ganze Gehirn übermäßig aktiv werden und die Nervenzellen zu viele Signale senden. Häufige Ursachen und Risikofaktoren sind:
Lesen Sie auch: Kann ein Anfall tödlich sein?
- Genetische Ursachen: Familiäre Häufung von Epilepsie deutet auf eine erbliche Veranlagung hin. In einigen Fällen können Veränderungen im Erbmaterial (Genmutation) erkannt werden.
- Erworbene Hirnveränderungen: Nach einem Schlaganfall oder ausgelöst durch ein Schädelhirntrauma nach einem Unfall.
- Fokale Epilepsie: Die Anfälle beginnen immer in einer bestimmten Hirnregion, dem Fokus.
- Entzündungen im Gehirn: Bei akuten Infektionen mit Viren oder Bakterien (Meningitis, Enzephalitis) oder bei seltenen Autoimmunkrankheiten des Gehirns.
Risikofaktoren
Fieberkrämpfe, Hirnverletzungen oder Epilepsie in der Familie erhöhen das Risiko. Auch Schlafmangel, Alkohol oder Lichtreize (z. B. Diskos) können Anfälle auslösen. Erhöhter Alkoholkonsum bzw. abrupte Abstinenz nach längerfristigem intensiven Alkoholkonsum ist ebenso ein auslösender Faktor wie anhaltender Schlafentzug. Andere Menschen weisen spezielle Auslösefaktoren für Krampfanfälle auf. So ist beispielsweise eine Leseepilepsie bekannt, die, wie der Name schon sagt, beim Lesen auftritt. Andere Betroffene weisen schlafgebundene Anfälle auf, die nur während der Schlafphasen auftreten.
Symptome von Epilepsie
Epilepsie äußert sich durch wiederholte Anfälle, die von kurzen Zuckungen bis hin zu schwereren Krampfanfällen und Bewusstseinsverlust reichen können. Die Symptome variieren je nach Form der Epilepsie bzw. Art des Anfalls. Zu den allgemeinen Anzeichen zählen plötzliche Muskelzuckungen, unkontrollierte Bewegungen, Bewusstseinsverlust, Verwirrtheit und sensorische Störungen.
Arten von Anfällen
Grundsätzlich wird zwischen fokalen und generalisierten Anfällen unterschieden. Krampfanfälle wirken sich auf Bewegungen, Empfindungen und Bewusstsein aus.
- Fokale Anfälle: Befindet sich die Störung in einem kleinen Bereich in einer der beiden Hirnhälften. Die Patientin oder der Patient zeigt nicht zielgerichtete Verhaltensweisen wie Schmatzen, Lippenlecken sowie Nesteln. Auch Muskelzuckungen, verkrampfte Gliedmaßen und Muskelschwäche sind möglich. Während des Anfalls nimmt die Person manchmal ein Kribbeln, Taubheitsgefühle, Lichtblitze, ungewöhnliche Geräusche oder Gerüche wahr. Auch plötzliche Angst oder kurze Aussetzer in Sprache oder Gedächtnis treten auf. Weitere Symptome können Herzrasen, Schweißausbrüche, Speichelfluss und Übelkeit sein.
- Generalisierte Anfälle: Können im Erscheinungsbild sehr unterschiedlich sein. Teilweise handelt es sich um kurze „Aussetzer“ (sogenannte Absencen oder Bewusstseinsstörungen). Die betroffene Person kann auch länger ohnmächtig werden und stürzen. Es folgt eine Verkrampfung am ganzen Körper mit Zuckungen der Arme und der Beine. Am häufigsten ist ein tonisch-klonischer Anfall. Durch die Anspannung aller Muskeln wird der Körper plötzlich steif (tonische Phase). Es folgt ein Bewusstseinsverlust - und danach kommt die klonische Phase. Dabei zucken die Muskeln krampfartig durch abwechselndes An- und Entspannen. Beim tonisch-klonischen epileptischen Anfall kommt es manchmal zu Zungen- oder Wangenbiss und Einnässen.
Spezifische Anfallsformen
- Tonisch-klonische Anfälle (Grand-Mal-Anfälle): Beginnen mit einer steifen Phase (tonisch) und gehen dann in rhythmische Zuckungen (klonisch) über.
- Absence-Anfälle (Petit-Mal-Anfälle): Verursachen kurze Bewusstseinsverluste ohne Stürze oder Zuckungen, oft unbemerkt von Außenstehenden.
- Myoklonische Anfälle: Führen zu plötzlichen, kurzen Muskelzuckungen, die einzelne Muskeln oder Muskelgruppen betreffen können.
Diagnose von Epilepsie
Die Diagnose von Epilepsie erfolgt durch eine gründliche Anamnese, neurologische Untersuchungen und den Einsatz von bildgebenden Verfahren wie MRT.
Diagnosemöglichkeiten
- Anamnese: Eine detaillierte Patientenbefragung, die Informationen über die Anfallshäufigkeit, -dauer und -charakteristik sammelt. Auch Familienanamnese und Vorerkrankungen sind relevant. Wichtig ist, ob es sich um eine fokale oder generalisierte Epilepsie handelt.
- Neurologische Untersuchungen: Standardisierte Tests zur Überprüfung der neurologischen Funktionen, um mögliche Ursachen der Krampfanfälle zu identifizieren.
- Elektroenzephalogramm (EEG): Ein Verfahren, das die elektrische Aktivität des Gehirns misst und abnorme Muster, die auf eine Epilepsieform hinweisen, erkennt. Die Hirnstromkurve zeigt an, ob eine Neigung zu epileptischen Anfällen besteht.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Hochauflösende Bilder des Gehirns, die strukturelle Anomalien wie Tumore, Narbengewebe oder Fehlbildungen sichtbar machen. Weitere neurologische Veränderungen im Gehirn lassen sich zum Beispiel mittels der Computertomografie (CT) oder der Magnetresonanztomografie (MRT) darstellen.
- Computertomographie (CT): Eine Methode zur schnellen Erstellung detaillierter Querschnittsbilder des Gehirns, nützlich bei akuten Fällen oder wenn eine MRT nicht verfügbar ist.
- Bluttests: Zur Ausschlussdiagnose von Stoffwechselstörungen oder Infektionen, die Anfälle verursachen könnten. Auch die Blutuntersuchung kann dabei helfen, mögliche Ursachen für einen Krampfanfall oder eine Epilepsieerkrankung aufzuspüren.
- Video-EEG-Monitoring: Eine Kombination aus EEG und Videoüberwachung, um Anfälle direkt zu beobachten und deren Verlauf genau zu dokumentieren.
- Genetische Testung: Manchmal wird eine genetische Testung veranlasst.
Behandlung von Epilepsie
Die Behandlung von Epilepsie umfasst medikamentöse Therapien, chirurgische Eingriffe und alternative Ansätze wie die Vagusnervstimulation.
Lesen Sie auch: Cortison-Therapie bei Epilepsie im Detail
Medikamentöse Therapie
Die häufigste Behandlungsmethode umfasst die Einnahme von Antiepileptika, die helfen, Anfälle zu kontrollieren. Die Auswahl des Medikaments hängt von der Anfallsform und den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen ab. In der Regel müssen dafür dauerhaft Medikamente eingenommen werden.
Chirurgische Eingriffe
Bei Patientinnen und Patienten, die auf Medikamente nicht ausreichend ansprechen, kann die Epilepsiechirurgie in Betracht gezogen werden. Ziel der Operation ist es, den Bereich des Gehirns zu entfernen oder zu isolieren, der für die epileptischen Anfälle verantwortlich ist. Bei diesem neurochirurgischen Eingriff wird ein Teil des Temporallappens aus dem Gehirn herausgetrennt.
Alternative Therapien
- Vagusnerv-Stimulation: Hier soll die Überaktivität der Nervenzellen gehemmt werden. Ein Schrittmacher wird im Brustbereich unter der Haut eingesetzt und gibt elektrische Impulse ab. Das geschieht über Kontakte am Halsbereich, die mit dem sogenannten Vagusnerv verbunden sind.
Weitere unterstützende Maßnahmen
Diese Therapien können helfen, die motorischen und kognitiven Fähigkeiten zu fördern und zu erhalten. Auch eine begleitende Psychotherapie kann sinnvoll sein. Sie kann dabei helfen, mit der Erkrankung zurechtzukommen und die Lebensqualität zu verbessern.
Prognose und Verlauf von Epilepsie
Der Verlauf von Epilepsie ist individuell unterschiedlich. Einige Epileptikerinnen und Epileptiker reagieren gut auf Medikamente und bleiben über lange Zeiträume anfallsfrei. Bei anderen sind die Anfälle resistent gegenüber Medikamenten, was zu einer chronischen Erkrankung führen kann. Etwa 50 Prozent der Betroffenen gelten nach 10 Jahren ohne Anfall und 5 Jahren ohne Medikamente als geheilt.
Mögliche Folgen
Unbehandelt kann Epilepsie zu schweren gesundheitlichen und sozialen Folgen führen, darunter Verletzungsrisiken während eines Anfalls und Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung bei Kindern.
Lesen Sie auch: Ein umfassender Leitfaden zur idiopathischen generalisierten Epilepsie
- Physische Folgen: Verletzungen durch Stürze oder Unfälle während eines Anfalls, einschließlich Knochenbrüche und Kopfverletzungen.
- Kognitive Beeinträchtigungen: Langfristige Anfälle können die geistige Entwicklung und kognitive Funktionen beeinträchtigen, insbesondere bei Kindern.
- Psychosoziale Auswirkungen: Stigmatisierung, Angststörungen und Depression sind häufige Begleiterscheinungen, welche die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken können.
- Einschränkungen im Alltagsleben: Schwierigkeiten bei der Berufsausübung, im sozialen Umfeld und bei alltäglichen Aktivitäten können auftreten. Auch rechtliche Einschränkungen wie Fahrverbote können eine Rolle spielen.
- Erhöhtes Risiko für plötzlichen unerwarteten Tod bei Epilepsie (SUDEP): In seltenen Fällen kann es zu einem plötzlichen unerwarteten Tod kommen, dessen Ursachen noch nicht vollständig geklärt sind.
Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall
Bei einem epileptischen Anfall ist es am wichtigsten, dass Helferinnen und Helfer Betroffene vor Verletzungen schützen und ruhig bleiben.
Was tun?
- Ruhe bewahren und den Betroffenen beruhigen.
- Den Patienten während des Anfalls nicht festhalten.
- Gefährliche Gegenstände in der Umgebung entfernen.
- Den Kopf des Betroffenen schützen, z.B. durch Unterlegen eines weichen Gegenstandes.
- Enge Kleidung am Hals lockern.
- Nach dem Anfall die Person in die stabile Seitenlage bringen, falls sie bewusstlos ist.
Wann den Notruf wählen?
Den Rettungsdienst unter 112 anzurufen ist nötig, falls der Anfall länger als fünf Minuten dauert oder bei mehreren kurz hintereinander auftretenden Anfällen. Auch bei einem ersten Anfall sollte ein Notarzt gerufen werden, damit der Betroffene in eine Klinik gebracht werden kann.
Was man vermeiden sollte
- Der betroffenen Person etwas in den Mund schieben.
- Versuchen, die Person festzuhalten oder zu Boden zu drücken.
Leben mit Epilepsie
Epilepsie beeinflusst den Alltag: Beruf, Mobilität und soziale Aktivitäten. Wichtig ist es, Auslöser zu kennen und zu meiden. Fahreignung und Arbeitssicherheit müssen ärztlich geprüft werden. Menschen mit Epilepsie dürfen nicht selbst Auto fahren, wenn sie in den vergangenen zwölf Monaten einen Anfall hatten.
Umgang mit der Erkrankung
Individuelle Aufklärung und Beratung von Betroffenen und ihren Angehörigen sind wichtig, um das Risiko für Komplikationen und unerwartete Ereignisse zu verringern. Es ist wichtig, sich über die Erkrankung zu informieren, Auslöser zu meiden und regelmäßige ärztliche Kontrollen wahrzunehmen.
tags: #Epilepsie #neurologische #Erkrankung #Ursachen #Symptome #Behandlung