Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das nicht nur lebensbedrohlich sein kann, sondern auch eine Vielzahl von Komplikationen nach sich ziehen kann. Eine besonders häufige und schwerwiegende Komplikation ist die Lungenentzündung (Pneumonie). Studien zeigen, dass verschiedene Faktoren das Risiko einer Lungenentzündung nach einem Schlaganfall erhöhen können.
Ursachen und Risikofaktoren für Schlaganfall
Ein Schlaganfall wird meist durch eine Verengung oder einen kompletten Verschluss von Blutgefäßen im Gehirn verursacht. Dies führt zu einer Unterversorgung der Gehirnzellen mit Sauerstoff, was innerhalb kurzer Zeit zum Absterben von Hirngewebe führt. Ursachen für solche Gefäßverengungen oder -verschlüsse können sein:
- Erhöhter Blutdruck
- Gefäßmissbildungen
- Störungen der Blutgerinnung
- Arteriosklerose (Fettablagerungen, die die Gefäße verengen)
- Embolien, bei denen Gefäßpfröpfe fortgespült werden und engere Arterien verschließen
- Herzrhythmusstörungen
Etwa ein Sechstel aller Schlaganfälle wird durch eine Gehirnblutung ausgelöst. Diese wird meist durch chronisch hohen Blutdruck verursacht, wodurch verkalkte Blutgefäße im Gehirn reißen und Blut ins Gehirngewebe austritt. Dies führt zu einem Druckanstieg innerhalb des Schädels, der das Gehirn zusätzlich schädigt.
Komplikationen nach einem Schlaganfall
Schlaganfälle können einen schweren Verlauf nehmen. In spezialisierten Stroke Units wird versucht, durch eine adäquate Behandlung und anschließende Maßnahmen wie Frühmobilisation und Frührehabilitation das Risiko von Komplikationen so gering wie möglich zu halten. Zu den möglichen Komplikationen gehören:
- Hirnschwellung: In vielen Fällen tritt etwa drei bis vier Tage nach einer Hirnblutung eine Hirnschwellung aufgrund von Wassereinlagerungen auf.
- Herzprobleme: Viele Schlaganfallpatienten haben bereits vorher Herzprobleme; es kann jedoch sein, dass diese erst nach der Erkrankung entstehen.
- Thrombosen und Embolien: Sind Patienten nach einem Schlaganfall länger bettlägerig, entwickeln sich häufig tiefe Beinvenen-Thrombosen.
- Druckgeschwüre (Dekubitus): Durch das Liegen können Druckgeschwüre im Steißbereich oder den Fersen entstehen.
- Epileptische Anfälle: Auch epileptische Anfälle können nach einem Schlaganfall vorkommen.
- Lungenentzündung: In der ersten Zeit nach einem Schlaganfall besteht ein erhöhtes Risiko, an einer Lungenentzündung zu erkranken.
- Blasenentzündung: Eine Blasenentzündung kommt sehr oft nach einem Schlaganfall vor.
- Depressionen: Schlaganfall-Patienten leiden oft unter Depressionen.
Das erhöhte Risiko einer Lungenentzündung nach Schlaganfall
Lungenentzündungen stellen bei Schlaganfallpatienten eine Hauptursache für die erhöhte Sterblichkeit dar. Faktoren, die dieses Risiko verstärken, sind unter anderem verminderte Bewegung, Schluckstörungen und eine Schwäche des Immunsystems, die sich nach einem Schlaganfall einstellen kann. Durch Schluckstörungen können Essensbestandteile in die Lunge gelangen und dort eine Entzündung auslösen. Menschen mit Schluckstörungen haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Lungenentzündung.
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Die MUCINS-Studie zur Selbstreinigung der Lunge
Die MUCINS-Studie untersucht, ob die Selbstreinigung der Lunge (mukoziliäre Clearance) nach einem Schlaganfall eingeschränkt ist. Hierfür werden Schlaganfallpatienten mit einer Kontrollgruppe verglichen. Die Studie wird vom NeuroCure Clinical Research Center (NCRC) und dem Zentrum für Schlaganfallforschung Berlin (CSB), Charité - Universitätsmedizin Berlin durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Zusammenhang zwischen Magenschutz-Medikamenten und Lungenentzündung
Eine retrospektive Kohortenstudie untersuchte, inwieweit verschiedene Magenschutz-Medikamente das Auftreten einer Pneumonie beeinflussen. Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) und H2-Rezeptor-Antagonisten (H2RA) werden zur Unterdrückung der Magensäure eingesetzt, um Sodbrennen zu verringern und Ulcera vorzubeugen. Da die Magensäure eine bakterizide Wirkung hat, könnte die antazide Wirkung zu Lungenentzündungen prädisponieren.
Die Studie identifizierte über 8.000 Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall. Es zeigte sich, dass die Einnahme von PPIs mit einem signifikant erhöhten Lungenentzündungsrisiko einherging. Auch bei der Verwendung von H2RA war das Pneumonie-Risiko erhöht. Im Gegensatz dazu erhöhte der Einsatz von Mukoprotektiva das Lungenentzündungsrisiko nicht. Es bestand eine signifikante Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen dem Pneumonie-Risiko und der Höhe der Tagesdosis der PPI und H2RA.
Forschungsansätze zur Bekämpfung von Lungenentzündungen
Trotz medizinischen Fortschritts verläuft eine Lungenentzündung oft schwerwiegend und führt nicht selten zum Tod. Wissenschaftler untersuchen im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) Transregio 84 "Angeborene Immunität der Lunge", wie das Immunsystem des Menschen auf die Infektion reagiert und wie sich der Krankheitsverlauf besser einschätzen lässt.
Die Forscher nutzen humane Gewebe, um wichtige, aus dem Tierversuch gewonnene Ergebnisse auf ihre Relevanz für den Menschen überprüfen zu können. Dafür werden gesunde Geweberänder von Lungenlappen, die zuvor Tumorpatienten entnommen wurden, im Labor mit Erregern der Lungenentzündung infiziert und untersucht.
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Ein wichtiger Befund ist, dass Schlaganfallpatienten häufig eine Immunparalyse in der Lunge entwickeln. Das Immunsystem fällt quasi in eine Schockstarre, und ein Bruchteil der üblichen Anzahl Keime reicht nun aus, um eine Entzündung hervorzurufen.
Neue Erkenntnisse für Impfstoffe
Charité-Forscher entdeckten, dass der Körper feststellen kann, ob ein Eindringling tot ist oder lebt. Lebt er, sucht das Immunsystem nach sogenannten pathogenassoziierten Molekülmustern im Körper. Diese Erkenntnis lässt sich für neue Impfstoffe nutzen: Lebendimpfstoffe sind effektiver als Vakzine auf Basis abgetöteter Erreger.
Bedeutung der Pneumokokken-Impfung
Experten empfehlen Menschen ab 60 Jahren eine Pneumokokken-Impfung, da das Infektionsrisiko ab diesem Alter stetig steigt.
Prophylaktische Antibiotikagabe bei Schlaganfallpatienten?
Eine Studie aus Großbritannien zeigt, dass eine prophylaktische antibiotische Behandlung bei Schlaganfallpatienten mit Schluckstörung nicht erforderlich ist, da diese die Entwicklung einer Lungenentzündung auch nicht häufiger als eine Standardtherapie ohne Antibiotika verhindern kann. Daher sollte man zunächst abwarten, ob sich überhaupt eine Lungenentzündung entwickelt, und nur dann die Betroffenen rasch antibiotisch behandeln. Wichtiger ist es, Hochrisikopatienten frühzeitig zu erkennen, um sie stationär besonders aufmerksam überwachen zu können und gleichzeitig ihre Schluckstörung zu behandeln, um Aspirationen im Vorhinein zu verhindern.
Komplikationsmanagement und Folgeschlaganfälle
Entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung und Rehabilitation nach einem Schlaganfall ist das Komplikationsmanagement. Fast 40 Prozent der Schlaganfallpatienten erleiden im ersten Vierteljahr nach dem Hirninfarkt einen Folgeschlaganfall. Eine Studie untersuchte, welche Faktoren das Risiko eines erneuten Schlaganfalls in der Frühphase nach dem Erstereignis erhöhen. Neben weiblichem Geschlecht und höherem Lebensalter beeinflussen insbesondere Infektionen und Entzündungen den Krankheitsverlauf.
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Fazit der Studie zu Prädiktoren für ungünstige Prognose
Eine niedrige mHLA-DR-Expression, höhere IL-6-Werte und eine Schlaganfall-assoziierte Pneumonie am ersten Tag nach Schlaganfall sind mit einer schlechten Prognose und einer kürzeren Überlebenszeit drei Monaten nach dem Erstereignis verbunden.
Auswirkungen einer Pneumonie auf die Überlebensrate nach Schlaganfall
Eine Studie analysierte Daten von über 8.000 Patienten und fand heraus, dass 30 Tage nach dem Insult ein höherer Prozentsatz der Patienten mit Lungenentzündung gestorben war als der Patienten ohne Pneumonie. Auch nach einem Jahr war der Anteil der Verstorbenen in der Pneumonie-Gruppe höher.
Zusammenhang zwischen Atemwegserkrankungen und kardiovaskulären Ereignissen
Die Pneumokokken-Impfung und die jährliche Grippeschutzimpfung verringern auch das Risiko für einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall. Nach einer akuten Atemwegserkrankung ist das Herzinfarktrisiko noch tagelang, das Schlaganfallrisiko sogar noch wochenlang signifikant erhöht.
Präventive Antibiotikatherapie zur Senkung des Infektionsrisikos
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass eine präventive Antibiotikatherapie das Infektionsrisiko bei Schlaganfallpatienten deutlich senken kann. In einer Studie sank die Infektionsrate in der Gruppe der Patienten mit präventiver Antibiotikatherapie deutlich im Vergleich zur Kontrollgruppe.
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