Schlafgebundene Epilepsie: Symptome, Ursachen, Diagnose und Behandlung

Die schlafgebundene Epilepsie, insbesondere die Rolando-Epilepsie bei Kindern, ist eine häufige Form der Epilepsie, bei der Anfälle vorwiegend im Schlaf auftreten. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Symptome, Ursachen, Diagnose, Behandlung und den Verlauf dieser Erkrankung.

Was ist schlafgebundene Epilepsie?

Schlafgebundene Epilepsie bezieht sich auf Epilepsieformen, bei denen epileptische Anfälle überwiegend oder ausschließlich während des Schlafs auftreten. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Rolando-Epilepsie, eine der häufigsten Epilepsieformen bei Kindern.

Die Rolando-Epilepsie, auch bekannt als "gutartige/selbst-endende Epilepsie mit zentrotemporalen Spikes", manifestiert sich typischerweise im Alter zwischen drei und dreizehn Jahren, selten bis zum achtzehnten Lebensjahr. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen, und Erwachsene sind in der Regel nicht mehr betroffen.

Andere Bezeichnungen für Rolando-Epilepsie

Mediziner verwenden verschiedene Bezeichnungen, um die Rolando-Epilepsie genauer zu beschreiben:

  • Selbst-limitierend: Die Rolando-Epilepsie endet mit dem Alter von selbst.
  • Fokal, partiell oder "Partialepilepsie": Sie geht von einem begrenzten Bereich in einer Hälfte des Gehirns aus.
  • Idiopathisch: Der Auslöser ist nicht bekannt, wahrscheinlich verursachen Genveränderungen die Rolando-Epilepsie.
  • Mit zentro-temporalen Spikes: Im EEG erscheinen markante Formen.
  • Benigne: Es handelt sich in der Regel um eine "gutartige" Epilepsie.

Symptome der Rolando-Epilepsie

Die Rolando-Epilepsie äußert sich durch epileptische Anfälle, die vor allem im Bereich des Kopfes auftreten. Die Anfälle dauern üblicherweise nicht länger als zwei bis drei Minuten. In den meisten Fällen sind die Kinder bei Bewusstsein und bekommen den Anfall mit.

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Typische Symptome

  • Krämpfe der Gesichts-, Mund- und Rachenmuskeln: Die Muskeln können versteifen (tonischer Krampf), zucken (klonischer Krampf) oder beides (tonisch-klonischer Krampf). Besonders auffallend ist, dass Mundwinkel, Zunge und Gesicht (anfangs) nur auf einer Seite zucken oder verzogen sind.
  • Missempfindungen in Gesicht und Mund: Die Kinder verspüren ein Kribbeln, Taubheitsgefühl oder Brennen an Wangeninnenseite, Lippen, Zunge, Gaumen und Zahnfleisch.
  • Vermehrter Speichelfluss (Hypersalivation): Durch die Muskelkrämpfe können Betroffene manchmal nur schwer schlucken und es entstehen gurgelnde bis röchelnde Geräusche.
  • Sprechstörungen: Die Kinder können nicht (Anarthrie) oder nur verwaschen (Dysarthrie) sprechen.

Symptome bei Ausbreitung des Anfalls

Manchmal breitet sich ein Rolando-Anfall auf weitere Areale des Gehirns aus. Dann kann auf der gleichen Seite der Arm (seltener das Bein) betroffen sein und schließlich auch die gesamte Körperhälfte. Nach dem Anfall sind die betreffenden Körperareale möglicherweise vorübergehend gelähmt (Todd´sche Parese).

Bisweilen erfassen Rolando-Anfälle auch die andere Gehirnhälfte. Dann treten Krämpfe am ganzen Körper auf. Ein solcher bilateral tonisch-klonischer Anfall entwickelt sich oft sehr schnell aus einem fokalen Anfall.

Wann und wie oft treten Rolando-Anfälle auf?

Bei der Rolando-Epilepsie setzen Anfälle bei der Mehrzahl der Kinder ausschließlich im Schlaf ein. Besonders häufig entstehen sie abends, kurz nach dem Einschlafen, oder früh morgens, vor dem Aufwachen. Deutlich seltener haben Betroffene die Anfälle nur tagsüber oder sowohl nachts als auch am Tag.

Am häufigsten beginnen die Symptome der Rolando-Epilepsie bei Kindern im Grundschulalter und enden mit der Pubertät. Vor allem jüngere Kinder sind von länger anhaltenden Anfällen mit Ausbreitung auf beide Gehirnhälften betroffen.

Ursachen der Rolando-Epilepsie

Die Ursachen der Rolando-Epilepsie sind noch nicht vollständig geklärt. Mediziner gehen von einer sogenannten genetischen Prädisposition aus. Das heißt, Betroffene haben Veränderungen (Mutationen) im Erbgut, die sie anfälliger für die Erkrankung machen. Vermutlich begünstigen dann äußere Einflussfaktoren, dass die Rolando-Epilepsie tatsächlich ausbricht.

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Genetische Veranlagung

Dass wahrscheinlich Genveränderungen der Rolando-Epilepsie zugrunde liegen, machen Mediziner vor allem an den folgenden Beobachtungen fest:

  • Häufig neigen Familienmitglieder der Erkrankten ebenfalls zu Krampfanfällen (etwa im Rahmen von Epilepsien oder Fieberkrämpfen).
  • Das EEG aller Rolando-Epileptiker zeigt eine typische Veränderung, den Rolando-Fokus.
  • Unter einigen Betroffenen findet man Veränderungen in den gleichen Genen, beispielsweise im GRIN2A-Gen.

Ist die Rolando-Epilepsie vererbbar?

Experten gehen davon aus, dass zumindest die Veranlagung für die Rolando-Epilepsie vererbbar ist. Demnach handelt es sich um einen autosomal-dominanten Erbgang. Das bedeutet, dass sich der Rolando-Fokus beim Kind auch dann durchsetzt, wenn nur ein Elternteil die Mutation weitergibt.

Auslöser eines Anfalls

Rolando-Anfälle entstehen, wenn viele Nervenzellen im Gehirn gleichzeitig und übermäßig elektrisch aktiv werden. Experten vermuten, dass die Gehirnrinde bei der Rolando-Epilepsie verändert ist. Womöglich ist auch die Kommunikation zwischen einzelnen Hirnregionen gestört.

Zudem haben Mediziner einen Zusammenhang mit Schlaf und Übermüdung beobachtet: Im EEG beginnen die typischen Veränderungen gehäuft nachts im NREM-Schlaf oder tagsüber bei Müdigkeit.

Untersuchungen und Diagnose

Die Diagnose der Rolando-Epilepsie stellen Fachärzte der kindlichen Nervenheilkunde (pädiatrische Neurologen). Sie beruht auf den Schilderungen der Patienten und Eltern. Außerdem messen Ärzte die Hirnströme (EEG), wo sich ein Rolando-typisches Muster zeigt. Sie überprüfen auch den neurologischen Allgemeinzustand des Kindes.

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Anamnese

Zunächst fragt der Arzt Kind und Eltern genau nach den Symptomen. Anhand der Schilderung kann der Arzt oft örtlich begrenzte (fokale) von ausgedehnten (bilateralen) Anfällen unterscheiden und den Schweregrad einschätzen.

Außerdem erkundigt sich der Arzt nach den Begleitumständen eines Anfalls. Mögliche Fragen sind:

  • Wie alt war Ihr Kind, als Sie die Symptome zum ersten Mal beobachtet haben?
  • Wie oft treten die Anfälle auf? Und wie lange dauern sie?
  • Treten die Anfälle nur zu bestimmten Tageszeiten oder in bestimmten Situationen auf?
  • Gab es Auslöser?
  • Kamen Ihnen die Anfälle nachts anders vor als tagsüber?
  • Verändern sich die Symptome im Laufe eines Anfalls?

EEG bei der Rolando-Epilepsie

Vermutet der Arzt eine Rolando-Epilepsie, wird er immer auch die Hirnströme messen: Er veranlasst eine sogenannte Elektroenzephalografie (EEG).

Bei Rolando-Epileptikern zeigt das EEG ein typisches Muster. Es bildet sich aus sogenannten "Spikes", "Sharp Waves" oder "Sharp-and-slow-waves". Kennzeichnend ist der sogenannte Rolando-Fokus.

Neuropsychologische Untersuchung

Epilepsien bei Kindern kann die ordnungsgemäße Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen. Daher raten Ärzte Rolando-Epileptikern zu einer neuropsychologischen Überwachung. Dabei testet man mehrfach bestimmte Hirnfunktionen des Kindes, wie:

  • Wahrnehmung
  • Konzentration
  • Aufmerksamkeit
  • Lernen
  • Gedächtnis

Weitere diagnostische Maßnahmen

Manche Betroffene haben viele Anfälle auf einmal oder Komplikationen wie einen Status epilepticus. Dann führt der Arzt womöglich noch weitere Untersuchungen wie ein Kernspin (MRT) durch.

Ausschluss anderer ähnlicher Epilepsien

Die Rolando-Epilepsie ähnelt manchmal anderen Epilepsien des Kindesalters, zum Beispiel dem Lennox-Gastaut-Syndrom oder der Absence-Epilepsie des Schulkindalters. Der Arzt grenzt sie durch die gezielten Untersuchungen von der Rolando-Epilepsie ab.

Krankheitsverlauf und Prognose

Die Rolando-Epilepsie verläuft meist "gutartig": In der Regel treten nur wenige Anfälle auf, die verglichen mit anderen Epilepsien nur leichte Beschwerden hervorrufen. Außerdem enden die Anfälle spätestens bis zum Erwachsenenalter, oft deutlich früher von selbst.

Die Rolle des Schlafs bei Epilepsie

Epilepsie unterliegt dem Rhythmus von Tag und Nacht und dem Zyklus der verschiedenen Schlafstadien. Verschiedene Arten epileptischer und nichtepileptischer Anfälle folgen einer spezifischen circadianen bzw. Wach-Schlaf-Rhythmik. Schlafentzug führt zu einer verstärkten Epilepsieaktivität.

Im NREM-Schlaf kommt es zu einer Häufung und zu einer größeren räumlichen Ausbreitung epilepsietypischer Potenziale (ETP) und darum zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Anfällen und Anfallsgeneralisierung. Der REM-Schlaf hingegen ist infolge von EEG-Desynchronisation und -Amplitudenminderung sowie aufgrund einer REM-spezifischen funktionellen Diskonnektion anfallsprotektiv.

Anfälle im Schlaf und auch im Wachen, aber selbst schon das Auftreten interiktualer ETP im Schlaf verschlechtern die Schlafkontinuität, -struktur und -qualität. Dies kann die Ursache für affektive und kognitiv-mnestische Störungen im täglichen Leben der Patienten sein. Schlaffragmentierung und -mangel haben aber auch prokonvulsive Potenz und können somit zu einer weiteren Anfallsverschlechterung führen, was ihrerseits die Schlafqualität weiter beeinträchtigt.

Schlaf-EEG zur Diagnose

Die Durchführung von EEG nach Schlafentzug gehört zum Standardrepertoire zur Diagnosesicherung einer Epilepsie. Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass ein vorheriger Schlafentzug die Ausbeute an epilepsietypischen Potenzialen (ETP) im EEG um 40 % erhöht.

Behandlung der Rolando-Epilepsie

In manchen Fällen ist keine medikamentöse Behandlung erforderlich. Ansonsten kommen Antiepileptika und Sultiam zum Einsatz. Ergotherapie und Logopädie können ebenfalls hilfreich sein.

Neue Therapieansätze

Eine Studie der Universität Tübingen hat gezeigt, dass durch im Schlaf vorgespielte kurze Laute die für die Epilepsie charakteristischen, in der Hirnaktivität messbaren Ausschläge teilweise unterdrückt werden können. Diese Erkenntnisse könnten die Grundlage für künftige Forschungen an Therapien für diese Epilepsieform bilden.

Allgemeine Informationen zu Epilepsie

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch das wiederholte Auftreten von unprovozierten Anfällen gekennzeichnet ist. Ein epileptischer Anfall ist definiert als ein vorübergehendes Auftreten von subjektiven Zeichen und/oder objektivierbaren Symptomen aufgrund einer pathologisch exzessiven und/oder synchronisierten neuronalen Aktivität im Gehirn.

Klassifikation von Epilepsie

Die internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat eine dreistufige Klassifikation entwickelt:

  1. Bestimmung des Anfallstyps bzw. der Anfallsform (generalisiert, fokal, unklar).
  2. Bestimmung der Art der Epilepsie (strukturell, genetisch, infektiös, metabolisch, immunologisch, unbekannt).
  3. Zuordnung zu einem Epilepsie-Syndrom.

Ursachen von Epilepsie

  • Strukturelle Ursachen: Hirntumore, Hirninfarkte, Kontusionsdefekte, vaskuläre Malformationen.
  • Genetische Ursachen: Mutationen in Genen, die die neuronale Erregbarkeit beeinflussen.
  • Infektiöse Ursachen: Neurozystizerkose, Tuberkulose, HIV, zerebrale Malaria.
  • Metabolische Ursachen: Hypoparathyreoidismus, Hämochromatose, Porphyrie.
  • Immunologische Ursachen: Autoimmun vermittelte Entzündung des ZNS.
  • Unbekannte Ursachen: In vielen Fällen bleibt die Ursache der Epilepsie unbekannt.

Symptome von Epilepsie

Die Symptome der unterschiedlichen Epilepsieformen variieren stark. Das klinische Bild richtet sich nach der Lokalisation und dem Ausmaß der neuronalen Fehlerregung sowie nach der Art des Anfallgeschehens.

Behandlung von Epilepsie

Die Behandlung basiert nahezu immer auf einer medikamentösen Therapie. Ggf. begleitet von nicht pharmakologischen Maßnahmen wie ketogener Diät und Psychotherapie.

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