Ein Schlaganfall ist eine ernste Erkrankung, die das Leben der Betroffenen grundlegend verändern kann. Während viele Menschen einen Schlaganfall hauptsächlich mit älteren Menschen in Verbindung bringen, können auch junge Menschen, Kinder und sogar Ungeborene im Mutterleib betroffen sein. Tatsächlich nimmt die Anzahl der Schlaganfälle in der Altersgruppe zwischen 18 und 55 Jahren zu. In Deutschland erleiden jährlich rund 30.000 Menschen in diesem Alter einen Schlaganfall, auch Hirninfarkt genannt.
Definition und Häufigkeit
Wenn im Zusammenhang mit Schlaganfall von "jüngeren Menschen" die Rede ist, welche Altersgruppen sind damit gemeint? Schlaganfall ist zwar primär eine Krankheit des Alters, aber weltweit ereignen sich etwa ein Viertel aller Schlaganfälle bei Menschen unter 65 Jahren und jeder siebte Schlaganfallpatient ist jünger als 50. Bei Patienten im Alter zwischen 18 und 50 Jahren spricht man vom Schlaganfall beim jungen Menschen oder dem sogenannten juvenilen Schlaganfall. Manchmal wird auch das Alter zwischen 18 und 55 Jahren als Altersgrenze genommen.
Privatdozent Dr. Kellert erklärt, dass die Zahlen etwas auseinandergehen, da der juvenile Schlaganfall nicht einheitlich definiert ist. In Deutschland geht man von 30.000 Betroffenen unter 55 Jahren pro Jahr aus. Prof. Dr. Krämer gibt an, dass etwa 15 Prozent aller Schlaganfälle bei Menschen unter 55 Jahren auftreten, was bis zu 30.000 Schlaganfälle bei jüngeren Menschen entspricht. Die meisten sprechen von einem jungen Schlaganfall unter 45 Jahren, obwohl viele Studien auch Patientinnen und Patienten unter 55 Jahren mitberücksichtigen.
Ursachen für Schlaganfälle im jungen Alter
Ein Schlaganfall in jungen Jahren hat oft andere Ursachen als bei älteren Menschen. Es gibt Unterschiede zwischen den Ursachen bei jüngeren und älteren Menschen. Wir finden in der Altersgruppe von Schlaganfallpatienten zwischen 18 und 35 Jahren überwiegend andere, meist angeborene Ursachen als beim typischen älteren Schlaganfallpatienten: Herzfehler, Gerinnungsstörungen, vermehrt Gefäßeinrisse - sogenannte Dissektionen - und seltene Syndrome. Auch angeborene Fettstoffwechselstörungen können das Risiko für Schlaganfall erhöhen. In der Altersgruppe der 35 bis 50-jährigen hingegen findet man vorwiegend die klassischen Ursachen, wie Gefäßverkalkung oder ein durch Herzrhythmusstörung aus dem Herzen eingeschwemmtes Blutgerinnsel, die zu einer Verengung oder gar Verschluss einer Arterie führen können. Bei diesen Patienten kommen zumeist die typischen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen und geringe körperliche Aktivität zum Tragen.
Karotisdissektion
Vor allem Risse in der inneren Gefäßwand der Halsschlagader (Karotis) sind ein häufiger Grund bei den unter 45-Jährigen. Durch den Einriss (Dissektion) entsteht eine zweite Blutbahn, die die Blutversorgung zum Gehirn behindert. Bilden sich Blutgerinnsel, kann es auch zu einer Verengung oder einem Verschluss der Halsschlagader kommen, was zu einer Minderdurchblutung im Gehirn führt. Die Folge: ein Schlaganfall. Dissektionen treten meist spontan auf. Sie können schon durch ruckartige Bewegungen oder eine abrupte Dehnung des Halses, starkes Niesen, aber auch bei einem Unfall entstehen.
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Loch im Herzen
Eine andere Ursache bei jungen Menschen ist ein angeborenes Loch in der Herzscheidewand, ein persistierendes Foramen ovale, kurz PFO. Das kleine Loch zwischen den Vorhöfen tritt häufig auf und ist in der Regel ungefährlich. In seltenen Fällen bilden sich daran Blutgerinnsel, die über den Blutstrom bis in das Gehirn gelangen und dort ein Blutgefäß verschließen können.
Lebensstil
Auch Risikofaktoren für die Gefäße wie hoher Blutdruck, Nikotin, Diabetes, hohe Blutfette, mangelnde Bewegung und Übergewicht können schon im jüngeren Alter zu einem Schlaganfall führen. Daneben gibt es auch viele Fälle, bei denen unklar bleibt, was den Schlaganfall ausgelöst hat. Trotz umfangreicher Untersuchungen wird bei einem Drittel aller Schlaganfälle keine eindeutige Ursache gefunden.
Hormonelle Faktoren
Bei den unter 35-Jährigen sind Frauen häufiger betroffen, da die Thrombosegefahr durch die Einnahme von Hormonpräparaten wie der Antibabypille steigt. Auch Migräne, die bei Frauen häufiger auftritt, erhöht das Schlaganfallrisiko. Ab dem Alter von 45 Jahren nimmt der Anteil der Männer aber zu, weil diese dann häufiger von den typischen Risikofaktoren für die Gefäße betroffen sind. Zwischen 18 und 35 Jahren sind Frauen statistisch gesehen häufiger vom Schlaganfall betroffen als Männer. Bei ihnen spielen das Risiko der Pille - vor allem im Zusammenspiel mit Rauchen - und der Risikofaktor Migräne mit Aura eine besondere Rolle. Deutlich mehr Frauen als Männer leiden unter Migräne. Auch Schwangerschaften erhöhen das Risiko für einen Schlaganfall: Um die Entbindung, bzw. die Zeit kurz nach Entbindung, ist das Schlaganfallrisiko erhöht. In der Altersspanne von 35 bis 50 Jahren sind dann wiederum Männer häufiger vom Schlaganfall betroffen. Im höheren Alter näheren sich Männer und Frauen wieder an.
Seltene Ursachen
Andere seltene Ursachen sind zum Beispiel Gefäßentzündungen (Vaskulitiden), Gerinnungsstörungen (Thrombophilien) oder auch Schlaganfälle durch Gerinnsel aus dem Herzen (kardioembolisch) u.a. durch Defekte der Herzscheidewand (paradoxe Embolien), die im höheren Alter selten eine Rolle spielen. Ärzte gehen davon aus, dass bis zu einem Viertel der Schlaganfälle bei unter 50-Jährigen durch eine so genannte Spontane Gefäß-Dissektion einer Halsarterie entstehen: Durch eine kleine Verletzung kommt es zu einem Einriss in der Gefäßinnenwand. Es bildet sich ein Wandhämatom, das zu einer Engstelle oder sogar einem Gefäßverschluss führt. Andere Ursachen für einen juvenilen Schlaganfall können zum Beispiel Gerinnungsstörungen sein oder auch Blutgefäßentzündungen.
Symptome und Diagnose
Plötzlich auftretende halbseitige Lähmungserscheinungen, Gefühlsstörungen, Schwindel und/oder Sprach- und Sehstörungen sind klassische Symptome für einen Schlaganfall. Bei einem Gefäßeinriss an der Halsschlagader klagen Betroffene oft über Halsschmerzen. Da man diese aber nicht unbedingt mit einem Schlaganfall in Verbindung bringe, werde ein Schlaganfall bei jungen Patienten nicht immer erkannt, so der Neurologe. Dabei müssen Betroffene schon beim geringsten Verdacht umgehend in eine spezielle Schlaganfalleinrichtung, eine Stroke Unit, gebracht werden. Wenn man Schlaganfall-Symptome verspürt, sofort die 112 anrufen. Dann muss man reagieren. Wenn der Patient das nicht kann, muss das Umfeld reagieren.
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Der FAST-Test
Der FAST-Test hilft, die Symptome schnell zu erkennen:
- Face (Gesicht): Die Person bitten zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin.
- Arms (Arme): Die Person bitten, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, ein Arm sinkt oder dreht sich.
- Speech (Sprache): Die Person bitten, einen einfachen Satz nachzusprechen. Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor.
- Time (Zeit): Nicht zögern, unverzüglich die 112 wählen und die Symptome schildern.
Behandlung und Rehabilitation
Ist ein Gefäßverschluss die Ursache für den Schlaganfall erfolgt eine Akuttherapie mittels Thrombolyse. Dabei wird ein Medikament über die Vene verabreicht, das das Gerinnsel auflösen soll. Reicht das nicht aus, erfolgt eine Thrombektomie. Dabei wird das Gerinnsel im Gehirn über einen Katheter entfernt. Je nach Ausmaß des Schlaganfalls sind nach der Behandlung unter Umständen umfassende Maßnahmen zur Rehabilitation nötig.
Motorische Ausfälle und neurologische Folgeschäden wie Lähmungen oder Gleichgewichtsstörungen werden mit Physio- und Ergotherapie behandelt, Sprach- und Stimmstörungen mit Logopädie. Im ersten halben Jahr nach einem Schlaganfall sind die größten Fortschritte zu erwarten. Junge Menschen erholen sich körperlich oft besser, weil das Gehirn noch anpassungsfähig ist, um Defizite zu kompensieren. Nach einem Schlaganfall geht es dann vor allem darum, verlorene Funktionen wieder zu erlernen. Und das ist richtig harte Arbeit. Auch hier gilt: keine Zeit verlieren. Denn in den ersten drei bis sechs Monaten nach einem Schlaganfall ist die Kompensationsfähigkeit des Gehirns am höchsten.
Prävention
Nach einem Schlaganfall steigt die Gefahr, dass er sich wiederholt. Die gute Nachricht: Betroffene können selbst viel tun, um das Risiko für einen zweiten Schlaganfall zu senken. Regelmäßig Sport treiben, gesunde und ausgewogene Ernährung, auf Nikotin verzichten und den Alkoholkonsum begrenzen.
Risikofaktoren minimieren
Jeder kann selbst frühzeitig aktiv werden und sein Risikoprofil senken. Dazu gehören:
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- Regelmäßig Sport treiben
- Gesunde und ausgewogene Ernährung
- Auf Nikotin verzichten
- Alkoholkonsum begrenzen
- Den Blutdruck kontrollieren und gegebenenfalls behandeln
- Eine Blutzuckertherapie machen, falls Blutzuckerwerte erhöht sind
- Auf keinen Fall Drogen nehmen
- Sich gesund ernähren
Frauen und ihre Risiken
Noch immer glauben viele, ein Schlaganfall trifft vor allem Männer. Das Problem: Frauen kennen für sie typische Risiken nicht. Die Einnahme der Antibabypille ist nur eines davon.
Zunehmende Fallzahlen bei Jüngeren
Immer wieder liest man Meldungen, dass die Anzahl der Schlaganfälle bei jüngeren Menschen anscheinend steigt. Auf welchen Daten beruhen diese Aussagen, wie belastbar sind sie? Diese Daten stammen zumeist aus Registern, die auf den Diagnosekodierungen der Krankenhäuser beruhen. Im Juni 2017 wurde beispielsweise eine solche Studie aus Amerika von George et al. im anerkannten Journal JAMA Neurology publiziert. Ähnliche Studien gibt es auch aus Europa bzw. Schweden und Frankreich. Alle Studien zeigen einen Anstieg in den Schlaganfallzahlen bei jüngeren Menschen, wohingegen die Anzahl an Schlaganfallpatienten insgesamt stagniert bzw. Ein vermehrtes Auftreten von Schlaganfällen kann aber auch z. B. durch veränderte Definitionen und Diagnosemethoden begründet sein. In der Schlaganfalldiagnostik spielt beispielsweise die MRT-Bildgebung eine immer größere Rolle. Sie ist qualitativ besser geworden und wird mittlerweile sehr häufig eingesetzt, so dass heutzutage auch Schlaganfälle erkannt werden, die vor 10 oder 15 Jahren unentdeckt geblieben wären. Es scheint also einen Trend zu geben, jedoch lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen, wie groß der Anstieg tatsächlich ist.
Fazit
Ein Schlaganfall im jungen Alter ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die oft andere Ursachen hat als bei älteren Menschen. Frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um Folgeschäden zu minimieren. Durch einen gesunden Lebensstil und die Vermeidung von Risikofaktoren kann jeder sein persönliches Schlaganfallrisiko senken. Es ist wichtig, die Symptome eines Schlaganfalls zu kennen und im Verdachtsfall sofort zu handeln.
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