Schlafgebundene Epilepsie und Nachtschreck: Ein detaillierter Vergleich

Schlafstörungen bei Kindern können für Eltern sehr beunruhigend sein. Zwei solcher Phänomene sind die schlafgebundene Epilepsie und der Nachtschreck. Obwohl beide im Schlaf auftreten und ähnliche Symptome aufweisen können, handelt es sich um unterschiedliche Zustände mit verschiedenen Ursachen und Behandlungen. Dieser Artikel bietet einen detaillierten Vergleich zwischen schlafgebundener Epilepsie und Nachtschreck, um Eltern und Betroffenen zu helfen, diese Zustände besser zu verstehen.

Schlafgebundene Epilepsie

Was ist schlafgebundene Epilepsie?

Schlafgebundene Epilepsie bezieht sich auf Epilepsieformen, bei denen die Anfälle hauptsächlich während des Schlafs auftreten. Diese Anfälle können die normale Hirnaktivität im Schlaf stören und zu Lern- und Sprachschwierigkeiten, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen führen. Eine häufige Form der schlafgebundenen Epilepsie bei Kindern ist die Rolando-Epilepsie.

Rolando-Epilepsie: Eine häufige Form im Kindesalter

Die Rolando-Epilepsie ist eine gutartige Epilepsieform, die typischerweise im Alter zwischen drei und 13 Jahren auftritt, meist in den ersten Schuljahren. Charakteristisch für die Rolando-Epilepsie sind nächtliche Anfälle, die kurz vor dem Einschlafen oder morgens beim Aufwachen auftreten. Die Anfälle äußern sich oft durch ungewöhnliche Empfindungen im Gesichtsbereich, wie Kribbeln, Taubheit oder Verspannungen, sowie durch Sprachschwierigkeiten.

Symptome der Rolando-Epilepsie

Die Symptome der Rolando-Epilepsie können je nach Alter des Kindes variieren. Bei Kleinkindern können die Anfälle den gesamten Körper betreffen, mit Verkrampfungen und Zuckungen im Gesicht, Armen und Beinen. Halbseitenkrämpfe, bei denen nur eine Körperhälfte betroffen ist, können ebenfalls auftreten. Im Schulalter äußert sich die Rolando-Epilepsie eher durch Kribbeln oder Taubheit im Gesicht, beginnend am Mundwinkel, begleitet von Würgen, Lallen und vermehrtem Speichelfluss. Nach dem Anfall können die Kinder minutenlang unter der Unfähigkeit zu sprechen leiden, obwohl sie bei Bewusstsein sind.

Diagnose und Behandlung der Rolando-Epilepsie

Die Diagnose der Rolando-Epilepsie erfolgt in der Regel durch ein Elektroenzephalogramm (EEG), das auffällige zentrotemporale Spitzen zeigt. Nicht jedes Kind mit Rolando-Epilepsie benötigt Medikamente. Wenn die nächtlichen Anfälle nur selten vorkommen und das Kind nicht darunter leidet, kann auf eine medikamentöse Behandlung verzichtet werden. Diese Entscheidung sollte jedoch in Absprache mit dem behandelnden Arzt und den Eltern getroffen werden. Eine intensive Förderung und spezielle Unterstützung der betroffenen Kinder ist jedoch immer sinnvoll, um Entwicklungsauffälligkeiten rechtzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.

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Forschungsergebnisse zur Rolando-Epilepsie

Ein Forschungsteam der Universität und des Universitätsklinikums Tübingen unter der Leitung von Dr. Hong-Viet Ngo und Professor Jan Born hat festgestellt, dass durch im Schlaf vorgespielte kurze Laute die für die Epilepsie charakteristischen, in der Hirnaktivität messbaren Ausschläge teilweise unterdrückt werden können. Diese Erkenntnisse könnten die Grundlage für künftige Forschungen an Therapien für diese Epilepsieform bilden. In der Studie wurde die elektrische Hirnaktivität von Kindern mit Rolando-Epilepsie und gesunden Kontrollpersonen während des Schlafs aufgezeichnet. Dabei wurden Unterschiede in der Hirnaktivität festgestellt, insbesondere bei den sogenannten Schlafspindeln, einem Aktivitätsmuster, das wichtig für die Verarbeitung von Gedächtnis im Schlaf ist. Die Forscher vermuten, dass die Stimulation von Schlafspindeln durch Laute die epileptischen Entladungen beeinflussen und die mit der Erkrankung verbundenen ungünstigen epileptischen Entladungen unterdrücken kann.

Schlaf und Epilepsie: Ein Teufelskreis

Schlaf und epileptische Aktivität beeinflussen sich gegenseitig. Die Epilepsie kann Ursache von Schlafstörungen sein, indem sie die Schlafarchitektur über die postiktale Phase hinaus stört. Dies kann zu Tagesmüdigkeit und Gedächtnisstörungen führen. Andererseits können Schlafstörungen die Häufigkeit epileptischer Anfälle verschlechtern. Anfälle im Schlaf, aber auch interiktuale epileptische Aktivität im Schlaf führen zu Schlaffragmentierung und stören physiologische schlafgebundene Prozesse mit all ihren klinischen Konsequenzen für Tagesvigilanz, Affektstabilität, Gedächtniskonsolidierung sowie kardio- und zerebrovaskulären Risiken.

Genetische und strukturelle Ursachen

Genetische Epilepsien wie Aufwach-Grand mal treten schlafassoziiert auf. Nokturnale Frontallappenanfälle können als Folge von Migrationsstörungen und fokalen kortikalen Dysplasien (FCD) mit hypermotorischen Anfällen auftreten. Eine fokale kortikale Dysplasie (FCD) kann beispielsweise durch Autopsie nach dem plötzlichen unerwarteten Tod bei Epilepsie (SUDEP) als Folge eines nächtlichen Anfalls festgestellt werden.

Die Rolle des EEG bei der Diagnose

Das Elektroenzephalogramm (EEG) spielt eine entscheidende Rolle bei der Diagnose und Behandlung von Epilepsie. Durch die Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Gehirns können Ärzte epileptische Entladungen identifizieren und die Art der Epilepsie bestimmen. Ein EEG nach Schlafentzug kann die Ausbeute an epilepsietypischen Potenzialen (ETP) im EEG um 40 % erhöhen und somit die Sensitivität für das Erfassen von epileptischer Aktivität erhöhen.

Nachtschreck (Pavor Nocturnus)

Was ist ein Nachtschreck?

Der Nachtschreck, auch Pavor Nocturnus genannt, ist eine Schlafstörung, die vor allem bei Kindern auftritt. Er ist durch plötzliches Aufschrecken, Schreien und Anzeichen von Angst oder Panik während des Schlafs gekennzeichnet. Die Kinder sind während einer Nachtschreck-Episode nicht ansprechbar und können sich am nächsten Morgen nicht an den Vorfall erinnern.

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Symptome des Nachtschrecks

Ein typischer Nachtschreck beginnt ein bis drei Stunden nach dem Einschlafen, wenn das Kind sich im traumlosen Tiefschlaf-Stadium befindet. Das Kind wacht schreiend auf, ist nassgeschwitzt und wirkt vollkommen panisch. Die Augen sind meist weit geöffnet, aber das Kind ist nicht ansprechbar und reagiert nicht auf Tröstungsversuche. Versuche, das Kind zu beruhigen, können die ängstliche oder panische Reaktion sogar noch verstärken. Nach etwa fünf bis 15 Minuten beruhigt sich das Kind schlagartig und schläft wieder ein. Am nächsten Morgen kann es sich an nichts erinnern.

Ursachen des Nachtschrecks

Die genauen Ursachen für den Nachtschreck sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass ein unvollständiges Aufwachen aus dem Tiefschlaf-Stadium eine Rolle spielt. Bestimmte Faktoren können das Auftreten von Nachtschreck-Episoden begünstigen, darunter:

  • Schlafmangel
  • Keine oder ungenügende Schlafroutine
  • Stress
  • Generelle psychische Belastungen

Umgang mit dem Nachtschreck

Für Eltern ist es wichtig zu wissen, dass der Nachtschreck in der Regel harmlos ist und keine körperlichen oder geistigen Folgen hat. Während einer Nachtschreck-Episode sollten Eltern ruhig bleiben und das Kind nicht aufwecken oder festhalten, da dies die Verwirrung und Orientierungslosigkeit verstärken kann. Stattdessen sollten sie dafür sorgen, dass sich das Kind nicht verletzen kann, und leise und ruhig auf das Kind einsprechen, um es zu beruhigen. In den meisten Fällen verschwinden die Nachtschreck-Attacken von alleine wieder, wenn die Reifung des Gehirns voranschreitet und das Kind nicht mehr zwischen Tiefschlaf und Wachsein "stecken bleiben" kann.

Prävention des Nachtschrecks

Obwohl es keine spezifische Vorbeugung gegen den Nachtschreck gibt, können bestimmte Maßnahmen helfen, das Risiko von Nachtschreck-Episoden zu verringern:

  • Für eine gute Abend- und Schlafroutine sorgen
  • Auf ausreichend Schlaf achten
  • Immer zur selben Zeit schlafen gehen und aufstehen
  • Abendrituale schaffen
  • Alltagsstress reduzieren

Vergleich: Schlafgebundene Epilepsie vs. Nachtschreck

MerkmalSchlafgebundene EpilepsieNachtschreck (Pavor Nocturnus)
DefinitionEpilepsieform, bei der die Anfälle hauptsächlich während des Schlafs auftretenSchlafstörung, die durch plötzliches Aufschrecken, Schreien und Anzeichen von Angst oder Panik während des Schlafs gekennzeichnet ist
UrsachenUnkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn, genetische Faktoren, strukturelle HirnveränderungenUnvollständiges Aufwachen aus dem Tiefschlaf-Stadium, Schlafmangel, Stress, psychische Belastungen
SymptomeJe nach Art der Epilepsie unterschiedliche Symptome, z.B. Zuckungen, Krämpfe, Sprachschwierigkeiten, BewusstseinsverlustPlötzliches Aufschrecken, Schreien, Anzeichen von Angst oder Panik, weite Augen, Nicht-Ansprechbarkeit
ErinnerungKeine Erinnerung an den AnfallKeine Erinnerung an den Vorfall
DiagnoseElektroenzephalogramm (EEG)In der Regel keine spezielle Diagnose erforderlich, es sei denn, es besteht der Verdacht auf eine andere Erkrankung
BehandlungMedikamentöse Behandlung, spezielle Förderung und Unterstützung bei EntwicklungsauffälligkeitenRuhiges Abwarten, Schutz vor Verletzungen, Vermeidung von Stress und Schlafmangel
Auswirkungen auf das KindKann die normale Hirnaktivität im Schlaf stören und zu Lern- und Sprachschwierigkeiten, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen führenIn der Regel harmlos und ohne körperliche oder geistige Folgen
HäufigkeitVariiert je nach Art der EpilepsieTritt in der Regel nur vereinzelt auf, regelmäßige Fälle sind selten

Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?

Obwohl sowohl schlafgebundene Epilepsie als auch Nachtschreck in vielen Fällen harmlos sind, ist es wichtig, einen Arzt aufzusuchen, wenn:

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  • Der Nachtschreck häufig auftritt und/oder das Kind dabei krampft.
  • Es besteht der Verdacht auf eine Epilepsie.
  • Das Kind unter Tagesmüdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten oder Gedächtnisstörungen leidet.
  • Die Schlafstörungen die Lebensqualität des Kindes oder der Familie beeinträchtigen.

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