Schlafstörungen stellen eine der größten Herausforderungen in der Betreuung von Menschen mit Demenz dar. Nächtliche Unruhe, Umherwandern oder lautes Rufen beeinträchtigen nicht nur den Schlaf des Betroffenen, sondern auch den der Angehörigen. Viele Pflegende berichten von ständiger nächtlicher Wachsamkeit, was auf Dauer gesundheitliche Folgen haben kann. Studien zeigen, dass etwa 60 % der Menschen mit Demenz unter verschiedenen Arten von Schlafstörungen leiden, wobei nächtliche Unruhe besonders häufig auftritt.
Ursachen von Schlafstörungen bei Demenz
Veränderungen im Gehirn
Schlaf und Wachsein werden vom Gehirn gesteuert. Bei Demenzerkrankungen wie Alzheimer ist häufig frühzeitig der Bereich im Gehirn betroffen, der den Tag-Nacht-Rhythmus reguliert. In der Folge gerät die innere Uhr aus dem Takt, wodurch das Gefühl für die Tageszeit verloren geht. Der Abbau von Nervenzellen stört die innere Uhr und beeinträchtigt das Schlaf-Wach-Zentrum im Gehirn, wodurch der natürliche Rhythmus aus dem Gleichgewicht gerät.
Je nach Art der Demenz gibt es unterschiedliche Muster der Schlafstörungen. Bei Alzheimer kann es länger dauern, bis der Betroffene einschläft. Bei der Lewy-Körperchen-Demenz erwachen die Betroffenen mehrmals in der Nacht. Bei Demenzen im Zusammenhang mit Parkinson kommt es häufig zu einer ausgeprägten Tagesschläfrigkeit.
Verlust der zeitlichen Orientierung
Menschen mit Demenz verlieren oft das Gefühl für die Tageszeit und können Tag und Nacht nicht mehr richtig unterscheiden.
Medikamente und physische Beschwerden
Auch Medikamente, die zur Behandlung anderer Symptome der Demenz verabreicht werden, können den Schlaf negativ beeinflussen und zu Unruhe führen. Physische Beschwerden wie Schmerzen oder Unwohlsein spielen ebenfalls eine Rolle, die oft nicht erkannt oder behandelt werden.
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Weitere Faktoren
Menschen mit Demenz fallen oftmals aus Langeweile und Unterforderung tagsüber in einen Dämmerschlaf und benötigen somit nachts weniger Schlaf.
Formen von Schlafstörungen bei Demenz
Demenzkranke leiden häufig unter einer Vielzahl von Schlafstörungen. Die häufigsten sind:
- Einschlaf- und Durchschlafstörungen: Es fällt den Betroffenen schwer, einzuschlafen oder die ganze Nacht durchzuschlafen.
- Fragmentierter Schlaf: Der Schlaf wird durch häufiges Aufwachen und kurze Schlafepisoden unterbrochen.
- Veränderter Schlaf-Wach-Rhythmus: Die Betroffenen sind nachts wach und tagsüber schläfrig.
- Sundowning-Syndrom: Zunehmende Verschlechterung des kognitiven Zustands ab dem späten Nachmittag. Die Betroffenen werden unruhig, aggressiv, schreien oder halluzinieren.
Bedeutung von gutem Schlaf
Schlaf ist mehr als Ruhe. Während wir schlafen, regeneriert sich das Gehirn, sortiert Eindrücke, festigt Erinnerungen und baut schädliche Stoffwechselprodukte ab. Gerade für Menschen mit Demenz kann guter Schlaf helfen, innere Anspannung zu verringern und die kognitiven Fähigkeiten zu stabilisieren - zumindest vorübergehend. Auch für pflegende Angehörige ist Schlaf unverzichtbar.
Behandlung von Schlafstörungen bei Demenz
Es gibt verschiedene Ansätze und Maßnahmen, um die nächtliche Unruhe bei Demenz zu mildern. Eine der effektivsten Methoden ist die Schaffung von Routinen.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen
- Regelmäßiger Tagesablauf: Feste Zeiten für Mahlzeiten, Aktivitäten und Schlafenszeiten helfen, die innere Uhr zu stabilisieren. Wer bislang gegen 23 Uhr ins Bett geht und auf einen Schlag um 20 Uhr schlafen gehen muss, wird nicht einschlafen können und früh am Morgen wach sein. In der Regel ist es besser, später ins Bett zu gehen. Soll die Abendpflege früher stattfinden, darf es sich der Pflegebedürftige noch eine Weile auf dem Sofa gemütlich machen.
- Tageslicht und Bewegung: Tageslicht ist besonders wichtig. Wer morgens am Fenster frühstückt oder kurz an die frische Luft geht, hilft dem Gehirn, sich zeitlich zu orientieren. Im Winter kann eine Tageslichtlampe helfen. Auch Bewegung hilft - am besten draußen und zu festen Zeiten. Sie baut Spannungen ab und macht abends müde. Andere Aktivitäten wie gemeinsames Kochen, Spielen oder Wäsche zusammenlegen geben dem Alltag in der häuslichen Pflege Struktur und fördern gesunden Schlaf.
- Schlafumgebung optimieren: Das Schlafzimmer muss gut abgedunkelt sein. Ein kleines Schlaflicht wie eine Steckdosenbeleuchtung ist wegen der Sturzgefahr in der Nacht aber häufig hilfreich. Sorgen Sie für eine angenehme Schlafumgebung: Wer eiskalte Füße hat, schläft nicht gut ein oder durch. Ein Wärmekissen hilft hier rasch weiter. Sind die Decke und das Kissen zu warm oder zu dünn? Liegt der Pflegebedürftige bequem? Am Tag darf es ruhig hell sein. Abends sollte das Licht dagegen gedimmt werden, damit der Körper Melatonin produzieren und zur Ruhe kommen kann. Nachtlichter mit Bewegungsmeldern helfen, sich bei Dunkelheit zu orientieren, ohne durch grelles Licht aufgeweckt zu werden. Auch die Raumtemperatur hat Einfluss auf den Schlaf: Ideal sind eher kühle 16 bis 20 Grad. Wer leicht friert, kann eine zusätzliche Decke bereitlegen. Manche Menschen kommen mit einer Gewichtsdecke besser zur Ruhe.
- Ruhiger Ausklang des Tages: Keine Reizüberflutung am Abend. Laute Fernsehsendungen, hektische Gespräche oder zu helles Licht sollten vermieden werden. Der Demenzerkrankte sollte bis zu einer Stunde vor dem Schlafengehen nicht mehr fernsehen. Es gibt Hinweise, dass das blaue Licht auf dem Bildschirm die Produktion des Schlafhormons Melatonin hemmt. Dasselbe gilt für Licht im Schlafzimmer. Stattdessen helfen feste Routinen dabei, Sicherheit zu geben. Ein Tee, leise Musik, eine kleine Geschichte oder einfach gemeinsames Zähneputzen können Signale dafür sein, dass jetzt die Nacht beginnt. Wenn nachts dennoch Unruhe aufkommt, hilft es, ruhig zu bleiben. Den Tag am besten ruhig ausklingen lassen.
- Ernährung anpassen: Ihr Angehöriger sollte mindestens 1,5 Liter am Tag trinken - besonders wenn er Wassertabletten (Diuretika) einnimmt. Leidet er an einer Herzschwäche, muss er nachts häufig auf die Toilette. Der größte Teil der Flüssigkeit sollte daher bis zu vier Stunden vor dem Schlafengehen konsumiert werden. Außerdem wirkt manchmal eine Spätmahlzeit Wunder: Bieten Sie dem Pflegebedürftigen vor dem Schlafengehen eine Kleinigkeit aus Fett und Eiweiß (fetter Quark, Joghurt ohne Zucker, Vollkornbrot mit fettem Käse oder Lachs) an. Damit bleibt der Blutzuckerspiegel über Nacht konstant. Außerdem am Abend keine stark zuckerhaltigen Lebensmittel anbieten!
- Aromapflege: Öle wie Lavendel, Benzoe, Zirbelkiefer, Mandarine, Melisse erzielen als Einreibung, Kissenspray, auf einem Duftstein oder einer Lampe tolle Wirkungen und haben kaum Nebenwirkungen. Achten Sie darauf, dass nur einhundert Prozent biologische ätherische Öle in Bioqualität zum Einsatz kommen und der Senior gegen keinen der Inhaltsstoffe allergisch ist. Natürlich sollte er den Duft als angenehm empfinden.
- Beschäftigung und soziale Aktivität: Ausreichend Beschäftigung kann dem Sundowning vorbeugen. Andere Aktivitäten wie gemeinsames Kochen, Spielen oder Wäsche zusammenlegen geben dem Alltag Struktur. Regelmäßige körperliche Aktivität während des Tages kann ebenfalls dazu beitragen, die nächtliche Müdigkeit zu steigern und den Schlaf zu verbessern. Dabei sollten die Aktivitäten jedoch an die körperlichen Möglichkeiten des Betroffenen angepasst sein, um Überanstrengung zu vermeiden. Neben der physischen Aktivität ist auch kognitive Stimulation wichtig.
- Schlaf am Tag vermeiden: Ein Mittagsschlaf kann guttun, sollte aber 30 Minuten nicht überschreiten, da er sonst die innere Uhr zusätzlich durcheinanderbringt und den Nachtschlaf erschwert.
- Einstellung anpassen: Zu viel Druck auf das Schlafverhalten bewirkt häufig das Gegenteil. Wenn sich der Senior bei Schlaflosigkeit nachts ins Wohnzimmer setzt, lassen Sie ihn gewähren. Oft entspannt sich eine Situation, wenn wir sie nicht krampfhaft ändern wollen. Beseitigen Sie aber alle Sicherheitsrisiken für ein nächtliches Herumwandern im Haus oder der Wohnung.
- Hausmittel: Kräutertees wie Kamillentee oder Baldriantee haben beruhigende Eigenschaften und können helfen, den Schlaf zu fördern. Man kann ätherische Öle wie Lavendel, Melisse oder Kamille in einem Diffusor verwenden oder auf ein Kissen tropfen, um eine beruhigende Umgebung zu schaffen. Ein altes Hausmittel gegen Schlafstörungen ist warme Milch mit Honig. Das Hören von sanfter, beruhigender Musik oder Naturklängen kann eine entspannende Atmosphäre schaffen und dabei helfen, die nächtliche Unruhe zu lindern. Einfache Entspannungsübungen wie progressive Muskelentspannung oder sanftes Dehnen können helfen, den Körper zu beruhigen und die Schlafbereitschaft zu erhöhen. Schwere Bettdecken, die einen sanften, gleichmäßigen Druck auf den Körper ausüben, können ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. Ein warmes Kissen oder eine Wärmflasche im Bett kann helfen, den Körper zu entspannen und die Schlafbereitschaft zu fördern.
Medikamentöse Behandlung
Wenn die Nächte dauerhaft anstrengend bleiben und niemand mehr richtig durchschläft, ist es wichtig, Hilfe anzunehmen. Eine ärztliche Abklärung kann helfen, körperliche Ursachen wie Schmerzen, Infekte oder Nebenwirkungen von Medikamenten zu erkennen und gezielt zu behandeln. Medikamente zur Beruhigung sollten nur gezielt und nach Rücksprache mit Ärztin oder Arzt eingesetzt werden, da sie Risiken wie Stürze oder zusätzliche Verwirrtheit mit sich bringen können. Patienten sollten Medikamente immer in Absprache mit einem Arzt einnehmen, um Nebenwirkungen und Risiken zu minimieren.
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- Schlafmittel: Wenn es doch nicht anders geht, können Schlafmittel verabreicht werden. Dabei können Schlafmittel wie Zopiclon, Zolpidem, Doxepin oder Oxazepam eingesetzt werden. Wichtig ist, dass diese genau nach Anweisung des verordnenden Arztes und unbedingt vor Mitternacht verabreicht werden. Häufige Nebenwirkungen sind Tagesmüdigkeit und der so genannte „hangover“ mit Benommenheit, Schwindel und Schläfrigkeit in den frühen Morgenstunden. Da sich der „hangover“ häufig bis in die Mittagsstunden zieht, besteht eine erhöhte Sturzgefahr. Aus diesem Grund werden die Kosten für Schlafmittel häufig nicht mehr von der Krankenkasse übernommen und müssen selbst bezahlt werden. Herkömmliche Schlafmittel wie zum Beispiel Zopiclon, Zolpidem, Doxepin und Oxazepam sollten nur bei großem Leidensdruck und vorübergehend eingenommen werden.
- Naturheilkundliche Schlafmittel: Es gibt auch naturheilkundliche Schlafmittel auf der Basis von Baldrian oder Lavendel, wie zum Beispiel Lasea, die angstlösende und beruhigende Wirkungen erzielen können. Lassen Sie sich dazu in der Drogerie oder Apotheke beraten.
- Neuroleptika: Neuroleptika wie Risperidon, Quetiapin, Pipamperon und Melperon hingegen werden immer noch häufig verschrieben. Sie wirken schlaffördernd, angstlösend und bergen keine Abhängigkeitsgefahr. Allerdings ist bei dieser Medikamentengruppe die Sturzgefahr und die Entstehung von Druckgeschwüren erhöht.
- Antidepressiva: Antidepressiva wie Mirtazapin wirken ebenfalls schlaffördernd, machen aber nicht abhängig. Da auch hier Sturzgefahr durch einen „hangover“ besteht, dürfen diese Medikamente nicht zu spät am Abend verabreicht werden.
- Melatonin: Melatonin, ein Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert, kann bei Schlafstörungen hilfreich sein. Es wird oft bei älteren Menschen verwendet, da sie häufig einen Mangel an diesem Hormon haben.
Weitere Unterstützungsangebote
Auch Angebote wie Nachtpflege, Tagesbetreuung oder stundenweise Hilfe können entlasten. Wenn die Pflege zu Hause nicht mehr möglich ist, kann auch ein Umzug in eine Einrichtung neue Stabilität bringen. Eine besonders effektive Lösung zur Entlastung der Familie ist die 24-Stunden-Betreuung zu Hause. Diese Betreuung bietet zahlreiche Vorteile: Sie ermöglicht eine kontinuierliche Anwesenheit einer geschulten Betreuungsperson, die sofort auf nächtliche Unruhe reagieren kann. Ein großer Vorteil der 24-Stunden-Betreuung ist die individuelle Anpassung der Pflege an die Bedürfnisse des Demenzpatienten, was eine stabile und beruhigende Umgebung fördert. Für pflegende Angehörige bedeutet diese Art der Betreuung eine erhebliche Entlastung, da sie sich nicht mehr rund um die Uhr um die Pflege kümmern müssen und sich so ausreichend ausruhen können. Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten der Pflegeunterstützung, die Angehörige entlasten können. Eine wichtige Unterstützung sind ambulante Pflegedienste, die regelmäßige Besuche durchführen und bei der Pflege helfen können. Eine weitere Möglichkeit ist die Inanspruchnahme von Tagespflegeeinrichtungen, in denen Demenzkranke tagsüber betreut werden. Dies gibt den pflegenden Angehörigen die Möglichkeit, sich zu erholen oder andere wichtige Aufgaben zu erledigen. Zusätzlich gibt es Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen, die pflegenden Angehörigen Unterstützung und Austausch bieten.
Schlafstörungen als Vorbote von Demenz?
Zahlreiche Studien haben Schlafstörungen mit Demenzen in Verbindung gebracht. Es beginnt bei der Beobachtung, dass Patienten mit Morbus Alzheimer wenig schlafen. Untersuchungen an älteren Menschen haben gezeigt, dass Schlafmangel und Schlafstörungen häufig mit verminderten kognitiven Leistungen einhergehen. Es gibt Hinweise darauf, dass Schlafstörungen ein frühes Zeichen eines Morbus Alzheimer sein oder auch eine mögliche Ursache der Demenz sein könnten. Schlafstörungen könnten ein frühes Zeichen eines Morbus Alzheimer sein oder auch eine mögliche Ursache der Demenz.
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