Sehstörungen nach Schlaganfall: Ursachen, Arten und Behandlungsmöglichkeiten

Ein Schlaganfall kann vielfältige gesundheitliche Folgen haben, darunter erhebliche Beeinträchtigungen des Sehvermögens. Sehstörungen zählen zu den häufigsten neurologischen Komplikationen nach einem Hirninfarkt. Ein fundiertes Verständnis des Zusammenhangs zwischen Schlaganfall und visuellen Einschränkungen ist entscheidend, um Symptome richtig einzuordnen und geeignete Maßnahmen einzuleiten. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, verschiedenen Arten und Behandlungsmöglichkeiten von Sehstörungen nach einem Schlaganfall.

Ursachen von Sehstörungen nach einem Schlaganfall

Bei einem Schlaganfall kommt es zu einer Unterbrechung der Blutversorgung in bestimmten Hirnarealen, wodurch Nervenzellen absterben. Da der Sehvorgang auf komplexen neuronalen Netzwerken basiert, können bereits kleinere Durchblutungsstörungen in verschiedenen Bereichen des Gehirns zu Funktionsausfällen im visuellen System führen. Die Signalübertragung vom Auge bis zum visuellen Kortex verläuft über hochspezialisierte Nervenbahnen. Werden diese Strukturen durch einen Schlaganfall geschädigt, kann es zu ganz unterschiedlichen Ausprägungen von Sehstörungen kommen.

Im Zusammenhang mit einem Schlaganfall können verschiedene Arten von Sehstörungen auftreten. Zum Beispiel kann das Auge beziehungsweise die Sehbahn direkt betroffen sein, weil sie nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt werden. In diesem Fall kann es zur Erblindung auf einem Auge kommen. Zum anderen kann eine Region im Gehirn betroffenen sein, in der die Informationen des Auges verarbeitet werden. Das Auge selbst ist also intakt, aber die Informationsverarbeitung im Gehirn funktioniert nicht mehr richtig. Die Wahrnehmung ist gestört. Dies ist häufiger der Fall als eine Erblindung.

Das primäre visuelle Zentrum befindet sich im Okzipitallappen (Hinterhauptslappen) des Gehirns. Hier erfolgt die zentrale Verarbeitung und Integration der von den Augen aufgenommenen Informationen zu einem kohärenten Gesamtbild. Weitere beteiligte Strukturen, darunter der Thalamus sowie Areale im Parietal- und Temporallappen, übernehmen Aufgaben wie die Koordination der Augenbewegungen, die Tiefenwahrnehmung und die Orientierung im Raum.

Welche Sehstörungen gibt es nach einem Schlaganfall?

Sehstörungen können zu den ersten Anzeichen eines Schlaganfalls gehören und sollten keinesfalls unterschätzt werden. Ihr plötzliches Auftreten weist oft auf eine akute Durchblutungsstörung im Gehirn hin und erfordert sofortige medizinische Abklärung. Nach einem Schlaganfall kann es zu unterschiedlichen Formen von Sehstörungen kommen. Schätzungsweise 30 bis 40 Prozent der Schlaganfall-Patienten leiden anschließend an Sehstörungen. Die genauen Symptome hängen davon ab, welche Hirnregionen betroffen sind. Das Sehen ist ein hochkomplexer Vorgang, der durch verschiedene Areale im Gehirn gesteuert wird. Wenn das Gehirn die Informationen, die das Auge weiterleitet nicht mehr richtig aufnehmen kann, kann dies zahlreiche Folgen haben, unter anderem:

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  • Gesichtsfeldeinschränkungen: Die Gesichtsfeldeinschränkung ist mit Abstand die häufigste Sehstörung nach einer Hirnschädigung. Die Einschränkung kann sehr unterschiedlich ausfallen, von kleinen „blinden Flecken“ (sogenannten Skotome), über einen „Tunnelblick“ bis hin zu dem Ausfall einer kompletten Gesichtshälfte - je nach Größe, Ort und Art der Schädigung im Gehirn. Die führt dazu, dass im Alltag Hindernisse übersehen werden und sich Betroffene zum Beispiel oft stoßen. Da es mit einem eingeschränkten Blickfeld schwieriger ist, sich schnell zur orientieren und einen Überblick zu verschaffen, kann es zu entsprechenden Unsicherheiten kommen - vor allem im öffentlichen Raum und im Straßenverkehr. Auch die Lesegeschwindigkeit ist oft verringert, da Satzanfänge oder -enden übersehen werden. Bei einer Hemianopsie fällt die rechte oder linke Hälfte des Gesichtsfelds vollständig aus - und zwar auf beiden Augen gleichzeitig. Diese Form der Sehstörung erschwert zahlreiche Alltagssituationen: Texte lassen sich nur mühsam erfassen, da Zeilenanfänge oder -enden übersehen werden. Auch Hindernisse auf der betroffenen Seite werden häufig zu spät erkannt, was das Risiko für Unfälle erhöht. Hierbei fehlt ein Teil des Sichtfeldes. Dies führt dazu, dass Betroffene Gegenstände oder Personen auf einer Seite übersehen. Der Alltag kann dadurch gefährlicher werden, da Hindernisse oder Verkehrssituationen nicht vollständig wahrgenommen werden.

  • Doppelbilder: Doppelbilder oder ein „verschwommenes“ Sehen können Folgen eines Schlaganfalls sein. Dabei können die Doppelbilder auch zu Schwindel führen. Lähmungen der Augenmuskeln können dazu führen, dass Doppelbilder entstehen. Dies kann sich durch unscharfes Sehen oder eine verzerrte Wahrnehmung bemerkbar machen.

  • Herdblick: Der Herdblick kann ein erstes Anzeichen für einen Schlaganfall sein, das häufig nicht als solches wahrgenommen wird. Der Blick „kippt“ zur linken oder zur rechten Seite, der Betroffene kann seine Blickrichtung nicht mehr kontrollieren. In manchen Fällen drehen sich nicht die Augen, sondern der ganze Kopf in eine Richtung.

  • Visuell-Räumliche Störungen: Durch eine Hirnschädigung kann es sein, dass die Raumachsen nicht mehr richtig wahrgenommen werden können. Das führt dazu, dass Betroffene zum Beispiel Schwierigkeiten haben, geradeaus zu gehen oder ein Fahrrad oder Rollstuhl zu steuern. Neglect bedeutet, dass eine Raum- und/oder Körperhälfte nicht mehr wahrgenommen wird. Das heißt, dass der Betroffene seine Aufmerksamkeit einer Raum- oder Körperseite nicht mehr zuwenden kann. Es gibt verschiedene Arten des Neglects, der visuelle Neglect tritt am häufigsten auf. Der Unterschied zwischen einen Gesichtsfeldausfall und einem visuellen Neglect ist manchmal schwierig auszumachen, teilweise tritt auch beides zusammen auf. Grundsätzlich ist ein Neglect eine Störung der Aufmerksamkeit auf eine Raumseite, Ein Gesichtsfeldausfall ist eine Störung des Sehens. Bei einem Gesichtsfeldausfall ist dem Betroffenen in der Regel bewusst, dass die Raumhälfte existiert - er sie selbst allerdings nicht wahrnehmen kann. Bei einem visuellen Neglect lenkt der Betroffene seine Aufmerksamkeit nicht spontan auf die betroffene Seite. So bemerken die Betroffene oft selbst nicht, dass etwas „fehlt“. Manchmal sind die Folgen aber weitaus gravierender: So hat das Team um Kerkhoff und Schaadt zusammen mit Forscherkollegen um Neurologie-Professor Dr. Stephan Brandt und Dr. Antje Kraft von der Charité in Berlin einen Patienten betreut, bei dem es in Folge eines Schlaganfalls zum Verlust des räumlichen Sehens gekommen war. Zwar konnte er alle Details in seiner Umgebung wahrnehmen, er war allerdings nicht mehr in der Lage, Entfernungen richtig einzuschätzen. „Für ihn war alles flach wie auf einem Gemälde“, erklärt Anna-Katharina Schaadt, Doktorandin bei Kerkhoff und Erstautorin der Studie. „Er bewegte sich daher wie in Zeitlupe und war stets unsicher, wie weit zum Beispiel eine Kaffeetasse auf dem Tisch entfernt ist oder wie schnell sich ein heranfahrendes Auto nähert.“ Wie ein Blinder habe er daher einen langen Stock genutzt, um sich in seiner Umgebung zu orientieren.

  • Zentrale Sehstörungen: Sollte die Hirnschädigung nicht die Sehbahn oder primäre Sehrinde, sondern nachgeschaltete, weiterverarbeitende visuelle Hirnzentren erfasst haben, so spricht man von "zentralen Sehstörungen“. In diesen Fällen kann der Betroffene ihm bekannte Personen nicht mehr am Gesicht, sondern nur noch an der Sprache erkennen. Weitere dieser "zentralen Sehstörungen“ können das Farben- oder das Bewegungssehen bzw. die Objekterkennung beeinträchtigen. Die Patienten sind hierdurch ausgesprochen verunsichert und haben Angst, "verrückt“ zu werden. Manche Schlaganfall-Betroffene haben Schwierigkeiten, Gegenstände oder Gesichter zu erkennen, selbst wenn ihre Augen funktionstüchtig sind. Das Problem liegt dann in der Verarbeitung der visuellen Reize im Gehirn.

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  • Verlust des räumlichen Sehens: In seltenen Fällen tritt dabei der Verlust des räumlichen Sehens ein. Die Patienten nehmen die Welt um sich herum nur noch flach wie ein Bild wahr. Sie können keine Entfernungen mehr abschätzen, etwa wenn sie nach einer Tasse greifen oder sich ihnen auf der Straße ein Auto nähert.

Zusätzlich zu den oben genannten Sehstörungen gibt es noch weitere Symptome, die im Zusammenhang mit einem Schlaganfall auftreten können:

  • Verschwommenes Sehen
  • Lichtempfindlichkeit
  • Leseschwierigkeiten
  • Orientierungsprobleme

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder Schlaganfall die gleichen Symptome verursacht und die Ausprägung der Sehstörungen von Person zu Person variieren kann.

Diagnostik von Sehstörungen nach Schlaganfall

Sehprobleme infolge eines Schlaganfalls erfordern eine spezialisierte augenärztliche Diagnostik, da die Ursachen meist nicht am Auge selbst, sondern in der zentralen Verarbeitung liegen. Eine differenzierte Abklärung durch Fachärzte ermöglicht es, Ausmaß und Art der Störung exakt zu erfassen und gezielt therapeutisch anzugehen. Ein Augenarzt kennt diese Art der Sehstörung und er weiß, dass er deren Ursache nicht im Auge selbst, sondern im Gehirn suchen muss. Da es sich hierbei ja ebenfalls um Sehstörungen handelt, wird oftmals zuerst der Augenarzt aufgesucht, der diese Sehstörungen kennen und in diesen Fällen eng mit neurologischen und neuropsychologischen Spezialisten zusammenarbeiten muss.

Zu jeder Erstuntersuchung gehören obligat eine Sehschärfenbestimmung, eine Pupillenfunktionstestung inklusive relativem afferentem Pupillendefekt (RAPD) und eine Untersuchung des vorderen und hinteren Augenabschnitts in Miosis und Mydriase. Eine Untersuchung mittels optischer Kohärenztomografie (OCT) kann zur Differenzierung zum retinalen Arterienverschluss hilfreich sein. Eine Gesichtsfelduntersuchung ist bei Verdacht auf TIA empfehlenswert, bei einer typischen AF sind keine Defekte zu erwarten. Die Fluoreszenzangiografie spielt bei der Diagnosefindung kaum noch eine Rolle.

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Behandlungsmöglichkeiten von Sehstörungen nach Schlaganfall

Grundsätzlich ist es wie bei allen neurologischen Erkrankungen sehr individuell. Eine Erblindung bildet sich nicht zurück, eine Wahrnehmungsstörung kann sich zurückbilden - teilweise oder vollständig, spontan oder durch spezielle Therapien. Je mehr Zeit nach dem Schlaganfall vergangen ist, desto unwahrscheinlicher wird eine spontane Rückbildung der Symptome. Nach einem schlaganfallbedingten Sehverlust eröffnet die rehabilitative Therapie wichtige Wege zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Individuell angepasste Hilfsmittel erleichtern zusätzlich den Alltag. Dazu zählen vergrößernde Sehhilfen, kontraststeigernde Beleuchtungslösungen oder softwaregestützte Programme zur Förderung der visuellen Wahrnehmung. Viele Betroffene lernen mit der Zeit, visuelle Einschränkungen durch alternative Wahrnehmungsstrategien und die verstärkte Nutzung anderer Sinne auszugleichen - ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Selbstständigkeit im Alltag. Die Umstellung auf veränderte Sehbedingungen nach einem Schlaganfall ist ein individueller Prozess, der durch neuroplastische Anpassung und gezielte Unterstützung erleichtert werden kann.

Die gute Nachricht: Auch wenn Sehstörungen nach einem Schlaganfall bestehen, kann das Gehirn durch gezieltes Training neue Wege finden, um die Sehfunktionen teilweise zu kompensieren oder sogar zu verbessern. Spezielle Übungen können helfen, das Gehirn dazu zu bringen, den verlorenen Sehbereich zu kompensieren. Betroffene lernen dabei, den Kopf gezielt zu bewegen oder unbewusst ausgeblendete Bereiche wieder wahrzunehmen. Ergotherapeuten helfen Schlaganfall-Patienten, Strategien für den Alltag zu entwickeln. Durch optische Hilfsmittel oder spezielle Techniken können Betroffene ihre Umgebung wieder besser erfassen. In manchen Fällen wird auch eine Therapie zur Verbesserung der visuellen Wahrnehmung durchgeführt. Dabei wird versucht, durch gezielte Reize die neuronale Verarbeitung im Gehirn zu aktivieren. Spezielle optische Hilfsmittel wie vergrößernde Sehhilfen, Prismenbrillen oder spezielle Kontrasteinstellungen bei Bildschirmen können die visuelle Wahrnehmung erleichtern.

Zwei Rehabilitationsverfahren werden heutzutage angeboten, um den Betroffenen zu helfen: Zum einen versucht man, durch eine über Monate andauernde Darbietung kleinflächiger Lichtreize in der Übergangszone zwischen intaktem und geschädigtem Gesichtsfeldareal den homonymen Defektbereich zum Schrumpfen zu bringen. Das Erfolgsausmaß dieser Methode ist jedoch aus augenärztlicher Sicht nicht überzeugend. Alternativ wird versucht, die Auswirkungen des Gesichtsfelddefekts durch vermehrte Blickbewegungen in Richtung dieses Ausfalls zu reduzieren. Dieser Ansatz wird von vielen erfolgversprechender eingestuft als das vorbeschriebene Gesichtsfeldtraining.

In der Neuropsychologischen Hochschulambulanz auf dem Saarbrücker Campus haben die Wissenschaftler um Kerkhoff und Schaadt zunächst die Ursache für diese Störung gesucht. „Wir haben herausgefunden, dass der Patient die Seheindrücke seiner beiden Augen nicht mehr zu einem Gesamtbild verschmelzen konnte“, sagt Schaadt. Fachleute bezeichnen diesen Prozess bei gesunden Menschen als binokulare Fusion. Nach der Diagnose haben die Psychologen im Rahmen einer Therapie über drei Wochen hinweg täglich das räumliche Sehen des Patienten geschult. Dabei kamen drei verschiedene Verfahren zum Einsatz: Mit speziellen optischen Trainingsgeräten (Prismen, Vergenztrainer und Cheiroskop) wurden dem Patienten zwei seitlich leicht versetzte Bilder präsentiert. Diese sollten mit Hilfe sogenannter konvergenter Augenbewegungen zu einem einzigen Bild zusammengesetzt werden. Bei diesem Prozess bewegen sich die Augen gegensinnig zur Nase hin, während die Bilder aber im Blickfeld bleiben. Mit der Zeit „verschmelzen“ die beiden zu einem Bild, das auch räumliche (stereoskopische) Tiefe enthält. „Für den Betroffenen war es so, als ob jemand einen Schalter umgelegt hat. Plötzlich konnte er wieder räumlich sehen, Entfernungen richtig einschätzen und Gegenstände zielsicher greifen“, schildert Schaadt die Eindrücke des Patienten, der mittlerweile wieder seinem Beruf als Jurist nachgehen kann. Mit dem Verfahren könnten Therapeuten künftig auch anderen Schlaganfall-Patienten helfen, diese extreme Form der Sehstörung zu behandeln.

Das Prinzip ist relativ einfach: Die Betroffenen lernen, ihre Umgebung gezielt wahrzunehmen. Das heißt, mit suchenden Augenbewegungen (Sakkaden) wird der Gesichtsfeldausfall zur blinden Seite hin verschoben und die Informationen der blinden Seite können genutzt werden. Es gibt spezialisierte Reha-Einrichtungen, in denen solche Trainingsprogramme angeboten werden. Doch auch am Bildschirm zu Hause können Betroffene mithilfe des Computerprogramms „VISIOcoach“ trainieren. Dabei müssen Suchaufgaben am Bildschirm gelöst werden. „Nach sechs Wochen intensiven Trainings haben unsere Studienteilnehmer deutliche Verbesserungen bemerkt. Danach ist es sinnvoll, ein bis zwei Mal pro Woche zu üben, um die Fähigkeiten zu erhalten“, rät die Expertin. Besonders freut sie sich, wenn Betroffene durch das Training im Alltag wieder besser zurechtkommen. „Manche trauen sich das erste Mal nach Jahren, Fahrrad zu fahren, weil sie sicher sind, ihre Umgebung wieder ausreichend wahrzunehmen.

Die Dauer der Rehabilitation hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter das Ausmaß der Sehstörungen und die individuelle Erholungsfähigkeit. Eine stationäre Reha dauert meist zwischen drei und sechs Wochen. Danach erfolgt oft eine ambulante Weiterbehandlung, die mehrere Monate dauern kann.

Transiente Sehstörungen

Einer kurzzeitigen transienten Sehstörung liegt häufig eine vorübergehende retinale oder zerebrale Durchblutungsstörung zugrunde. Die Begriffe „Amaurosis fugax“ (AF) und „Transitorisch-ischämische Attacke“ (TIA) werden für den kurzzeitigen Sehverlust verwendet, sind aber weder zeitlich noch kausal spezifisch. Im angloamerikanischen Sprachgebrauch werden sie häufig unter dem Begriff „transienter Visusverlust“ zusammengefasst. Der Ursprung der Sehstörung kann grob in eine okuläre (AF) und eine zerebrale Ursache (TIA) unterteilt werden (Fisher 1989). Beiden Begriffen gemein ist die fehlende Infarzierung des neuronalen Gewebes (Mbonde et al. 2022). Obwohl eine Reihe von Differenzialdiagnosen für den schmerzlosen Visusverlust existiert, sind der passagere Charakter und die vollständige Erholung charakteristisch. Als AF wird eine im Durchschnitt wenige bis maximal 20 min bestehende einseitige Sehverschlechterung definiert. Bei 85 % der Betroffenen hält der Visusverlust maximal 15 min an (Goodwin et al. 1987), der Median liegt bei 5 min, nur bei 5 % dauert er länger als eine Stunde (Benavente et al. Die TIA wird traditionell als plötzliche Sehverschlechterung unter 24 h Symptomdauer beschrieben (Mbonde et al. 2022). In MRT-Studien konnte allerdings gezeigt werden, dass in bis zu 40 % der Patienten mit TIA-Symptomen bereits ischämische Organschäden zu finden waren, es sich also bereits um einen ischämischen Schlaganfall handelte (Whisnant et al. Bekannte Ursachen einer transienten Sehstörung sind Thromboembolien, die bei der AF am häufigsten der ipsilateralen Karotis entstammen (20 % aller AF-Fälle) und bei der TIA häufiger eine kardiale Quelle besitzen (Kvickström et al. 2016; Bidot und Biotti 2018). Die Riesenzellarteriitis darf bei vaskulären Erkrankungen nicht vergessen werden und ist vor allem dann häufiger für eine transiente Sehstörung verantwortlich, wenn die Betroffenen über 50 Jahre alt sind, über Kopfschmerzen klagen oder weitere typische Symptome einer Vaskulitis aufweisen (Kvickström et al. 2016).

Als Risikofaktoren gelten die typischen kardiovaskulären Risiken wie z. B. Auch aufgrund dieser Risikokonstellation muss die transiente Sehstörung als Vorläufer eines drohenden Schlaganfalls sehr ernst genommen werden. Das Risiko, nach einer transienten Sehstörung einen ischämischen Schlaganfall zu erleiden, beträgt in unterschiedlichen Studien 10-15 % innerhalb von 3 Monaten, 5,1 % innerhalb von einem Jahr und 9,5 % innerhalb von 5 Jahren (Johnston et al. 2000; Amarenco et al. 2016; Mbonde et al. 2022). Dabei sind sowohl die Patienten mit einer Amaurosis fugax als auch mit einem retinalen Arterienverschluss besonders in den ersten Tagen gefährdet und sollten deshalb stationär überwacht werden (Johnston et al. 2007; Lusk et al. 2023). Die wichtigsten Differenzialdiagnosen bei einem transienten Visusverlust sind ischämische Organschäden wie z. B. ein retinaler Arterienverschluss oder ein ischämischer Schlaganfall. Weiterhin sollte an eine entzündliche Ursache, besonders die Riesenzellarteriitis, gedacht werden. Die Migräne wird als Ursache bei einem von 200 Patienten mit transientem Visusverlust beschrieben, muss aber trotzdem berücksichtigt werden (Johnston et al. 2000). Eine TIA kann mit einer visuellen Aura bei Migräne verwechselt werden kann. Bei Migräne ist diese jedoch immer bilateral und hat wandernde, positive helle visuelle Phänomene (sog.

Internationale Empfehlungen sprechen sich für eine umgehende Gabe von Acetylsalicylsäure (100 mg/Tag), Clopidogrel (75 mg/Tag) oder einer Kombination von Acetylsalicylsäure (100 mg/Tag) und Clopidogrel (75 mg/Tag) bei Hochrisikopatienten aus, falls die Patienten keine Antikoagulation benötigen (Wang et al. 2013; Kleindorfer et al. 2021). Hochrisikopatienten können anhand des ABCD2-Scores (≥ 4) identifiziert werden. Die Therapie sollte bei Erstvorstellung unmittelbar begonnen werden, noch bevor die Patienten an eine Klinik überwiesen werden (Mbonde et al. Die wichtigste Maßnahme ist die rasche stationäre Aufnahme und Risikoabklärung in einer neurologischen Klinik. Ein transienter monokularer Visusverlust ist ein Vorläufer eines ischämischen Organschadens und sollte als Notfall behandelt werden.

Schlaganfall-Symptome und Erste Hilfe

Mancher Schlaganfall (Apoplex) kündigt sich langsam an, die meisten Schlaganfälle treten jedoch plötzlich auf. Bei einem Apoplex werden Hirnregionen aufgrund einer Mangeldurchblutung nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. In der Folge sterben Hirnzellen ab. Nach einem Apoplex zählt daher jede Minute. Umso wichtiger ist es, die Symptome bei Schlaganfall als solche möglichst schnell wahrzunehmen und sofortige Hilfe zu alarmieren.

Nicht jeder Schlaganfall zeigt die gleichen Symptome. Nur kurzzeitige Symptome bei stillen / stummen oder unbemerkten SchlaganfällenManchmal äußert sich ein Schlaganfall nur durch eine kurzzeitige taube Lippe. In diesem Fall spricht man vom sogenannten stillen oder unbemerkten Schlaganfall. Er kann eine Vorstufe von schweren Schlaganfällen sein. Daher ist auch hier schnelles Handeln gefragt. Bei einem Hörsturz (auch Ohrinfarkt) treten meist plötzliche Hörprobleme auf einem Ohr auf oder es tritt ein vollständiger Hörverlust ein. Plötzlich auftretender Schwindel bei einem Schlaganfall tritt in der Regel heftig und kombiniert mit einer Gangunsicherheit auf. Betroffene berichten hierbei meist von einem Drehschwindel oder einem Schwankschwindel. Drehschwindel gleicht dem Schwindelgefühl bei einer Karussellfahrt - die betroffene Person wird gangunsicher.

Wenn Sie bei sich oder bei einer anderen Person mögliche Symptome eines Schlaganfalls bemerken, sollten Sie unmittelbar handeln. Rufen Sie sofort den ärztlichen Notdienst, der europaweit unter der 112 erreichbar ist. Je mehr Zeit nach dem akuten Schlaganfall verstreicht, umso schwerwiegender können die Folgen sein, da Hirnzellen bei fehlender Sauerstoffversorgung innerhalb weniger Minuten absterben. Nur selten treten alle Symptome auf einmal auf. Plötzliche Symptome wie Seh- und Sprachstörungen, heftiger Schwindel, Kribbeln in Armen und Beinen, taube Finger oder Lippen, Schluckbeschwerden und Gesichtslähmungen weisen auf einen Schlaganfall hin. Nur ein Arzt kann die Diagnose Apoplex sicher bestätigen oder ausschließen. Eine einfache Test-Methode, mit der Sie einen Schlaganfall schnell erkennen können, ist der sogenannte FAST-Test.

Wenn der Notarzt eintrifft, sind für ihn drei Dinge besonders wichtig:

  1. Der Zeitpunkt des Auftretens der Symptome: Wann genau haben die Symptome begonnen?
  2. Die Art der Symptome: Welche Symptome treten auf?
  3. Vorerkrankungen und Medikamente: Welche Vorerkrankungen liegen vor und welche Medikamente werden eingenommen?

Diese Informationen sind relevant für die Auswahl der richtigen Therapie nach einem Schlaganfall. Wenn Sie wissen, dass Sie ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko haben, sollten Sie immer einen aktuellen Medikamentenplan, die Adresse Ihres Arztes und eine kurze Auflistung Ihrer Vorerkrankungen bereitliegen haben. All das kann dann dem Notarzt mitgegeben werden.

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