Schlaganfall durch Vorhofflimmern: Therapie und Leitlinien

Vorhofflimmern ist eine häufige Herzrhythmusstörung, die besonders ältere Menschen betrifft. Dabei schlagen die Vorhöfe des Herzens unkoordiniert und sehr schnell, was zu einer verminderten Blutauswurfleistung führt. Dies kann schwerwiegende Folgen haben, insbesondere das Risiko eines Schlaganfalls. Dieser Artikel beleuchtet die Therapie von Vorhofflimmern zur Schlaganfallprävention unter Berücksichtigung aktueller Leitlinien.

Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko

Durch das unkoordinierte Schlagen der Vorhöfe kann sich das Blut in den Vorhöfen stauen, insbesondere im linken Vorhofohr. Dadurch können sich Gerinnsel (Thromben) bilden. Diese Thromben können sich lösen und über den Blutkreislauf ins Gehirn gelangen, wo sie Blutgefäße verstopfen und einen ischämischen Schlaganfall verursachen. Studien zeigen, dass Vorhofflimmern das Schlaganfallrisiko im Mittel um das 4- bis 5-fache erhöht und für etwa ein Viertel aller ischämischen Schlaganfälle verantwortlich ist.

Risikobewertung mit dem CHA2DS2-VASc-Score

Zur Abschätzung des individuellen Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern wird in der Regel der CHA2DS2-VASc-Score verwendet. Dieser Score berücksichtigt verschiedene Risikofaktoren:

  • C: Congestive heart failure (Herzinsuffizienz) - 1 Punkt
  • H: Hypertension (Hypertonie, also Bluthochdruck) - 1 Punkt
  • A2: Age ≥ 75 years (Alter über 75 Jahre) - 2 Punkte
  • D: Diabetes mellitus - 1 Punkt
  • S2: Stroke/TIA (Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke in der Anamnese) - 2 Punkte
  • V: Vascular disease (Gefäßerkrankungen) - 1 Punkt
  • A: Age 65-74 years (Alter zwischen 65 und 74) - 1 Punkt
  • Sc: Sex category (weiblich) - 1 Punkt

Je höher der Score, desto höher ist das statistische Schlaganfallrisiko pro Jahr. Patienten mit einem hohen CHA2DS2-VASc-Score haben ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall, weshalb eine Antikoagulation (Blutverdünnung) empfohlen wird. Bei Männern wird dies bei 2 Punkten oder mehr empfohlen, bei Frauen ab 3 Punkten oder mehr. Neuere Leitlinien verwenden den CHA2DS2-VA-Score, eine Modifikation des CHA2DS2-VASc-Scores, bei dem das Geschlecht nicht mehr berücksichtigt wird, um geschlechtsunabhängige Empfehlungen zu geben. Ein CHA2DS2-VA-Score von mehr als einem Punkt stellt demnach jetzt geschlechtsunabhängig eine Klasse-I-Empfehlung für eine orale Antikoagulation (OAK) dar.

Leitliniengerechte Therapie zur Schlaganfallprävention

Die leitliniengerechte Therapie zur Reduktion des Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern umfasst im Wesentlichen drei Säulen:

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  1. Orale Antikoagulation: Die Antikoagulation senkt das Schlaganfallrisiko erheblich, birgt jedoch ein erhöhtes Blutungsrisiko, insbesondere für intrakranielle Blutungen.
  2. Kontrolle der Risikofaktoren: Eine Kontrolle der zugrunde liegenden Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes und Übergewicht ist essenziell.
  3. Regelmäßige kardiologische Nachsorge: Eine regelmäßige kardiologische Nachsorge ist wichtig, um den Therapieerfolg zu überwachen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.

Orale Antikoagulation: VKA vs. NOAK

Um das drei- bis fünffach erhöhte Schlaganfallrisiko bei Patienten mit Vorhofflimmern zu vermindern, wird bei allen Patienten mit einem hohen Schlaganfallrisiko eine medikamentöse Therapie mit Antikoagulantien (Blutverdünnern) empfohlen. Allerdings bringt die Blutverdünnung auch ein erhöhtes Risiko für Blutungen mit sich, insbesondere bei Patienten mit einem aufgrund von anderen Erkrankungen bereits bestehendem erhöhten Blutungsrisiko. Auch kann aus anderer Indikation die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten kontraindiziert sein.

In der Vergangenheit wurden vor allem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Warfarin oder Phenprocoumon eingesetzt. Aktuelle Leitlinien empfehlen jedoch primär den Einsatz von direkten oralen Antikoagulanzien (NOAK) wie Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban oder Dabigatran. NOAK haben in Studien eine vergleichbare oder sogar bessere Wirksamkeit bei geringerem Blutungsrisiko gezeigt, insbesondere im Hinblick auf intrakranielle Blutungen. Zudem ist bei NOAK kein regelmäßiges Monitoring der Blutgerinnung (INR-Kontrolle) erforderlich, was die Therapie für Patienten und Ärzte vereinfacht.

Die Wahl des geeigneten Antikoagulans sollte jedoch immer individuell unter Berücksichtigung des Nutzen-Risiko-Profils des Patienten erfolgen. Faktoren wie Nierenfunktion, Begleitmedikation und Patientenpräferenz spielen dabei eine wichtige Rolle.

Alternativen zur Antikoagulation: Vorhofohrverschluss

Für Patienten, bei denen eine orale Antikoagulation kontraindiziert ist oder ein hohes Blutungsrisiko besteht, kann ein Verschluss des linken Vorhofohrs (LAA) eine Alternative sein. Das linke Vorhofohr ist eine kleine Ausstülpung am linken Vorhof, in der sich bei Vorhofflimmern häufig Blutgerinnsel bilden.

Der Vorhofohrverschluss kann katheterbasiert oder chirurgisch erfolgen. Bei der katheterbasierten Methode wird ein Okkluder (ein kleines Schirmchen) über einen Katheter in das Vorhofohr eingebracht, um es zu verschließen. Dadurch können keine Blutgerinnsel mehr aus dem Vorhofohr in den Blutkreislauf gelangen und einen Schlaganfall verursachen.

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Studien haben gezeigt, dass der Vorhofohrverschluss das Schlaganfallrisiko bei Patienten mit Vorhofflimmern und Kontraindikationen für eine Antikoagulation wirksam senken kann.

Weitere Therapieansätze

Neben der Antikoagulation und dem Vorhofohrverschluss gibt es weitere Therapieansätze, die zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern beitragen können:

  • Rhythmuskontrolle: Bei manchen Patienten kann versucht werden, den normalen Herzrhythmus wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten. Dies kann durch Medikamente (Antiarrhythmika) oder durch eine Katheterablation erfolgen.
  • Frequenzkontrolle: Wenn eine Rhythmuskontrolle nicht möglich ist oder nicht erfolgreich war, kann die Herzfrequenz mit Medikamenten (z.B. Betablockern oder Kalziumkanalblockern) gesenkt werden, um die Symptome zu lindern und das Risiko für Komplikationen zu reduzieren.
  • Behandlung von Begleiterkrankungen: Die Behandlung von Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herzinsuffizienz oder Schlafapnoe ist wichtig, um das Schlaganfallrisiko zu senken und die Prognose von Patienten mit Vorhofflimmern zu verbessern.
  • Lebensstilmodifikation: Eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung, regelmäßiger Bewegung, Gewichtsreduktion bei Übergewicht, Rauchverzicht und moderatem Alkoholkonsum kann ebenfalls dazu beitragen, das Schlaganfallrisiko zu senken.

Neue Entwicklungen und Leitlinien

Die Therapie von Vorhofflimmern und die Schlaganfallprävention entwickeln sich ständig weiter. Neue Studien und Technologien führen zu neuen Erkenntnissen und Empfehlungen.

Neue Leitlinien

Im November 2023 wurden die neuen ACC/AHA/ACCP/HRS-Guidelines zu Diagnose und Management von Vorhofflimmern veröffentlicht. Diese aktualisieren frühere Leitlinien und geben neue Empfehlungen zur Risikoeinschätzung, Antikoagulation, Vorhofohrverschluss, Ablationsbehandlung und Modifikation von Risikofaktoren.

Die neuen europäischen Vorhofflimmer-Leitlinien, die von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie auf ihrer Jahrestagung im September 2024 veröffentlicht wurden, sollen eine zeitgemäße und evidenzbasierte Diagnostik und Behandlung von Vorhofflimmern sicherstellen. Die zentrale Neuerung der Leitlinie ist das sog. AF-CARE-Konzept, das die zentralen Behandlungsaspekte betont: Diagnose und Therapie von Komorbiditäten und Risikofaktoren (C), Vermeidung von Thromboembolien (A), Frequenz- und Rhythmuskontrolle (R) sowie Evaluation und kontinuierliche Nachsorgen (E).

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Frühe Katheterablation

Die Leitlinienexperten empfehlen für einige Patienten inzwischen eine frühe Katheterablation ohne zuvor eine Medikation mit Antiarrhythmika verordnet zu haben. Bei jüngeren Patienten mit symptomatischem Vorhofflimmern ohne relevante Begleiterkrankungen (und Indikation für eine rhythmuserhaltende Therapie) sollte eine frühe Katheterablation als Erstlinienbehandlung empfohlen werden. Eine Katheterablation sollte zudem Patienten mit paroxysmalem (unregelmäßig auftretendem) Vorhofflimmern und Indikation zu einer rhythmuskontrollierenden Therapie empfohlen werden, um das Fortschreiten zu einem persistierenden (anhaltendenden) Vorhofflimmern zu verhindern.

AF-SCREEN Konsortium

Bereits seit 2015 arbeiten im AF-SCREEN Konsortium Wissenschaftler aus aller Welt zusammen, um die Prävention von Vorhofflimmer-bedingten Schlaganfällen zu verbessern. Gemäß den Empfehlungen des AF-Screen Konsortiums sollte bei allen Patienten ohne bisher bekanntes Vorhofflimmern nach einem akuten ischämischen Schlaganfall oder einer TIA für 72 Stunden ein EKG-Monitoring erfolgen. Anschließend soll anhand des bestehenden Risikoprofils und der vorliegenden EKG-Befunde über ein verlängertes EKG-Monitoring entschieden werden.

Kardio-Neuro-Board

Um die Patient:innen optimal und individuell therapieren zu können, wurde ein kardiologisch-neurologisches Board bestehend aus Spezialist:innen verschiedener Fachdisziplinen campusübergreifend eingerichtet. In diesem Expertengremium werden komplexe Patientenfälle besprochen und die weitere Therapie festgelegt. In den Besprechungen geht es vor allem um Patient:innen mit Vorhofflimmern, die bereits einen Schlaganfall hatten und/oder zusätzlich ein offenes Foramen ovale (PFO) haben, was das Risiko für Schlaganfälle und Hirnblutungen erhöht.

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